Wieder einmal ging es bei Gericht um die restlichen Sachverständigenkosten, die der Kfz-Haftpflichtversicherer des Beklagten, die HUK-Coburg, nicht erstattet hatte. Der Geschädigte hatte sich aber nicht mit den gekürzten Sachverständigenkosten, die die HUK-Coburg nur bereit war zu regulieren, einverstanden erklärt, sondern vor dem zuständigen Amtsgericht in Saarbrücken geklagt – und gewonnen.
Amtsgericht Saarbrücken AZ: 37 C 523/10 (08)
U r t e i l
Im Namen des Volkes
In dem Rechtsstreit
des Herrn U.J. aus B. – Klägers –
Prozessbevollmächtigte RAe. Dr……
g e g e n
Herrn D. J. aus H. – Beklagter –
Prozessbevollmächtigte RAe. M……..
hat das Amtsgericht Saarbrücken durch den Richter …. im Verfahren gem. § 495a ZPO am 6.10.2010
für Recht erkannt:
1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 453,76 € nebst Zinsen zu zahlen.
2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 100,68 € zu zahlen.
3. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreites.
Tatbestand: entfällt gem. § 313 a ZPO.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die Klage ist, wie tenoriert, zulässig und begründet.
Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Erstattung der restlichen Sachverständigenkosten in Höhe von 453,76 € aus §§ 7 I, 18 I StVG, 823, 249 BGB. Die grundsätzliche Haftung des Beklagten ist unstreitig.
Sachverständigenkosten sind vom Schädiger zu ersetzen, soweit diese zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung und damit als Begleitkosten zur Herstellung des Zustandes, der ohne Schädigung bestehen würde, erforderlich sind. Ob und in welchem Umfang Herstellungskosten – und damit auch Sachverständigenkosten – erforderlich sind, richtet sich danach, ob sie auch Aufwendungen darstellen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf (BGH Urt. v. 23.1.2007 – VI ZR 67/06 -, abgdr. in DS 2007, 144 m. Anm. Wortmann; Urt. des LG Saarbrücken v. 29.8.2008 – 13 S 108/08 – ).
Aus dem Grundanliegen des § 249 BGB, den Geschädigten bei voller Haftung des Schädigers einen möglichst vollständigen Schadensausgleich zukommen zu lassen, folgt für die Prüfung, ob der Geschädigte den Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten hat, dass eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen ist, d.h. Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen ist (vgl. LG Saarbrücken a.a.O.). Dabei ist der Geschädigte grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Marktes verpflichtet, um einen für den Schädiger möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen (vgl. BGH DS 2007, 144, 145; LG Saarbrücken a.a.O.). Beim Geschädigten verbleibt zwar das Risiko, dass er ohne nähere Erkundigungen einen Sachverständigen beauftragt, der sich später im Prozess als zu teuer erweist. Im Gegensatz zu dem Bereich des Mietwagengeschäftes fehlt es jedoch bei den Sachverständigengutachten an einheitlichen Abrechnungsmodalitäten (vgl. LG Saarbrücken a.a.O.). Die Vergütung des Sachverständigen darf sich auch an der Schadenshöhe orientieren (BGH Urt. v. 4.4.2006 – X ZR 122/05 – abgedr. in DS 2006, 278 = NJW 2006, 2472). Ein Anspruch auf Ersatz der Gutachterkosten besteht daher nur dann nicht mehr, wenn für den Kläger als Laien erkennbar ist, dass der Sachverständige sein Honorar quasi willkürlich festsetzt und Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen oder dem Geschädigten selbst ein Auswahlverschulden zur Last fällt (vgl. LG Saarbrücken a.a.O.).
