Hallo Captain-HUK-Leser, hier zum Wochenende noch ein Urteil aus Erding. Gekürzt hatte wie so oft die HUK-Coburg. Dieses Mal war aber nicht nur das Sachverständigenhonorar gekürzt worden, sondern auch die merkantile Wertminderung. Eigentlich war das zu erwarten, denn die HUK kürzt ja alles. Bezüglich SV-Honorar eigentlich nicht übel. Bei der Wertminderung aber voll daneben. Denn auch bei älteren Kraftfahrzeugen und einer Laufleistung von mehr als 100.000 km kann ein merkantiler Minderwert anfallen. Entsprechende Urteile dazu gibt es genug. Es soll dabei nur auf die Wertminderung von 20.000 € bei dem 50 Jahre alten Mercedes 300 SL Coupe hingewiesen werden (siehe Urteil des OLG Düsseldorf). Deshalb ist das Urteil aus Erding hinsichtlich der Wertminderung kritikwürdig. Was meint ihr? Ich wünsche Euch ein schönes Wochenende.
Amtsgericht Erding
Az.: 1 C 1476/10
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
– Klägerin –
gegen
HUK Coburg
– Beklagte –
wegen Schadensersatz
erlässt das Amtsgericht Erding durch den Richter am 19.05.2011 auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 02.05.2011 folgendes
Endurteil
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 406,46 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.09.2010 und vorgerichtlich angefallene Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 83,54 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 24.01.2011 zu bezahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin 1/3 und die Beklagte 2/3 zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 606,46 € festgesetzt.
Tatbestand
Auf das Abfassen wird gemäß §§ 313a Abs. 1, 511 Abs. 2 ZPO verzichtet.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage erwies sich als im tenorierten Umfang begründet. Die Klägerin konnte bzgl. der Hauptforderung restliche Sachverständigenkosten in Höhe von 406,46 EUR, jedoch nicht die gleichfalls mit der Klage geltend gemachte Wertminderung in Höhe von 200 EUR gemäß §§ 7, 17,18 StVG, 823, 249 BGB, 115 VVG verlangen.
1.
Gem. § 249 Abs. 2 BGB kann die Klägerin von der Beklagten den zur Wiederherstellung der beschädigten Sache erforderlichen Geldbetrag verlangen. Als erforderlicher Herstellungsaufwand gilt nach ständiger Rechtsprechung derjenige Aufwand, der vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheint (vgl. BGHZ 115, 364 [369], BGHZ 160, 377 [383]). Er ist zwar im Rahmen des ihm Zumutbaren gehalten, den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Der Geschädigte ist jedoch grundsätzlich nicht zur Erforschung des ihm zugänglichen Marktes verpflichtet, um einen für den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen (BGH NJW 2007, 1450).
Die vom Sachverständigenbüro … abgerechneten Gutachtenskosten halten sich im Rahmen der für die Erstellung von derartigen Gutachten üblichen Vergütung. Dies ergibt sich aus der BVSK-Honorarbefragung 2008/2009. Dies gilt insbesondere für das vom Sachverständigen veranschlagte Grundhonorar in Höhe von 334,- EUR, das bei vom Sachverständigen ermittelten Netto-Reparaturkosten in Höhe von 2173,34 EUR im Rahmen des Honorarkorridors der BVSK-Honorarbefragung liegt.
Dies ist auch entgegen dem umfassenden Vortrag der Beklagtenpartei für die vom Sachverständigen geltend gemachten Nebenkosten anzunehmen. Die vom Sachverständigen geltend gemachten Fotokosten halten sich zumindest in der Summe im Rahmen der BVSK-Honorarbefragung. Dies gilt ebenfalls für die vom Sachverständigen in Rechnung gestellten Kilometerkosten. Auch die Weiteren vom Sachverständigen in Rechnung gestellten Schreibgebühren für Papier, Fotokopien, Telefonkosten, Porto usw. sowie EDV-Kosten, die in der Summe 94,- EUR ergeben, können nach Auffassung des Gerichts auch ohne nähere Aufschlüsselung der einzelnen Positionen als erforderlicher Herstellungsaufwand qualifiziert werden. Berücksichtigt man nämlich den Umfang des Gutachtens von 17 Blatt sowie die in der BVSK-Honorarbefragung möglichen Schreibkosten je Seite und Kopie und die gemäß der BVSK-Honorarbefragung mögliche Pauschale für Porto/Telefon, so würden diese Positionen in der Summe weitere Nebenkosten in Höhe von ca. 110 EUR rechtfertigen. Da der Sachverständige mit seinen Schreibgebühren und EDV-Kosten unter dieser Summe liegt, sieht das Gericht hier keine Anhaltspunkte dafür, dass das Sachverständigengutachten insofern nicht als erforderlicher Herstellungsaufwand angesehen werden könnte.
Dementsprechend waren die mit der Klage geltend gemachten restlichen Sachverständigenkosten in vollem Umfang zuzusprechen.
2.
