Häufig entbrennt Streit darüber, ob bei fiktiver Schadensabrechnung auch die im Schadensgutachten aufgeführten Verbringungskosten, die Ersatzteilpreisaufschläge (UPE-Aufschläge) und die Fahrzeugreinigungskosten zu ersetzen sind. Die Kfz-Haftpflichtversicherungen sind allesamt der Ansicht, diese Kosten seien nur dann zu ersetzen, wenn sie auch tatsächlich anfallen. Dem ist das AG Aschaffenburg nun entgegen getreten und hat dem klagenden Kfz-Eigentümer recht gegeben, der diese von der eintrittspflichtigen Kfz-Haftpflichtversicherung nicht regulierten Schadenspositionen eingeklagt hatte. Daneben hatte die HUK-Coburg als eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung auch – wie üblich – die Sachverständigenkosten gekürzt. Statt der berechneten 472,91 € wurden nur 189,50 € überwiesen, so dass ein Fehlbetrag von 283,41 € entstand. Auch diesen Betrag hat der Kläger mit Erfolg eingeklagt. Nachfolgend das Urteil des AG Aschaffenburg vom 9.11.2010 – 112 C 1004/10 -:
Amtsgericht Aschaffenburg
– 112 C 1004/10 –
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
des K. I. aus E. – Kläger –
Prozessbevollmächtigte: Rae. Dr. I. und Partner
g e g e n
J. A. aus G. – Beklagte –
Prozessbevollmächtigter: Ra. S. aus K.
wegen Schadensersatzes
erlässt das Amtsgericht Aschaffenburg durch den Richter … auf Grund der mündlichen Verhandlung am 19.10.2010 das am 9.11.2010 verkündete
E n d u r t e i l .
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 462,47 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6.5.2010 zu zahlen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreites.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist zulässig und begründet. Insbesondere steht dem Kläger gegen die Beklagte ein restlicher Schadensersatzanspruch zu aufgrund des Verkehrsunfalles vom 3.4.2010 in Höhe von 462,47 €.
I. Gutachterkosten
Für das Gutachten des Sachverständigen B. sind dem Kläger Gutachterkosten in Höhe von 472,91 € entstanden. Reguliert wurden jedoch lediglich 189,50 € durch die hinter der Beklagten stehende Kfz-Haftpflichtversicherung. Der Restbetrag, den der Haftpflichtversicherer nicht reguliert hat, steht dem Kläger aber auch zu. Die Kosten des eingeholten Sachverständigengutachtens, welches zur Schadensfeststellung eingeholt wurde, sind Teil des zu ersetzenden Schadens und daher vom Schädiger zu ersetzen. Eine Ersatzpflicht des Schädigers besteht selbst dann, wenn die Gutachterkosten überhöht bzw. unangemessen sind. Vor diesem Hintergrund kommt es in diesem gegenständlichen Schadensersatzrechtsstreit nicht darauf an, ob die vom Gutachter in Rechnung gestellten Kosten tatsächlich überhöht bzw. unangemessen sind.
II. fiktive Verbringungskosten, Ersatzteilaufschläge und Fahrzeugreinigungs-kosten:
Neben den zu Unrecht nicht regulierten restlichen Sachverständigenkosten kommen noch die Verbringungskosten, die Ersatzteilpreisaufschläge und die Fahrzeugreinigungskosten. Diese Kosten kann der geschädigte Kfz-Eigentümer auch dann beanspruchen, wenn er seinen Schaden auf der Basis eines Sachverständigengutachtens abrechnet. Im Rahmen des Gutachtens des vom Kläger beauftragten Sachverständigen wurden die Reparaturkosten mit 1.327,– € netto angesetzt. Es wurden lediglich durch die hinter dem Beklagten stehende Kfz-Haftpflichtversicherung 1.141,52 € reguliert. Mittlerweile wurden zwischenzeitlich weitere 6,42 € reguliert, so dass insgesamt Reparaturkosten von 1.147,94 € reguliert wurden. Dem Kläger steht aber auch ein Anspruch auf Erstattung des Differenzbetrages in Höhe von 179,06 € zu. Dies folgt daraus, dass die Differenz daraus resultiert, dass die Kfz-Haftpflichtversicherung des Beklagten eine Kürzung der angesetzten Kosten für die Fahrzeugverbringung in Höhe von 112,19 €, der Kosten der Ersatzteilpreisaufschläge in Höhe von 59,39 € sowie der Kosten für die Fahrzeugreinigung in Höhe von 7,48 € vorgenommen wurde. Dem Kläger steht jedoch auch ein Anspruch auf Erstattung dieser angesetzten Positionen im Gesamtwert von 179,06 € zu.
