Die erkennende Richterin der 1. Zivilabteilung des Amtsgerichtes Cham hat mit Urteil vom 9.7.2010 – 1 C 680/09 – die VN der Huk-Coburg zur Zahlung restlicher Sachverständigenkosten verurteilt. Da das Urteil sehr genau begründet ist, meine ich, dass es wert ist, im Volltext hier angegeben zu werden. Nachstehend daher das Urteil des AG Cham vom 9.7.2010:
Endurteil
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger den Kläger 147,91 € weitere Reparaturkosten, Gutachterkosten von 503,37 €, sowie weitere außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 86,63 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 2.538,40 € seit 08.08.2008 bis 10.09,2008, aus 646,28 € seit 11.09.2008, aus 316,18 € vom 08.08.2008 bis 14.11,2008, aus 86,63 €seit 15.11.2008. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Gerichtskosten tragen der Kläger 11 %, die Beklagte 89%.
Von den außergerichtlichen Kosten tragen der Kläger 5 %, die Beklagte 95 %.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers, durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Berufung gegen das Urteil wird zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 2.695,40 €, ab dem 19.09.2008 auf 803,28 €, ab dem 08.07.2009 auf 416,73 €, ab dem 31.07.09 auf 573,73 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten um restliche Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall, der sich am 11.07.2008 auf der Bundesstraße zwischen Kettersdorf und Ramsried gegen 07:40 Uhr ereignete. Der Unfallhergang ist zwischen den Parteien unstreitig. Es besteht Streit lediglich in Bezug auf die Schadenshöhe.
Der Kläger war zum Unfallzeitpunkt Eigentümer des Pkw Marke Opel Astra mit dem amtlichen Kennzeichen CHA-LR …, die Beklagte war Fahrerin des PkW VW Passat, amtl. Kennzeichen CHA-AW …. Beide Pkw befuhren die genannte Straße in Richtung R., wobei vor der Beklagten ein Lkw fuhr, während der Kläger wiederum hinter der Beklagten fuhr. Trotz geraden Streckenverlaufs überholte die Beklagte den Lkw nicht, sodass der Kläger daraufhin den linken Fahrtrichtungsanzeiger betätigte und den Überholvorgang einleitete. Als sich der Kläger unmittelbar neben dem Fahrzeug der Beklagten befand, schwenkte diese ohne Vorwarnung nach links aus, sodass der Kläger nach links auswich und hierbei mehrere Leitpfosten streifte und überfuhr. Hierdurch wurde die linke Seite des Pkw des Klägers verkratzt und der Außenspiegei beschädigt.
Der Kläger forderte die Haftpflichtversicherung der Beklagten zur Schadensregulierung unter Fristsetzung bis zum 07.08.2008 auf. Eine Regulierung des Schadens erfolgte binnen dieser Frist nicht.
Der Kläger machte zunächst folgende Schadenspositionen geltend:
– Reparaturkosten in einer Gesamthöhe von 1.710,03 €
– Gutachterkosten in Höhe von 503,37 €
– Wertminderung in Höhe von 300,00 €
– Nutzungsausfall von 4 Tagen á 38 €, insgesamt also 152,00 €
– Unkostenpauschale von 30,00 €
– Außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 361,17 € mit einem Ansatz von 1,5 aus einem Streitwert von 2.695,40 €
Hiervon wurden seitens der beklagtischen Haftpflichtversicherung am 10.09.2008 gezahlt:
– auf die Reparaturkosten 1.562,12 €, sodass noch 147,91 € verblieben
– auf die Wertminderung 300,00 €
– auf die Unkostenpauschale 25,00 €, sodass noch 5,00 € verbleiben. Weiterhin wurden am 14.11.2008 229,55 € gezahlt.
Der Kläger behauptet, für ihn sei nicht erkennbar gewesen, worauf diese letztgenannte Zahlung verrechnet werden sollte, sodass er 77,55 € auf die Gutachterkosten und auf den Nutzungsausfall 152,00 € verrechnet habe.
