Mit Urteil vom 31.03.2011 (711 C 1/11) hat das Amtsgericht Hamburg-Wandsbek die HUK-Coburg Allgemeine Versicherung AG zur Zahlung weiterer SV-Kosten in Höhe von 257,67 € zzgl. Zinsen verurteilt. Interessant ist der Ansatz, dass in dem Abrechnungsschreiben der Versicherung eine entgültige Leistungsverweigerung gesehen wird, die eine Mahnung entbehrlich macht.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die zulässige Klage ist bis auf einen geringen Teil der Zinsen begründet.
Der Kläger verlangt zu Recht von der Beklagten Zahlung von € 257,67 als restliches Sachverständigenhonorar.
Der Kläger hat gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht einen Schadensersatzanspruch auf die noch ausstehenden Gutachterkosten in Höhe von € 257,67 aus § 7 Abs. 1 StVG, 115 VVG, § 249 BGB i.V.m. 398 BGB.
Ursprünglich ist der Anspruch zugunsten des Geschädigten A. entstanden. Der bei der Beklagten haftpflichtversicherte Schädiger B. hat als Halter beim Betrieb seines Kraftfahrzeugs das Fahrzeug des A. und damit eine Sache im Sinne des § 7 I StVG beschädigt. Dadurch ist dem Geschädigten A. ein Schaden in Höhe der Gutachterkosten von insgesamt € 433,17 entstanden. Diese sind dem Grunde nach gemäß § 249 BGB ersatzfähig, da sie als regelmäßig adäquate Schadensfolgen zu einer zweckentsprechenden Reehtsverfolgung sowie Schadensbeseitigung notwendig sind.
Der Anspruch ist mit Vereinbarung vom 12.8.2010 auf den Kläger übergegangen. Der Geschädigte A. hat seine Schadensersatzansprüche aus dem Verkehrsunfall vom XX.XX.2010 wirksam mit Vereinbarung vom XX.XX.2010 an den Kläger abgetreten. Aus der Abtretungsvereinbarung geht hinreichend bestimmt hervor, dass alle Schadenspositionen aus dem Verkehrsunfall vom XX.XX.2010 erfasst sind, mithin auch die hier streitige.
Nachdem der Anspruch in Höhe von € 175,50 durch die vorgerichtliche Zahlung seitens der Beklagten nach § 362 BGB teilweise erloschen ist, verbleibt dem Kläger nunmehr ein Anspruch auf Ersatz der restlichen Gutachterkosten in Höhe von € 257,67.
Die Kosten des Gutachtens sind in streitgegenständlicher Höhe angemessen und damit zur Schadensbeseitigung erforderlich gewesen, so dass der Geschädigte A. mit der Beauftragung des Klägers auch nicht gegen seine aus § 254 Abs. 2 BGB folgende Schadensminderungspflicht verstoßen hat. Die Kosten des Gutachtens sind der Höhe nach in vollem Umfang ersatzfähig, da sie zur Wiederherstellung im Sinne des § 249 Abs. 2 BGB erforderlich gewesen sind. Anhaltspunkte dafür, dass die Gutachterkosten erkennbar überhöht waren und der Geschädigte A. damit gegen seine Verpflichtung zur Geringhaltung des Schadens verstoßen hat, liegen nicht vor. Es wurden keine Kosten produziert, die ein vernünftig Handelnder in der Situation des Geschädigten nicht verursachen würde. Insbesondere stehen die Kosten des Gutachtens nicht in einem unangemessenen Verhältnis zur Schadenshöhe.
Dem Geschädigten ist es nicht zuzumuten, vor Erteilung eines Gutachtenauftrages den Markt zu erforschen und mehrere Kostenvoranschläge von Sachverständigen einzuholen, um den billigsten Gutachter aufzuspüren. Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass es für die Berechnung des Gutachterhonorars keine einheitlichen und allgemein gültigen Tarif-Übersichten und keine Gebührenordnung gibt. Auch keine allgemein zugängliche und bekannte Empfehlung des BVSK existiert. Die Beklagte beruft sich insofern lediglich auf ein internes Gesprächsergebnis mit dem BVSK. Zwar darf der Geschädigte auf Kosten des Schädigers und dessen Haftpflichtversicherer nicht jeden beliebigen Preis mit dem Sachverständigen vereinbaren, ein wirtschaftlich denkender Mensch anstelle des Geschädigten konnte jedoch keine Zweifel an der Angemessenheit der Gutachterkosten haben. Für den Geschädigten als Laien war im Zeitpunkt der Beauftragung des Klägers weder eine willkürliche Festsetzung des Honorars noch ein auffälliges Missverhältnis zwischen Preis und Leistung erkennbar.
Auch die Gesamtrelation zwischen dem Rechnungsbetrag von € 433,17 und dem vom Kläger veranschlagten Fahrzeugschaden von insgesamt € 1.261,73 spricht nicht für eine völlige Unangemessenheit der Sachverständigenrechnung. Die Beklagte selbst beruft sich mit Schreiben vom 20.09.2010 auf eine Tabelle aus der sich ergibt, dass bei einer Sachschadenshöhe von bis zu € 1.500,00 ein Bruttohonorar des Sachverständigen von € 351,00 gerechtfertigt sei. Die vorliegende Gesamtforderung des Klägers belief sich auf €433,17, liegt mithin also lediglich knapp über dem von der Beklagten selbst für angemessen gehaltenen Betrag. Eine Überschreitung in dieser geringen Höhe ist nicht zu beanstanden. Es wurden keine Kosten produziert, die ein vernünftig Handelnder in der Situation des Geschädigten nicht verursachen würde.
Der Zinsanspruch ergibt sich als Schadensersatz unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Zahlungsverzuges aus §§ 280 Abs. 1, 286 Abs.2, 288 Abs. 1 BGB, allerdings erst ab Zugang der Zahlung der Beklagten am 23.09.2010 beim Schädiger, da darin eine endgültige Zahlungsverweigerung zu sehen ist. Für einen früheren Verzugseintritt hat der Kläger nichts substantiiert vorgetragen.
Die Berufung ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 511 ZPO nicht vorliegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Soweit das AG HH-Wandsbek.
Prima Urteil aus Hamburg!
Da hat ein Richter mal erkannt, worum es wirklich geht und den Anspruch aus § 249 BGB (unter Einbeziehung der Möglichkeiten, die § 287 ZPO bietet) aus dem (ex anten) Blickwinkel des Geschädigten, ohne jegliche Hilfsmittel (BVSK-Liste usw.), „abgeschätzt“. Die Erforderlichkeitsbetrachtung nebst § 254 BGB kam dabei auch nicht zu kurz. Auch die Argumentation zum Kostenverhältnis ist nachvollziehbar. Interessant ist auch der Hinweis zur entgültigen Zahlungsverweigerung durch das Abrechnungsschreiben der HUK, das eine Mahnung entbehrlich macht.
Von dieser kompetenten Begründung können sich (auch) die Coburger Gerichte eine große Scheibe von abschneiden!
So „einfach“ kann (könnte) korrekte Schadenersatz-Rechtsprechung sein – wenn man nur will, kann oder darf?
Hallo Hunter,
ich gehe davon aus, dass die Redaktion an das Urteil drei Sterne – besonders wissend und lesenswert – „heftet“.
Es geht mein Glückwunsch an den Kläger und seinen Anwalt. Dem Richter zolle ich ebenfalls meinen Respekt.
Gruß Virus