Mit Urteil vom 17.12.2008 (2-16 S 147/08) hat das LG Frankfurt/M. die Berufung der beklagten Versicherung gegen eine erstinstanzliche Verurteilung durch das AG Frankfurt/M. zurückgewiesen. Auch das LG Frankfurt/M. legt die Schwacke-Liste zugrunde und stellt u. a. fest, dass der Kläger Geld verschenkt hat, indem er KEINE Berufung eingelegt hat.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Berufung ist im Ergebnis nicht begründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte über die bereits erstatteten EUR 1.147,– einen Anspruch auf Zahlung eines weiteren Betrages in Höhe von EUR 1.118,51 aus §§ 7, 17 StVG i.V.m. § 3 PflVG i.V.m. § 249 BGB. Da der Kläger jedoch keine Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts eingelegt hat, verbleibt es bei den dort ausgeurteilten EUR 962,09.
Dem Amtsgericht ist entgegen der Rechtsansicht der Beklagten dahingehend zu folgen, dass für die Bejahung eines Nutzungswillens nicht erforderlich ist, dass der Kläger selbst das Fahrzeug nutzen wollte, sondern ein Nutzungswille auch dann bejaht werden muss, wenn – wie hier – der Kläger das Fahrzeug dauerhaft einem Familienangehörigen zur Nutzung überlassen hat. Der Zeuge war im Übrigen – nach Vorlage der Vollmacht vom xx.xx.2007 in der mündlichen Verhandlung vom 03.12.2008 unstreitig – zur Anmietung eines Ersatzfahrzeugs ermächtigt.
Nach bisheriger ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes können gemäß § 249 BGB nur diejenigen Mietwagenkosten im Wege des Schadensersatzes verlangt werden, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte kann die Sätze des Unfallersatztarifes nur dann ersetzt verlangen, wenn ihm der Normaltarif nicht zugänglich war. Er muss darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass es ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeit im Rahmen des Zumutbaren nicht möglich war, auf dem örtlich und zeitlich relevanten Markt einen Pkw preisgünstiger zu mieten (BGH NJW2005,1933; 2006, 1506; 2007, 1124). Der Geschädigte verstößt allerdings noch nicht allein deshalb gegen seine Pflicht zur Schadensgeringhaltung, weil er ein Kraftfahrzeug zu einem Unfallersatztarif anmietet, der gegenüber dem Normaltarif teurer ist, soweit die Besonderheiten dieses Tarifs mit Rücksicht auf die Unfallsituation einen gegenüber dem Normaltarif höheren Preis rechtfertigen, weil sie auf Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallstation veranlasst und infolgedessen zur Schadensbehebung nach § 249 BGB erforderlich sind (NJW BGH 2008, 2910). Der bei der Schadensberechnung nach § 287 ZPO besonders freie Tatrichter muss für die Prüfung der betriebswirtschaftlichen Rechtfertigung des „Unfallersatztarifs“ die Kalkulation des konkreten Unternehmens nicht in jedem Fall nachvollziehen. Vielmehr kann sich die Prüfung darauf beschränken, ob spezifische Leistungen bei der Vermietung an Unfallgeschädigte allgemein einen Aufschlag rechtfertigen, wobei unter Umständen auch ein pauschaler Aufschlag auf den „Normaltarif in Betracht kommt (NJW BGH 2008, 2910).
Gemessen hieran ist der Ersatzanspruch bezüglich des geltend gemachten Unfallersatztarifs – in Abweichung zum Urteil des Amtsgerichts – zu bejahen. Im vorliegenden Fall rechtfertigen die Besonderheiten des Unfallersatztarifes mit Rücksicht auf die Unfall- und Vermägenssituation einen gegenüber dem „Normaltarif“ höheren Preis und sind infolgedessen zur Schadensbehebung gemäß § 249 BGB erforderlich. Denn aufgrund der fehlenden Möglichkeit einer Zahlung mit Kreditkarte und der Vorauskasse war dem Kläger nur der Unfallersatztarif zugänglich, der als wesenstypische Mehrleistung den Verzicht auf eine Vorauszahlung seitens der Vermieterfirma enthält. Es kann insoweit dahingestellt bleiben, ob bei der Anmietung von Fahrzeugen der Mietwagengruppe 5 stets eine Kreditkarte erforderlich ist, da für eine Anmietung eines Fahrzeuges zum Normaltarif unstreitig zwischen den Parteien zumindest Vorauskasse erforderlich ist.
