Mit Urteil vom 18.11.2008 (2 S 3942/08) weist das LG München II die Berufung der HDI Direkt Versicherung AG gegen ein Urteil des AG Dachau zurück. Erstinstanzlich wurde die HDI Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 1.179,52 € verurteilt. Das LG München führt aus, aus welchen Gründen die Schwacke-Liste Anwendung findet, allgemeine Kritik hiergegen reicht nicht aus, die Eignung zu erschüttern.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die Kammer folgt den Gründen des angefochtenen Urteils, die sich auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens als zutreffend erweisen.
Die Beklagte ist als Haftpflichtversicherer des Unfallgegners verpflichtet, dem Kläger den durch die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges entstandenen Kosten in Höhe von 2.113,67 € abzüglich der bereits geleisteten Zahlungen, mithin noch 1.179,52 € zu ersetzen.
Der Kläger hat ein wirtschaftliches Erfordernis zur Anmietung eines Ersatzfahrzeuges vorgetragen. Er ist Rentner, in seiner Mobilität mehr beeinträchtigt als Jüngere und auf sein Fahrzeug angewiesen. Dies insbesondere deshalb, da er – wie er unbestritten vorträgt – auf Grund der Lage seiner Wohnung auf das Fahrzeug zur Besorgung von Einkäufen und zu Arztfahrten angewiesen ist.
Der Tarif, der dem Kläger von der Autovermietung in Rechnung gestellt wurde, liegt im Bereich des Normaltarifs nach dem Schwacke-Mietpreis-Spiegel. Auf Grund des nicht bestrittenen Neupreises des angemieteten Mietfahrzeugs von mehr als 24.000,- € ist das Mietfahrzeug in die Klasse 6 der Schwacke-Mietpreisliste einzustufen.
Der Durchschnittspreis für ein Fahrzeug dieser Klasse im Bereich Dachau wird mit 2.394,74 € angegeben. Die Forderung der Mietwagenfirma einschließlich der Zusatzkosten für Winterreifen, zusätzlichen Fahrer, Haftungsreduzierung und Zustellung und Abholung liegen mit 2.113,67 € unter diesem Tarif.
Durch die Anmietung eines Fahrzeugs mit Kosten, die unter dem Durchschnittswert der Schwacke-Mietpreisliste anzusetzen sind, hat der Kläger nicht gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot im Sinne des § 249 BGB und die Schadensminderungspflicht § 254 BGB verstoßen.
Der Geschädigte hat nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot im Rahmen des ihm Zumutbaren stets den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet für den Bereich der Mietwagenkosten, daß er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte -erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis verlangen kann. Dazu muß feststehen, daß dem Geschädigten ein günstigerer „Normaltarif“ in der konkreten Situation ohne weiteres zugänglich war, und ihm eine kostengünstigere Anmietung unter dem Blickwinkel der ihm gemäß § 254 BGB obliegenden Schadensminderungspflicht zugemutet werden konnte.
Zwar ist es nach dem Urteil des BGH vom 14.10.2008, VI ZR 210/07 Sache des Geschädigten darzulegen und zu beweisen, daß ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflußmöglichkeiten sowie der gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt – zumindest auf Nachfrage -kein wesentlich günstigerer Tarif zugänglich war.
Es ist aber im Rahmen von Treu und Glauben dem Geschädigten nicht zumutbar, bei negativen Tatsachen wie dem Fehlen günstigerer Tarife oder der unterlassenen Nachfrage von sich aus die entsprechenden Umstände darzulegen. Vielmehr kann sich der Schädiger nicht auf einfaches Bestreiten zurückziehen sondern hat sich in zumutbarer Weise an der Aufklärung des Sachverhaltes zu beteiligen. Dies erfolgt zweckmäßig durch Vorlage entsprechend günstigerer Vergleichsangebote, zu denen und deren Unzumutbarkeit sich der Geschädigte dann zu erklären und dies gegebenenfalls zu beweisen hat. Im vorliegenden Rechtsstreit konnten die Kläger darlegen, daß die von der Beklagten vorgelegten Vergleichsangebote für sie nicht zumutbar waren.