Der Kläger hat die Klage in Höhe von 1.892,12 € aufgrund der am 10.09.2008 erfolgten Zahlung durch die beklagtische Haftpflichtversicherung mit Schreiben vom 16.09.2008, bei Gericht eingegangen am 19.09.2008, zurück genommen. Er beantragt auch insofern Kostentragung durch die Beklagte. Ebenfalls hat er im Termin am 08.07.2009 Klagerücknahme erklärt hinsichtlich der Nutzungsausfallentschädigung in Höhe von 152,00 € mangels Reparaturnachweises und die Pauschale gemäß richterlichem Hinweis auf 25 € beschränkt. Des Weiteren hat der Kläger den Rechtsstreit mit Schriftsatz vom 27.11.2008, bei Gericht eingegangen am 01.12.2008, in Höhe von 229,55 € für erledigt erklärt aufgrund der Zahlung seitens der Haftpflichtversicherung am 14.11.2008. Die Beklagte hat der Erledigterklärung zugestimmt. Am 31.07.2009 forderte der Kläger nunmehr die Nutzungsausfallentschädigung unter Verweis auf einen Nachschaubericht, der die tatsächlich erfolgte Reparatur nachweisen sollte.
Der Kläger beantragt nunmehr,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 147,91 € weitere Reparaturkosten, Gutachterkosten von 503,37 €, Nutzungsausfall von 152,00 € sowie weitere außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 131,62 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 2.695,40 € seit 08.08.2008 bis 09.09.2008, aus 808,28 vom 10.09.2008 bis 14.11.2008 und aus 578,73 € seit 15.11.2008, aus 361,17 € vom 08.08.2008 bis 14.11.2008, aus 131,62€seit 15.11.2008.
Die Beklagte beantragt
kostenpflichtige Klageabweisung sowie Kostentragung des Klägers hinsichtlich der Klagerücknahme.
Die Beklagte bestreitet, dass das klägerische Fahrzeug tatsächlich repariert wurde. Daher sei kein Nutzungsausfall entstanden. Sie ist der Ansicht, bei den Reparaturkosten sei ein Abzug vorzunehmen aufgrund der Kalkulation der HP Claim Controlling. Daraus ergebe sich etwa ein nicht nachvollziehbarer Ansatz von Arbeitsstunden und Arbeitsplatzwechseln sowie nicht erforderliche Reinigung des klägerischen Fahrzeugs. Auch die Gutachterkosten seien überhöht, sodass nur der erforderliche Aufwand zu ersetzen sei. Sie macht weiterhin geltend, die Rechtsanwaltsgebühren seien mit 1,3 aus dem regulierten Betrag anzusetzen. Auch könne lediglich eine Unkostenpauschale von 25,00 € angesetzt werden. Die Beklagte macht schließlich geltend, die Verrechnung der 2. Zahlung von rund 229 € sollte erkennbar auf die Anwaltsgebühren erfolgen.
Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das Protokoll vom 08.07.2009 sowie die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen Dipl-lng. L. sowie durch Urkundsbeweis. Insoweit wird Bezug genommen auf die Ausführungen im Termin laut Sitzungsniederschrift vom 08.07.2008 sowie in der schriftlichen Gutachtensergänzung vom 01.03.2010 und die beiderseits beigefügten Anlagen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nur zum Teil begründet.
I. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Amtsgericht Cham sachlich und örtlich zuständig nach §§ 1 ZPO, 23 Nr. 1, 71 GVG sowie §§ 12, 32 ZPO.
II. Die Klage ist hinsichtlich der Gutachterkosten und der weiteren Reparaturkosten erfolgreich. Nutzungsausfall konnte dem Kläger nicht zugesprochen werden, sodass auch die Anwaltskosten entsprechend zu reduzieren waren und darüber hinaus nur mit 1,3 anzusetzen sind.
1. Die Rechtsansicht der Beklagten, wonach die Gutachterkosten überhöht und daher nicht ersatzfähig seien, geht fehl. Diese sind vielmehr in voller Höhe von 503,37 € ersatzfähig. Hierüber war trotz der zunächst erfolgten Teilerledigterklärung seitens des Klägers weiterhin in voller Höhe zu entscheiden, da die Beklagtenseite dem nicht zustimmte und auch die Fiktion des § 91a Abs. 1 S. 2 ZPO mangels Belehrung nicht griff. Der Kläger konnte also jederzeit seine als Umstellung auf eine Feststellungsklage zu verstehende einseitige Erledigterklärung wieder in einen Leistungsantrag umformulieren, § 264 Nr. 2 ZPO.
a. Die Angemessenheit der Vergütung gem. § 632 BGB spielt lediglich eine Rolle bei einem Rechtsstreit zwischen Gutachter und Geschädigtem, darf aber nicht dazu führen, dass der Geschädigte im Verhältnis zum Haftpflichtversicherer des Unfallgegners benachteiligt wird.
