Mit Urteil vom 08.07.2010 (42 C 15/10) hat das AG Rostock die R+V Allgemeine Versicherung AG zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 227,38 € zzgl. Zinsen sowie vorgerichtlicher RA-Kosten verurteilt. Das Gericht erachtet die Schwacke-Liste als geeignete Schätzungsgrundlage gem. § 287 ZPO.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist zulässig und weitgehend begründet. Im Übrigen ist sie unbegründet.
Das Amtsgericht Rostock ist örtlich zuständig. Klagegrund ist eine unerlaubte Handlung, ungeachtet der Abtretung, mit der lediglich der Forderungsinhaber wechselt. Der Gerichtsstand des § 32 ZPO gilt auch für den Direktanspruch gegenüber dem Haftpflichtversicherer nach § 115 Abs. 1 VVG.
Die Beklagte ist dem Kläger gemäß 115 Abs. 1 VVG in Verbindung mit § 7 Abs. 1 StVG, § 398 BGB zum Schadensersatz in Höhe von 227,38 € verpflichtet.
Die hundertprozentige Eintrittspflicht der Beklagten dem Grunde nach für aus dem in Rede stehenden Verkehrsunfall vom xx.xx.2009 resultierende Schäden ist unstreitig geblieben.
Die Klägerin ist zu Geltendmachung der streitgegenständlichen Mietwagenkosten aktiv legitimiert. Die Geschädigte hat ihre Ansprüche gegen die Beklagte wirksam an den Kläger abgetreten, § 398 BGB.
Die Abtretung vom xx.xx.2009 ist nicht wegen Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) unwirksam.
Nach § 3 RDG ist die selbstständige Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen nur in dem Umfang zulässig, in dem sie durch das Gesetz oder durch oder aufgrund anderer Gesetze erlaubt wird. Rechtsdienstleistung ist jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, soweit sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert (§ 2 Abs. 1 RDG). Rechtsdienstleistung ist, unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen von § 2 Abs. 1 RDG, die Einziehung fremder oder zum Zweck der Einziehung auf fremde Rechnung abgetretener Forderungen, wenn die Forderungseinziehung als eigenständiges Geschäft betrieben wird (Inkassodienstleistungen). § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG. § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG, der den Anwendungsbereich gegenüber § 2 Abs. 1 RDG erweitert („unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des Abs. 1“), findet keine Anwendung, weil der Kläger den Forderungseinzug nicht als eingenständiges Geschäft (Inkassodienstleistung) betreibt. Der Kläger ist gewerblicher Autovermieter. Zu seiner Haupttätigkeit gehört die Autovermietung, während sich die Forderungseinziehung als bloße Nebenleistung darstellt (vgl.§ 5 RDG; AG Bonn, Urteil vom 04.12.2008, AZ: 2 C 236/08). Einschlägig ist vielmehr § 2 Abs. 1 RDG. Maßgeblich ist insoweit die Frage, ob es sich um die Tätigkeit in einer fremden oder einer eigenen Angelegenheit handelt. Dass das Tatbestandsmerkmal der fremden Angelegenheit gesondert zu prüfen ist, folgt daraus, dass eine Tätigkeit in einer eigenen Angelegenheit, die eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert, keine registrierungspflichtige Rechtsdienstleistung darstellt. Das bedeutet, dass das Tatbestandsmerkmal „rechtliche Prüfungs des Einzelfalls“ erst dann zum Tragen kommt, wenn eine Tätigkeit in einer konkreten fremden Angelegenheit bejaht wurde. Maßgebliches Abgrenzungskriterium ist mithin die Frage, ob eine eigene oder eine fremde Angelegenheit vorliegt (vgl. LG Mönchengladbach, Urteil vom 20.01.2009, AZ: 5 S 110/08).
Bei der vorliegenden gerichtlichen Durchsetzung der betreffenden Schadensersatzansprüche durch den Autovermieter handelt es sich nicht um die geschäftsmäßige Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten. Der Kläger hat sich nämlich nicht sämtliche Ansprüche der Geschädigten gegen den Schädiger abtreten lassen. Die Abtretung ist vielmehr auf die Ersatzansprüche hinsichtlich der Mietwagenkosten beschränkt. Dies spricht schon gegen eine umfassende Besorgung fremder Angelegenheiten im Sinne des § 2 Abs. 1. RDG (vgl.LG Mönchengladbach a.a.O.). Darüberhinaus erfolgte die Abtretung an Erfüllung statt. Ansprüche des Autovermieters gegen die Unfallgeschädigte bestehen damit nicht mehr. Die Durchsetzung der Ansprüche erfolgt daher nicht im Interesse der Unfallgeschädigten, sondern im eigenen Interesse des Autovermieters (vgl. AG: Hannover, Urteil vom 12.12.2005, AZ: 549 C 12655/05).
