Hallo Leute, damit auch der Volltext des Urteils vorliegt, über das so trefflich diskutiert wird, stelle ich nachstehend das Urteil des OLG Düsseldorf vom 15.3.2011 – I – 1 152/10 – (NZV 2011, 404) hier ein. Lest jetzt die Entscheidungsgründe des 1. Zivilsenates des OLG Düsseldorf. Ich hatte bei der Diskussion den Eindruck, dass einige den Urteilstext gar nicht vorliegen hatten. Hier das Urteil des OLG Düsseldorf zu der Honorarquotelung. Zunächst fällt einmal auf, dass sich die Düsseldorfer Richter intensiver mit dem Thema beschäftigt haben als die Richter in Rostock. Die dortige Begründung war doch etwas dürftig. Aber lest selbst und gebt dann Eure Meinung ab.
Oberlandesgericht Düsseldorf
I-1 U 152/10
vom: 15.03.2011
Unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels der Klägerin wird das am 10.06.2010 verkündete Urteil des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin 4.752,46 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.06.2009 zu zahlen.
Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, die Klägerin von der Honorarforderung des Dipl.-Ing. K. W., H-H-Str., E., gemäß Rechnung vom 13.05.2009 (Rechnungsnummer) in Höhe eines Betrages von 409,46 € freizustellen.
Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, die Klägerin von dem Honoraranspruch ihrer Prozessbevollmächtigten für deren vorprozessuale Tätigkeit in dieser Sache in Höhe eines Betrages von 239,17 € freizustellen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 3 % und die Beklagten gesamtschuldnerisch zu 97 %. Die übrigen Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 25 % und die Beklagten gesamtschuldnerisch zu 75 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
I.
Die zulässige Berufung hat in der Sache überwiegend Erfolg. Auf der Grundlage der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen ist der Verursachungsbeitrag der Beklagten mit 75 % zu bewerten. Der Senat teilt die Auffassung des Amtsgerichts Mülheim an der Ruhr und des Landgerichts Duisburg im Parallelverfahren, dass der Schwerpunkt der Verursachung auf dem Verhalten des Beklagten zu 3 liegt. Dieser hat durch das verbotswidrige Befahren der Verkehrsinsel die Gefahrenlage herbeigeführt. Dagegen steht ein Vorfahrtsverstoß des Geschäftsführers der Klägerin nicht fest. Dieser durfte darauf vertrauen, dass er – geschützt durch das wartende Mofa – nach links abbiegen kann. Keinen Erfolg hat die Berufung dagegen, soweit die Klägerin in Abweichung der von ihr anerkannten Mithaftungsquote von 25 % die Gutachterkosten zu 100 % ersetzt verlangt. Für diese Auffassung gibt es keine gesetzliche Stütze.
Im Einzelnen:
1. Haftung dem Grunde nach
Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach beruht auf §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 Satz 1 StVG, 115 VVG.
a.
Rechtsgrundlage für eine Haftung der Beklagten zu 2 ist § 7 Abs. 1 StVG. Die Beklagte zu 2 ist Halterin des unfallbeteiligten BMW. Der Unfall ereignete sich auch beim Betrieb dieses Fahrzeugs. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Unfall auf höherer Gewalt im Sinne von § 7 Abs. 2 StVG beruhte. Die Beklagten haben auch nicht bewiesen, dass der Unfall für den Beklagten zu 3 als Fahrer ein unabwendbares Ereignis im Sinne von § 17 Abs. 3 StVG war. Die Beklagten haben bereits nicht bewiesen, dass der Beklagte zu 3 die Kollision auch bei rechtzeitiger Reaktion und Einleitung eines Bremsmanövers nicht hätte vermeiden können.
Aber auch die Klägerin haftet als Halterin des unfallbeteiligten Pkw Daimler-Chrysler nach § 7 Abs. 1 StVG für die Unfallfolgen. Auch für sie beruhte das Unfallgeschehen nicht auf höherer Gewalt nach § 7 Abs. 2 StVG. Die Klägerin beruft sich in der Berufungsinstanz selbst nicht mehr auf eine Unabwendbarkeit des Geschehens im Sinne von § 17 Abs. 3 StVG.
