Mit Urteil vom 06.09.2010 (261 C 136/10) hat das AG Köln die Axa Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 697,87 € zzgl. Zinsen sowie zur Freistellung von vorgerichtlichen RA-Kosten verurteilt. Das Gericht legt den Normaltarif der Schwacke-Liste zugrunde und lehnt die Anwendung der Fraunhofer Tabelle ab.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist ganz überwiegend begründet.
Aus dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall schuldet die Beklagte als Haftpflichtversicherer des Unfallgegners nach ansonsten vollständiger Regulierung noch restliche Mietwagenkosten in der zuerkannten Höhe. Dabei steht die umfassende Einstandspflicht der Beklagten aus dem Unfallgeschehen außer Streit.
Die Aktivlegitimation der Klägerin als Mietwagenunternehmen ergibt sich gemäß § 398 BGB aus der wirksamen Forderungsabtretung des Geschädigten. Dabei kann letztlich dahingestellt bleiben, ob das Schreiben der Klägerin vom 10.02.2010 mit einer Zahlungsaufforderung an den Geschädigten auch an diesen versandt wurde. Dem Streit über die Zulässigkeit der Abtretung ist durch das Inkrafttreten des Rechtsdienstleistungsgesetzes am 1. Juli 2008 die Grundlage entzogen worden.
Zu den Rechtsdienstleistungen gehört nach § 2 Absatz 1 RDG die Abwicklung von Verkehrsunfällen für den Unfallgegner (Gesetzesbegründung in der Beilage zu NJW, Heft 27/2008, Seite 27). Diese ist gemäß § 5 Absatz 1 RDG im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit erlaubt, wenn sie als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild des Abtretungsempfängers gehört. Dabei hat der Gesetzgeber gerade an die Inkassotätigkeit im Bereich der Unfallschadenregulierung gedacht, etwa bei der Geltendmachung von Sachverständigen-, Mietwagen- oder Reparaturkosten (Gesetzesbegründung aaO., Seite 33). Die früher in der Rechtsprechung praktizierte Einschränkung, dass die Einziehung abgetretener Kundenforderungen durch den gewerblichen Unternehmer nur dann zulässig ist, wenn es diesem wesentlich darum geht, die ihm durch die Abtretung eingeräumte Sicherheit zu verwirklichen, ist damit aufgehoben (Gesetzesbegründung aaO.). Dafür spricht, wie der BGH schon im Jahre 1994 festgestellt hat, ein starkes praktisches Bedürfnis (aaO. Seite 34).
Bei der Berechnung der ersatzfähigen Mietwagenkosten als Teil des Herstellungsaufwandes (§ 249 BGB) nach einem Verkehrsunfall hat sich das Gericht gemäß § 287 ZPO im Rahmen seines tatrichterlichen Ermessens an dem auf dem örtlich relevantem Markt verlangten „Normaltarif“ zu orientieren. Dies ist beiden Parteien bekannt und bedarf daher keiner näheren Begründung. Das Gericht folgt auch der fast einhelligen Gerichtspraxis im hiesigen OLG-Bezirk und der nach wie vor ganz überwiegenden Auffassung im gesamten Bundesgebiet, wonach als Schätzgrundlage der bewährte Schwacke-Mietpreisspiegel und die dortige Nebenkostentabelle heranzuziehen ist. Die hierfür und gleichzeitig gegen die Berücksichtigung des Fraunhofer Mietpreisspiegels sprechenden Gründe sind den Parteien ausweislich ihres schriftsätzlichen Vortrages ebenfalls bekannt. Das angerufene Gericht hat diese Frage bereits in zahlreichen Fällen überprüft und bleibt auch für die vorliegende Entscheidung dabei, dass nach wie vor der Rechtsprechung der zuständigen Berufungskammer (unter anderem gemäß Urteil vom 28.04.2009, 11 S 116/08 LG Köln) zur Heranziehung des Schwacke-Mietpreisspiegels zu folgen ist. Ergänzend wird auf das von der Klägerin vorgelegte Urteil des Landgerichts Köln vom 22.02.2010 (20 O 376/09) und die dortige, überzeugende Begründung verwiesen. Demgegenüber kann dem zwar sehr umfangreichen, aber nur sehr eingeschränkt fallbezogenen Sachvortrag der Beklagten nicht entnommen werden, von welchem „niedrigeren“ Mietzins nach der Erhebung des Fraunhofer Instituts oder den in anderen Rechtsstreitigkeiten eingeholten Gutachten für den vorliegenden Fall auszugehen wäre.
