Mit Urteil vom 14.12.2010 (5 S 268/10) hat das LG Bonn das Urteil des AG Bonn vom 14.12.2009 (101 C 114/10) teilweise abgeändert und neu gefasst. Danach wurde die beklagte Versicherung zur Zahlung 2.050,74 € zzgl. Zinsen verurteilt, wobei drei Schadensfälle dem Fall zugrunde lagen. Das Gericht macht deutlich, dass unter den gegebenen Umständen die Anwendung eines arithmetischen Mittels von Schwacke und Fraunhofer nicht zulässig ist.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg.
1. Der Klägerin steht gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht ein Anspruch auf Zahlung eines Betrages in Höhe von 2.050,74 € gem. §§ 7 Abs. 1,17 Abs. 2 StVG, §115 Abs. 1 Nr. 1 VVG, § 398 BGB zu.
a. Soweit das Amtsgericht die Höhe der zu ersetzenden Mietwagenkosten durch Bildung eines arithmetischen Mittels zwischen dem Schwacke-Mietspiegel und der Fraunhofer-Liste berechnet hat, hat es das ihm gem. § 287 Abs. 1 ZPO zustehende Schätzungsermessensfehlerhaft ausgeübt.
Zwar hat der BGH in seiner Entscheidung vom 18.05.2010 in einem obiter dictum diese Vorgehensweise grundsätzlich für denkbar erachtet, nicht nachvollziehbar ist aber, aus welchen Gründen das Amtsgericht die von der Klägerin beanspruchten Nebenkosten (für Winterreifen, Abholkosten und Zusatzfahrer) ist die Berechnung des arithmetischen Mittels einbezogen hat.
Denn die Fraunhofer-Liste weist – anders als die Schwacke-Liste – keine gesonderten Nebenkosten aus. Das Amtsgericht hätte daher entweder die Nebenkosten ermitteln (§ 287 ZPO) und zusprechen oder aber zurückweisen müssen. Nicht folgerichtig ist es aber, die auf Grundlage der Schwacke-Liste ermittelten Nebenkosten im Ergebnis schlicht zu halbieren. Bei diesen Postionen ist die Bildung eines arithmetischen Mittels nicht vertretbar, da die Listen von unterschiedlichen Ansätzen ausgehen.
b. Demzufolge ist die Kammer gehalten, die Höhe der Mietwagenkosten selbst zu schätzen. Die Kammer hält es ihrer Rechtsprechung folgend für sachgerecht, als Schätzungsgrundlage den Schwacke-Mietpreisspiegel heranzuziehen. Die von der Beklagten gegen die Anwendbarkeit des Schwacke-Automietpreis-Spiegels 2006 bzw. 2007 erhobenen Bedenken greifen nicht durch. Die diesen Bedenken zugrunde liegende Annahme, der Mietpreisspiegel enthalte enorme Preissteigerungen, die auf unredliches Verhalten der Mietwagenunternehmen zurück zu führen seien, ist nicht nachvollziehbar. Es sind auch unter Berücksichtigung der von der Beklagten erhobenen Einwände keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass sich etwa im Mietpreisspiegel 2006 enthaltene Preisänderungen nicht an der tatsächlichen Marktentwicklung orientieren. Nach der Rechtsprechung des BGH (NJW 2008, 1519; NJW 2008, 2910; NJW 2009, 58), der sich die Kammer angeschlossen hat, ist es nicht Aufgabe des Tatrichters, lediglich allgemein gehaltenen Angriffen gegen eine Schätzgrundlage nachzugehen. Einwendungen gegen die Grundlagen der Schadensbemessung sind nur dann erheblich, wenn sie auf den konkreten Fall bezogen sind. Deshalb bedarf die Eignung von Listen oder Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden können (speziell der Schwacke-Liste), nur dann der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass sich geltend gemachte Mängel auf den zu entscheidenden Fall ausgewirkt haben. Dies ist jedoch – entgegen der Ansicht der Beklagten – nicht in durchgreifender Weise geschehen. Dass – wie die Beklagte geltend macht – andere Erhebungen, wie die die vom Fraunhofer Institut, zu anderen Ergebnissen als der Schwacke-Automietpreis-Spiegel gelangt sein mögen, genügt nicht, um Zweifel an der Richtigkeit der Schwacke-Liste zu rechtfertigen, (vgl. dazu ausführlich OLG Köln vom 20.04.2009 -13 U 6/09; LG Bonn, Beschl. v. 21.01.2010 – 8 S 274/09; LG Bonn, Beschl. v. 21.07.2010 – 8 S 171/10). Zumal an der Untersuchung durch das Fraunhofer Institut insofern Bedenken bestehen, als nur eine Differenzierung nach 2 Ziffern der Postleitzahlen erfolgt ist und die Untersuchung überwiegend auf den Angaben von 6 Internetanbietern basiert.
c. Die in dem Schwacke-Automietprelsspiegel ausgewiesenen Werte werden auch nicht durch die von der Beklagten vorgelegten 3 Angebote, die den Geschädigten zugesandt wurden, erschüttert. Hieraus lässt sich weder ersehen, für welche Stadt der Tarif galt, noch welcher Leistungsumfang (Winterreifen, Zustellkosten, Zusatzfahrer, Vollkaskoversicherung) erfasst ist. Infolge dessen kann nicht ohne weiteres davon aus gegangen werden kann, dass im Falle der tatsächlichen Anmietung eines Fahrzeuges
der Mietpreis einschließlich aller Nebenkosten unterhalb des in dem Schwacke-Automietpreisspiegels aufgeführten Mietpreises gelegen hätte.
