Mit Datum vom 01.12.2008 (261 C 207/08) hat das AG Köln den Kfz-Haftpflichtversicherer zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 3.374,86 € nebst Zinsen verurteilt. Hierbei ging es um Nachforderungen aus insgesamt 15 Unfällen. Das Gericht hat zur Verwendung von Schwacke-Liste und Fraunhofer Tabelle Stellung bezogen.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist überwiegend begründet.
Die Klägerin hat aus abgetretenem Recht ihrer vorstehend aufgeführten Kunden einen Anspruch auf Ersatz weiterer Mietwagenkosten in der erkannten Höhe. Ihre Aktivlegitimation steht außer Streit und bedarf keiner weiteren Begründung. Die Anspruchsgrundlage ergibt sich in jedem Einzelfall aus der unstreitigen Verpflichtung der Beklagten zur vollständigen Regulierung der zugrunde liegenden Verkehrsunfälle (§§ 3 Nr. 1 PflVG, 7 und 18 StVG, 823 Absatz 1 und 249 Absatz 2 BGB).
Mietwagenkosten gehören grundsätzlich zum Herstellungsaufwand, den ein Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherung gemäß § 249 BGB dem Geschädigten nach einem Unfall zu ersetzen hat.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind als erforderlicher Aufwand aber nur diejenigen Mietwagenkosten anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte. Der Geschädigte ist dabei ebenso wie bei anderen Kosten der Wiederherstellung aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit und Wirtschaftlichkeit gehalten; von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeuges grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis ersetzt zu verlangen. Das Gericht hat daher im Rahmen seines tatrichterlichen Ermessens nach § 287 ZPO die Erforderlichkeit eines von dem Mietwagenunternehmen berechneten Tarifs anhand der auf dem örtlich relevanten Markt verlangten „Normaltarife“ zu schätzen.
Als Vergleichs- und Schätzgrundlage für die Höhe der zu ersetzenden Mietwagenkosten ist nach wie vor der Schwacke-Mietpreisspiegel 2007 hinreichend geeignet. Gegen die Heranziehung dieses Preisspiegels hat der BGH in seinen Entscheidungen vom 19.04.2005, 18.03.2008 und 24.06.2008 unter Bezug auf die jeweils von ihm überprüften Berufungsentscheidungen keine Bedenken geäußert.
Der Schwacke-Mietpreisspiegel orientiert sich bei seinen durchaus nicht zu verkennenden Schwächen nämlich noch hinreichend repräsentativ und überzeugend an den tatsächlichen Marktverhältnissen. Die Schwacke-Organisation hat allein im Jahr 2007 mehr als 6.300 Vermietstationen befragt und pro Vermietstation mehr als 600 Einzelinformationen in ihre Datenbank eingestellt. Dabei tritt sie als neutrale Sachverständigenorganisation auf. Soweit sie lediglich die häufigsten Nennungen herangezogen und nicht einen Mittelwert aus allen Nennungen gebildet hat, ergibt sich hieraus keine völlige Ungeeignetheit des Mietpreisspiegels. Hierzu hätte die Beklagte konkret darlegen müssen, dass die befragten Mietwagenunternehmen nicht nur in Einzelfällen, sondern generell völlig aus dem üblichen Preisrahmen herausfallen.
Die von der Beklagten inzwischen alternativ herangezogene Erhebung des Fraunhofer Instituts ist bei Gegenüberstellung mit der Schwacke-Liste schon deshalb nicht zu bevorzugen, weil sie sich auf eine zeitlich begrenzte Erhebung innerhalb des Jahres 2008 beschränkt, während es vorliegend durchweg um Anmietungen im Jahre 2007 geht. Die Erhebung auf Internetbasis, die 88% der Daten in dieser Studie ausmacht, erscheint nicht hinreichend repräsentativ, weil sie 1.529 Anmietstationen umfasste, die auf nur 6 verschiedene, überregionale Anbieter entfallen. Außerdem sind die 8 Postleitzahlengebiete mit der Beschränkung auf jeweils die ersten zwei Zahlen derart groß gewählt, dass ein Vergleich mit den deutlich differenzierteren Gebieten der Schwacke-Liste kaum möglich ist. Da ein Geschädigter grundsätzlich eine Anmietung in Wohnort- oder Werkstattnähe vornimmt, können weiter entfernte Mietwagenanbieter in einem groß gewählten Gebiet die Preise erheblich verzerren. Auch hat das Fraunhofer Institut die typischerweise anfallenden Nebenkosten der Vermietung, die in der Regel einen erheblichen Teil des Endpreises der 6 Internet-Anbieter ausmachen, nicht ermittelt. Schließlich hat das Fraunhofer Institut mit der nicht belegten Begründung, dass der Anmietzeitraum nur in äußerst seltenen Fällen Einfluss auf den Preis habe, einen zwischen Donnerstag 14.00 Uhr und Montag 9.00 Uhr liegenden Anmietzeitraum gewählt. Eventuelle Ferieneinflüsse, Sondertarife und anderes wurden dabei nicht berücksichtigt und flössen auch nicht in die Durchschnittspreise ein.