Der Kläger hat dargelegt, über keine Kreditkarte zu verfügen. Insoweit die Beklagte dies schlicht bestreitet, ist dies nicht hinreichend substantiiert. Es hätte zumindest der Darlegung von Anhaltspunkten tatsächlicher Art bedurft, dass es nicht so ist. So erfolgt das Bestreiten schlicht „ins Blaue hinein“.
Der Kläger hat des Weiteren dargelegt, eine monatliche Altersrente in Höhe von EUR 1.334,52 zu erhalten (Bl. 195) und monatliche Ausgaben in Höhe von EUR 1.324,88 zu haben (Bl. 197). Insoweit die Beklagte bestreitet, dass der Kläger über seine Einkommensverhältnisse vollständig Auskunft erteilt hat (Bl. 212), erfolgt dies offensichtlich ebenfalls „ins Blaue hinein“. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Kläger über weitere Einnahmequellen verfügt. Die Höhe der einzelnen monatlichen Ausgaben hat die Beklagte hingegen nicht bestritten. Sie erscheinen auch durchaus plausibel.
Entgegen der Rechtsansicht ist vorliegend auch nicht auf die Einkommensverhältnisse des Zeugen W. abzustellen, sondern auf die des Klägers als Geschädigten. Im Übrigen ist es unwahrscheinlich, dass der Zeuge W. als Zeitsoldat über Vermögensverhältnisse verfügt, die eine Vorauskasse zulassen.
Der streitgegenständliche Unfallersatztarif beinhaltet des Weiteren unstreitig unter anderem die Zustellung und Abholung des Mietfahrzeugs vom Autohaus außerhalb der Geschäftszeiten, keine Vorreservierungszeit, keine Nutzungseinschränkungen, einen 2. Fahrer, sowie eine Ungewisse Mietdauer als weitere spezifisch unfallbedingte Leistungen (vgl. insoweit Bl. 37). Damit sind dem Geschädigten außer der Vorfinanzierung der Mietwagenkosten weitere Unfall-bedingte Mehrleistungen zugute gekommen (vgl. BGH NJW2007, 3782; BGH NJW2008, 1519).
Die Beklagte hat die Höhe des geltend gemachten Unfallersatztarifes nicht substantiiert bestritten. Streitig ist zwischen den Parteien zwar die Höhe der dem Kläger zu ersetzenden Mietwagenkosten, dies jedoch basierend darauf, dass die Beklagte der Rechtsansicht ist, dem Ersatzanspruch des Klägers sei der Normaltarif zugrunde zu legen. Sie hat jedoch nicht durch Benennung anderer Unfallersatztarife dessen Höhe angegriffen. Damit ist die Höhe des seitens der Nebenintervenientin abgerechneten Unfallersatztarifes unstreitig.
Darüber hinaus geht auch der sogenannte „Modus“ des Schwacke-Mietpreisspiegels 2007 von einem Unfallersatztarif in Höhe von EUR 185,64 pro Tag aus (vgl. Bl. 39). Der Bundesgerichtshof hat den früher als „gewichtetes Mittel“ bezeichneten Modus als taugliche Schätzgrundlage anerkannt (vgl. zuletzt BGH NJW-RR 2008,1113). Abzustellen ist dabei nicht auf den zum Zeitpunkt der Anmietung veröffentlichten Schwacke-Mietpreisspiegel 2006, sondern auf den Mietpreisspiegel 2007, Denn es kommt auf die tatsächlich zum Zeitpunkt des Schadens auf dem Markt erhältlichen Tarife an. Unter Zugrundelegung von Tagespreisen beliefe sich der Unfallersatztarif gemäß Modus der Schwackeliste auf EUR 2.970,24.
Die seitens des Autovermieters abgerechneten Tarife liegen durchweg unterhalb des gewichteten Mittels des Schwacke-Mietpreisspiegels 2007 und berücksichtigen auch die Dauer der Miete.
Sie betragen:
EUR 150,-/pro Tag für die ersten 7 Tage
EUR 136,-/Tag für die darauffolgenden 7 Tage
EUR 90,-/Tag für die den folgenden 2 Tage
= insgesamt: EUR 2.182.-
Ausnahmsweise ist nach § 254 BGB ein niedrigerer Schadensersatz zu leisten, wenn feststeht, dass dem Geschädigten ein günstigerer Normaltarif in der konkreten Situation „ohne Weiteres“ zugänglich war. Dies hat nach den allgemeinen Grundsätzen der Schädiger darzulegen und zu beweisen (BGH NJW2008, 2910). Eine Sachlage, wonach dem Kläger ein günstigerer Tarif ohne Weiteres zuganglich gewesen wäre, ist nicht ersichtlich, so dass die Beklagte hierfür beweisfällig geblieben ist.