Eine Wertminderung konnte die Klägerin jedoch nicht beanspruchen. Gemäß dem unstreitigen Vortrag der Parteien hatte das klägerische Fahrzeug vor dem Unfall Altschäden, die jedenfalls nicht als völlig unerheblich zu qualifizieren sind (vgl. Sachverständigengutachten gemäß Anlage K 1 unter 2.2.2.). Des Weiteren war das klägerische Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt älter als 6 Jahre und wies eine Laufleistung von ca. 118000 km auf. Berücksichtigt man gleichzeitig, dass bei Kraftfahrzeugen eine Wertminderung in der Regel bei älteren Fahrzeugen entfällt, wobei die Grenze grundsätzlich bei 5 Jahren oder 100000 km gezogen wird (vgl. nur Palandt, 69. Auflage, § 251 BGB Rd-Nr. 16 m.w.N.), so muss im Ergebnis der Klägerin die geltend gemachte Wertminderung versagt werden. Auch die Umstände des Einzelfalles können hier zu keiner anderen Bewertung führen, da das klägerische Fahrzeug wie bereits dargestellt Altschäden aufwies und im Übrigen die unfallbedingten Schäden (vgl. dazu das bereits benannte Sachverständigengutachten unter 5.2.) jedenfalls nicht als schwerwiegend qualifiziert werden können.
3.
Entsprechend dem zugesprochenen restlichen Sachverständigenkosten konnte die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten als weiteren Schadensposten geltend machen.
4.
Die Nebenforderung der Zinsen begründet sich auf Verzug, §§ 280, 286, 288 BGB.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
gez.
…
Richter
Verkündet am 19.05.2011
AG Erding entscheidet zu den Sachverständigenkosten und zur Wertminderung mit Urteil vom 19.5.2011 – 1 C 1476/10 -.
Samstag, 23.07.2011 um 12:34 von Willi Wacker
Sehr geehrter Herr Willi Wacker,
mit erstaunlicher Zähigkeit wird teilweise immer noch die Auffassung vertreten, dass bei einer Betriebsleistung von mehr als 100000 km oder bei einem Fahrzeugalter von mehr als 5 Jahren kein Merkantiler Minderwert mehr gegeben sei. Auch bei Altschäden oder Vorschäden müsse ein Minderwert unberücksichtigt bleiben.-
Die Abklärung geht zunächst von der Beantwortung der Frage aus,ob ein offenbarungspflichtiger Unfallschaden vorliegt.
Ist das der Fall, so kann nicht negiert werden, dass unabhängig vom Baujahr, der Betriebsleistung und dem Erhaltungszustand ein solcher Unfallschaden offenbarungspflichtig bleibt.
Wird das betroffene Fahrzeug am Gebrauchtwagenmarkt auch noch gehandelt und stehen dort sowohl unfallfreie als auch unfallinstandgesetzte Fashrzeuge zur Auswahl, kann ein Merkantiler Minderwert sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach verifiziert werden.
Maßgebliche Bezugsgröße dafür ist der Fahrzeugwert, denn dieser Objektwert wird gemindert.
Selbstverständlich wird durch Alt-und/oder Vorschäden dieser Fahrzeugwert als maßgebliche Bezugsgröße auch gemindert.
Zur Abgrenzung des Merkantilen Minderwerts sind alle bekannten Berechnungsmethoden/Berechnungsmodelle ungeeignet, weil damit über die Minderwertfrage dem Grunde und der Höhe nach vorgebend bestimmt wird, während der tatsächlichen Marktsituation erkennend Rechnung getragen werden muß.
Nicht unerwähnt bleiben dürfen umfassende Recherchen, die im Ergebnis verdeutlichen, das sowohl beim normalen Anbieter, wie auch beim Kaufinteressenten solche Berechnungsmethoden nahezu völlig unbekannt sind.
Zur weiteren Verifizierung ist dann von der Frage auszugehen, um welchen Betrag denn der normale Fahrzeugwert auf Grund eines offenbarungspflichtigen Unfallschadens mindestens herabgesetzt werden müßt, damit das ordnungsgemäß ausreparierte Unfallfahrzeug wieder gleichermaßen veräußert werden könnte, wie ein ansonsten unfallfreies Vergleichsfahrzeug und hier darf § 249,S.1 BGB
nicht negiert werden, denn auch dieses Kriterium gehört zur Herstellung/Wiederherstellung des Zustandes, der bestehen würde, wenn das zum Schadenersatz verpflichtende Ereignis nicht eingetreten wäre.
Wird also ein solches Unfallfahrzeug beispielsweise zum Langzeitsteher, ist damit auch der Zustand, wie vor dem Unfallereignis, nicht wieder hergestellt. Auch dieses Kriterium wird vielfach unberücksichtigt gelassen.
Wenn nun pauschal vielfach versicherungsseitig gegen einen Merkantilen Minderwertanspruch, beispielsweise mit Unterstützung der DEKRA-AUTOMOBIL-GmbH sinngemäß argumentiert wird, dass nach sachverständiger Auffassung auf Grund des Fahrzeugalters und/oder der Lauflesitung ein Minderwert nicht mehr gegeben bzw. festzustellen sei, erhebt sich natürlich die Frage, woher der Herr Kollege gerade dieser Kraftfahrzeugüberwachungsorganisation
das so genau weiß. Darauf wurde – jedenfalls mir – bisher noch in keinem Fall eine Aufklärung angeboten.