b. § 249 BGB bringt den Grundsatz der Totalreparation zum Ausdruck. Der Grundgedanke des Schadensersatzrechts ist der Ausgleich des gesamten entstandenen Schadens. Einschränkungen ergeben sich einerseits aus dem Kriterium der Erforderlichkeit im Sinne des § 249 Abs. 2 BGB/wofür der Geschädigte die Beweislast trägt und der Schadensminderungspflicht gem. § 254 Abs. 2 BGB, wofür der Unfallgegner beweispflichtig ist.
aa. Die Gutachterkosten sind demnach grundsätzlich eine ersatzfähige Schadensposition. Vielmehr entspricht es dem berechtigten Interesse des Geschädigten, sich für die mögliche Auseinandersetzung mit einem wirtschaftlich stärkeren und juristisch erfahrenerem Haftpflichtversicherer entsprechend zu rüsten. Allein ein Kostenvoranschlag als bloße Schätzung der Reparaturkosten genügt dem berechtigten Interesse des Geschädigten nicht. Vielmehr muss er die Reparaturwürdigkeit anhand von Wiederbeschaffungswert und Restwert beurteilen können und auch einen Minderwert beziffern können. Auch war die Beauftragung eines Gutachters nicht unbillig, da es sich nicht um einen von vorneherein als Bagatellschaden erkennbaren Schaden handelte.
bb. Die Erforderlichkeit ist aber aus einer ex-ante-Sicht eines verständigen und wirtschaftlich denkenden Geschädigten zu beurteilen, sodass es maßgeblich darauf ankommt, ob der Geschädigte diese Kosten für erforderlich halten durfte. Grundsätzlich sind demnach auch überhöhte Gutachterkosten erstattungsfähig (etwa BGH, Urt. v. 30.11.2004 – VI ZR 365/03; v. 23.01.2007 – VI ZR 67/06; Palandt, 69. Aufl. 2010, § 249 BGB Rn. 58 mwN; §315 BGB Rn. 10). Selbst wenn sich die Schadenshöhe im Nachhinein als ungerechtfertigt erwiese, ändert dies nichts an der Höhe des ersatzfähigen Schadens. Denn die Begutachtung dient gerade der Feststellung der Schadenshöhe, sodass sich andernfalls ein Zirkelschuss ergäbe. Eine ex-post-Betrachtung verbietet sich, da Gutachterkosten zulässigerweise an der Schadenshöhe bemessen werden, die durch das Gutachten erst festgestellt werden sollen wie etwa die Höhe des merkantilen Minderwertes, der Reparaturkosten oder der Reparaturwürdigkeit (vgl. etwa BGH, Urt. v. 23.01.2007 –VI ZR 67/06). Dies benachteiligt den Unfallgegner und dessen Haftpflichtversicherung auch nicht unbillig, da erkennbar überhöhte Gutachterkosten nicht ersatzfähig sind und damit der Dispositionsfreiheit des Geschädigten durchaus Grenzen gesetzt sind. Diese Grenzen sind jedoch im Interesse des Geschädigten, der dem Schädiger als Schadensverursacher und der Haftpflichtversicherung gegenüber schutzwürdig ist, nicht zu eng zu fassen im Interesse eines Schutzes des Schwächeren, wie er etwa durch die Wertungen des VVG zum Ausdruck kommt.
cc. Die Orientierung an der Schadenshöhe ist nach den Angaben des Sachverständigen auch üblich (vgl. auch Palandt, §315 BGB Rn. 10). Pauschalierungen sind ebenso wie bei der gleichfalls eingeklagten Unkostenpauschale zulässig, um Verwaltungskosten zu reduzieren. Auch konstatieren die BVSK-Honorarbefragungen, dass die Schadenshöhe, die der Berechnung des Grundhonorars zugrunde liegt, sich aus Nettoschadenshöhe von 1.710,03 samt Wertminderung von 300,00 € zusammensetzt, also insgesamt 2.010,03 € Eine Abrechnung des Sachverständigen nach Stunden ist demnach ebenso wenig notwendig wie bei der Bemessung von Rechtsanwaltskosten, die sich ebenfalls von Gesetz wegen am Streitwert als fester Größe orientieren, § 2 Abs. 1 RVG. Aufgrund dieser gesetzgeberischen Wertung ist auch die Orientierung der Sachverständigen an der Schadenshöhe als sachgerecht anzusehen.
