… und noch ein Urteil aus der Rhein-Ruhr-Region. Dieses Mal wieder aus Duisburg – und wieder gegen HUK-Coburg. Auch in diesem Rechtsstreit handelt die HUK-Coburg, wie so oft, widersprüchlich: Zunächst wird ein Teil des Schadensersatzes an den Geschädigten gezahlt. Wenn er dann wegen des ihm zustehenden Restbetrages die Angelegenheit vor Gericht bringt, wird seine Berechtigung bestritten. So widersprüchlich denken kann man eigentlich doch gar nicht. Folgerichtig hat das Gericht das Verhalten der HUK-Coburg als das betrachtet, was es ist, nämlich unbeachtlich. Zur Schätzung gem. § 287 ZPO legt das Gericht die Honorarbefragung BVSK zu Grunde, während es das Gesprächsergebnis BVSK-HUK-Coburg-Bruderhilfe verwirft. Das Gericht stellt zutreffend fest, dass das Gesprächsergebnis keine geeignete Schätzgrundlage ist. Damit stellt wiederum ein Gericht zutreffend fest, dass das Gesprächsergebnis keinen vergleichenden Wert hat. Es kann nicht als Berechnungsgrundlage für Sachverständigenhonorare herangezogen werden. Aber lest selbst:
AMTSGERICHT DUISBURG
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
35 C 1991/10
In dem Rechtsstreit
des Herrn …
Klägers,
gegen
1. Frau …,
2. HUK Coburg Versicherung AG, vertreten durch den Vorstand, Sonnenstr. 3, 35388 Gießen,
Beklagten,
hat das Amtsgericht Duisburg
im vereinfachten schriftlichen Verfahren nach Sachlage am 11.10.2010
durch die Richterin am Amtsgericht …
für Recht erkannt:
Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 143,77 Eur nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.10.2010 zu zahlen.
Die Beklagten werden weiter verurteilt, als Gesamtschuldner den Kläger von den Kosten der außergerichtlichen Tätigkeit in Höhe von 272,87 Eur freizustellen. Wegen des weitergehenden Freistellungsanspruchs wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Berufung wird nicht zugelassen
Auf die Abfassung des Tatbestandes wurde gemäß § 313 a ZPO verzichtet.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die Klage ist bis auf einen geringfügigen Teil betreffend den geltend gemachten Freistellungsanspruch begründet.
I. Der Kläger hat gegen die Beklagten als Gesamtschuldner einen Anspruch auf Zahlung von restlichem Schadensersatz in Höhe von 143,77 Eur aus §§ 7 I, 18 StVG, 115 VVG, 249, 426, 421 BGB.
Die 100 % ige Haftung der Beklagten zu 1. als Halterin des PKW mit dem amtlichen Kennzeichen … sowie der Beklagten zu 2. als deren Haftpflichtversicherung aus dem Verkehrsunfallereignis vom 1.10.2009 auf der Kaiserstraße … , Duisburg, ist in Bezug auf den Haftungsgrund unstreitig.
Soweit der Kläger geltend macht, die Beklagten hätten auf die Kosten für die Erstellung eines privaten Sachverständigengutachtens (Rechnung des Ingenieurbüros für Kraftfahrzeugtechnik … vom 3.10.2009 über 509,88 Eur brutto, Bl. 18 GA) 143,77 Eur zu wenig gezahlt, ist sein Anliegen in vollem Umfang berechtigt, mit der Folge, dass die Beklagten, gesamtschuldnerisch haftend, auch zur Zahlung des Restbetrags in der eingeklagten Höhe verpflichtet sind.
1. Zunächst ist festzustellen, dass der Kläger aktiv legitimiert ist. Das Bestreiten seiner Eigentümerstellung durch die Beklagten im jetzigen Verfahren ist vor dem Hintergrund, dass sie vorgerichtlich Teilregulierungen auf verschiedene Schadensposten, auch die geltend gemachten Gutachterkosten, vorgenommen haben, ohne das Eigentum anzuzweifeln und vor dem Hintergrund, dass Gründe für die nunmehr erhobenen Zweifel nicht vorgetragen werden, widersprüchlich und damit unbeachtlich. Im Übrigen erfasst der Schutzbereich des § 7 I StVG auch die Rechtsposition des rechtmäßigen Besitzers. Der Kläger ist unstreitig Besitzer und hat als solcher, als der in seinem Nutzungsrecht beeinträchtigte Besitzer, das Gutachten in seinem Namen in Auftrag gegeben. Die Forderung des Gutachters nach vollständigem Ausgleich seiner Rechnung belastete damit unmittelbar sein Vermögen.
