Mit Urteil vom 10.11.2008 (Gesch.-Nr.: 6 C 243/08) hat das AG Meschede die Gothaer Allgemeine Versicherung AG zu Zahlung weiterer 1.112,93 € zzgl. Zinsen sowie RA-Kosten verurteilt und dabei die Schwacke-Liste für anwendbar erklärt und der Anwendung der Fraunhofer Tabelle eine Absage erteilt.
Die alleinige Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist unstreitig. Die Geschädigte trat ihre Schadensersatzansprüche in Höhe der Mietwagenkosten zur Sicherheit an die Klägerin ab. Sie fuhr zum Unfallzeitpunkt ein Fahrzeug der Mietwagengruppe 06, abgerechnet wurde ein Fahrzeug der Mietwagengruppe 05 für die Zeit vom 27.02.2008 bis 12.03.2008. Die Klägerin berechnete für Mietwagenkosten 2.012,93 €, hierauf zahlte die Beklagte am 03.04.2008 einen Betrag von 900,00 €.
Die Klägerin ist der Ansicht, sie habe Anspruch auf den gesamten Betrag aus der Rechnung vom 13.03.2008. Eine Abrechnung nach dem Schwacke-Mietpreisspiegel 2007 ergäbe einen höheren Betrag. Sie behauptet, alle Kunden würden daraufhingewiesen, dass es bei ihr nur eine Normaltarif-Mietwagentabelle gebe und es Schwierigkeiten bei der Unfallregulierung geben könne.
Auf Wunsch der Geschädigten sei ein Zweitfahrer eingetragen worden, das Auto sei mit Winterreifen ausgestattet worden; die Geschädigte habe nach dem Unfall sofort ein Mietfahrzeug gebraucht. Sie habe spezielle Dienstleistungen erbringen und Risiken in Kauf nehmen müssen, daher sei ein pauschaler Aufschlag gerechtfertigt.
Die Beklagte(n) sind der Ansicht, die Klägerin sei nicht aktivlegitimiert, der Sicherungsabtretungsvertrag sei wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz nichtig. Die Höhe des in Rechnung gestellten Tarifs sei nicht gerechtfertigt und werde bestritten, es werde außerdem bestritten, dass der Geschädigten keinen günstigerer Tarif zugänglich gewesen sei. Der Schwacke-Mietpreisspiegel 2006 und 2007 sei nicht zur Schätzung des Normaltarifs geeignet, dies werde durch die aktuelle Erhebung von Dr. Holger Zinn bestätigt. Die Firma Eurocar habe am 26.06.2008 für den selben Tag einen Pkw Audi A3 für einen Zeitraum von 14 Tagen zu einem Preis von lediglich 480,00 € oder 598,52 € angeboten. Das unfallgeschädigte Fahrzeug habe zum Unfallzeitpunkt eine Laufleistung von über 100.000 km aufgewiesen, der Pkw Ford Mondeo sei daher allenfalls in die Mietwagenklasse 5 einzuordnen. Es werde mit Nichtwissen bestritten, dass die Voraussetzungen für einen Zweitfahrer gegeben seien. Kosten für Winterreifen seien nicht gesondert erstattungsfähig.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Die Sicherungsabtretung verstößt nicht gegen §§ 3, 5 Rechtsdienstleistungsgesetz. Die Klägerin betreibt die Einziehung abgetretener Forderungen nicht als eigenständiges Geschäft, ihr Hauptgeschäft ist vielmehr die Vermietung von Pkw.
Aus dem abgetretenem Recht stehen der Klägerin Ansprüche gemäß §§ 7 StVG, 3 PflichtVersG auf Schadensersatz zu.
Gemäß § 249 Abs. 2 BGB kann ein Geschädigter als Herstellungsaufwand Ersatz derjenigen Mietwagen kosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig und notwendig halten durfte. Das aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleitete Wirtschaftlichkeitsgebot verlangt vom Geschädigten, dass er im Rahmen des ihm zumutbaren grundsätzlich nur den günstigsten Tarif ersetzt verlangen kann (BGH NJW 2006, 2621).
Die Höhe des berechtigten Anspruchs wegen der Mietwagenkosten schätzt das Gericht gemäß § 287 ZPO auf den von der Klägerin geltend gemachten Betrag von insgesamt 2.012,93 €.
