Nachdem der Versicherungsnehmer der HUK-Coburg Versicherung sich, laut eigener Aussage, die Zahlungsaufforderung des vom Geschädigten beauftragten Sachverständigen an den Badspiegel heftet, damit er morgens etwas zu lachen hat, musste der Kläger das Amtsgericht Geislingen bemühen. Unter der Geschäftsnummer 3 C 306/10 erging sodann am 26.08.2010 das nachstehende Urteil, das wohl nicht unbedingt zur weiteren Erheiterung des HUK-Versicherungsnehmers beigetragen hat.
Das Gericht urteilte im vereinfachten schriftlichen Verfahren gemäß § 495 a ZPO:
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Euro 482,16 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 13.3.2010 zu bezahlen, abzüglich am 15.07.2010 gezahlter Euro 189,50.
2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von Euro 40,95 zu bezahlen.
3. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Parteien wird nachgelassen, die gegen sie gerichtete Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
5. Die Berufung gegen dieses Urteil wird zugelassen.
6. Der Streitwert wird auf Euro 482,16 festgesetzt.
Tatbestand:
Die Klägerin macht einen Anspruch auf Zahlung restlichen Schadensersatzes aus dem Verkehrsunfall vom 5.12.2009 in Geislingen geltend.
Der Unfallhergang und die Alleinhaftung des Beklagten ist unstreitig.
Streitgegenständlich ist lediglich die Erstattungsfähigkeit restlicher Sachverständigenkosten in Höhe von Euro 482,16.
Am 7.12.2009 beauftragte der Zeuge H. im Namen der Geschädigten G. die Klägerin, ein Haftpflichtgutachten im Hinblick auf die am Fahrzeug eingetretenen Unfallschäden zu erstellen (wegen des Inhalts des schriftlichen Auftrags nebst AGB wird auf die Anlage zur Klagschrift und zum Schriftsatz vom 13.7.10 verwiesen, Bl. 12 + 65 ff.). Am 7.12.2009 unterzeichnete die Geschädigte auch eine schriftliche Sicherungsabtretungserklärung zu Gunsten der Klägerin (wegen des genauen Inhalts wird auf die Anlage zur Klagschrift verwiesen, Bl. 12). Nach Erstattung des schriftlichen Gutachtens stellte die Klägerin eine Vergütung in Höhe von Euro 671,66 brutto am 14.12.2009 in Rechnung (verwiesen wird auf das schriftliche Gutachten und die Rechnung gemäß Anlage zum Sitzungsprotokoll, Bl. 12). Hierauf wurden Euro 189,50 vorgerichtlich und weitere Euro 189,50 nach Zustellung der Klage an die Klägerin bezahlt (Bl. 80).
Mit Anwaltsschreiben vom 18.2.2010 teilte die Geschädigte unter Bezugnahme auf die Sicherungsabtretungserklärung mit, dass sie mit der Geltendmachung des offenen Restbetrags durch die Klägerin einverstanden sei (wegen des genauen Inhalts des Anwaltsschreibens wird auf die Anlage zur Klagschrift verwiesen, Bl. 12).
Die Klägerin vertritt die Auffassung,
sie sei aktiv legitimiert, weil die Geschädigte ausweislich des Anwaltsschreibens vom 18.2.2010 (Anlage zur Klagschrift) erfolglos in Anspruch genommen worden sei.
Die von der Klägerin in Ansatz gebrachte Gebührenhöhe sei nicht Gegenstand der Überprüfung des Gerichts, es sei nach Schadensersatzrecht und nicht nach Werkvertragsrecht zu urteilen, weil die Klägerin aus abgetretenem Recht vorgehe. Es könne daher allenfalls ein Auswahlverschulden der Geschädigten vorliegen. Ein solches Auswahlverschulden liege nicht vor. Hinsichtlich des geltend gemachten Rechnungsbetrages werde auf die zwischen der Geschädigten und der Klägerin vereinbarten allgemeinen Geschäftsbedingungen nebst Honorartabelle Bezug genommen (wegen des Inhalts der AGB und wegen der Rechnungspositionen im Einzelnen wird auf den Schriftsatz der Klägerseite vom 13.7.2010 nebst Anlagen Bezug genommen, Bl. 63 ff.).