Der Kläger ist auch Inhaber der betreffenden Forderung. Die Vereinbarung, wonach er sämtliche Ansprüche aus dem Unfall zunächst an den Sachverständigen … abgetreten hatte (Vereinbarung vom 2.10.2009, Bl. 84 GA), war hinfällig, nachdem der Sachverständige bestätigt hat, dass er den gekürzten Betrag in Höhe der Klageforderung vom Kläger erhalten hat (Schreiben vom 17.8.2010, Bl. 104 GA). In der Bestätigung liegt zugleich die konkludente Rückabtretung des Anspruchs auf Zahlung des restlichen Sachverständigenhonorars, da mit der Zahlung des Restbetrags an den Sachverständigen der Sicherungszweck erfüllt war. Es bestehen vor diesem Hintergrund und dem Wortlaut der Vereinbarung vom 2.10.2009 keine Zweifel daran, dass nur der Kläger – und nicht etwa die Beklagte zu 2 – das Gutachten in Auftrag gegeben hat. Ersichtlich war die Beklagte zu 2. nur Rechnungsempfängerin.
2. Die Höhe des insgesamt geforderten Sachverständigenhonorars ist üblich und angemessen, § 249 BGB.
Der Schädiger ist zur Erstattung des Sachverständigenhonorars gehalten, soweit der Geschädigte einen Sachverständigen zur Feststellung des Schadensumfangs beauftragen durfte und dieser im Verhältnis zum Sachverständigen zur Zahlung des Honorars nach § 632 II BGB in ortsüblicher Höhe verpflichtet ist. Dabei muss der Sachverständige seine Honorarrechnung in der Bandbreite des üblicherweise Verlangten und regelmäßig bezahlter Beträge halten. Bei der Ermittlung der üblichen Vergütung kann das Gericht eine Schätzung vornehmen, § 287 ZPO, um den regelmäßig angemessenen Betrag zu ermitteln.
Der hier berechnete Begutachtungsaufwand in Höhe von insgesamt 509,88 Eur bewegt sich angesichts der Höhe der ermittelten Reparaturkosten (5.150,40 Eur brutto) innerhalb des üblichen und angemessenen Aufwandes.
Insbesondere liegt das gesamte Honorar einschließlich aller Nebenkosten im Rahmen der von der BVSK- Honorarbefragung 2008/2009 (Befragung zur Höhe des üblichen Kfz- Sachverständigenhonorars durch den Bundesverband der freiberuflichen unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen e.V., aufgeführt unter www.bvsk-2009.de) ermittelten Richtbeträge. Diese Befragung, an der 617 Büros des BVSK, bzw. 85 % seiner aktiven Mitglieder, teilgenommen haben, spiegelt in etwa die durchschnittlichen Honorare der Sachverständigen aus dem Zeitraum 2008/2009 wieder und stellt eine geeignete Schätzgrundlage dar (vgl. LG Dortmund, Urt. v. 5.8.2010 -4 S 11/10 -, BeckRS 2010, 1944). Bei einer Schadenshöhe von bis zu 4.500.- netto bzw. 4.355.- Eur brutto liegt der Honorarkorridor, in dem 40 bis 60 % der Mitglieder des BVSK abrechnen, zwischen 447.- netto und 519.- Eur netto allein für das Grundhonorar (Spalte HB III). Es ist daher auch vor dem Hintergrund der zwischen dem Zeitpunkt der Befragung und dem Unfallzeitpunkt eingetretenen Preissteigerung nicht zu beanstanden, wenn der Sachverständige, vorliegend ein Grundhonorar in Höhe von 297,40.- Eur netto zuzüglich Nebenkosten in Höhe von insgesamt 101,07 Eur verlangt hat. Demgegenüber ist das „Gesprächsergebnis BVSK- HUK-Coburg/ Bruderhilfe vom 1.11.2009″ (Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 9.8.2010, Bl. 71 ff., 86 GA), welches deutlich niedrigere Honorare ausweist, keine geeignete Schätzgrundlage. Es ist bereits nicht erkennbar, wer an diesem Gespräch teilgenommen hat und dass das Gesprächsergebnis in irgendeiner Weise ein repräsentatives Umfrageergebnis für alle in der ganzen Bundesrepublik ansässigen Sachverständigen darstellen könnte. Bei dem Gesprächsergebnis handelt es sich eher um eine Art Maßstab, an dem sich die Mitarbeiter der Beklagten zu 2. bei der Prüfung der Sachverständigenhonorare orientieren können. Der Kläger ist jedoch nicht Mitglied der Bruderhilfe und auch nicht aus anderen Gründen an dieses Gesprächsergebnis gebunden. Aus der Bereitschaft der Beklagten zu 2., bestimmte Pauschalhonorare zu zahlen, lassen sich keine Rückschlüsse auf die Ortsüblichkeit eines Honorars ziehen. Solange aber nicht – etwa durch weitere repräsentative Umfragen – festgestellt wird, dass sich die Preise der Gesprächsergebnisse Bruderhilfe mittlerweile durchgesetzt haben, kann nicht festgestellt werden, dass diese Sonderkonditionen den üblichen und angemessenen Preisen entsprechen. Im Übrigen ist festzuhalten, dass nur die Abrechnungsmethoden nach der Höhe der Reparaturkosten, nicht hingegen die nach der Höhe des Wiederbeschaffungswertes, den Aufwand des Sachverständigen wiederspiegelt. Es liegt auf der Hand, dass das Ermitteln der einzelnen Schadensposten die eigentliche Arbeit des Sachverständigen ausmacht, und dieser Aufwand auch entsprechend zu entlohnen ist.