So ist aus den vorgelegten Angeboten nicht ersichtlich, daß diese auch zum streitgegenständlichen Zeitpunkt zur Verfügung gestanden hätten. Darüber hinaus wurden keine Fahrzeuge mit Automatikgetriebe angeführt. Der Kläger hat jedoch unstreitig vorgetragen, daß er und seine Frau auf ein Automatik-Fahrzeug angewiesen sind. Nicht vergleichbar sind die Tarife auch wegen der Ausstattung mit Winterreifen. In dem einen von der Beklagten vorgelegten Vergleichsangebot sind Winterreifen überhaupt nicht enthalten, im anderen müssen sie mit 120,– € zusätzlich bezahlt werden. Die Kosten für die Eintragung eines weiteren Fahrers sind in den Angeboten ebenfalls nicht erfaßt, desgleichen die Kosten für eine Abholung. In dem Angebot der Fa. Sixt ist ausdrücklich von einem Frühbuchertarif die Rede. Auf Grund des nicht absehbaren Zeitpunktes für den Beginn der Anmietung des Fahrzeugs kommt ein derartiger Frühbucherrabatt für den Kläger nicht in Betracht.
Das Amtsgericht Dachau konnte daher zur Ermittlung der noch wirtschaftlichen Kosten für ein Mietfahrzeug auf die Schwacke-Mietpreisliste zurückgreifen. Der Schwacke-Mietpreisspiegel ist zur Ermittlung eines gewichteten Normaltarifes geeignet. Der BGH hat mehrfach betont, daß der Tatrichter in Ausübung des Ermessens nach § 287 ZPO den „Normaltarif“ auch auf der Grundlage des gewichteten Mittels des „Schwacke-Mietpreisspiegels“ im Postleitzahlengebiet des Geschädigten (ggf. mit sachverständiger Beratung) ermitteln kann, solange nicht mit konkreten Tatsachen Mängel der betreffenden Schätzungsgrundlage aufgezeigt werden, die sich auf den zu entscheidenden Fall auswirken (vgl. Senatsurteile vom 9. Mai 2006 – VI ZR 117/05 – VersR 2006,986,987; vom 30. Januar 2007 – VI ZR 99/06 -; VersR 2007, 516, 517; vom 12. Juni 2007 – VI ZR 161/06 – aaO; vom 11. März 2008 – VI ZR 164/07 – aaO; vom 24. Juni 2008 – VI ZR 234/07 -aaO).
Die Beklagte konnte nicht nachweisen, daß auf den konkreten Fall bezogen die Ermittlung des durchschnittlichen Mietpreises nach der Schwacke-Mietpreisliste fehlerhaft war. Nach der Rechtsprechung des BGH in der genannten Entscheidung sind Einwendungen gegen die Grundlagen der Schadensbemessung nur dann erheblich, wenn sie auf den konkreten Fall bezogen sind. Deshalb bedarf die Eignung von Listen oder Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwenden finden können, nur dann der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, daß geltend gemachte Mängel der betreffenden Schätzungsgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall auswirken. Dies ist hier nicht erfolgt. Die Ausführungen der Beklagten zur Richtigkeit der Mietpreisermittlung in der Schwacke-Mietpreisliste waren zwar umfangreich, aber durchgehend allgemein gehalten.
Auch waren – wie oben aufgezeigt – die vorgelegten Vergleichsangebote zu den Mietpreisen anderer Anbieter mangels Vergleichbarkeit nicht geeignet, um – auf den konkreten Fall bezogen- die Unrichtigkeit der Schwacke-Mietpreisliste zu erschüttern.
Einen Abzug wegen ersparter Aufwendungen hat der Kläger nicht hinzunehmen. Der Eigenersparnis wird dadurch Rechnung getragen, daß der Kläger statt eines seinem verunfallten Fahrzeug vergleichbaren Fahrzeugs in der Gruppe 7 ein Fahrzeug der niedrigeren Gruppe 6 wählte.
Eine Revision war nicht zuzulassen, da der BGH in dieser Sache bereits entschieden hat und sich das Landgericht nicht gegen die in dieser Entscheidung dargestellte Rechtsauffassung stellte.
Soweit das LG München II.
Hi Babelfisch,
ein prima Urteil, das Sie hier eingestellt haben. Insbesondere überzeugt, dass das Gericht das einfache Bestreiten der Beklagten strikt gerügt hat. Einfach bestreiten geht daher nicht mehr. Es muss schon substantiiert vorgetragen werden, wenn der Vortrag der Beklagten erheblich sein soll.
Willi Wacker
Hallo Babelfisch,
interessant ist, dass das AG München Schwacke bestätigt und damit gegen die Rechtsprechung des OLG München entscheidet.
Mit freundl. Grüßen
Friedhelm S.