Schon wieder musste sich ein Gericht mit den Kürzungen, die die HUK-Coburg auch im neuen Jahr vornimmt, beschäftigen. Gekürzt wurden Sachverständigenkosten und die Rechtsschutzanfragekosten wurden gar nicht erstattet. Das Gericht wies die HUK-Coburg Allgem. Vers. AG darauf hin, dass dies nicht rechtens war. Gemeinsam mit Fahrer und Halter des unfallverursachenden Fahrzeuges wurde die HUK-Coburg verurteilt, restlichen Schadensersatz und die Rechtsschutzanfragekosten zu erstatten. Das von der HUK-Coburg wieder angeführte Gesprächsergebnis BVSK/HUK-Coburg wurde als Sondervereinbarung verworfen.
Aktenzeichen:
1 C 223/10
Amtsgericht
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
– Kläger –
Nebenintervenient:
Sachverständiger ….
g e g e n
1. ….
2. ….
3. HUK-Coburg Allgemeine Versicherungs AG , vertr. d. d. Vorstand Dr. Wolfgang Weoler, Bahnhofsplatz 1, Coburg
– Beklagte –
wegen Schadensersatz
hat das Amtsgericht Wertheim
durch die Richterin …
am 14.03,2011 nach dem Sach- und Streitstand vom 07.03.2011 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO
für Recht erkannt:
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 387,96 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 04.08.2010 sowie weitere 83,54 € als vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 10.09.2011 zu bezahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, den Kl. von den Kosten der Prozessbevollmächtigten des Kl. (Rechtsanwälte … ) für die Kostendeckungsanfrage bei der Rechtsschutzversicherung des Kl. freizustellen.
3. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits sowie die Kosten und Auslagen des Nebenintervenienten zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5. Die Berufung wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 473,96 € festgesetzt.
Tatbestand
(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)
Entscheidungsgründe
Die Bekl. sind als Gesamtschuldner verpflichtet, an den Kläger die restlichen, von ihnen noch nicht erstatteten Sachverständigenkosten in Höhe von (noch) 387,96 € zu zahlen, §§ 7 Abs. 1, 18 StVG, 249 Abs. 2 S 1 BGB, § 117 VVG, § 3 PflVG.
Die Einstandspflicht der Bekl. ist dem Grunde nach unstreitig. Den dem Schadensersatzanspruch zu Grunde liegenden Verkehrsunfall vom 12.7.2010 in Wertheim-Bestenheid hat der Bekl. zu 2) unstreitig zu 100 % allein verschuldet. Die Bekl. zu 1) haftet als Fahrzeughalterin, die Bekl. zu 3) als Versicherer.
Die Kosten eines Sachverständigengutachtens sind nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB vom Schädiger zu ersetzen, soweit diese zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung und damit als Begleitkosten zur Herstellung des Zustandes, der ohne die Schädigung bestehen würde, erforderlich sind (vgl. Grüneberg in Palandt, BGB, 70. Aufl. (2011), § 249 Rn. 58 m, w. Nachw.). Diese Kosten gehören zu dem mit dem Schaden unmittelbar verbundenen auszugleichenden Vermögensnachteil, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist (st. Rspr. des BGH, zuletzt Urteil vom 23.1.2007 – VI ZR 67/06 -, NJW 2007, 1450 m.w.N.). Bei einem Sachschaden in Höhe von ca. 2.500,00 € durfte der Kl. da es sich nicht um einen Bagatellschaden handelte, ein Sachverständigengutachten in Auftrag geben (vgl. Grüneberg aaO, Rn. 58 m.w.N.).