Die Rechnung der Klägerin setzt sich wie folgt zusammen:
14 Tage inklusive aller Kilometer pauschal 1.129,42 €
14 Tage Vollkasko je 19,33 € 270,62 €
Zustellung außerhalb 25,21 €
Zweitfahrer 141,12 €
Winterreifen ä 7,14 € 99,96 €
Abholung außerhalb 25,21 €
1.691,54 €
+ Mehrwertsteuer 321,39 €
2.012,93 €
Der Zedentin sind nicht verschiedene Tarife genannt worden, als sie das Auto anmietete. Der Zeuge hat insoweit erklärt, bei der Klägerin gebe es nur einen Pkw-Tarif. Zu der Frage, ob dieser Normaltarif der Klägerin ihrer Forderung zu Grunde gelegt werden darf, hat das Gericht zum Vergleich den Schwacke-Automietpreisspiegel herangezogen. Dies ist im Rahmen des tatrichterlichen Ermessens nach § 287 ZPO zulässig (BGH Urteil vom 11.03.2008, VI ZR 164/07). Bei der Vergleichsrechnung ist zu dem Normaltarif der Schwacke-Liste ein Aufschlag von 20 % zu berücksichtigen. Dies ist erforderlich, um die Besonderheiten der Kosten und Risiken des Unfallersatzgeschäftes im Vergleich zu einer normalen Autovermietung abzudecken. Hinzuzurechnen sind außerdem die in diesem Fall erfolgten speziellen Vereinbarungen bezüglich Vollkasko, Zweitfahrer, Winterreifen sowie Zustellung und Abholung. Bei der Vergleichsrechnung nach der Schwacke-Liste ergibt sich ein höherer Betrag als der von der Klägerin geltend gemachte Gesamtbetrag.
Bedenken gegen die Anwendung der Schwacke-Liste bestehen nicht. Die Schwacke-Liste deckt eine erhebliche Bandbreite an unterschiedlichen Preisen ab. Soweit die Beklagten die Erhebung von Dr. Zinn und den Fraunhofer Marktpreis-Spiegel angeführt haben, ergibt sich nicht, inwiefern die Untersuchungen sich auf den vorliegenden Fall auswirken. Auch die Auszüge aus dem Marktpreisspiegel Mietwagen für das Postleitzahlengebiet 59 (Interneterhebung) und die Übersicht für das Postleitzahlengebiet 5 (telefonische Erhebung) wirken sich im vorliegenden Fall nicht aus. Es gibt erhebliche Unterschiede zwischen dem Postleitzahlengebiet 5 (Stadt Köln) und dem ländlichen Bereich im Sauerland. In Großstädten gibt es erheblich mehr Konkurrenzangebote, während im ländlichen Bereich eine andere Struktur gegeben ist. Die Angemessenheit der Preise wird auch nicht durch das vorgelegte Angebot der Firma AVIS Autovermietung vom 26.06.2008 in Frage gestellt. Entscheidend ist nicht die Preisgestaltung im Juni 2008, sondern zum Mietzeitpunkt im Februar 2008.
Die Zedentin hat nicht gegen ihre Schadensminderungspflicht gemäß § 254 BGB verstoßen, weil sie unstreitig keine Erkundigungen über günstigere Tarife eingeholt hat. Die Zedentin hatte ihrer Werkstatt gesagt, sie brauche ein Auto, weil sie am nächsten Tag zwei Termine habe, davon den ersten um 9:00 Uhr, und auch ihr Kind vom Kindergarten im Nachbarort abholen müsse. In dieser Situation konnte man von der Zedentin, die über keinen Internetanschluss verfügte, nicht erwarten, dass sie zunächst Marktforschung betrieb.
Ein Abzug für ersparte Eigenaufwendungen ist nicht vorzunehmen, da die Zedentin einen Mietwagen der nächst niedrigeren Preisstufe angemietet hatte. Ihr Fahrzeug Mondeo gehörte zur Fahrzeuggruppe 6, angemietet war ein Fahrzeug der Gruppe 5.
