Mit Urteil vom 07.02.2007 (Gesch.-Nr.: XII ZR 125/04) hat sich der 12. Senat des BGH mit der Aufklärungspflicht des Autovermieters auseinandergesetzt:
Zur Aufklärungspflicht des Autovermieters über die Erstattungsfähigkeit von Unfallersatztarifen (Fortführung der Senatsurteile vom 28. Juni 2006 – XII ZR 50/04 – NJW 2006, 2618 und vom 10. Januar 2007 – XII ZR 72/04 -).
Aus dem Urteil:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Erfurt vom 4. Juni 2004 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand:
Die Klägerin, eine Autovermieterin, macht gegen die Beklagte rückständige Miete für die Überlassung eines Mietwagens geltend.
Nach einem Verkehrsunfall, bei dem der von der Beklagten geführte Pkw beschädigt worden war, mietete diese für die Dauer von fünf Tagen einen Ersatzwagen zu einem Unfallersatztarif von 156,90 € pro Tag zuzüglich MWSt. Mit dem schriftlichen Mietvertrag unterzeichnete sie einen „Aufklärungshinweis“, der u.a. folgenden Passus enthält: „Ich bin darauf hingewiesen worden, dass ich bei Vorauskasse (Euro-Scheck – Intern. Kreditkarte) einen günstigeren Tarif erhalten kann.“
Mit Rechnung vom 22. Juni 2002 machte die Klägerin einen Betrag von 1.080,39 € geltend. Die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners, dessen volle Haftung für den Unfallschaden nicht streitig ist, zahlte nur 300 €. Die Differenz verlangt die Klägerin von der Beklagten.
Das Amtsgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung von 780,39 € nebst Zinsen verurteilt. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Dagegen wendet sich die Beklagte mit der vom Landgericht zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Das Landgericht hat ausgeführt, der Beklagten stehe kein Schadensersatzanspruch aus c.i.c. wegen Verletzung von Aufklärungspflichten zu.
Soweit es um die in Rechtsprechung und Literatur kontrovers behandelte Frage gehe, ob der Autovermieter bei Vermietung eines Unfallersatzwagens ungefragt seine Tarifstruktur mitteilen müsse, folge das Berufungsgericht der von Körber in NZV 2000, 74 ff. vertretenen Auffassung. Eine Aufklärungspflicht bestehe nur dann, wenn das Verschweigen von Tatsachen gegen Treu und Glauben verstoße und der Erklärungsgegner die Mitteilung der verschwiegenen Tatsache nach der Verkehrsauffassung erwarten dürfe. Dies setze notwendig ein Informationsgefälle voraus. Das allein reiche aber nicht, um eine Aufklärungspflicht zu begründen. Der in seinem Wissen überlegene Vertragsteil müsse den anderen grundsätzlich nicht von sich aus über alle Umstände aufklären, die für dessen Willensbildung von Bedeutung sein könnten. Vielmehr müsse der gegenläufige Grundsatz berücksichtigt werden, dass derjenige, der einen Vertrag schließe, sich selber darüber zu vergewissern habe, ob dieser für ihn von Vorteil sei oder nicht. Der Anbieter sei grundsätzlich nicht verpflichtet, zum eigenen Schaden oder sogar zum Vorteil seiner Wettbewerber auf günstigere eigene oder gar fremde Angebote hinzuweisen.
Eine (weitere) Aufklärungspflicht des Mietwagenunternehmens dahin, dass es bei der Anmietung eines Unfallersatzwagens zu Schwierigkeiten bei der Schadensabwicklung durch die (gegnerische) Haftpflichtversicherung kommen könne, sei bereits deshalb nicht anzunehmen, weil es dem Geschädigten nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich nicht verwehrt sei, ein Ersatzfahrzeug im Rahmen des sogenannten Unfallersatztarifs anzumieten. Eine Aufklärungspflicht bestehe nur dann, wenn der vom Autovermieter angebotene Tarif deutlich außerhalb des üblichen Rahmens der Unfallersatztarife liege, was von der Beklagten nicht behauptet werde. Denn nur in diesem Falle laufe der Geschädigte nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Gefahr, einen Teil der Mietwagenkosten selbst tragen zu müssen, wenn er keine Preisvergleiche anstelle. Auf Schwierigkeiten, die sich daraus ergäben, dass sich Versicherungen entgegen der BGH-Rechtsprechung weigerten, die erforderlichen Unfallersatzwagenkosten zu begleichen, müsse der Autovermieter nicht hinweisen. Ihm könne nicht auferlegt werden, zum eigenen Schaden auf fremdes Fehlverhalten hinzuweisen und den Geschädigten zu veranlassen, zu einem günstigeren Tarif abzuschließen, obwohl auch der höhere zu erstatten gewesen wäre. Das würde darauf hinauslaufen, den Autovermieter für rechtswidriges Verhalten der Versicherer aus c.i.c. haften zu lassen.
Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision nur zum Teil stand.