Auf die während des Rechtsstreits von der Beklagten eingeholten Internet-Angebote, auch gemäß der „Berichtigung“ gemäß Schriftsatz vom 10.08.2010, kommt es schon deshalb nicht an, weil diese nicht die Mietpreissituation zur Zeit der Anmietung wiedergeben. Es kann nicht unterstellt werden, dass der ortsübliche Mietzins zu dem 8 Monate früher liegenden Zeitpunkt des Unfalls zwangsläufig identisch (oder gar niedriger) gewesen sein muss. Deshalb ist auch nicht der Auffassung der Beklagten zu folgen, dass sie mit diesen Internet-Angeboten, entsprechend der Entscheidung des BGH vom 02.02.2010 (VI ZR 7/09), konkrete günstigere Angebote anderer Anbieter als Beispiele für die örtliche Mietpreissituation zur streitgegenständlichen Anmietungszeit aufgezeigt habe. Außerdem hat der BGH in der zitierten Entscheidung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich bei Recherchen in einem Internetportal um einen Sondermarkt handelt, der eben nicht ohne weiteres mit dem „allgemeinen“ regionalen Mietwagenmarkt vergleichbar ist.
Entgegen der Auffassung der Beklagten kann auch nicht dem ebenfalls auszugsweise zitierten Urteil des BGH vom 18.05.2010 (VI ZR 293/08) entnommen werden, dass die sogenannte Schwacke-Liste schon bei allgemein gehaltenen Hinweisen auf die Ergebnisse von Internetanfragen nicht mehr als Schätzgrundlage geeignet und heranzuziehen sei. Dem hierzu mitgeteilten Wortlaut der wesentlichen Entscheidungsgründe kann eben dies nicht entnommen werden. Vielmehr verlangt der BGH einen umfassenden Sachvortrag und Beweisantritt dafür, dass ein vergleichbares Fahrzeug für die streitgegenständliche Mietzeit zu konkret benannten, wesentlich günstigeren Preisen bestimmter anderer Mietwagenunternehmer hätte angemietet werden können. Ohne nähere Aktenkenntnis ist auch nicht die – eher fernliegende – Behauptung der Beklagten zu überprüfen, dass sich ihr Sachvortrag in diesem Falle auf einen kurzen und aligemein gehaltenen Hinweis beschränkt habe. Außerdem hat der BGH nach dem zitierten Entscheidungswortlaut nur eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör festgestellt und es dem Berufungsgericht überlassen, nach der Zurückverweisung zu prüfen, ob sich aus dem Beklagtenvorbringen gewichtige Bedenken gegen die Eignung des Mietpreisspiegels als Schätzungsgrundlage ergeben.
Für die vorliegende Entscheidung hält das angerufene Gericht auch einen pauschalen Zuschlag von 20% zu den Tabellenwerten des Schwacke-Automietpreisspiegels für gerechtfertigt. Da die Anmietung am Morgen nach dem Unfalltag unter dem hiermit verbundenen Druck für den Geschädigten zur alsbaldigen Ersatzbeschaffung für sein ausfallendes Fahrzeug erfolgte (der Umfang seines Fahrbedarfs ergibt sich aus der in nur 13 Tagen zurückgelegten Fahrstrecke von 1.507 Kilometer gemäß der Mietwagenrechnung), ist ein solcher Zuschlag gerechtfertigt. Unmittelbar nach dem Unfall hatte der Geschädigte keine ausreichende Gelegenheit, sich nach günstigeren Tarifen zu erkundigen, die bei der Mietzeit zugrunde gefegte Reparaturdauer abzugrenzen und für eine Vorleistung oder Sicherheit zu sorgen.