Auch die von der Beklagten in den zu entscheidenden Fällen konkret genannten Anmietmöglichkeiten für deutlich niedrigere Preise können für die vorliegende Entscheidung – mit Ausnahme nur des Falles Nr. 13 nicht zu einer anderen Beurteilung führen. Es handelt sich durchweg um Internetpreise, die dem Geschädigten – mit der vorstehenden Ausnahme – in der Situation nach ihren Unfällen nicht ohne weiteres zugänglich und bekannt waren. Außerdem ist nicht ersichtlich, ob in den Angeboten die Zusatzkosten enthalten sind, die von der Klägerin getrennt aufgeführt werden. Bei Hinzurechnung dieser Nebenkosten, die auch vom OLG Köln in seiner Entscheidung vom 10.10.2008 (6 U 115/08) den Grundpreisen aus dem Frauenhofer-Marktpreisspiegel hinzugerechnet werden, sind die Vergleichsangebote bei weitem nicht mehr so günstig, wie sie auf den ersten Blick erscheinen.
Zu den (ohnehin hohen) Werten der Schwacke-Liste 2007 ist ein Zuschlag wegen des unfallbedingten Mehraufwandes nur in den Fällen 3., 7., 10. und 15. hinzuzurechnen, weil die Anmietung am Unfalltag oder am folgenden Tag unter dem hiermit verbundenen Druck für den jeweiligen Geschädigten zur alsbaldigen Ersatzbeschaffung für sein Ausfallen des Fahrzeug erfolgte. In diesen Fällen rechtfertigten spezifische Leistungen des Vermieters den im hiesigen Bezirk bisher nach ständiger Rechtsprechung vorgenommenen Aufschlag, weil die Geschädigten die Mietzeit nicht im Voraus bestimmen konnten, keine Sicherheit hinterlegen mussten und nicht in Vorleistung gehen mussten. Bei unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang zwischen Unfall und Anmietung war den Mietern ein günstigerer Tarif offensichtlich nicht zugänglich.
In allen anderen Fällen erfolgte die Vermietung mit Zeitabständen von mehreren Tagen bis zu nahezu 2 Monaten nach dem jeweiligen Unfall. Die Geschädigten hatten in 9 diesen Fällen jeweils hinreichende Gelegenheit, sich nach den „Normaltarifen“ zu erkundigen, die bei der Mietzeit zugrunde gelegte Reparaturdauer abzugrenzen und für eine Vorleistung oder Sicherheit zu sorgen. Die von der Klägerin herausgestellten Besonderheiten des Unfallersatzgeschäftes kamen bei dieser Konstellation nicht mehr zum Tragen. Mit den vorstehenden Ausnahmen ist den aus der Schwacke-Liste entnommenen Mietpreisen somit kein weiterer Aufschlag hinzuzurechnen.
Die Nebenkosten für die Vollkaskoversicherung, für die Zustellung und Abholung der Mietwagen sowie in Einzelfällen für Zusatzfahrer und eine Winterbereifung sind der Schwacke-Nebenkostentabelle (Bundesdurchschnitt) entnommen, in allen vorliegenden Mietverträgen wurde der Abschluss einer Vollkaskoversicherung mit Selbstbeteiligung vereinbart und, soweit später abgerechnet, ein Zusatzfahrer mit aufgenommen bzw. auf die Winterbereifung hingewiesen. Die Kosten der Vollkaskoversicherung sind schon deshalb ersatzfähig, weil es sich bei den Mietfahrzeugen meist um neuere Fahrzeuge handelt und die Geschädigten damit während der Mietzeit regelmäßig einem höheren wirtschaftlichem Risiko ausgesetzt sind. Die Pauschalbeträge für Zustellung und Abholung (durchweg niedriger als in den ursprünglichen Rechnungen der Klägerin) sind auch ohne Vereinbarung anzusetzen, weil sie als Zusatzleistung, wie die Klägerin im einzelnen unwidersprochen dargelegt hat, tatsächlich angefallen sind. Die tatsächliche Nutzung durch die berechtigten „Zweitfahrer“ hat die Klägerin in den hierauf bezogenen Fällen ebenfalls substantiiert vorgetragen.