2. Ohne Erfolg beruft sich die Revision allerdings darauf, dass der zwischen den Parteien geschlossene Mietvertrag wegen Verstoßes gegen die guten Sitten (§ 138 BGB) nichtig sei. Mit Urteil vom 10. Januar 2007 (XII ZR 72/04) hat der Senat in einem vergleichbaren Fall darauf abgestellt, dass sich für die Anmietung von Unfallersatzwagen ein gesonderter Markt entwickelt hat, auf dem dem Geschädigten ein Pkw zu einem über dem Normaltarif liegenden Unfallersatztarif angeboten wird. Die Besonderheiten dieses Tarifes können mit Rücksicht auf die Unfallsituation (etwa die Vorfinanzierung, das Risiko eines Ausfalls mit der Ersatzforderung wegen falscher Bewertung der Anteile am Unfallgeschehen durch den Kunden oder das Mietwagenunternehmen u.ä.) einen gegenüber dem Normaltarif höheren Preis rechtfertigen, weil sie auf Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst und infolgedessen zur Schadensbehebung nach § 249 BGB erforderlich sind. Demzufolge kann nicht ohne Weiteres von einer sittenwidrigen Preisgestaltung ausgegangen werden. Eine Sittenwidrigkeit kann sich grundsätzlich nicht schon daraus ergeben, dass der Unfallersatztarif über dem sogenannten Normaltarif liegt. Abzustellen ist vielmehr darauf, ob der im Einzelfall verlangte Unfallersatztarif den auf dem Markt üblichen Unfallersatztarif in sittenwidriger Weise übersteigt. Die Revision zeigt nicht auf, dass unter diesen Gesichtspunkten bei Berücksichtigung der Risiken des Vermieters die Grenze zur Sittenwidrigkeit überschritten ist.
3. Mit Erfolg macht die Revision aber geltend, dass das Berufungsgericht zu Unrecht eine Aufklärungspflicht verneint hat. Der Senat hat – nach Erlass des Berufungsurteils – eine Aufklärungspflicht des Autovermieters gegenüber dem Interessenten eines Unfallersatzwagens bejaht (Urteil vom 28. Juni 2006 – XII ZR 50/04 – NJW 2006, 2618). Zwar muss der Vermieter, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, nicht über den gespaltenen Tarifmarkt, d.h. weder über die eigenen verschiedenen Tarife noch über günstigere Angebote der Konkurrenz aufklären; es ist grundsätzlich Sache des Mieters, sich zu vergewissern, ob die ihm angebotenen Vertragsbedingungen für ihn von Vorteil sind oder nicht. Bietet der Vermieter dem Unfallgeschädigten aber einen Tarif an, der deutlich über dem Normaltarif auf dem örtlich relevanten Markt liegt und besteht deshalb die Gefahr, dass die Haftpflichtversicherung nicht den vollen Tarif übernimmt, so muss er den Mieter darüber aufklären. Danach ist es erforderlich, aber auch ausreichend, den Mieter deutlich und unmissverständlich darauf hinzuweisen, dass die gegnerische Haftpflichtversicherung den angebotenen Tarif möglicherweise nicht in vollem Umfang erstattet.
Ob der von der Klägerin geforderte Tarif von 156 € pro Tag deutlich über dem Normaltarif auf dem örtlich relevanten Markt liegt, steht nicht fest, weil das Berufungsgericht zum Normaltarif keine Feststellungen getroffen hat.
4. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden. Ob der von der gegnerischen Haftpflichtversicherung der Beklagten erstattete Betrag von 60 € pro Tag dem Normaltarif entspricht, kann dem bisherigen Parteivortrag nicht mit Sicherheit entnommen werden. Der Vortrag der Parteien war darauf ausgerichtet, zu welchem Normaltarif der Kläger anbietet. Nach der Senatsentscheidung vom 28. Juni 2006 kommt es darauf aber nicht an. Maßgebend ist allein der Normaltarif auf dem örtlich relevanten Markt.
Der Senat weist für das weitere Verfahren auf folgendes hin:
Sollte das Berufungsgericht – nach ergänzendem Vortrag der Parteien -im Rahmen seiner tatrichterlichen Würdigung zu der Überzeugung gelangen, dass der Unfallersatztarif der Klägerin deutlich über dem Normaltarif auf dem örtlich relevanten Markt liegt, so hätte die Klägerin die Beklagte darauf hinweisen müssen, dass die gegnerische Haftpflichtversicherung diesen Tarif möglicherweise nicht erstattet. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts enthalten der schriftliche Aufklärungshinweis und die behaupteten mündlichen Hinweise auf günstigere Tarife keine ausreichende Aufklärung. Die Klägerin weist lediglich darauf hin, dass die Beklagte bei Vorauskasse einen günstigeren Tarif erhalten könne, stellt aber keineswegs klar, dass der der Beklagten angebotene Unfallersatztarif von der Haftpflichtversicherung möglicherweise nicht in vollem Umfang erstattet wird.
So weit die Ausführungen des BGH hierzu.