c. Der dem Gericht als kompetenter Sachverständiger bekannte Dipl. Ing. L. kam zu dem ausführlich und nachvollziehbar dargelegtem Ergebnis, dass die Gutachterkosten selbst bei einer ex-post-Betrachtung insgesamt nicht überhöht waren. Demzufolge durfte der Kläger aus der maßgeblichen ex-ante-Sicht diese erst recht für erforderlich halten. Die Beurteilung erfolgte sowohl auf der Grundlage der BVSK-Liste 2005/2006 als auch aus 2008/2009, da Erstere vom Sachverständigen Z. zugrundegelegt wurde, während letztere die zum Unfallzeitpunkt maßgebliche war. Trotz zum Teil geringfügiger Überschreitungen der durchschnittlichen Werte in Einzelpositionen kam der Gutachter zu dem nachvollziehbar begründetem Ergebnis, dass aufgrund zum Teil erheblicher Unterschreitung dieser Werte die Kosten für das Gutachten insgesamt nicht überhöht waren. Die Gutachterkosten halten daher selbst einer nachträglichen Preiskontrolle, die den Gerichten verwehrt ist, stand, sodass dies erst recht für die maßgebliche ex-ante-Sicht gelten muss.
aa. Das Grundhonorar blieb mit 314 € sowohl innerhalb des Rahmens der BVSK-Liste 2005/2006, wonach bis zu 320,00 € veranschlagt werden als auch 2008/2009, wonach bis zu 341 € regional bzw. 345 € überregional in Ansatz gebracht werden.
bb. Der Ansatz für die Lichtbilder mit 2,50 € pro Stück blieben im Rahmen der BVSK-Liste 2005/2006 mit einem Maximalbetrag von 2,60 €, überschreiten die Maximal-Werte 2008/2009 geringfügig um 0,14 € bundesweit bzw. 0,17 € regional. Ob nun alle Fotos tatsächlich erforderlich waren, vermag der Geschädigte als Laie nicht zu beurteilen. Er kann vielmehr auf die Einschätzung des Sachverständigen vertrauen, sofern keine Anhaltspunkte für ihn bestehen, an dessen Integrität zu zweifeln. Derartiges ist auch von Beklagtenseite nicht vorgetragen, sodass auch hier aus der maßgeblichen ex-ante-Sicht keine Überschreitung der erforderlichen Aufwendungen zu verzeichnen ist.
cc. Auch die mit 20,00 € angesetzten Schreibkosten für 8 Seiten inklusive der 3 Duplikate unterschreiten die Durchschnittswerte der BVSK 2008/2009 deutlich. Bundesweit werden pro Seite bis zu 3,40 € pro Seite und je Kopie bis zu 1,71 € verlangt, regional bis zu 3,00 € und je Kopie bis zu 1,85 €. Die Gesamtschreibkosten inklusive der Duplikate unterschreiten diese Werte deutlich.
dd. Porto und Telekommunikationskosten von 20,00 € bleiben ebenfalls innerhalb des Gebührenkorridors. Nach BVSK 2008/2009 ergeben sich Pauschalen bis zu 23,12 € bundesweit und bis zu 22,00 € regional.
ee. Üblicherweise pauschal abgerechnete Fahrtkosten in Höhe von 39,00 € überschreiten die nach BVSK 2008/2009 angesetzten 30,00 € bzw. 30,56 € Pauschale um 9,00 €. Geht man hingegen von einer kilometergenauen Berechnung der Fahrtkosten aus, unterschreiben die Fahrtkosten die BVSK-Werte 2008/2009 deutlich, da bis zu 1,10 € pro Kilometer, also bei 66 km Fahrt hin und zurück bis zu 72,60 € in Ansatz zu bringen sind. Auch der Korridor der BVSK 2005/2006 mit einem Maximalbetrag von 1,00 € pro Kilometer wird bei einem Ansatz mit 0,39 € nicht überschritten.
d. Einen Verstoß gegen die Schadensminderunqspflicht wird beklagtenseits weder dargelegt noch unter Beweis gestellt
aa. Insbesondere ist ein Geschädigter, anders als bei der Anmietung eines Ersatzfahrzeugs, nicht zur Markterkundung verpflichtet (BGH, Urt. v. 23.012007 – VI ZR 67/06). Für ihn ergaben sich keinerlei Anhaltspunkte für eine überhöhten oder willkürlichen Abrechnung, zumal sich die Kosten auch im Nachhinein als insgesamt angemessen herausstellten. Ein Auswahlverschulden fällt dem Kläger daher nicht zur Last.
bb. Auch ist der Sachverständige nicht Erfüllungsgehilfe des Geschädigten im Sinne eines im Pflichtenkreis des Geschädigten Tätigen, §§ 254 Abs. 2 S. 2 , 278 BGB. Er wird gerade nicht im Rahmen einer Pflicht des Geschädigten gegenüber dem Versicherer tätig, sondern im Interesse des Geschädigten selbst. Eine Kürzung des Schadensersatzanspruches unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen die Schadensminderungspflicht kommt daher nicht in Betracht.