Unabhängig davon muß man aber wohl anmerken, dass offensichtlich die Herren Kollegen bei der DEKRA-AUTOMOBIL-GmbH übersehen, dass Alter und Laufleistung von dem jeweils tätig gewesenen Sachverständigen bereits berücksichtigt wurden, so dass für ein gegenläufiges Ergebnis tatsächlich keine neuen Erkenntnisse angeboten werden, die eine Ergebniskorrektur nachvollziehbar machen könnten.
Es mag ja auch sein, dass ein Kollege der DEKRA-AUTOMOBIL GmbH eine gegenläufige Auffassung überzeugt vetrtritt, wobei er dann allerdings negiert, das die Teilnehmer am Gébrauchtwagenmarkt sich nicht mehrheitlich aus Kraftfahrzeusachverständigen rekrutieren und schon garnicht aus Sachverständigen der DEKRA-Automobil GmbH.
Überdies sollte auch bekannt unterstellt werden dürfen, dass in den gängigen Gebrauchtwagenmarktnotierungen von der DAT und von SCHWACKE ausdrücklich darauf verwiesen wird, dass sich sämtliche Notierungen auf unfallfreie Fahrzeuge beziehen und diese Notierungen betreffen auch Fahrzeuge, die älter als 5 Jahre alt sind.
Fazit: Die vielfach als Argument angesprochenen Eigenschaften, wie „zu alt“ oder „zu viel gelaufen“ oder die Existenz von „Alt-/Vorschäden“ schließen generell die Feststellungsmöglichkeit eines Merkantilen Minderwerts nicht aus.
Alt-/Vorschäden sind sogar insoweit problematisch, dass
ein Fahrzeug mit zwei oder mehreren offenbarungspflichtigen Unfallschäden meistens ungleich schwerer wieder veräußerbar ist, als mit „nur“ einem offenbarungspflichtigen Unfallschaden und hier hat es möglicherweise an einer tragfähigen und überzeugenden Begründung im klägerischen Vortrag gefehlt, so dass eigentlich nur vor einem solchen Hintergrund die Entscheidungsgründe zum Minderwert im Urteil des AG Erding erkärlich sind.
Mit freundlichem Gruß
Dipl.-Ing. Harald Rasche
Bochum & Tangendorf(Toppenstedt)
@ Dipl-Ing Harald Rasche
mit erstaunlicher Zähigkeit wird teilweise immer noch die Auffassung vertreten, dass bei einer Betriebsleistung von mehr als 100000 km oder bei einem Fahrzeugalter von mehr als 5 Jahren kein Merkantiler Minderwert mehr gegeben sei. Auch bei Altschäden oder Vorschäden müsse ein Minderwert unberücksichtigt bleiben.-
Hallo Herr Rache,
wie Sie doch Recht haben. Ich will nur einige Urteile anführen, die genau entgegen der Ansicht der Versicherer entschieden haben: Während die frühere Rechtsprechung die Grenze zur Anerkennung einer merkantilen Wertminderung bei 5 Jahre alten Fahrzeugen und einer Laufleistung von 100.000 km zog, so ist heute auch bei älteren Fahrzeugen mit einer Laufleistung von mehr als 100.000 km eine Wertminderung zuzuerkennen (so: OLG Oldenburg Urt. v. 1.3.2007 – 8 U 5246/06; AG Prüm Urt. v. 15.1.2008 – 6 C 522/06 -; AG Fürstenwalde Urt. v. 24.7.2008 – 12 C 102/08 -; AG Bochum Urt. v. 20.9.2010 – 47 C 329/10 – ; vgl. weitere Urteile auch bei Wortmann DS 2009, 253, 257 Fußn. 52). Berühmtester Fall, in dem einem über 50 Jahre altem Fahrzeug ein – nicht unerheblicher – Minderwert von 20.000,– € zugesprochen wurde, ist der Oldtimer-Fall des OLG Düsseldorf mit dem Mercedes 300 SL Coupe Baujahr 1956. In dem Rechtsstreitverfahren hat der vom OLG beauftragte Sachverständige eine Wertminderung von 20.000,– € festgestellt. Der von der Kfz-Haftpflichtversicherung beauftragte Sachverständige hielt eine Wertminderung von 0,– € gerechtfertigt. (vgl. OLG Düsseldorf Urt. v. 30.11.2010 – I-1 U 107/08 – ). Welch eine Spanne von 20.000,- € ? Kann das richtig sein? Auch bei geringen Schäden ist die Anerkennung einer merkantilen Wertminderung möglich (AG Mölln Urt. v. 12.10.2007 – 3 C 280/07 -).
Mit freundlichen Grüßen nach Bochum u. Toppenstedt
Ihr Willi Wacker