Steht damit die Haftung beider Unfallbeteiligten fest, so hängt in ihrem Verhältnis zueinander die Verpflichtung zum Schadensersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes gemäß § 17 Abs. 1 und 2 StVG von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden ist. Für das Maß der Verursachung ist ausschlaggebend, mit welchem Grad an Wahrscheinlichkeit ein Verhalten geeignet ist, Schäden der vorliegenden Art herbeizuführen. Im Rahmen der Abwägung können zu Lasten einer Partei aber nur solche Tatsachen berücksichtigt werden, die unstreitig oder bewiesen sind und als unfallursächlich feststehen.
1. Verursachungsbeitrag der Klägerin
a. Verstoß gegen § 9 Abs. 3 StVO
Ein Verstoß des Geschäftsführers der Klägerin gegen § 9 Abs. 3 Satz 1 StVO steht auf der Grundlage der erstinstanzlichen Beweisaufnahme nicht fest. Nach dieser Vorschrift muss derjenige, der Abbiegen will, entgegenkommende Fahrzeuge vorher durchfahren lassen. Die Wartepflicht besteht gegenüber einem Entgegenkommenden, wenn dieser so nahe herangekommen ist, dass er durch das Abbiegen gefährdet oder auch nur in der zügigen Weiterfahrt wesentlich behindert wird. An dieser Pflicht ändert sich nichts, wenn ein Entgegenkommender dem Linksabbieger zu erkennen gibt, dass er ihm den Vortritt einräumt: diese sogenannte „gefährdende Höflichkeit“ entbindet den Linksabbieger nicht davon, selbst sicher zu stellen, dass von seinem Abbiegen keine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeht (Senat, Urteil vom 29.09.2009, I – 1 U 163/08; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, § 9 StVO Rn 41 m.w.N.).
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beklagte zu 2 mit seinem Fahrzeug zu dem Zeitpunkt, als der Geschäftsführer der Klägerin den Abbiegevorgang einleitete, bereits so weit in den Kreuzungsbereich eingefahren war, dass er durch das Abbiegemanöver gefährdet wurde. Es steht bereits nicht fest, dass der Beklagte zu 3
mit der Vorbeifahrt an dem Mofa angesetzt hatte, als der Geschäftsführer der Klägerin nach links einbog. Die vernommenen Zeugen konnten zu diesen Weg-Zeit-Zusammenhängen keine Angaben machen.
Zu Lasten der Klägerin greifen auch nicht die Grundsätze des Anscheinsbeweises ein, da es an einem typischen Geschehensablauf fehlt. Ereignet sich in unmittelbarem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem Linksabbiegen ein Zusammenstoß des Linksabbiegers mit einem entgegenkommenden Fahrzeug, spricht zwar der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der nach links abbiegende Kraftfahrzeugführer die ihm nach § 9 StVO obliegenden Sorgfaltspflichten verletzt und so den Unfall schuldhaft verursacht hat (BGH DAR 1985, 316; ständige Rechtsprechung des Senats, zuletzt Urteil vom 21.09.2010, I – 1 U 231/09). Voraussetzung ist aber, dass der Linksabbieger mit einem Verkehrsteilnehmer des fließenden Verkehrs kollidiert. Dies war nicht der Fall. Vielmehr lag eine atypische Verkehrssituation vor. Die Besonderheit besteht vorliegend darin, dass der Beklagte zu 3 keine Möglichkeit hatte, dass das Mofa unter Beachtung der Vorschriften der StVO zu überholen. Die Geradeausfahrt war für ihn versperrt. Nur unter Verletzung des § 2 Abs. 1 StVO hatte er die Möglichkeit, den Kreuzungsbereich zu erreichen.