Gemäß § 249 Abs. 2 5.1 BGB muss der Schädiger den zur Wiederherstellung der beschädigten Sache erforderlichen Geldbetrag zahlen. Der Kläger hat – zulässig – einen qualifizierten Gutachter seiner Wahl mit der Erstellung des Schadensgutachtens beauftragt. Der Geschädigte ist nach schadensrechtlichen Grundsätzen in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung frei. Er darf zur Schadensbeseitigung den Weg einschlagen, der aus seiner Sicht seinen Interessen am besten zu entsprechen scheint (vgl. BGH in NJW 2005, 1112). Bei der Beurteilung, welcher Herstellungsaufwand erforderlich ist, ist Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen. Auch ist der Geschädigte grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Markts verpflichtet, um einen für den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen. Die Rechtsprechung zum „Unfallersatztarif“ ist nicht entsprechend anzuwenden (vgl. BGH a.a.O.). Grundsätzlich sind die Kosten eines Sachverständigen sogar dann vom Schädiger zu übernehmen, wenn die Kosten übersetzt sind (vgl. Grüneberg a.a.O.). Im vorliegenden Fall ist überdies nicht erkennbar, dass die vom Sachverständigen geforderten Kosten zu hoch sind. Der beauftragte Gutachter, der auf Selten des Kl. dem Rechtsstreit beigetreten ist, hat substantiiert vorgetragen und belegt, dass sich die von ihm geforderten Gebühren im Rahmen dessen halten, was vergleichbare, dem Kl. zugängliche unabhängige Kfz-Sachverständige im vorliegenden Fall regelmäßig fordern. Der Streitverkündete gehört dem Berufsverband der unabhängigen Kfz-Sachverständigen VKS e.V. an. Er hat das Ergebnis der VKS-Honorarumfrage 2009 vorgelegt. Die von ihm berechneten Gebühren halten sich in jedem einzelnen Punkt im Rahmen der vorgelegten Tabelle. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH ist ein Sachverständiger auch nicht gehindert, das Honorar für ein Routinegutachten im Rahmen eines Kfz-Schadens ohne Angabe des Zeitaufwands nach dem Gegenstandswert festzusetzen (vgl. Grüneberg in Palandt, BGB, 70, Aufl. (2011), § 315 Rn. 10 m.w.N.). Die Bekl. konnten daher nicht mit ihrem Vortrag durchdringen, die Sachverständigenkosten hielten sich nicht im Rahmen des wirtschaftlich Vernünftigen. Sie haben sich zwar auf das Gesprächsergebnis des Berufsverbandes der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen e.V. (BVSK) mit der Beklagten zu 3) berufen; unabhängig davon, dass jedenfalls eine Sondervereinbarung des Schädigers nicht geeignet sein dürfte, Rückschlüsse auf die Höhe des erforderlichen Wiederherstellungsaufwand zuzulassen, da der Geschädigte in der Wahl seiner Mittel frei ist und keinen vom Schädiger vorgeschlagenen Sachverständigen einschalten muss, haben die Bekl. selbst nicht substantiiert behauptet und belegt, dass der vom Kl. beauftragte Sachverständige mit seiner Honorarforderung jenen Rahmen überschritten hat. Nach alldem ist nicht erkennbar, dass der Kl. sich unwirtschaftlich verhalten oder gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen hat. Weder hätte sich ihm aufdrängen können und müssen noch ist konkret vorgetragen worden, dass das von ihm in Auftrag gegebene Gutachten von einer anderen Person ebenso gut, aber günstiger hätte erstellt werden können. Anders, als die Bekl. meinen, muss daher auch nicht nachgeprüft werden, ob die einzelnen in Rechnung gestellten Positionen, etwa die Kopiekosten oder die Kilometerpauschale, übersetzt sind. Insbesondere haben sie selbst keinen Sachverständigen benannt, der seinen Sitz näher am Wohnort des Kl. hat und daher geringere Fahrtkosten beansprucht hätte. Außerdem wäre dann zu prüfen gewesen, ob das Gutachten dann auch tatsächlich vergleichbar und günstiger erstellt worden wäre. Ein Herausstreichen von Einzelpositionen ohne Ansehen der Gesamtkosten scheidet von vorneherein aus, da ein konkreter Schaden abgerechnet wird. Die Bekl. haben auch keinen Sachverständigen benannt, der das Gutachten tatsächlich günstiger erstattet hätte.