Die Kosten für einen Zweitfahrer waren erforderlich, da die Zedentin und ihr Ehemann das Auto benötigten. Die Zeugin hat erklärt, fast jeden Tag, wenn ihr Mann von der Arbeit gekommen sei, seien sie losgefahren auf der Suche nach einem Ersatzwagen für das verunfallte Fahrzeug. Da die Zedentin kein Fahrzeug zur Verfügung hatte und in einem kleinen Dorf wohnt, waren Zustellung und Abholung des Fahrzeugs erforderlich. Auch die Kosten der Vollkaskoversicherung sind von den Beklagten zu begleichen, da die Zedentin ein schutzwürdiges Interesse daran hatte, im Falle eines Unfalls nicht selber für die Beschädigung des gemieteten Fahrzeugs aufkommen zu müssen. Die Ausstattung des Mietfahrzeugs mit Winterreifen bedeutet höhere Kosten für den Vermieter, diese Kosten kann er erstattet verlangen.
Da die von der Klägerin geltend gemachten Kosten niedriger sind als die durch die Vergleichsrechnung gemäß der Schwacke-Liste entstandenen Kosten, bestehen keine Bedenken gegen die Höhe der Klageforderung.
Die Beklagten sind mit ihrer Zahlungsverpflichtung in Verzug geraten und sind daher zur Zahlung von Verzugszinsen und der erforderlichen Anwaltskosten verpflichtet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf 8 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz, sondern nur auf 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz. Der Zedentin steht nur ein Zinsanspruch von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu, auf Grund der Abtretung hat die Klägerin keinen Anspruch auf den erhöhten Zinssatz des § 288 Abs. 2 BGB. Die Klägerin fordert zu Recht die Begleichung der Anwaltskosten in Höhe von 155,30 €. Es ist von den Beklagten nicht bestritten worden, dass die Klägerin die vorgerichtlichen Gebühren ihres Prozessbevollmächtigten gezahlt hat.
So kurz und bündig die Urteilsbegründung der zuständigen Richterin des AG Meschede.
Hi Babelfisch,
wieder einmal haben Sie eine überzeugende Entscheidung zu den Mietwagenkosten hier eingestellt. Die Ausführungen des Gerichtes zur Ablehnung der Fraunhofer-Liste überzeugen.
Machen Sie weiter so.
Ein schönes Wochenende
Ihr Willi Wacker
Hallo zusammen,
ich möchte einmal auf die skandalösen Veröffentlichungen in der NJW spezial hinweisen. Seit ca. einem Jahr stelle ich fest, dass die Autoren zum Verkehrsrecht immer wieder Urteile so widergeben, dass man sie nicht mehr wiedererkennt: subtil, gefärbt, einseitig, den Leser eher in die Irre führend, als informierend. Zuletzt erfolgte das in NJW spezial 23, 2008, Seite 713 f. zu BGH-Urteilen im Mietwagenbereich sowie zur Fraunhofer-Thematik. Inwieweit hier eine Änderung der redaktionellen Ausrichtung erreicht werden kann, sollte mal diskutiert werden.
Freundliche Grüße
M. Brabec
Änderung der redaktionellen Ausrichtung durch Änderung der Redakteure.
Glaubt jemand ernsthaft daran, daß Lobbyisten, die eine objektive Berichterstattung unterwandert haben, wieder entfernt werden? Für Lobbyarbeit wird man doch meistens „belohnt“?
…als Insider jurisitischer Fachliteratur kann ich berichten, dass bei der Vielzahl von konkurrierenden Zeitschriften im Schadenrecht bei manchem Schriftleiter der horror vacui eine tägiche Gefühlslage ist. Man ist dort stets sehr dankbar für Beiräge. Dieses Vakuum haben verschiedene Autoren genutzt. Das kann aber Jeder, der ein Talent zum Schreiben hat. RA Wortmann ist insoweit ein leuchtendes Beispiel. Nicht lamentieren, sondern schreiben!
Mit fachlichen Grüßen,
Joachim Otting
Hi Michael Brabec,
bei der NJW-Spezial muss man wissen, dass die Rubrik Verkehrsrecht von den RAen Dr. Heß und Dr. Burmann bearbeitet wird. Beide sind Sozien in der Anwaltskanzlei Dr. Eick und Partner. Diese Kanzlei arbeitet fast ausschließlich für Versicherungen. Dr. Burmann ist auch Mitherausgeber der ZfS.