b. Verstoß gegen § 11 Abs. 3 2 Hs. StVO
Ein unfallursächlicher Verstoß des Geschäftsführers der Klägerin gegen § 11 Abs. 3 2 Hs. StVO steht ebenfalls nicht fest. Nach dieser Vorschrift darf der Wartepflichtige auf einen Vorfahrtsverzicht nur vertrauen, wenn er sich mit dem Verzichtenden verständigt hat. Eine entsprechende Verständigung mit dem Mofafahrer trägt bereits die Klägerin selbst nicht vor. Der Verstoß war aber nicht unfallursächlich. Vielmehr ist die Gefahrensituation erst durch das nachfolgende, verkehrswidrige Verhalten des Beklagten zu 3 eingetreten.
c. Betriebsgefahr
Es verbleibt auf Seiten der Klägerin die Betriebsgefahr ihres Fahrzeugs, welche durch den Abbiegevorgang erhöht war.
2. Verursachungsbeitrag der Beklagten
Der Beklagte zu 3 hat gegen § 2 Abs. 1 StVO verstoßen. Nach dieser Vorschrift müssen Fahrzeuge die Fahrbahn benutzen. Nicht zur Fahrbahn gehören Gehwege im Sinne von § 25 Abs. 1 StVO, die Fußgängern vorbehalten sind. Gehwege sind solche öffentlichen Verkehrsflächen, die zur Benutzung durch Fußgänger bestimmt und eingerichtet sowie durch Trennung von der Fahrbahn aufgrund ihrer Gestaltung (z.B. durch Bordstein) äußerlich als solche erkennbar sind (Hentschel, Straßenverkehrsrecht, § 25 StVO Rn. 12). Nach Maßgabe dieser Kriterien ist die auf Blatt 61 der Beiakte zu sehende Verkehrsinsel als Gehweg im Sinne von § 25 Abs. 1 StVO zu qualifizieren. Denn sie dient dazu, Fußgängern die gefahrlose Überquerung der H. Straße zu ermöglichen. Die Verkehrsinsel ist als Querungshilfe allein dem Fußgängerverkehr vorbehalten. Sie ist auch mittels Bordstein und unterschiedlichem Bodenbelag von der Pkw-Fahrbahn abgetrennt.
Aufgrund der erstinstanzlichen Beweisaufnahme steht auch fest, dass der Beklagte zu 3 den Bereich der Verkehrsinsel im Rahmen des Überholmanövers benutzt hat. An der Beweiswürdigung durch das Landgericht bestehen keine Zweifel im Sinne von § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Der Zeuge L. hat die Benutzung der Verkehrsinsel durch den Beklagten zu 3 bestätigt. Dieses Fahrmanöver ist letztlich auch von dem Beklagten zu 3 selbst eingeräumt worden (Bl. 58 und 56 der Beiakte). Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Beklagte zu 3 auch über den Bordstein gefahren ist, denn das Verbot der Benutzung gilt sowohl für den erhöhten wie auch den abgesenkten Bereich der Verkehrsinsel.
In diesem Zusammenhang hat der Beklagte zu 3 auch gegen § 41 Abs. 1 StVO in Verbindung mit Zeichen 222 verstoßen. Aufgrund dieses vor der Verkehrsinsel aufgestellten Zeichens (Bl. 61 der Beiakte) war der Beklagte zu 3 verpflichtet, rechts an der Verkehrsinsel vorbeizufahren. Dieser Verpflichtung ist der Beklagte zu 3 nach oben stehenden Ausführungen nicht nachgekommen.
Der Pflichtverstoß hat sich auch unfallursächlich ausgewirkt. Hätte der Beklagte zu 3 das Verbot der Benutzung der Verkehrsinsel befolgt, hätte er die Mofafahrerin nicht überholen können. In diesem Fall wäre es nicht zu einer Kollision mit dem links abbiegenden Fahrzeug der Klägerin gekommen.
3. Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge
Die Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge führt zu einer überwiegenden Haftung der Beklagten von 75 % zu 25 %. Nur auf Seiten der Beklagten ist die Betriebsgefahr des Fahrzeugs durch ein pflichtwidriges Verhalten des Fahrers erhöht. Bei wertender Betrachtung hat der Beklagte zu 3 die entscheidende Ursache für die Kollision gesetzt. Bei verkehrsgerechtem Verhalten hätte der Beklagte zu 3 hinter der haltenden Mofafahrerin warten müssen. Er hätte nicht in den Kreuzungsbereich einfahren und die Gefahr einer Kollision herbeiführen können. Der Geschäftsführer der Klägerin musste in dieser Situation nicht damit rechnen, dass der Beklagte zu 3 verbotswidrig die Verkehrsinsel befährt. Vielmehr durfte er nach der Freigabe des Kreuzungsbereiches durch die Mofafahrerin darauf vertrauen, dass er ohne Gefährdung des entgegenkommenden Verkehrs nach links in die F. Straße abbiegen konnte. Auf Seiten der Klägerin verbleibt lediglich die gesteigerte Betriebsgefahr, deren Anteil der Senat mit 25 % bewertet.
b.
Die Haftung des Beklagten zu 3 ergibt sich aus § 18 Abs. 1 Satz 1 StVG. Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass der Beklagte zu 3 den Nachweis mangelnden Verschuldens nicht führen konnte. Die Haftung der Beklagten zu 1 als Haftpflichtversicherer folgt aus § 115 VVG.
2. Haftung der Höhe nach
a. Nettoreparaturkosten
Die Klägerin kann nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB Ersatz von 75 % der fiktiven Nettoreparaturkosten in Höhe von 6.311,62 € verlangen. Ihr Schadensersatzanspruch ist nicht aufgrund des Wirschaftlichkeitsgebots auf 75 % des Nettowiederbeschaffungsaufwandes begrenzt.
Bei behebbaren Sachschäden kann die nach § 249 Abs. 1 BGB geschuldete Naturalrestitution durch eine Reparatur geschehen. Daneben kommt bei vertretbaren Sachen auch eine Ersatzbeschaffung in Betracht. Da der Bundesgerichtshof gebrauchte Kfz wie vertretbare Sachen behandelt, sieht er auch die Beschaffung eines gleichwertigen Gebrauchtwagens als eine Form der Naturalrestitution an (BGH NZV 1992,66). Zwischen beiden Formen der Schadensbeseitigung hat der Geschädigte die Wahl. Statt der Reparatur oder Austausch kann der Geschädigte nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB auch den hierzu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Seine Grenze findet das Wahlrecht zwischen Wiederherstellung der Ersatzbeschaffung bzw. zwischen Forderung der Reparatur- und Forderungen der Kosten der Ersatzbeschaffung im so genannten Wirtschaftlichkeitsgebot. Das Wirtschaftlichkeitsgebot gebietet dem Geschädigten, den Schaden auf diejenige Weise zu beheben, die sich in seiner individuellen Lage als die wirtschaftlich vernünftigste darstellt, um sein Vermögen in Bezug auf den beschädigten Bestandteil in einen dem früheren gleichwertigen Zustand zu versetzen.
Dies führt hier dazu, dass die Klägerin Ersatz der Nettoreparaturkosten verlangen kann. Für den anzustellenden Vergleich ist auf die Nettowerte abzustellen. Zwar sind grundsätzlich die jeweiligen Bruttowerte miteinander zu vergleichen (BGH NJW 2009, 1340; VersR 2009, 654; Senat, Urteil vom 15.10.2008, DAR 2008, 268). Etwas anderes gilt jedoch, wenn – wie hier – der Geschädigte vorsteuerabzugsberechtigt ist. In diesem Fall sind die Nettowerte als Vergleichsmaßstab heranzuziehen (Thüringer Oberlandesgericht Schaden-Praxis 2009, 605; in diesem Sinne auch BGH NJW 2009, 1340).