Die Mietzinsberechnung der Klägerin nach dem Schwacke-Automietpreisspiegl 2008 ist im Grundsatz nicht zu beanstanden und nur in Einzelpunkten zu Gunsten der Beklagten zu korrigieren. Aus dem zeitnäheren Preisspiegel für 2009 hätten sich gemäß der Überprüfung durch das Gericht geringfügig höhere Werte ergeben, Zutreffend wurde das Postleitzahlengebiet 894 herangezogen, da die Anmietung dort erfolgte. Auch die Berechnung nach der Wochenpauschale und zwei zusätzlichen 3 Tagespauschalen begegnet grundsätzlich keinen Bedenken, allerdings mit der nachfolgenden Korrektur. Da der Unfallwagen und das angemietete Fahrzeug jeweils der Fahrzeugklasse 5 angehörte, hätte grundsätzlich der Mietpreis aus der niedrigeren Fahrzeuggruppe 4 entnommen werden sollen. Der Abzug von 10% gemäß der Berechnungsweise der Klägerin führt jedoch zu noch etwas niedrigeren Werten. Entgegen dem Ansatz der Klägerin ist nicht der Tabellenwert „nahe Mittel“, sondern das arithmetische Mittel heranzuziehen.
Aus diesen Vorgaben ergibt sich für die erste Woche der Mietdauer ein Ausgangsbetrag von 513,35 €. Für die folgenden 6 Tage wären nach den 3 Tagespauschalen zweimal 281,78 € einzusetzen und somit ein deutlich über der Wochenpauschale liegender Gesamtwert von 563,56 €. Dieses unangemessene Ergebnis ist dahin zu korrigieren, dass als Obergrenze die Wochenpauschale heranzuziehen ist.
Die Grundmiete beträgt somit zweimal 513,35 € = 1.026,67 €, Nach Vorwegabzug von 10% (auch eine klassenniedrigere Einordnung wäre vor dem pauschalen Zuschlag anzusetzen gewesen) bleiben 924,03 €. Unter Einberechnung des pauschalen Zuschlages von 20% bzw. 235,53 € erhöht sich die Grundmiete auf 1.159,56 €.
Die (unbestrittenen) Zusatzkosten für die Vollkaskoversicherung (CDW) sind nach der eigenen Berechnung der Klägerin auf 2 x 132,00 € = 264,00 € zu beschränken. Nach der Nebenkostentabelle ergäbe sich ebenso wie nach der Rechnung der Klägerin ein deutlich höherer Betrag.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ergibt sich die notwendige Zusatzberechnung der Winterreifen aus dem damit für die Klägerin zwangsläufig verbundenen Mehraufwand. Dieser fällt, gerade wegen des von der Beklagten herausgestellten gesetzlichen Zwangs, nur saisonal bei den in die Winterzeit fallenden Vermietungen an. Insoweit kann die Klägerin allerdings nicht auf die Nebenkostentabelle mit einem Betrag von 195,00 € zurückgreifen, sondern ist an ihre eigene Abrechnung in Höhe von brutto 139,94 € (117,60 € zuzüglich Mehrwertsteuer) gebunden.
Die Kosten für Zustellung und Abholung ergaben sich nach dem lebensnahen und unbestritten gebliebenen Vortrag der Klägerin (Seite 9 des Schriftsatzes vom 08.07.2010) aus der notwendigen Verbringung des Mietfahrzeuges zur Reparaturwerkstatt. Auch insoweit kann jedoch nicht der Tabellenwert von 50,00 € angesetzt werden, sondern gemäß der eigenen Abrechnung der Klägerin nur ein Bruttobetrag von 42,00 € (35,29 € zuzüglich Mehrwertsteuer).
Insgesamt belaufen sich die erstattungsfähigen Mietwagenkosten somit auf 1.605,50 € (1.159,56 € + 264,00 € + 139,94 € + 42,00 €). Der nach Abzug der vorgerichtlichen Zahlung verbleibende Betrag von 697,87 € ist gemäß §§ 286 Absatz 1, 288 Absatz 1 BGB ab dem vorgerichtlichen Verzugseintritt zu verzinsen, der allerdings erst für den Ablauf der im Anwaltsschreiben vom 24.02.2010 gesetzten Zahlungsfrist nachvollziehbar ist. Ein früherer Zinsbeginn ist weder vorgetragen noch belegt.
Zusätzlich steht der Klägerin auch die Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten zu, deren Höhe sie am Ende der Klageschrift schlüssig dargelegt hat. Ergänzend hat die Klägerin im Schriftsatz vom 08.07.2010 zum diesbezüglichen Einwand der Beklagten zutreffend darauf hingewiesen, dass die Fälligkeit nicht von einer Rechnungslegung abhängt und sie auch keine Zahlung an sich selbst beansprucht.
Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 91, 92 Absatz 1, 708 Nr. 11,711 ZPO.
Soweit das AG Köln.