Denn dem Kläger war mangels der Möglichkeit einer Zahlung mit Kreditkarte oder Vorauskasse ein Normaltarif gar nicht zugänglich. Insoweit war es ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeit im Rahmen des Zumutbaren bereits aus diesen Gründen nicht möglich, auf dem örtlich und zeitlich relevanten Markt einen Pkw preisgünstiger zu mieten (BGH NJW05, 1933; 06,1506; 07,1124). Insofern kann dahingestellt bleiben, ob eine Eilbedürftigkeit anlässlich der Anmietung vorlag und ob ausreichend Preisauskünfte von anderen Vermietern eingeholt worden sind.
Die Kosten für die Vollkaskoversicherung sind auf Grundlage der günstigeren Wochenpauschale in Höhe von EUR 301.71 (Wochenpauschale EUR 132,-: 7 Tage = EUR 18,85 x 2 Tage – EUR 37,71 zuzüglich 2 Wochenpauschalen á EUR 132.-) erstattungsfähig. Wird für ein bei einem Verkehrsunfall beschädigtes Kraftfahrzeug ein Ersatzfahrzeug angemietet und dabei Vollkaskoschutz vereinbart, sind die hierfür erforderlichen Mehrkosten auch dann erstattungsfähig, wenn das eigene Fahrzeug des Geschädigten zum Unfallzeitpunkt nicht vollkaskoversichert war. da er während der Mietzeit einem erhöhten wirtschaftlichen Risiko ausgesetzt war (BGH NJW 2006, 360 f.).
Die Kosten für die weiteren unfallbedingten Mehrleistungen (u.a. Zustellung und Abholung des Ersatzfahrzeugs, Kosten für Vermietung außerhalb der Geschäftszeiten sowie für die Eintragung eines 2. Fahrers) sind mit dem Unfallersatztarif abgegolten.
Dem Amtsgericht ist dahingehend zu folgen, dass der Kläger sich nicht vorhalten lassen muss, dass die tatsächliche Reparaturdauer länger war, als sie in dem DEKRA-Schadensgutachten angesetzt ist. Denn der Geschädigte hat Anspruch auf Erstattung der Mietwagenkosten für die gesamte Reparaturdauer. Dass die Reparatur nicht den vorgetragenen Zeitraum in Anspruch genommen hat, hat die Beklagte nicht dargetan. Zumindest hat die Beklagte nicht vorgetragen, dass die Beklagte das Fahrzeug früher zurückgeben konnte.
Der Kläger muss sich jedoch im Wege der Vorteilsausgleichung noch ersparte Eigenaufwendungen anrechnen lassen. Die ersparten Eigenaufwendungen werden allgemein auf zwischen 3% bis 20% geschätzt (vgl. hierzu Palandt-Heinrichs, BGB, 67. Aufl., § 249, Rn. 32 m.w.N.). In Anbetracht der in dem Leistungszeitraum gefahrenen 1.700 km sind sie vorliegend auf 10% der Mietkosten zu schätzen und belaufen sich damit auf EUR 218.20.
Im Ergebnis hat der Kläger hat gegen die Beklagte über die bereits erstatteten EUR 1.147,- einen Anspruch auf Zahlung eines weiteren Betrages in Höhe von
EUR 1.116,51.: EUR 2.182,- für 16 Tage Unfallersatztarif
+ EUR 301,71 für 16 Tage Vollkaskoversicherung
– EUR 218,20 für 16 Tage ersparte Eigenaufwendungen
Da der Kläger jedoch keine Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts eingelegt hat, verbleibt es bei den dort ausgeurteilten EUR 962.09.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
Soweit das LG Frankfurt/M.
Hi Babelfisch,
ein schönes Urteil, zeigt es doch, dass sich der Geschädigte mit Schadenskürzungen keinesfalls zufrieden geben sollte. Bei Einlegung der Berufung oder Anschlussberufung wären noch weitere Schadensbeträge ihm zugesprochen worden.
MfG
Willi Wacker