Das folgt daraus, dass Verbringungskosten, Ersatzteilpreisaufschläge und Kosten der Fahrzeugreinigung erforderlich i.S.d. § 249 II BGB bei der Schadensabrechnung auf Basis fiktiver Reparaturkosten sind. Diese sind nicht erst erstattungsfähig, wenn sie tatsächlich angefallen sind, wie der Beklagte bzw. seine Kfz-Haftpflichtversicherung meint. Aus der Anerkennung der Abrechnung auf Gutachtenbasis, d.h. auf Basis fiktiver Reparaturkosten, folgt, dass es auf einen konkreten Kostennachweis für eine tatsächlich durchgeführte Reparatur gerade nicht ankommen kann. Vielmehr bildet das Gutachten des vom Geschädigten beauftragten Kfz-Sachverständigen eine Grundlage für die Darlegung des Fahrzeugschadens. Es sind auch keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass diese Kosten bei einer Reparatur in einer Werkstatt, welche dem Gutachten zugrunde gelegt wurde, nicht anfallen. Diesbezüglich erfolgt auch kein Vortrag des Beklagten. Vor diesem Hintergrund bleibt festzuhalten, dass die von der Kfz-Haftpflichtversicherung des Beklagten vorgenommene Kürzung in Höhe von 179,06 € zu Unrecht vorgenommen wurde und dem Kläger dementsprechend ein restlicher Schadensersatzanspruch in dieser Höhe zusteht.
Des Weiteren folgt der Zinsanspruch aus §§ 280, 286, 288 BGB.
So das Urteil des Richters aus Aschaffenburg. Dem kann nur noch folgendes hinzugefügt werden: Der geschädigte Kfz-Eigentümer hat auch Anspruch auf Verbringungskosten, Ersatzteilpreisaufschläge und Fahrzeugreinigungskosten auch wenn er seinen Fahrzeugschaden fiktiv, also auf der Basis des Schadensgutachtens abrechnet (so auch die herrsch. Meinung in Rspr. und Lit. vgl. nur OLG Dresden DAR 2001, 455; OLG Düsseldorf NJW 2008, 3366; OLG Düsseldorf NZV 2009, 42; Steffen NJW 1995, 2057, 2059; Wortmann VersR 1998, 1204, 1207 ; ders. VersR 2005, 1515f.) .
Urteilsliste “Fiktive Abrechnung u. SV-Honorar” zum Download >>>>>
Prima Urteil ohne BVSK & Co Angemessenheits-Klimmzüge beim Sachverständigenhonorar. Auch zur fiktiven Abrechnung der UPE-Aufschäge, Fahrzeugverbringung und Fahrzeugreinigungskosten eine gute und schlüssige Begründung. Wurde der VN der HUK eigentlich schon über das Ergebnis seines grenzenlosen Vertrauens gegenüber der HUK informiert?
An dieser Stelle noch ein allgemeiner Hinweis:
Wenn ein Urteil gut ist, dann ist es gut. Und wenn es schlecht ist, dann ist es schlecht. Unabhängig davon, wer involviert war oder nicht!
Hallo Hunter,
wenn der Prozess gut vorbereitet ist und der Richter oder die Richterin durch entsprechende Schriftsätze gut in den Prozessstoff hineingeführt wird, dann wird i.d.R. auch das Urteil gut. Wenn der Klägervertreter schlecht vorträgt, dann kann regelmäßig das Urteil auch nicht gut werden.
Manchmal ist es aber auch notwendig, den Streit zu verkünden. Auch das gehört zu guter Prozessführung. Das war in obigem Rechtsstreit nicht notwendig, da die hinter dem Beklagten stehende Haftpflichtversicherung nicht die Brauchbarkeit des Gutachtens in Zweifel gezogen hat, sondern lediglich meinte die von ihr regulierten 189,50 € seien angemessen. Es ging also nur ums Honorar und dessen Höhe insoweit neben den weiteren gekürzten fiktiven Verbringungskosten pp.
Manchmal ist es aber auch notwendig, auf das Vorbringen der Beklagtenseite genauer einzugehen, nämlich dann, wenn ersichtlich wird, dass der Richter/die Richterin eine Angemessenheitsprüfung anstellen will, was hier jedoch nicht der Fall war. Dann muss hilfsweise auch dazu vorgetragen werden. Auch das gehört zu anwaltlicher Vorsorge.
Mit freundlichern Grüßen
Willi