Bei den nachfolgenden Einzelberechnungen legt das Gericht als „Normaltarif“ jeweils die zutreffenden Eingruppierungen und Bewertungen aus der Schwacke-Liste nach dem Vorbringen der Klägerin zugrunde. Unbestritten wurden die Mietwagen jeweils eine Fahrzeugklasse niedriger gewählt als die Unfallfahrzeuge und ist deshalb auf ersparte Eigenkosten nicht weiter einzugehen. Soweit die Beklagte in den Fällen 10., 12., 14. und 15. unter Berufung auf das jeweilige Alter des Unfallfahrzeuges meint, die Mietwagenkosten müssten durch entsprechend niedrigere Eingruppierung gekürzt werden, ist dem nicht zu folgen. Zutreffend weist die Klägerin daraufhin, dass der Wert und das Alter eines Fahrzeuges keinen Einfluss auf die Nutzungsmögtichkeit für den Geschädigten haben und somit nicht maßgeblich für die Nutzung eines Mietwagens sind. Durch die Nutzung eines Mietfahrzeugs soll alleine der Verlust der Gebrauchsvorteile, also die ständige Verfügbarkeit eines Gegenstandes kompensiert und nicht etwa ein Ersatz für die Nutzungsqualität geschaffen werden.
Auf dieser Grundlage ergibt sich folgende Einzelabrechnung. (folgt Berechnung)
Soweit das AG Köln, das der Fraunhofer Tabelle eine eindeutige Absage erteilt.
Die Versicherer werden in Zukunft durch Preisbindungen bzw. -vereinbarungen mit ausgewählten Werkstätten, Mietwagenfirmen und Sachverständige bzw. Sachverständigenorganisationen in Vorbereitung der dann folgenden Marktanalysen verstärkt auf die Preisgestaltung freier unabhängiger Unternehmen einwirken. Sollte hier nicht umgehend Einhalt geboten werden, werden diese Manipulationen der Marktpreise in absehbarer Zeit zu einer nicht wieder rückgängig machenden Verdrängung der unabhängigen Dienstleister führen.
Wie sind diese Marktmanipulationen in Lichte des Grundgesetzes, insbesondere Artikel 2 und Artikel 12 zu bewerten? So meine Frage an die Rechtsgelehrten hier. Eine Frage, die sich auch das Bundesaufsichtsamt der Versicherer umgehend stellen muss.
Netzfundstück: bundestag.de
Artikel 2
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
Artikel 12
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.
(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.
3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.
Die Verantwortlichen unseres Rechtsstaates sind m. E. mehr den je aufgerufen, eine Abkehr vom Lobbyistentum hin zur Wiedereinführung einer funktionierenden Demokratie zu vollziehen.
Zur Info und Erkenntnisbildung empfehle ich noch aus dem folgenden Netzfundstück (Seite 11)
http://www.precht.wiso.uni-erlangen.de/assdt/jahrber08nachBWV.pdf
den passenden Artikel zum obigen Urteil:
2. Lehrstuhl für Statistik und Ökonometrie, Prof. Klein
2.1 Bewertung der Erhebungs- und Auswertungsmethoden des Automietpreisspiegels der SCHWACKE-Bewertungs GmbH.
Dazu Rechtsgutachten (nicht veröffentlicht) zum Thema Mietpreise: Erhebungen repräsentativer Marktpreise für Autovermietung in der Umgebung von Mannheim, Borna und Viechtach.
Virus
Netzfundstück: http://ra-frese.de/2008/09/24/mietwagenpreise-und-fraunhofer-institut/comment-page-1/#comment-1869
„Bereits eine kurze Auseinandersetzung mit der Studie offenbart aber folgende Kritikpunkte:
a) Die von Fraunhofer ermittelten Preise resultieren aus den Internet-Preisen von nur 6 Autovermietungsunternehmen. Die Angebote von ca. 570 mittelständischen und kleineren Unternehmen sowie ca. 5.000 Autohäusern, ebenfalls im Internet als Vermietungsunternehmen präsent, wurden nicht berücksichtigt. Die Ergebnisse von Fraunhofer sind daher nicht für den gesamten Mietwagenmarkt repräsentativ; insbesondere die in vielen Fällen äußerst geringe Standardabweichung ist ein Indiz dafür, daß nur ein spezielles Marktsegment untersucht wurde.
b) Eine Vorbuchungszeit von 1 Woche wurde angenommen.
c) Es wurden lediglich ein- bis zweistellige PLZ-Gebiete erfaßt. Die vom BGH geforderte Betrachtungsweise des regionalen Mietmarktes ist damit nicht möglich.
d) Die bei einem Normaltarif typischerweise anfallenden Nebenkosten wurden trotz Vorhandensein im Internet nicht ermittelt.
e) Der Mittelwert wird seitens der Rechtsprechung, wenn es um die Ermittlung der Höhe eines Marktpreises geht, nicht zugrunde gelegt, sondern das gewichtete Mittel (der Modus).
f) Auftraggeber der Erhebung war der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV).“