Die geschätzten Nettoreparaturkosten von 6.311,62 € liegen unterhalb des Nettowiederbeschaffungswertes von 8.056,64 € (8.250 €: 102,4 x 100) und auch unter dem Nettowiederbeschaffungsaufwand von 6.375,97 € (8.056,64 € – 1.680,67 €). Bei der Berechnung des Wiederbeschaffungsaufwandes ist der Nettorestwert zu berücksichtigen, da die Klägerin vorsteuerabzugsberechtigt ist und der im Gutachten W. genannte Betrag von 2.000 € die gesetzliche Umsatzsteuer beinhaltet. Der Nettorestwert berechnet sich wie folgt: 2.000 €: 119 x 100 = 1.680,67 €.
Liegen die Reparaturkosten – wie hier – unterhalb des Wiederbeschaffungsaufwandes, so ist auf Reparaturkostenbasis abzurechnen. Im Rahmen der von der Klägerin vorgenommenen fiktiven Abrechnung kann nach § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB nur der Nettobetrag in Höhe von 6.311,62 € in Ansatz gebracht werden.
Unter Berücksichtigung der Mithaftungsquote von 25 % kann die Klägerin Nettoreparaturkosten in Höhe von 4.733,71 € von den Beklagten ersetzt verlangen.
b. Sachverständigenkosten
Die Klägerin hat weiter Anspruch auf Freistellung von 75% ihrer Gutachterkosten. Denn auch diese Kosten gehören zu dem nach § 249 BGB zu ersetzenden Schaden (BGH NJW 2005, S. 356) und sind im Falle der Mithaftung gemäß § 17 StVG anteilig zu erstatten.
Ein weitergehender Anspruch steht der Klägerin insoweit jedoch nicht zu.
Der Senat stimmt der teilweise in Rechtsprechung und Literatur vertretenen und von der Klägerin zitierten Auffassung, nach der der Schädiger auch im Falle einer quotenmäßigen Regulierung seines Schadens die vollen ihm entstandenen Gutachterkosten zur Ermittlung seines Schadens als Rechtsverfolgungskosten vom Schädiger verlangen kann (so AG Siegburg NJW 2010, 2289 f. = DAR 2010, 389 mit Anmerkung von Poppe; Hans-Ulrich Poppe, jurisPR-VerkR 12/2010 Anm. 1, Poppe, DAR 2005, 669 ff., Winnefeld, DAR 1996, Seite 75; zustimmend Kappus, DAR 2010, 727), nicht zu. Denn diese Auffassung findet im Gesetz keine Stütze.
(1) Die Kosten eines Sachverständigengutachtens gehören zu dem mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 Abs. 1 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist (BGH NJW 2005, 356; NJW RR 1989, 953, 956). Ebenso können diese Kosten Bestandteil des nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB erforderlichen Herstellungsaufwand sein, wenn die vorherige Begutachtung zur tatsächlichen Durchführung der Wiederherstellung erforderlich und zweckmäßig ist (BGH NJW 2005, 356, NJW 1974, 34, 35). Unter beiden Gesichtspunkten sind diese Kosten grundsätzlich in vollem Umfang erstattungsfähig.
(2) Ist der geschädigte Fahrzeughalter in erheblicher Weise für den Schaden mitverantwortlich, so führt dies nach § 17 Abs. 1 und 2 StVG allerdings zu einer Beschränkung von Grund und Umfang des Schadensersatzanspruchs. Die Bestimmung statuiert – ebenso wie die §§ 254 Abs. 1 BGB, 9 StVG und 4 HaftPflG – eine Ausnahme vom Grundsatz der Totalreparation (Alles-oder-Nichts-Prinzip des Schadensrechts). Sie hat zur Folge, dass auch der Anspruch auf Ersatz der Kosten eines Sachverständigengutachtens nur ungeschmälert fortbestehen kann, wenn sich aus „den Umständen“, insbesondere aus der Feststellung, „inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden ist“ (§ 17 Abs. 1 StVG) ein solches Ergebnis rechtfertigen lässt.