Nach § 249 BGB kann als Herstellungsaufwand vom Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer als erforderlicher Herstellungsaufwand grundsätzlich der Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangt werden, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte ist dabei nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm zumutbaren von mehreren Möglichkeiten den wirtschaftlicheren Weg zur Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet für den Bereich der Mietwagenkosten, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeuges (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis ersetzt verlangen kann.
Die Geschädigte hat das Ersatzfahrzeug zum Normaltarif angemietet. Insoweit ist ein Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot nicht ersichtlich, da vorliegend der berechnete Tarif dem Schwacke-Mietpreisspiegel 2008 entspricht, ohne dass ein unfallbedingter Aufschlag erfolgt wäre. Entspricht nämlich der Mietwagentarif dem Wert aus dem Schwacke-Mietpreisspiegel 2008, muss der Geschädigte keine Bedenken gegen die Angemessenheit der Preise haben. Insbesondere besteht für ihn dann keine Verpflichtung, sich nach günstigeren Preisen zu erkundigen (vgl. LG: Dresden, Urteil vom 09.04.2009, AZ: 8 O 3165/08). Dies gilt auch dann – wenn wie vorliegend – die Anmietung erst ca. einen Monat nach dem Unfall erfolgt ist.
Den „Normaltarif“ hat das Gericht nach § 287 ZPO auf der Grundlage des Schwacke-Mietpreisspiegels 2008 geschätzt, dem gegenüber der Studie des Frauenhofer Instituts der Vorzug zu geben ist. Denn die Studie des Frauenhofer Instituts räumt selbst ein, dass ihre Datenbereitstellung ohne Anspruch auf Richtigkeit, Aktualität und Vollständigkeit erfolgt sei. Die Frauenhofer Untersuchungen geben zum weit überwiegenden Teil nur Auskunft über 6 Internetanbieter. Dagegen spricht für den Schwacke-Mietpreisspiegel 2008 die große Anzahl an Befragungen und berücksichtigten Preisen. Auch berücksichtigt der Schwacke-Mietpreisspiegel 2008 die Abbildung regionaler Unterschiede, da er nach dreistelligen Postleitzahlenbezirken differenziert (vgl. LG: Dresden a.a.O.).
Erhebliche Einwendungen gegen die Anwendbarkeit des Schwacke-Mietpreisspiegels 2008 hat die Beklagte nicht vorgebracht. Zwar darf die Schadenshöhe nicht auf der Grundlage falscher oder offenbar unsachlicher Erwägungen festgesetzt werden. Wesentliche, die Entscheidung bedingende Tatsachen dürfen nicht außer Acht bleiben. § 287 ZPO rechtfertigt es nicht, dass das Gericht in für die Streitentscheidung zentralen Fragen auch nach Sachlage unerlässliche fachliche Kenntnisse verzichtet. Doch ist es nicht Aufgabe des Tatrichters, lediglich allgemein gehaltenen Angriffen gegen die Schätzgrundlage nachzugehen. Einwendungen gegen die Grundlagen der Schadenbemessung sind nur dann erheblich, wenn sie auf den konkreten Fall bezogen sind. Deshalb gab die Eignung von Listen oder Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden können, nur dann Anlass zur Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass die geltend gemachten Mängel der betreffenden Schätzgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall auswirken (BGH, Urteil vom 11.03.2008, AZ: VI ZR 164/07).
Angesichts der Tatsache, dass die Geschädigte ein Fahrzeug eine Klasse unter der ihres verunfallten Fahrzeuges in Anspruch genommen hat, muss sie sich keinen Abzug wegen ersparter Eigenaufwendungen anrechnen lassen.
Dass mit der Geschädigten die berechneten Wahlleistungen vereinbart wurden, ist nachgewiesen durch Vorlage des Mietvertrages vom 09.11.2009 (Anlage K2). Da durch die Vereinbarung eines zweiten Fahrers ausweislich der Rechnung keine zusätzlichen Kosten entstanden sind, ist es insoweit auch unerheblich, ob eine solche Vereinbarung getroffen wurde.