Unter Beachtung dieser Grundsätze steht dem Kläger ein Anspruch auf Ersatz der restlichen streitgegenständlichen Sachverständigenkosten in dem erkannten Umfang zu. Ob die Vergütung schadensrechtlich erforderlich ist, hat das Gericht anhand der Honorarbefragung 2005/2006 des BVSK (vgl. AG Saarbrücken Urt. v. 22.3.2007 – 5 C 826/06 -) ermittelt. Soweit sich das Grundhonorar als auch die Nebenkosten innerhalb des dort ermittelten Honorarkorridors HB III halten, innerhalb dessen 40 bis 60 Prozent der befragten BVSK-Sachverständigen abrechnen, können sie in der Höhe nicht beanstandet werden (vgl. AG Saarbrücken a.a.O.). Dabei kommt es nicht darauf an, wie viel Prozent der befragten BVSK-Sachverständigen nach der Schadenshöhe abrechnen, und ob die Honorarbefragung statistisch repräsentativ ist. Denn jedenfalls kann dem Geschädigten dann die Vereinbarung oder Zahlung eines überhöhten Honorars nicht vorgeworfen werden, wenn eine nicht unerhebliche Zahl von Sachverständigen in diesem Bereich abrechnet. Aus der Honorarbefragung selbst ergibt sich, dass ein nicht unerheblicher Teil der Sachverständigen so abrechnet. Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten, um zu einer anderen Einschätzung zu gelangen, bestehen nicht. Die Rechnung des Sachverständigen SV. vom 16.4.2010 entspricht dem Honorarkorridor. Bei Reparaturkosten von 3.063,57 € berechnet der Sachverständige einen Grundbetrag von 398,– €. Ebenso liegen die abgerechneten Nebenkosten im Rahmen des Honorarkorridors…. Bei den Kopiekosten sind allerdings Abzüge zu machen. Es ist zu berücksichtigen, dass das Gutachten in dreifacher Ausfertigung erstellt werden darf. Die eintrittspflichtige Versicherung erhält das Original. der Auftraggeber erhält zwei Ausfertigungen, wobei eine den 2. Fotosatz enthält. Es sind daher insgesamt 30 Kopieenseiten abrechenbar. Hinsichtlich der gefahrenen Kilometer liegt kein Verstoß gegen die Schadensgeringhaltungspflicht seitens des Geschädigten vor. Nach der Rechtsprechung des AG Saarbrücken sind Anfahrtswege von bis zu 50 Kilometer (einfache Wegstrecke) noch angemessen (AG Saarbrücken a.a.O.).
Die Beklagte hat zwar bestritten, dass der Kläger die Sachverständigenkosten ausgeglichen habe. Es kann für die Entscheidung dieses Rechtsstreites dahin stehen, ob gezahlt worden ist oder ob lediglich eine Naturalrestitution im Wege der Forderungsfreistellung gefordert werden kann. Zwar wurde die mit der Unfallregulierung betraute HUK-Coburg Allgemeine Versicherung AG zur Zahlung aufgefordert, nicht zur Freistellung, aber mit ihrem Verhalten gezeigt, dass sie die restlichen Kosten nicht übernehmen will. In diesem Fall kann der Gläubiger unmittelbar Geldersatz fordern (vgl. Palandt-Heinrichs BGB, § 250 BGB, Rdnr. 2, AG Völklingen vom 23.11.2006 – 5B C 658/06 -).
So der zuständige Richter des AG Saarbrücken.
Hallo Willi
sauberes Urteil dank bester anwaltlicher Vorarbeit und einem hervorragend zusammenarbeitenden Sachverständigen,der nicht,wie ein uns leider Bekannter der eigenen Kundschaft hinterhältig in den Rücken fällt!
Sehrschön wurde auch herausgearbeitet,dass bei Regulierungsverweigerung der Versicherung der Freistellungsanspruch des Geschädigten in einen Geldanspruch übergeht.
Nur an der Angemessenheitsvermutung und der ihr folgenden Beweislast muss noch gefeilt werden;diesbezüglich sollten wir keine Zeit mehr verlieren!
Es ist im Übrigen auch Zeit, in anderer Sache gem.§720a ZPO vorzugehen,meinst Du nicht auch?
MfG Peter
Hallo Peter,
sehe ich auch so. Häufig wird nicht erkannt, dass sich der Freistellungsanspruch im Falle der endgültigen Verweigerung in einen Zahlungsanspruch umwandelt. Hinsichtlich der Angemessenheitsvermutung und der sich daraus ergebenden Beweislast des Schädigers sollte häufiger auf die kürzlich noch einmal eingestellte Entscheidung des BGH in BGHZ 63, 183 ff. verwiesen werden. Lass es uns in die Wege leiten.
Mit freundlichen Grüßen
Willi
Hallo
Sehe ich das richtig? Hat der Sachverständige gegen den Schädiger geklagt? Wieso wurde vom Richter wieder nach HB III und dann noch nach BVSK 2005/2006 geprüft ?
Gruss SVS