Erörterungen zur Üblichkeit und Angemessenheit der einzelnen Nebenkostenpositionen, die das Gericht nicht anzweifelt, erübrigen sich vor dem Hintergrund, dass sich der Sachverständige … mit seiner Abrechnung sogar mitsamt den Nebenkosten noch innerhalb des Honorarkorridorkorridors allein für das Grundhonorar bewegt.
II. Der Zinsanspruch aus der Hauptforderung folgt aus §§ 280 I, II, 286, 288 I, 247 BGB.
III. Die Klägerin hat ferner unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes, § 249 BGB, einen Anspruch auf Freistellung von den vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 272,87 Eur gemäß §§ 280 I, II, 286 I BGB, basierend auf einer 1,3 Geschäftsgebühr in Höhe von 2.034.- Eur (1.500.- Eur Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert + 509,88 Eur Sachverständigenkosten + 25.- Eur pauschale Unkosten) zuzüglich Auslagen und der gesetzlichen Mehrwertsteuer. Eine Zuerkennung der Freistellung von Rechtshängigkeitszinsen hieraus war nicht zuzusprechen, weil nicht ersichtlich ist, dass ihr anwaltlicher Vertreter seinen Anspruch mittlerweile rechtshängig gemacht hat.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 II Ziff. 1 ZPO. Die Entscheidung betreffend die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Ziff. 11, 713 ZPO. Der Ausspruch betreffend die Nichtzulassung der Berufung beruht auf §§ 511 I, IV Nr. 1 ZPO.
Streitwert: 143,77 EUR
So das Amtsgericht in Duisburg.
Hallo Willi Wacker,
wieder ein Gericht, das ausdrücklich das Gesprächsergebnis BVSK-HUK-Coburg als solches betrachtet, was das Gesprächsergebnis ist, nämlich eine Sondervereinbarung im Sinne des VW-Urteils, deren Preise keine (markt-)üblichen Preise sind, und auf deren Preise es für den Geschädigten unzumutbar ist verwiesen zu werden. Wann wird das Gesprächsergebnis als Kartell-Absprache bezeichnet und als das betrachtet, wo es hin muss, nämlich auf den Müllplatz der Rechtsgeschichte. Nachstehend die Gerichte, die ausdrücklich das Gesprächsergebnis als Schätzgundlage verworfen haben:
LG Berlin Urt. v. 29.7.2010 – 41 S 105/10 -; LG Dortmund Urt. v. 5.8.2010 – 4 S 11/10 -;
AG Berlin-Mitte Urt. v. 21.7.2009 – 3 C 3091/09 -; AG München Urt. v. 19.5.2010 – 345 C 8750/10 -; AG Lübeck Urt. v. 6.7.2010 – 31 C 1771/10 -; AG Neubrandenburg Urt. v. 30.7.2010 – 5 C 50/10 -; AG Duisburg Urt. v. 4.10.2010 – 35 C 1990/10 – AG Magdeburg Urt. v. 9.10.2010 – 160 C 807/10 (160) -; AG Duisburg Urt. v. 11.10.2010 – 35 C 1991/10 – ; AG Duisburg Urt. v. 18.10.2010 – 33 C 1579/10 – ; AG Neubrandenburg Urt. v. 26.10.2010 – 10 C 62/10 – ; AG Otterndorf Urt. v. 22.11.2010 – 2 C 347/10 -; AG Nürnberg Urt. v. 26.11.2010 – 18 C 6099/10 -; AG Mönchengladbach Urt. v. 22.12.2010 – 35 C 82/10 –; AG Nürnberg Urt. v. 28.12.2010 – 31 C 8164/10 –
Grüße Klaus
Hallo Klaus,
mit dem am 19.1.2011 eingestellten Urteil des AG Duisburg habe noch ein Urteil eingestellt, das ausdrücklich das Gesprächsergebnis BVSK/HUK-Coburg nicht als Schätzgrundlage anerkannt hat. Du kannst Deine Liste erweitern.
Mit freundlichen Grüßen
Willi