(3) Aus den „Umständen“, insbesondere den Verursachungsbeiträgen, ergibt sich eine solche Rechtfertigung nicht. Auch die Kosten des Sachverständigengutachtens sind durch den Unfall verursacht. Und wenn den Geschädigten insoweit eine Mitverantwortung trifft, so heißt das, dass er auch für die weiteren Unfallfolgen mitverantwortlich ist. Der Zurechnungs- und Verantwortungszusammenhang wird durch den Willensentschluss, der der Beauftragung des Sachverständigen zugrunde liegt, nicht unterbrochen. Denn ohne die Unfallbeteiligung des Geschädigten wäre es auch zu dieser Handlung nicht gekommen. Und dass sie ausschließlich durch den Fremdhaftungsanteil bedingt sei (so Winnefeld, DAR 1996, 74), oder allein dem zum Nachweis des vom Schädiger zu tragenden Schadensanteil eingeholt würden (so Poppe, DAR 2005, 671; in diesem Sinne auch AG Siegburg NJW 2010, 2289, 2290), lässt sich auch bei normativer Betrachtung nicht sagen. Denn die Einholung eines Sachverständigengutachtens dient selbst dann, wenn der Geschädigte es wirklich nur zur Bezifferung eines berechtigten Teilanspruches in Auftrag geben würde, zwangsläufig immer auch seinen Interessen, weil es auch ihm Gewissheit über das ganze Ausmaß des Schadens und die von ihm zu tragenden Kosten verschafft. Damit fehlt es aber an einem Umstand, der eine vom übrigen Sachschaden abweichende Aufteilung der Kosten des Sachverständigengutachtens rechtfertigen könnte.
(4) Aus der Rechtsprechung zur Erstattungsfähigkeit vorgerichtlichen Anwaltskosten folgt auch kein Argument für den ungeschmälerten Ersatz von Sachverständigenkosten. Zwar kann der Geschädigte – auch nach der ständigen Rechtsprechung dieses Senats (vgl. z.B. Urteil vom 16.06.2008, Az.: I – 1 U 246/07) – Ersatz der Rechtsanwaltskosten verlangen, die er zur Verfolgung seines begründeten Anspruchs aufgewandt hat (BGH NJW 2005, 1112; NJW 2008, 1888 f.). Die Rechtfertigung für diese Rechtsprechung liegt allerdings in einer Besonderheit der Forderung selbst. Denn bei dieser Schadensposition handelt es sich um eine Nebenforderung, deren Höhe sich erst bestimmen lässt, wenn die Hauptforderung konkretisiert ist. Das ist bei den Sachverständigenkosten anders. Sie sind Bestandteil des Sachschadens und damit auch Bestandteil der Hauptforderung (BGH NJW 2007, 1752 f.). Ihre Höhe hängt nicht in gesetzlich bestimmter Weise vom Umfang des übrigen Schadens ab. Vor allem aber führen die §§ 17 Abs. 1 u. 2 StVG, 254 Abs. 1 BGB auch hinsichtlich der Anwaltskosten zu einer Einschränkung des Anspruchs. Eine Berücksichtigung der Mitverantwortung erfolgt hier nur nicht durch Quotierung der Kosten, sondern durch eine Quotierung des Streitwerts, der nach dem RVG die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren bestimmt. Bei den Sachverständigenkosten eröffnet das Gesetz eine solche Differenzierungsmöglichkeit nicht. Hier kann die Mitverantwortung des Geschädigten für die Schadensentstehung nicht anders als durch eine Quotierung dieser Kosten Berücksichtigung finden.
(5) Auch die Differenztheorie kann eine abweichende Behandlung der Sachverständigenkosten nicht rechtfertigen. Die Theorie vermag zu begründen, warum die Sachverständigenkosten einen Schaden darstellen, sie sagt aber nichts darüber aus, wie dieser Schaden zu verteilen ist. Dies ergibt sich erst aus den §§ 7, 17 StVG. Diese lassen eine Trennung zwischen (unmittelbarem) Schaden einerseits und Rechtsverfolgungskosten andererseits, wie sie der Entscheidung des AG Siegburg (NJW 2010, 2289, 2290) zugrunde liegt, nicht zu. Eine solche wird auch in Bezug auf andere Rechtsverfolgungskosten, wie der Unkostenkostenpauschale, hinsichtlich derer der Geschädigte mit gleichem Recht geltend machen könnte, dass er diese Aufwendungen auch zur bloßen Durchsetzung seiner begründeten Teilforderung hätte tätigen müssen, folgerichtig nicht diskutiert.