2. Auch die restlichen Reparaturkosten sind aus ähnlichen Erwägungen heraus in voller Höhe zu erstatten. Ein Abzug gemäß der Kalkulation der HP Claim-Controlling ist nicht vorzunehmen. Diese Kosten entstanden dem Kläger tatsächlich und sind daher als Schaden ersatzfähig. Bei Abzug der gezahlten 1.562,12 € von den geforderten 1.710,03 € stehen dem Kläger demnach weitere 147,91 € zu.
Auch steht aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen L. zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Ersatzteilaufschläge selbst bei einer ex-post-Betrachtung üblich sind, da von sämtlichen Opel-Vertragshändlern erhoben, sodass auch sie erst recht der ex-ante-Betrachtung standhalten.
Auch die Wechsel des Arbeitsplatzes waren angebracht, um nach erfolgter Demontage und anschließender Vermessung die Lackierarbeiten durchführen zu können. Auch insofern waren die Angaben des Sachverständigen nachvollziehbar, zumal der Sachverständige nicht lediglich vollumfänglich das vorgerichtlich eingeholte Gutachten übernahm, sondern durchaus Kürzungen im Hinblick auf die veranschlagte Arbeitsstundenzahl vornahm.
Auch diese Kürzungen aus der ex-post-Betrachtung können im konkreten Fall aber nicht zur Kürzung des Schadensersatzes des Klägers führen, da aus seiner ex-ante-Sicht eines Laien kein Anlass bestand, die Arbeitsstunden in Zweifel zu ziehen. Die Reparaturkosten waren insgesamt nicht völlig außerhalb eines vernünftigen Rahmens.
3. Die Rechtsanwaltsgebühren steht dem Kläger nur hinsichtlich des berechtigten Forderungsbetrages unter Ansatz von 1,3 Gebühren zu.
Die Zahlung am 14.11.2008 in Höhe von 229,55 € erfolgte erkennbar auf die Anwaltsgebühr im Sinne des § 366 Abs. 1 BGB. Zum Einen war zwischen den Parteien der Anfall der Nutzungsentschädigung in Streit, sodass für den Kläger erkennbar war, dass eine Verrechnung hierauf nicht erfolgen konnte. Seine diesbezüglichen Ausführungen sind daher als Schutzbehauptungen zu werten. Auch wurde ausweislich des beklagtenseits vorgelegten Bildschirmauszugs bei der Überweisung neben dem Aktenzeichen angegeben, dass die Zahlung auf die 1,3 Gebühr verrechnet werden sollte.
Es ist zudem eine Kürzung der klägerseits angesetzten 1,5-Gebühr auf 1,3 vorzunehmen, da trotz Bestreitens dieses Ansatzes kein Vortrag dazu erfolgte, der einen erhöhten Ansatz über dem Durchschnittswert rechtfertigte. Bei einer berechtigten Forderung von insgesamt 2.538,40 € (Reparaturkosten in einer Gesamthöhe von 1710,03 €, Gutachterkosten in Höhe von 503,37 €, Wertminderung in Höhe von 300,00 €, Unkostenpauschale von 25,00 €) ergeben sich insgesamt berechtigte Anwaltskosten inklusive Pauschale und Mehrwertsteuer von 316,18 €. Abzüglich gezahlter 229,55 € bleiben 86,63 €.
4. Über den Nutzungsausfall in Höhe von 152,00 € war trotz zunächst erfolgter Klagerücknahme zu entscheiden. Als Prozesshandlung kann diese zwar nicht widerrufen oder angefochten werden, jedoch bleibt es dem Kläger nicht verwehrt, diese im gleichen Prozess erneut geltend zu machen. Der Beklagten bleibt es lediglich vorbehalten, die Einlassung hierauf zu verweigern, § 269 Abs. 6 ZPO, wovon sie keinen Gebrauch machte. Auch die zunächst erfolgte einseitige Erledigterklärung hindert die Entscheidungsbefugnis des Gerichts nicht. Insofern gilt das zu den Gutachterkosten bereits Gesagte.
