Die zuständige Richterin der 9. Zivilabteilung des Amtsgerichtes Cham (Bayern) weist insbesondere die Beklagtenseite mit Hinweisverfügung vom 4.8.2010 in einem Rechtsstreit mit dem Aktenzeichen 9 C 362/10 um restliche Sachverständigenkosten auf Folgendes hin:
1. Eine Ex-post-Überprüfung der Angemessenheit der Gutachterkosten ist nicht Aufgabe des Gerichtes. Die Angemessenheit der Vergütung gem. § 632 BGB spielt lediglich eine Rolle bei einem Rechtsstreit zwischen Gutachter und Geschädigtem, darf aber nicht dazu führen, dass der Geschädigte im Verhältnis zum Haftpflichtversicherer des Unfallgegners benachteiligt wird. Gleiches gilt für die Prüfbarkeit von Rechnungen. Diese Anforderung gilt nur im Verhältnis der Werkvertragsparteien !
Vielmehr gilt gem. § 249 BGB der Grundsatz der Totalreparation, bei der es darauf ankommt, ob ein verständiger und wirtschaftlich denkender Mensch aus maßgeblicher ex-ante-Sicht die Aufwendungen für erforderlich halten durfte. Die Gutachterkosten sind demnach grundsätzlich eine ersatzfähige Schadensposition.
Vielmehr entspricht es dem berechtigten Interesse des Geschädigten, sich für die mögliche Auseinandersetzung mit einem wirtschaftlich stärkeren und juristisch erfahrenerem Haftpflichtversicherer entsprechend zu rüsten. Allein ein Kostenvoranschlag als bloße Schätzung der Reparaturkosten genügt dem berechtigten Interesse des Geschädigten nicht. Vielmehr muss er die Reparaturwürdigkeit anhand des Wiederbeschaffungswertes und des Restwertes beurteilen können und auch einen Minderwert beziffern können. Auch war die Beauftragung eines Gutachters nicht unbillig, da es sich nicht um einen von vornherein als Bagatellschaden erkennbaren Schaden handelt.
Grundsätzlich sind demnach auch überhöhte Gutachterkosten erstattungsfähig ( etwa: BGH Urt. v. 30.11.2004 – VI ZR 365/03 -; BGH Urt. v. 23.1.2007 – VI ZR 67/06 -; Palandt, 69 Aufl. 2010, § 249 BGB Rdnr. 58 m.w.N.: Palandt § 315 BGB Rdnr. 10). Selbst wenn sich die Schadenshöhe im Nachhinein als ungerechtfertigt erweisen sollte, ändert dies nichts an der Höhe des ersatzfähigen Schadens, denn die Begutachtung dient gerade der Feststellung der Schadenshöhe, so dass sich anderenfalls ein Zirkelschluss ergäbe. Eine ex-post-Betrachtung verbietet sich, da Gutachterkosten zulässigerweise an der Schadenshöhe bemessen werden, die durch das Gutachten erst festgestellt werden sollen wie etwa die Höhe des merkantilen Minderwertes, der Reparaturkosten oder der Reparaturwürdigkeit (vgl. etwa: BGH Urt. v. 23.1.2007 – VI ZR 67/06 -). Dies benachteiligt den Unfallgegner und dessen Haftpflichtversicherung auch nicht unbillig, da erkennbar überhöhte Gutachterkosten nicht ersatzfähig sind und damit der Dispositionsfreiheit des Geschädigten durchaus Grenzen gesetzt sind. Diese Grenzen sind jedoch im Interesse des Geschädigten, der dem Schädiger als Schadensverursacher und dessen Haftpflichtversicherung gegenüber schutzwürdig ist, nicht eng zu fassen im Interesse eine Schutzes des Schwächeren, wie etwa durch die Wertungen des VVG zum Ausdruck kommt.
Die Orientierung an der Schadenshöhe ist nach den Angaben des Sachverständigen auch üblich ( vgl. auch Palandt § 315 BGB, Rdnr. 10). Pauschalierungen sind ebenso wie bei der gleichfalls eingeklagten Unkostenpauschale zulässig, um Verwaltungskosten zu reduzieren.
Auch legt das Gericht bei der Beurteilung der Erforderlichkeit die BVSK-Honorarbefragung zugrunde. Hinzu kommt, dass diese nachträgliche Preiskontrolle nur einen Rückschluss darauf zulässt, ob die Gutachterkosten aus der maßgeblichen ex-ante-Sicht für erforderlich gehalten werden durften. Lediglich gravierende, auch einem Laien erkennbare Abweichungen können allenfalls eine Kürzung rechtfertigen. Auch konstatieren die BVSK-Honorarbefragungen, dass die Schadenshöhe , die der Berechnung des Grundhonorars zugrunde liegt, sich aus Nettoschadenshöhe samt Wertminderung zusammensetzt. Eine Abrechnung des Sachverständigen nach Stunden ist demnach ebenso wenig notwendig wie bei der Bemessung von Rechtsanwaltskosten, die sich ebenfalls von Gesetzes wegen am Streitwert als fester Größe orientieren, § 2 Abs. 1 RVG. Aufgrund dieser gesetzgeberischen Wertung ist auch die Orientierung der Sachverständigen an der Schadenshöhe als sachgerecht anzusehen.
Bei der Bejahung eines Verstoßes gegen die Schadensminderungspflicht, wofür der Schädiger darlegungs- und beweispflichtig ist, ist ebenfalls Vorsicht geboten. Insbesondere ist ein Geschädigter, anders als bei der Anmietung eines Ersatzfahrzeuges, nicht zur Markterkundung verpflichtet (BGH Urt. v. 23.1. 2007 – VI ZR 67/06 -), wenn sich für ihn keinerlei Anhaltspunkte für eine überhöhte oder willkürliche Abrechnung ergeben. Dies gilt umso mehr als sich die Kosten auch im Nachhinein als insgesamt angemessen herausstellten. Ein Auswahlverschulden ist hierdurch nicht begründet.
Auch ist der Sachverständige nicht Erfüllungsgehilfe des Geschädigten im Sinne eines im Pflichtenkreis des Geschädigten Tätigen, §§ 254 II 2, 278 BGB. Er wird gerade nicht im Rahmen einer Pflicht des Geschädigten gegenüber dem Versicherer tätig, sondern im Interesse des Geschädigten selbst.
2. Im konkreten Streitfall ist auch die Ermittlung der Reparaturkosten nicht entbehrlich, da nur so im Vergleich mit dem Wiederbeschaffungswert die Reparaturbedürftigkeit anhand der 130%-Grenze festgestellt werden kann.
3. … Zum Nachweis der Zahlung der Sachverständigenkosten genügt dem Gericht zunächst die Übermittlung einer Zahlungsbestätigung durch den Sachverständigen.
Die Parteien erhalten Gelegenheit zur Äußerung und Vorlage der Unterlagen binnen 2 Wochen.
So die Hinweisverfügung der Richterin aus Cham.
Die Richterin der 9. Zivilabteilung bei dem Amtsgericht Cham hat`s aber drauf. Der macht so leicht kein HUK-Anwalt im Schadensersatzrecht etwas vor. Vielleicht hat sie aber auch bei Captain-HUK mitgelesen und ihre Kenntnis aus diesem Blog. Auf jeden Fall hat sie ordentlich gearbeitet. Hut ab! Willi, berichte , wie die Parteien weiter verfahren wollen.