d. Ebenso ist nicht zu beanstanden, dass die Geschädigten die Fahrzeuge zum Unfallersatztarif angemietet haben. Die Geschädigten verstoßen damit nicht gegen ihre
Pflicht zur Schaden8minderung, soweit die Besonderheiten dieses Tarifs mit Rücksicht auf die Unfallsituation (etwa die Vorfinanzierung, das Risiko eines Ausfalls mit der Ersatzforderung wegen falscher Bewertung der Anteile am Unfallgeschehen durch den Kunden oder das Mietwagenunternehmen u.a.) einen gegenüber dem „Normaltarif höheren Preis rechtfertigen, weil sie auf Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst und infolgedessen zur Schadensbehebung nach § 249 BGB erforderlich sind (vgl. BGH, NJW 2005, 51; BGH, NJW 2005, 1933; BGH, NJW 2006, 2621 [2622]). Nach der Rechtsprechung des BGH ist bei der Beurtei-lung der Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots bei Inanspruchnahme des Unfallersatztarifs eine generelle Betrachtung geboten und nicht auf den konkreten Einzelfall abzustellen. Dass danach aufgrund der Besonderheiten der Unfallsituation in der Regel ein höherer Mietwagenpreis als der Normaltarif zur Schadensbeseitigung i.S.d. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB erforderlich ist, steht nicht mehr grundsätzlich in Streit. Diese betriebswirtschaftlich gerechtfertigte Erhöhung kann in Form eines pauschalen Aufschlags auf den Normaltarif erfolgen, dessen Höhe Wiederum der bei der Schadensabrechnung besonders freigestellte Tatrichter gemäß § 287 ZPO schätzen kann (so BGH, Urteil vom 13.06.2006, VI ZR 161/05, juris, Rz. 9). Die Kammer folgt insoweit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil v. 19.01.2010, Az. VI ZR 112/09 in juris, BGH Urt. v. 02.02.2010 Az. VI ZR 7/09 in juris) sowie des Oberlandesgerichts Köln (Urteil vom 02.03.2006, 19 U 181/06 und 15.07.2008, 4 U 1/08), wonach auf diesen Normaltarif zur Erfassung der objektiv vorliegenden erhöhten Kosten bei der Vermietung von Unfallersatzwagen ein pauschaler Aufschlag in Höhe von 20 % erfolgen kann.
e. Soweit Kosten für die Vollkaskoversicherung, Winterreifen, Zusatzfahrer, Zustellkosten geltend gemacht wurden, ist dies ebenfalls nicht zu beanstanden. Die von der Klägerin in Rechnung gestellten Nebenkosten für die Vollkaskoversicherung sind ohne weiteres ersatzfähig, unabhängig dessen, ob die Unfallfahrzeuge der Geschädigten vollkaskoversichert waren (vgl, BGH, Urt. v. 25.10.2005 – VI ZR 9/05, juris Rn. 12; LG Bonn, Beschl. v. 21.01.2010 – 8 S 274/09, S. 6; LG Bonn, Urt. v. 25.08.2009 – 8 S 107/09). Denn der durch einen Unfall Geschädigte ist während der Mietzeit einem erhöhten wirtschaftlichen Risiko ausgesetzt. Er hat regelmäßig ein schutzwürdiges Interesse daran, für die Kosten einer eventuellen Beschädigung des Mietfahrzeugs nicht selbst aufkommen zu müssen, zumal Mietwagen in der Regel neuer und damit höherwertiger sind als die beschädigten Fahrzeuge.
Entsprechendes gilt auch für die Nebenkosten, die durch die Zustellung und Abholung des Mietwagens entstehen. Sie sind als erstattungsfähig anzusehen, soweit sie – wie hier – angefallen und abgerechnet worden sind (vgl. BGH, Urt. v. 02.02.2010 –VI ZR 7/09, juris Rn. 23).
Schließlich sind auch die im Fall X in Rechnung gestellten Nebenkosten für einen Zusatzfahrer ersatzfähig. Von der Klägerin ist dargelegt worden, dass diese Kosten angefallen sind, da das Fahrzeug der Geschädigten X auch von deren Mitbewohnerin genutzt wurde.
Danach sind für den Geschadigten X Kosten in Höhe von 518,00 €, für den Geschädigten Y Kosten in Höhe von 867,94 € und für den Geschädigten Z Kosten in Höhe von 2.153,80 € entstanden. Diese Kosten sind mit Rechnungen vom 16.02.2010, 17.03.2010 und 02.03.2010 in Rechnung gestellt worden. Hierauf sind jedoch unstreitig nur Teilbeträge gezahlt worden, so dass der Klägerin die mit der Klage beanspruchten noch offenen Forderungen in Höhe von 403,76 € (X), 390,73 (Y) und 1256,25 € (Z) zustehen.
2.
Gem. §§ 280 Abs. 1, 286 Abs. 3 BGB stehen der Klägerin darüber hinaus die geltend gemachten Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu.
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
4.
Für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO bestand keine Veranlassung. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.
Soweit das LG Bonn.