Die Klägerin beantragt,
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Euro 482,16 nebst 5% Zinsen über dem Basiszins seit 13.3.2010 zu bezahlen, abzüglich am 15.7.10 gezahlter Euro 189,50.
2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von Euro 40,95 zu bezahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte trägt vor,
die Aktivlegitimation werde bestritten. Die geltend gemachte Vergütung sei überhöht.
Wegen des weitergehenden Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze jeweils nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist begründet.
Der Klägerin steht der geltend gemachte, restlicher Kostenerstattungsanspruch in Höhe von Euro 482,16, abzüglich am 15.07.2010 gezahlter Euro 189,50, aus abgetretenem Recht zu (§ 7 StVG i.V.m. §§ 249, 398 BGB).
Unter Berücksichtigung des vorliegenden Schadensgutachtens war die Geschädigte grundsätzlich berechtigt, ein Gutachten zur Feststellung des Fahrzeugschadens einzuholen. Ausweislich des von ihr eingeholten Schadensgutachtens betragen die unfallbedingten Reparaturkosten Euro 1.633,24 netto. Insoweit handelt es sich nach Auffassung des Gerichts um keinen Bagatellschaden (vgl. Palandt BGB 67. Aufl., § 249 BGB, Rd.-Nr.40 : Bagatellschaden bis Euro 700,-).
Nach einem Verkehrsunfall sind die Kosten eines Sachverständigenhonorars, das auf der Basis der Schadenshöhe kalkuliert wird, grundsätzlich gemäß § 249 Abs. 2 BGB erstattungsfähig (BGH NJW2006, 2472; Zöller ZPO 27. Aufl., § 91 Rd.-Nr. 13 „Privatgutachten“). Hierbei kann der Geschädigte als erforderlichen Herstellungsaufwand jedoch nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens als zweckmäßig und angemessen erscheinen, wobei das Wirtschaftlichkeitsgebot und die Schadensminderungspflicht zu beachten sind.
Hieraus resultiert nicht die Pflicht des Geschädigten, den ihm zugänglichen Markt zu erforschen, um den preisgünstigsten Sachverständigen ausfindig zu machen (Hörl NZV 2003, 305).
Im vorliegenden Fall liegen keine Anhaltspunkte vor, dass die Klägerin seine Schadensminderungspflicht verletzt hat und dass andere, im Raum Göppingen ansässige, Gutachter das hier streitgegenständliche Gutachten in derselben Qualität zu einem erheblich geringeren Honorar angefertigt hätten. Anhaltspunkte für ein Auswahlverschulden der Geschädigten sind nicht gegeben. Es ist nicht davon auszugehen, dass die unterschiedlichen Arten der Honorarberechnung von Sachverständigen bei Geschädigten bekannt sind.
Durch die Bezugnahme der Klägerin auf die allgemeinen Geschäftsbedingungen und die Honorartabelle ist die vorgenommene Honorarberechnung bezüglich des Grundhonorars und der Nebenkosten nachvollziehbar. Die erstattungsfähigen Nebenkosten werden auf die geltend gemachten Beträge gemäß § 287 ZPO geschätzt. In § 8 der allgemeinen Geschäftsbedingungen wird auf die vorliegende Honorartabelle hinsichtlich des Grundhonorars Bezug genommen. Dies ergibt bei den nach dem Schadensgutachten zu Grunde zu legenden Reparaturkosten in Höhe von netto Euro 1.633,24 ein Grundhonorar von netto Euro 369,50.
Gemäß § 8 der allgemeinen Geschäftsbedingungen können Nebenkosten und Auslagen in tatsächlich anfallender (gegen entsprechenden Nachweis) oder vereinbarter Höhe (ohne Nachweis) verlangt werden. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass neben der Höhe des Grundhonorars auch die Höhe der Nebenkosten vereinbart worden ist, sind nicht gegeben. Da auch keine Nachweise dafür vorgelegt wurden, dass die in Ansatz gebrachten Nebenkosten tatsächlich angefallen sind, werden diese gemäß § 287 ZPO auf die geltend gemachten Beträge geschätzt.