MfG
Willi Wacker
Willi Wacker Montag, 08.12.2008 um 15:27
Hi Michael Brabec,
bei der NJW-Spezial muss man wissen, dass die Rubrik Verkehrsrecht von den RAen Dr. Heß und Dr. Burmann bearbeitet wird…..
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Solche Seilschaften hat es immer schon gegeben und daran kann man dann auch leicht erkennen, welchen Fachzeitschriften mit Distanz begegnet werden sollte, was redaktionelle Beiträge angeht.
Bei den Mitteln versuchter Einflußnahme ist man halt nicht zimperlich, nur der Wahrheitsgehalt von Beiträgen sollte nicht darunter leiden.
Mit freundlichen Grüßen
Rostock
Hallo Herr Kollege Otting,
man muss nicht nur Talent zum Schreiben haben, sondern auch ausreichend Zeit. Sie dürften doch selbst wissen, wie viel Zeit ein Aufsatz in einer juristischen Zeitschrift benötigt. Man tut ja, was man kann.
Mit freundlichen kollegialen Grüssen
RA. Wortmann
Das Urteil aus Meschede wurde nach dem 01.07. gesprochen und deshalb die Gültigkeit des RDG angewandt. Nicht so bedeutend ist, ob es richtig war, nicht das alte RBerG anzuwenden, sondern, dass die Abtretung nach der Massgabe des neuen RDG als gültig angesehen wurde. Das Gericht sagt:
„Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Die Sicherungsabtretung verstößt nicht gegen §§3,5 RDG. Die Kl. betreibt die Einziehung abgetretener Forderungen nicht als eigenständiges Geschäft, ihr Hauptgeschäft ist die Vermeitung von Pkw.
Ähnlich in einem anderen Urteil des AG Meschede 6 C 289-08.
Das AG Bonn (2 C 236-08, siehe Mietwagenurteilsliste) urteilt auf eine Abtretung, die tatsächlich nach dem 01.07. erfolgte:
In diesem Zusammenhang kann es dahinstehen, ob die Abtretungserklärung… vom 29.05.2007 wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz eventuell unwirksam war. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, ist jedenfalls die am 11.11.2008 sicherungshalber vorgenommene erneute Abtretung der Schadensersatzforderung der… wirksam, da Sicherungsabtretungen seit dem 01.07.2008 nicht mehr nach dem Rechtsberatungsgesetz sondern nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz zu beurteilen sind. Gemäß § 2 Rechtsdienstleistungsgesetz ist die Einziehung einer zu Einziehungszwecken abgetretenen Forderung nur noch dann eine erlaubnispflichtige Rechtsdienstleistung, wenn sie eigenständig erfolgt. Die Klägerin als gewerbliche Autovermieterin betreibt die Forderungseinziehung jedoch lediglich als Annex zur Fahrzeugvermietung. Die Fahrzeugvermietung ist die Hauptleistung, die Forderungseinziehung eine untergeordnete und marktübliche, daher zum Tätigkeitsbild gehörende Nebenleistung.
Das AG Offenburg (2 C 421-08) meint:
Entgegen der Auffassung der Beklagten verstößt die Klägerin nicht gegen das RDG. Vorliegend geht es nicht um die Bearbeitung von Verkehrsunfallsachen im Allgemeinen, sondern lediglich um die Regulierung noch offener Mietwagenkosten. Die ausschließliche Einstandspflicht der Beklagten ist unstreitig. Lediglich hinsichtlich der Höhe der erstattungsfähigen Mietwagenkosten ist mithin eine rechtliche Prüfung erforderlich. Da sich die Mietwagenuntemehmen derzeit aufgrund des Regulierungsverhaltens der Versicherungen ständig mit der aktuellen Rechtsprechung auseinandersetzen müssen, um die erstattungsfähigen Tarife im Unfallersatzgeschäft zu ermitteln bzw. das Prozessrisiko einer Klage gegen den Mieter abschätzen zu können, sind die diesbezüglichen Rechtskenntnisse für die Haupttätigkeit eines Mietwagenunternehmens erforderlich LS.d, § 5 l RDG und gehören somit zu den erlaubten Rechtsdienstleistungen.
mfG M. Brabec