Den Bekl. steht es frei, sofern sie den Kläger für bereichert halten bzw. ein Recht auf Vorteilsausgleichung vermuten, sich etwaige Ansprüche des Kl. gegen den Streitverkündeten analog § 255 BGB abtreten zu lassen. Zu Recht weist der Nebenintervenient darauf hin, dass der Schädiger verpflichtet ist, sich um den Vorteilsausgleich selbst zu kümmern. Dies ist auch sachgerecht, da der Geschädigte nicht dadurch schlechter gestellt werden darf, dass er die Schadensabwicklung selbst veranlasst. Das Risiko eines Prozesses auf Rückerstattung von Gutachtenkosten muss der Schädiger tragen, sofern der Geschädigte sich im Rahmen des § 249 BGB gehalten und nicht gegen § 254 BGB verstoßen hat.
Ob das Honorar des Nebenintervenienten sich in den Grenzen des § 315 BGB hält, müsste in einem Prozess auf Rückerstattung überzahlter Gebühren geprüft werden. Der im vorliegenden Fall anzuwendende Maßstab, nämlich ob der Geschädigte sich im Rahmen des gemäß § 249 BGB Zulässigen und wirtschaftlich Vernünftigen gehalten oder gegen § 254 Abs. 2 BGB verstoßen hat, ist allerdings ein anderer. Daher ist auch im vorliegenden Rechtsstreit kein Gutachten zu der Frage einzuholen, ob die Honorarforderung des Streitverkündeten übersetzt ist. Konkrete Hinweise auf ein krasses Missverhältnis zwischen Preis und Leistung, die wohl des Landgericht Saarbrücken ausweislich den von den Bekl. mit Schriftsatz vom 2.3.2011 vorgelegten Hinweis- und Beweisbeschlüssen zur Einholung eines Gutachtens veranlasst haben, liegen im vorliegenden Fall gerade nicht vor. In den vom Landgericht Saarbrücken zu entscheidenden Fällen hatte das Gericht konkreten Anlass zu erwarten, dass der dortige Kläger im dortigen Bezirk durchaus erheblich günstigere Sachverständige hätte auswählen können. Ihm lag ein entsprechendes Parteigutachten vor, zudem hat sich der dortige Sachverständige mit allen Einzelpositionen seiner Rechnung im oberen Bereich der BVSK-Honorarbefragung bewegt, darüber hinaus hatte das Landgericht Saarbrücken Anhaltspunkte für die Vermutung, dass der Arbeitsaufwand jenes Sachverständigen im konkreten Fall durch den Einsatz moderner Begutachtungsprogramme erheblich hätte reduziert werden können. Der hier zu entscheidende Fall ist mit jenen Fällen nicht vergleichbar. Die Bekl. müssen daher als Gesamtschuldner die noch nicht vollständig bezahlten Sachverständigenkosten erstatten.
Die Beklagten haben die gesetzte Frist zur Zahlung fruchtlos verstreichen lassen und befinden sich seit dem 4.8.2010 in Zahlungsverzug. Die Forderung ist daher wie tenoriert zu verzinsen, §§ 286 Abs. 1 S. 1, 288 Abs. 1 BGB.
Da dem Kläger ein Schadensersatzanspruch gegen die Bekl. zustand, durfte er sich der Hilfe eines Rechtsanwalts bedienen, um diesen durchzusetzen. Es war dem Kl. nicht zuzumuten, seine Forderung ohne anwaltlichen Beistand geltend zu machen, da es sich um keinen einfach gelagerten Fall handelte, zumal die Bekl. seinen Anspruch substantiiert bestritten haben. Die vorgerichtlich angefallenen Rechtsanwaltskosten von 83,54 € (1,3 Gebühr nach Nummer 2300 VV RVG inklusive Auslagenpauschale nach Nr. 7002 W RVG und Mehrwertsteuer aus einem Gegenstandswert von 473,96 € [= 387,96 € + 86,00 € als zusätzliche Nutzungsausfallentschädigung]) müssen die Beklagten gesamtschuldnerisch erstatten. Der Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen ab Rechtshänglgkeit ergibt sich aus den §§ 286 Abs. 1 S. 2, 288 Abs. 1, 291 BGB.