Jedoch blieb der Kläger insofern beweisfällig trotz des Hinweises der Beklagtenseite, eine ungefähre Angabe der Reparaturdauer reiche nicht. Dem ist vollumfänglich zuzustimmen. Der Nachweis der Reparatur erfordert eine Fixierung der Reparaturdauer. Ein Nachschaubericht, der eine Reparaturdauer von 3-4 Tagen angibt, genügt diesen Anforderungen nicht und lässt berechtigte Zweifel nicht schweigen im Sinne des § 286 ZPO.
5. Die Zinsforderung folgt aus §§ 286, 288 BGB.
Tatsächlich standen dem Kläger zunächst insgesamt 2.538,40 € zu. Hierauf wurden am 10.09.2008 1.892,12 € gezahlt, sodass 646,28 € offen blieben. Die abhängig davon errechneten Anwaltsgebühren von zunächst 316,18 € reduzierten sich aufgrund der am 14.11.2008 erfolgten Zahlung auf 86,63€.
6. Die einheitliche Kostenentscheidung ergibt sich zum Einen aus §§91, 92 ZPO, zum Anderen aus § 269 Abs. 3 S. 2, 3 ZPO hinsichtlich der Klagerücknahme sowie aus § 91 a ZPO hinsichtlich der übereinstimmend für erledigt erklärten Anwaltskosten in Höhe von 229,55 € (zur Berechnung der Quoten siehe Knöringer, 10. Auflage, S. 142/143).
7. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711, 709, 2 ZPO.
So das Endurteil des AG Cham. Es lohnt sich immer eine Reise nach Cham!
„Die Angemessenheit der Vergütung gem. § 632 BGB spielt lediglich eine Rolle bei einem Rechtsstreit zwischen Gutachter und Geschädigtem, darf aber nicht dazu führen, dass der Geschädigte im Verhältnis zum Haftpflichtversicherer des Unfallgegners benachteiligt wird.“ Immer wieder die gleiche Leier bei den HUK-Anwälten. Nur, die Richterin aus Cham fällt darauf nicht rein. Insgesamt ist festzustellen, dass die Richterinnen am AG Cham wissen, wo es lang geht. Die Hinweisverfügung der Richterin der 9. Zivilabteilung hatte den gleichen Inhalt. Festzuhalten ist, dass werkvertragliche Gesichtspunkte im Schadensersatzprozess nichts zu suchen haben.
@ Claus Clever 25.08.2010 18:26
Hallo Claus,
sehr richtig! Von den HUK-Anwälten wird immer und immer wieder die Angemessenheit und Üblichkeit des Sachverständigenhonorares beim Schadensersatzprozess des Geschädigten (oder des Sachverständigen aus abgetretenem Recht)vorgebracht. Im Schadensersatzprozess haben werkvertragliche Gesichtspunkte nicht zu suchen. Im Schadensersatzprozess sei es des Geschädigten gegen den Schädiger oder des Sachverständigen aus abgetretenem Recht hat §§ 632 ff BGB (Werkvertraglicher Honoraranspruch) nichts zu suchen, sondern vielmehr kommt es im Rahmen des § 249 BGB auf die Erforderlichkeit an. Nirgends im § 249 BGB steht „angemessen“ oder „üblich“. Aber das Wort „erforderlich“ steht da. Man kann schon fast den Verdacht hegen, die HUK-Anwälte wollten mit ihrer „Üblichkeit und Angemessenheit“ mit dem Kopf durch die Wand des Rechts. Die Folge sind nur Kopfschmerzen und Blessuren.Vielleicht merken sie es dann einmal, wenn es wirklich wehtut.