(6) Auf den Umstand, dass der Geschädigte, der für den Unfallschaden mitverantwortlich ist, auch zur Ermittlung seines begründeten Teilanspruches den Gesamtschaden begutachten lassen muss, kommt es nach dem Gesetz danach nicht an. Der Geschädigte hat nicht auf der Grundlage einer isolierten Betrachtung des § 249 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Ersatz seiner zur Realisierung seiner Teilforderung erforderlichen Rechtsverfolgungskosten, sondern er hat auf der Grundlage von §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1 u. 2 StVG in Verbindung mit § 249 Abs. 1 BGB auch hinsichtlich des Schadens „Sachverständigenkosten“ nur einen beschränkten Anspruch, der sich auf den Ersatz eines Teils der erforderlichen Rechtsverfolgungskosten erstreckt. Dies ist weder unbillig noch systemwidrig. Und es ist auch nicht richtig, dass es kein Argument gibt, weshalb die Einholung eines erforderlichen Gutachtens zum Teil zu Lasten des Geschädigten gehen soll (so Poppe, DAR 2005, 669, 670). Immerhin hätte es ohne das Verhalten dieses Geschädigten diesen Unfall und damit auch diese Kosten nicht gegeben.
Ausgehend von einem Netto-Honorarbetrag von 545,95 € kann die Klägerin daher nur Freistellung von einer Forderung in Höhe von 409,46 € verlangen.
Die Klägerin kann auf den Befreiungsanspruch keine Verzugszinsen verlangen, da der Befreiungsanspruch kein Geldanspruch im Sinne von § 288 Abs. 1 BGB ist.
c. Auslagenpauschale
Ausgehend von einem Betrag von 25 € kann die Klägerin entsprechend ihrem Mitverschuldensanteil einen Betrag in Höhe von 18,75 € ersetzt verlangen.
d. Zusammenfassung
Insgesamt errechnet sich ein berechtigter Schadensersatzanspruch der Klägerin in Höhe von 5.161,92 €.
Die zugesprochenen Zinsen auf die Nettoreparaturkosten und die Auslagenpauschale beruhen auf §§ 280, 286, 288 BGB in Verbindung mit dem Mahnschreiben vom 04.06.2009.
e. Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten
Nach den vorstehenden Ausführungen ist von einem berechtigen Schadensersatzanspruch in Höhe von 5.161,92 € auszugehen. Ausgehend von diesem Betrag ergibt sich folgende Abrechnung:
Gegenstandswert: 5.161,92 €
0,65 Geschäftsgebühr nach RVG VV 2300: 219,70 €
Telekommunikationspauschale nach RVG VV 7001: 20,00 €
Gesamt: 239,17 €
Die Klägerin kann auf den Befreiungsanspruch keine Verzugszinsen verlangen, da der Befreiungsanspruch kein Geldanspruch im Sinne von § 288 Abs. 1 BGB ist.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren: 2.727,94 €.
So das Urteil des 1. Zivilsenates des OLG Düsseldorf. Jetzt Eure Meinung bitte, nachdem Ihr das vollständige Urteil gelesen habt.
Meine Meinung zu diesem Thema kann man bei einem anderen Beitrag ab hier ff nachlesen.
Hallo Hunter,
meine Meinung kennst Du auch. Habe ich bereits als Kommentare beim Urteil des OLG Rostock kund getan.
Mit freundlichen Grüßen
Willi
…..
Hallo Buschtrommler,
aus Deinem Kommentar um 12.25 mit ….. (fünf Punkten) entnehme ich, dass Du sprachlos bist. Sonst kann ich anders Deinen Kommentar nicht verstehen.