Das Gericht ist im Rahmen des vorliegenden Verfahrens zur Auffassung gelangt, dass die hinsichtlich der einzelnen Nebenkostenpositionen in Ansatz gebrachten Beträge im Rahmen des Angemessenen liegen. Die von Beklagtenseite zitierte Rechtsauffassung des Gerichts, die im Termin zur mündlichen Verhandlung am 4.5.10 im Verfahren 3 C 212/10 geäußert wurde, wird insoweit nicht aufrechterhalten (Anlge B4, Bl. 27).
Die Nebenforderungen beruhen auf §§ 286, 288 BGB.
Die Zulassung der Berufung ergibt sich aus § 511 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 1 ZPO.
Kostenentscheidung §§91. 91a ZPO.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Ziff. 11,711 ZPO.
Schnörkellos und endlich einmal ohne Bezug auf BVSK.
Ein Richter mit Durchblick der sich nicht auf die HUK-Spur locken ließ, nicht einmal ansatzweise, bravo!
Außerdem ein kluger SV mit einer Honorartabelle, also einem vorher fest vereinbarten Entgelt. Also nix mit §§ 315,316 BGB, ortsüblich etc.
Es war keine Vetragslücke zu schliessen, es war lediglich der restliche Schadenersatz zu zahlen
Sehr gut!
Mit diesem Urteil hat das erkennende Gericht seine bisherige Rechtsauffassung aufgegeben, auf die die Gegenseite schriftsätzlich noch hingewiesen hatte (vgl. Seite 27 d. Gerichtsakte). Insoweit bleibt abzuwarten. ob das Urteil rechtsbeständig wird. Die Berufung ist ausdrücklich zugelassen worden. So ohne weiteres wirft die HUK-Coburg die Flinte nicht ins Korn, wie man weiß.
Das Gericht prüft bei den Nebenkosten (letzter Absatz des Urteils) aber den Rahmen des Angemessenen i.S.d. 632 BGB.
Mit freundlichen Grüßen
Willi Wacker
Hallo Willi Wacker, die Nebenkosten waren vermutlich hier nicht in den AGB fest vereinbart. Das wird der SV aber bestimmt geändert haben. Das wird ihm nicht noch einmal passieren. Trotzdem ein sehr schöner Erfolg. So kann es nämlich auch gehen.
Hallo HD-30,
ich glaube, da ist bei Dir einiges schief gelaufen. Das Urteil des AG Geislingen an der Steige in Baden-Württemberg betrifft das restliche Sachverständigenhonorar als noch fehlenden Schadensersatz des Geschädigten aus abgetretenem Recht und das Urteil des AG Hamburg-St. Georg im Zentrum Hamburgs betrifft die Verweisung auf freie Werkstätten bei einem 10 Jahre alten BMW. Das sind zwei völlig unterschiedliche Themen. Und die Gerichtsorte liegen auch rd. 600 km auseinander. Aber das kann passieren nach dem Motto: errare humanum est. „Irren ist männlich!“
Noch einen schönen Tag.
Dein Willi
„Durch die Bezugnahme der Klägerin auf die allgemeinen Geschäftsbedingungen und die Honorartabelle ist die vorgenommene Honorarberechnung bezüglich des Grundhonorars und der Nebenkosten nachvollziehbar“.
Daher sind die Nebenkosten vermutlich in der Honorartabelle bzw. im Büroindex ausgewiesen.
Insofern würde sich eine weitere Diskussion erübrigen.
Grüße aus dem Wilden Süden
Gottlob Häberle
@ Willi Wacker: Das Gericht prüft bei den Nebenkosten (letzter Absatz des Urteils) aber den Rahmen des Angemessenen i.S.d. 632 BGB.
Das Gericht hatte z.B. überprüft, ob die berechneten Kilometer zutreffend waren und ob die Anzahl der berechneten Lichtbilder mit denen im Gutachten übereinstimmten.
@ Virus,
so sehe ich das auch. Dies ist auch legitim, da das Gericht zum Beispiel der Erforderlichkeitshalber per Routenplaner die berechneten Fahrtkilometer sowie die Anzahl der geschossenen Fotos überprüfen kann.
Insgesamt gesehen also ein einwandfreies Urteil ohne BVSK, VKS oder sonstigen Tabellen.
Meinen Respekt an das erkennende Gericht.
Grüße aus dem Wilden Süden
Gottlob Häberle