Mit freundlichen Grüßen
Willi
Hi, Willi Wacker,
im Ergebnis ist dem Unfallopfer zwar auch das durch die HUK-Coburg gekürzte Sachverständigenhonorar als Schadenersatzposition zugesprochen worden, jedoch sind die Entscheidungsgründe m. E. nicht deutlich genug auf Schadenersatz abgestellt, denn die Richterin befaßt sich wiederum mit Einzelpositionen aus der Rechnung des Sachverständigen unter Angemessenheits- und Üblichkeitsgesichtspunkten. Das aber betrifft Werkvertragsrecht. Insofern war eigentlich auch ein Gutachten zur Honorarhöhe gerade nicht erforderlich, denn angeblich bestehende Überprüfungserfordernisse hat der BGH deutlich genug zurückgewiesen. Die Erforderlichkeit bezieht sich nach meinem Verständnis auch vielmehr auf die Berechtigung zur Einholung eines qualifizierten und versicherungsunabhängigen Beweissicherungs-Gutachtens und nicht primär auf das Sachverständigenhononar in Relation zur Höhe des ermittelten Fahrzeugschadens, denn es gibt bekanntlich auch genügend Fälle, wo zwangsläufig das Sachverständigenhonorar die unfallbedingte Schadenhöhe deutlich übersteigt und zwar sogar bei einer Abrechnung nach dem Justizvergütungsgesetz. Was soll denn eigentlich weshalb zu teuer sein ? Vielleicht alles , was über das „Gesprächsergebnis“ der HUK-Coburg mit dem BVSK hinausgeht? Da lobe ich mir doch die zweifelsohne klarere und realistisch erstellte Honorarerhebung des VKS ohne jedwede „Klassifizierung“ in fiktive Gruppen. Gleichwohl muss man aber auch mal deutlich sagen, dass jede Honorarerhebung letztlich idealisiert unterstellt, dass alle befragten Sachverständigen im gleichen Fall auch zu einem gleichen Ergebnis finden würden, was bekanntlich allein schon unter Berücksichtigung deutlich unerschiedlicher Qualifikationen und Positionierungen nicht der Fall ist. Man könnte also allenfalls Honorarbandbreiten in die Abwägung stellen, was allerding wiederum aus einer ex-ante-Sicht des Unfallopfers nicht diskutabel sein kann. Das zentrale Thema beschränkt sich somit auf 2 beurteilungsrelevante Fragen.
1) Trifft das Unfallopfer ein Auswahlverschulden ?
2.) Ist dem Unfallopfer ein Verstoß gegen die Schadenminderungspflicht vorzuwerfen ?
Beides trifft im Regelfall nicht zu und wird bezeichnenderweise auch von der HUK-Coburg nicht behauptet. Hingegen operiert die HUK-Coburg mit anderen „Scheinargumenten“, die schadenersatzrechtlich nicht relevant sind. Aber letztlich hat auch der BGH die Frage offen gelassen, wann und woran denn das Unfallopfer hätte erkennen müssen, dass es sich auf das Risiko eines zu teuren Gutachtens eingelassen hat. Aber das ist bestimmt nicht der „Maßstab“, mit dem die HUK-Coburg rechtswidrig jongliert. Vielleicht sehe ich aber da auch noch etwas unvollständig und lasse mich gern von den Experten aus beiden Lagern belehren.
Mit freundlichem Gruß
R.G.
@Das AG Cham unter@ „c. Die Gutachterkosten halten daher selbst einer nachträglichen Preiskontrolle, die den Gerichten verwehrt ist, stand, sodass dies erst recht für die maßgebliche ex-ante-Sicht gelten muss.“
—
So ganz ist dieser Satz, vor dem Hintergrund der offensichtlich erfolgten ausführlichen Prüfung und Kontrolle auf BVSK-Basis, nicht zu verstehen.
Oder habe ich da was nicht verstanden?
Wehpke Berlin
SV Wehpke Donnerstag, 26.08.2010 um 12:47
@Das AG Cham unter@ “c. Die Gutachterkosten halten daher selbst einer nachträglichen Preiskontrolle, die den Gerichten verwehrt ist, stand, sodass dies erst recht für die maßgebliche ex-ante-Sicht gelten muss.”
—
So ganz ist dieser Satz, vor dem Hintergrund der offensichtlich erfolgten ausführlichen Prüfung und Kontrolle auf BVSK-Basis, nicht zu verstehen.
Oder habe ich da was nicht verstanden?
Wehpke Berlin
Keine Sorge, Herr Kollege,
Sie haben alles richtig verstanden und gegen Ihre Infragestellung ist demnach auch nichts einzuwenden.