Mit freundlichen Grüßen
Willi Wacker
@WW…könnte schon zutreffend formuliert sein, aber weniger wegen bestehender persönlicher Meinung zum Thema….
So, und nun genug kommentiert meinerseits.
…so richtig schlau ist das, glaube ich, nicht, dass nun ein Thema in zwei Strängen kommentiert wird.
Hallo Herr Otting,
hier wird ja gar nicht mehr kommentiert, weil die Argumente bereits unter dem Urteil des OLG Rostock ausgetauscht wurden und werden. Ich hatte das Urteil des OLG Düsseldorf nur eingestellt, damit auch alle, die meinen mitdiskutieren zu müssen, den Volltext der Diskussionsbasis vorliegen haben.
Ich diskutiere aber nicht mehr mit, weil es mir zu unsachlich wird.
Mit freundlichen Grüßen
Willi Wacker
Was ist schon richtig und was weniger ?…
…Egal, mich stört in Urteilen immer folgende Floskel, die zweifelsohne auch als Schutzwall verstanden werden muss gegen eine Weiterbeschäftigung mit der Sache auf höherer Ebene:
„Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.“
Ist das nun immer der Schlußstrich ? Denn man kann aus anderer Sicht ja doch wohl die Existenz entsprechender Voraussetzungen vielleicht doch begründet anders sehen, z. B. gerade „im Namen des Volkes“, wie u.a. in diesem Forum eindrucksvoll präsentiert. Mit dieser präventiven Floskel wird de Förderung der Rechtsfortbildung deshalb gerade nicht genügt. Ein Freibrief für jedwede Art von Urteilen, die sich nicht unbedingt an den Grundpfeilern der Gesetzgebung orientieren und schon gar nicht an den Maximen einer Fortbildung. Das dann auch noch „im Namen des Volkes “ zu präsentieren, ist schon arg verwegen und eine Volksverdummung, denn das Volk wurde überhaupt nicht befragt und an dessen Meinung ist das Gericht insoweit ja wohl auch nicht groß interessiert.
Mit freundlichem Gruß
Chr. D.
@ Chr. D.
Das Volk gibt verfassungsmäßig geordnet die Kompetenz zur Rechtsprechung bei der Justiz ab. Und die befragt die Gesetze, die wiederum von verfassungsgemäß gewählten Vertretern des Volkes gemacht wurden.
Dass die Justiz statt des Gesetzes das Volk befragt, ist weder vorgesehen noch sinnvoll. Rechtsprechung „gemäß dem gesunden Volksempfinden“ hatten wir schon mal, und ich denke, das hat sich nicht bewährt.
Das OLG Düsseldorf konnte zum Zeitpunkt seines Urteils die abweichende Rostocker Entscheidung noch nicht kennen. Sonst hätte es die Revision vermulich doch zugelassen.
Danke Herr Otting, demnach enthält also jedes Urteil mindestens diesen Fehler, wenn (nur) im Befragen (im Namen) des Gesetzes entschieden wird.
@ Im Namen des Volkes?
Ich darf mich wiederholen:
„Das Volk gibt verfassungsmäßig geordnet die Kompetenz zur Rechtsprechung bei der Justiz ab. Und die befragt die Gesetze, die wiederum von verfassungsgemäß gewählten Vertretern des Volkes gemacht wurden.“
Nur wer das nicht akzeptiert, kann auf den von Ihnen geäußerten Gedanken kommen. Der sollte dann aber auch nicht behaupten, dass Versicherungen gegen geltendes Recht verstoßen, denn zu Ende gedacht, gibt es bei der krusen Ansicht, die Richter sollten das Volk befragen, aktuell kein legitimiertes Recht.
Ich stelle mir das übrigens witzig vor, wie das Volk für jedes Urteil – vom Amtsgericht bis zum BGH – zur Abstimmungsurne schreitet und die B-Zeitung vorher Wahlkampf macht.
Oder wollten Sie andeuten, man müsse nur Sie fragen, Sie wüssten dann schon, was das Volk will?