Des weiteren hat der Kl. einen Anspruch darauf, dass die Bekl. außerdem die Rechtsanwaltsgebühren erstatten, die durch die Anfrage bei der Rechtsschutzversicherung, ob Kostendeckung besteht, angefallen sind. Die Gebühren sind Teil des Verzugsschadens. Weder war der Kl. gehalten, seine Rechtsschutzversicherung selbst um Kostendeckung zu bitten, noch geht diese Angelegenheit in der Durchsetzung der Schadensersatzansprüche gegen die Beklagten auf. Gegenstand der Deckungsanfrage ist das Prozessrisiko der ersten Instanz, nämlich die zu erwartenden Gerichtsgebühren und die Kosten für die anwaltliche Tätigkeit im Gerichtsverfahren. Für die Deckungsanfrage ist eine Prüfung der Erfolgsaussichten der Klage erforderlich. Es handelt sich daher nicht um eine einfach gelagerte Tätigkeit wie etwa der Abschluss einer Rechtschutzversicherung, die der Kl. selbst hätte erledigen können und müssen. Der Kläger hat als Geschädigter ein schützenswertes Interesse daran, nicht das Risiko eines Prozesses tragen zu müssen, der nur erforderlich ist, weil der Schädiger bzw. seine Versicherung seine Forderung nicht fristgerecht vollständig erfüllen.
Dem Feststellungsantrag des Klägers war daher stattzugeben, § 256 Abs. 1 ZPO. Er hat ein Interesse an der Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten. Er konnte mangels Fälligkeit nicht auf Leistung klagen, zudem steht zu erwarten, dass er keinen vollstreckbaren Titel gegen die Bekl. braucht, sondern dass sie auch ohne Einleitung der Zwangsvollstreckung ihrer Zahlungsverpflichtung nachkommen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91, 91a, 101 ZPO. Der Kl. hat voll obsiegt. Der Nebenintervenient ist auf seiner Seite beigetreten. Der Kläger wäre vermutlich auch mit dem in der Zwischenzeit erledigten Antrag, die Bekl. zur Zahlung restlicher Nutzungsausfallentschädigung in Höhe von 86,00 € zu verurteilen, durchgedrungen (§ 91a ZPO). Die Bekl. haben nach Rechtshängigkeit den geltend gemachten Anspruch erfüllt und damit quasi anerkannt. Bei dem Fahrzeug des Kl., einem Nissan X-Traif, Erstzulassung 8.6.2005, ist von einer Nutzungsausfallentschädigung von 59,00 € pro Tag auszugehen, so dass die summarische Prüfung der Erfolgsaussichten ergibt, dass der Kläger insgesamt 236,00 € verlangen konnte, von denen die Beklagten vorgerichtlich nur 150,00 € bezahlt haben.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708, 713 ZPO.
Die Berufung war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 511 Abs. 4 ZPO nicht vorliegen. Das Gericht hat sich mit seiner Entscheidung an der ständigen Rechtsprechung des BGH orientiert, so dass es zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich ist, eine Entscheidung des Berufungsgerichts zuzulassen. Grundsätzliche Bedeutung hat die Rechtssache ebenfalls nicht.
Der Streitwert beläuft sich auf 387,96 € + 86,00 € = 473,96 €. Die Nebenforderungen haben den Streitwert nicht erhöht, § 43 GKG.
So das Urteil der Amtsrichterin aus Wertheim. Eure Meinung dazu, bitte.
Urteilsliste “Rechtsschutzanfragekosten u. SV-Honorar” zum Download >>>>>