Die Kosten für die für das Ersatzfahrzeug abgeschlossene Versicherung bzw. Haftungsbegrenzung sind von der Beklagten zu erstatten, und zwar unabhängig davon, ob das eigene Fahrzeug der Geschädigten zum Unfallzeitpunkt entsprechend abgesichert war. Der durch einen fremdverschuldeten Unfall Geschädigte kann bei Inanspruchnahme eines Mietwagens die Aufwendungen für eine Versicherung grundsätzlich ersetzt verlangen, weil er während der Mietzeit einem erhöhten wirtschaftlichen Risiko ausgesetzt ist {vgl. BGH, Urteil vom 25.10.2005, AZ: VI ZR 9/05).
Weiter sind nach § 249 BGB die Verbringungskosten erstattungsfähig.
Nicht erstattungsfähig sind die Kosten für die Ausstattung des Mietfahrzeuges mit Winterreifen.
Zunächst sind Ersatzkosten für die Anmietung eines Fahrzeugs mit Winterreifen nur dann, wenn auch das Unfallfahrzeug mit Winterreifen ausgestattet war (vgl. AG Chemnitz, Urteil vom 08.06.2000, AZ: 15 C 1052/00). Denn anderenfalls wäre die Geschädigte besser gestellt gewesen, als sie es gewesen wäre, wenn ihr eigenes Fahrzeug nicht beschädigt worden wäre. Vorliegend aber fehlt es an Vortrag, dass das beschädigte Fahrzeug über Winterreifen verfügte.
Darüberhinaus kann und darf ein Kunde, der bei winterlichen Straßenverhältnissen von einer professionellen Autovermietung ein Fahrzeug anmietet, darauf vertrauen, dass das Fahrzeug mit einer ordnungsgemäßen, verkehrssicheren und der Jahreszeit entsprechenden Bereifung, dass heißt mit Winterreifen ausgestattet ist. Zusatzkosten für Winterreifen kann der Autovermieter nicht verlangen und diese sind auch nicht vom Verkehrsunfallschädiger zu ersetzen (vgl. AG Landau, Urteil vom 03.07.2007, AZ: 3 C 311/07, AG Rostock, Urteil vom 02.10.2008, AZ: 42 C 112/08).
Dass die Geschädigte GmbH nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt war, hat der Kläger nachgewiesen durch die Vorlage der Anlage K1. Angesichts der Tatsache, dass die Beklagte bereits einen Teilbetrag auf die Rechnung des Klägers erstattet hat, ohne die Berechnung der Mehrwertsteuer zu monieren und die Beklagte auch im gerichtlichen Verfahren die Vorsteuerabzugsberechtigung nicht substantiiert betritten hat, bedurfte es insoweit keines weiteren Nachweises (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 26.09.2005, AZ: 17 B 199/05) .
Die Zinsforderung ist – soweit erkannt – begründet unter dem Gesichtspunkt des Verzuges (§§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1, Abs. 2, Ziffer 3, 288 Abs. 2 BGB). Im Übrigen ist die Zinsforderung mangels Vorliegens einer berechtigten Hauptforderung, mit der die Beklagte hätte in Verzug geraten können, unbegründet.
Die Kosten der außergerichtlichen Vertretung durch einen Rechtsanwalt sind dem Kläger nach §§ 249, 280 Abs. 1 BGB zu erstatten. Die Kosten der außergerichtlichen Vertretung sind fällig, da insoweit mit Klageerhebung die Angelegenheit, das heißt die außergerichtliche rechtsanwaltliche Vertretung, beendet gewesen ist.
Die Abrechnung nach einem Streitwert von bis 300,-€ ist nicht zu beanstanden. Der Abrechnung nach diesem Streitwert stünde nur dann § 254 BGB entgegen, wenn der Rechtsanwalt Möller mit der gesamten Schadensangelegenheit außergerichtlich beauftragt gewesen wäre und den 300,-€ übersteigenden Wert für seine Gebührenberechnung angesetzt hätte. Hierzu allerdings ist von der insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten nicht vorgetragen worden.
Der Vortrag der Beklagten in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 29.06.2010 gab nach dem Ermessen des Gerichts keinen Anlass, die bereits geschlossene mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen (§ 156 ZPO).
Danach war die Beklagte – soweit erkannt – zu verurteilen. Im Übrigen war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Mangel Vorliegens der Voraussetzungen des § 511 Abs. 4 ZPO war die Berufung nicht zuzulassen.
Soweit das AG Rostock.
Urteilsliste “Mietwagenkosten” zum Download >>>>>
Siehe auch: CH-Beitrag vom 08.01.2014