Schöne Grüße
nach Berlin
IDH
Hallo Herr Wehpke,
zu Ihrer Frage, ob Sie was übersehen haben, kann ich Ihnen sagen nein. Insoweit ist das Urteil der jungen Richterin aus Cham auf den ersten Blick widersprüchlich. Zunächst stellt sie fest, dass die Sachverständigenkosten, wenn sie aus der ex-ante-Sicht des Geschädigten als notwendig angesehen werden, einer gerichtlichen Kontrolle nicht unterlegen, dann prüft sie die einzelnen Schadenspositionen sogar noch durch Beweisaufnahme durch Gutachten eines gerichtlich bestellten Gutachters. Nach der Beweisaufnahme stellt sie dann allerdings klar, dass sogar aus der ex-post-Betrachtung heraus die Kosten erforderlich sind. Das bedeutet, dass sie sagt, sogar wenn man aus nachträglicher Sicht die Sachverständigenkosten betrachtet und diese sogar im Nachhinein noch durch einen Gutachter überprüfen lässt und der Gutachter aus rückschauender Sicht sogar die Kosten vor erforderlich erachtet, dann mussten diese aus der ex-ante-Sicht des Klägers schon erst recht als erforderlich betrachtet werden. Damit hat sie ihr Urteil „wasserdicht“ gemacht, zumal sie die Berufung zugelassen hat.
Eigentlich hätten wenige Sätze ausgereicht. Der Kläger sah die Beauftragung des qualifizierten SV in seiner Situation (ex ante) für erforderlich an. Ein Auswahlverschulden bei der Beauftragung des SV kann ihm nicht vorgeworfen werden. Mithin sind die vom SV berechneten Kosten erforderlich, weil zweckentsprechende Rechtsverfolgungskosten oder erforderlicher Wiederherstellungsaufwand, wenn die vorherige Begutachtung erforderlich war.
Mit freundlichen Grüßen nach Berlin
Willi Wacker
So hat auch noch der Gerichtssachverständige ein paar Euro verdienen können, das war doch nett von der Richterin. 🙂
Und mit dem Vorgehen kann sich letztlich auch niemand beschweren, denn mehr konnte die Richterin nicht machen.
Viele Grüße
Andreas
Hallo Herr Wacker,
ich kann Ihrer Argumentation zwar folgen weil sie m.E. richtig und nachvollziehbar ist, finde aber, dass dieser „Entscheidungsprozess“ der Richterin, hier jedenfalls, Souveränität vermissen lässt. Wenn alle Verfahren derart verkompliziert würden, dann ging bald gar nichts mehr.
Wehpke Berlin
Lieber Herr Wehpke,
wenn Sie wüßten, wie z.B. die HUK-Anwälte mit über 30 und mehr Seiten langen Schriftsätzen die erkennenden Richter zumüllen. Auf unzähligen Seiten werden (sinnlose) Ausführungen über Angemessenheit und Ortsüblichkeit von Sachverständigenhonoraren bzw. Unangemessenheit gerade der im Streite stehenden Sachverständigenkosten gemacht. Das Gericht muss insoweit schon auf die vorgebrachten Argumente eingehen. Es reicht zwar, wenn das Gericht im Urteil vermerkt, dass es auf das umfangreiche Vorbringen der Beklagten nicht ankommt, da es sich im zu entscheidenden Fall um einen Schadensersatzprozess handelt. Bedauerlicherweise fällt auch der eine oder andere Richter bzw. Richterin auf den vorgetragenen Blödsinn rein. Werkvertragliche Gesichtspunkte sind im Schadensersatzprozess schlichtweg eine Themaverfehlung. Hinsichtlich der Souveränität muß ich allerdings die noch nicht verbeamtete Richterin in Schutz nehmen. Sie hat lehrbuchgerecht These für These abgehandelt. Bleiben wir also menschlich.
Mit freundlichen Grüßen nach Berlin
Ihr Willi Wacker
Lieber Herr Wacker,
zugegeben – Ihre Argumente sind gut. Ich glaube aber trotzdem, dass es auch etwas kürzer gegangen wäre.
Und was die „Textbausteinkanone“ der HUK-Coburg angeht, so wird die „Munition“ hierfür von der Startegieabteilung der HUK-Coburg zentral geliefert.
Wie sonst wären die von Ihnen angeführten ellenlangen Schriftsätze mit fast austauschbaren (unsinnigen) Inhalten landab landauf sonst zu erklären?
Ich habe aber den Eindruck und daher auch die Hoffung, dass immer mehr Gerichte sich nicht länger ein X für ein U vormachen lassen wollen.
Mit freundlichen Grüßen
Wehpke Berlin
Hallo Herr Wehpke,
auch ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass die Richter/innen sich baldigst nicht mehr ein X für ein U vormachen lassen. Dafür ist ja auch dieser Blog gedacht. Je mehr mitmachen und je mehr auf diesen Blog hinweisen, um so schneller wird die Aufklärung erfolgen.
Ich wünsche Ihnen noch ein regenfreies Wochenende
mit freundlichen Grüßen in die Bundeshauptstadt
Ihr Willi Wacker