Hallo verehrte Captain-Huk-Leser, hier wieder ein interessantes Urteil aus Nürnberg. Die eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung, die HUK-Coburg natürlich, wer denn sonst?, hat sich dieses Mal etwas ganz Besonderes ausgedacht. Die HUK hatte das Honorar an den SV voll bezahlt und dann die Differenz zum Gesprächsergebnis dem Geschädigten abgezogen. Zum Thema Honorar ein Urteil mit Daumen nach oben, allerdings hinsichtlich der Ausführungen zur fiktiven Abrechnung bedenklich. Lest aber selbst und gebt Eure Meinungen kund.
Amtsgericht Nürnberg
Az.: 23 C 2630/11
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
Geschädigter
– Kläger-
gegen
HUK-Coburg Allgemeine Versicherung AG, vertreten durch d. Vorstand Dr. Wolfgang Weiler u.a., Bahnhofsplatz 1, 96442 Coburg
– Beklagte –
Prozessbevollmächtigte:
wegen Schadensersatz
erlässt das Amtsgericht Nürnberg durch Richter am Amtsgericht … am 21.07.2011 auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 21.07.2011 folgendes
Endurteil
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 298,80 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 21.01.2011 zu bezahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 326,48 € festgesetzt.
Tatbestand
(abgekürzt nach §§ 313a Abs. 1, 495 a ZPO)
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist zum überwiegenden Teil begründet, im Übrigen jedoch unbegründet:
I.
Die Klage ist begründet, soweit der Kläger gemäß §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, 823 Abs. 1 BGB, 115 VVG, 249 Abs.2 Satz 1 BGB weiteren Schadensersatz in Höhe von 298,80 € fordert.
Die Kürzung der Schadensersatzansprüche des Klägers durch die Beklagte in Höhe eines Betrages in Höhe von 250,36 € erfolgte zu Unrecht, da die Beklagte keinen aufrechenbaren Anspruch gegen den Kläger hat. Hinsichtlich der von der Beklagten an den Sachverstandigen C. bezahlten 880,36 € liegt keine Überbezahlung vor. Vielmehr hatte der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Freistellung bzw. Ersatz der vollständigen Sachverstandigenkosten in Höhe von 880,36 €.
Die Kosten für ein Sachverständigengutachten sind gemäß § 249 BGB grundsätzlich erstattungsfähig. Dabei hat der Schädiger dem Geschädigten die Kosten für ein Sachverständigengutachten auch dann zu erstatten, wenn seine Kosten übersetzt sind (vgl. Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 69. Auflage, § 249, Rdnr. 58). Der vom Geschädigten hinzugezogene Sachverständige ist nicht Erfüllungsgehilfe des Geschädigten. Eine andere Beurteilung käme nur den Betracht, wenn ein Auswahlverschulden oder eine offenkundige Erkennbarkeit der Unrichtigkeit der Rechnung vorliegt. Hierfür fehlt es jedoch an jeglichen Anhaltspunkten. Der Sachverständige C. hat bei einem Nettoreparaturschaden von über 4.860,57 EUR ein Grundhonorar von 534,00 EUR sowie diverse Auslagen- und Kostenpositionen in Rechnung gestellt. Diese Beträge erscheinen nicht unangemessen überhöht. Insbesondere musste der Geschädigte insoweit keine Preisvergleiche anstellen oder gar den günstigsten Sachverständigen vor Auftragserteilung ermitteln. Das Risiko eines überteuerten Gutachtens tragen der Schädiger und dessen Versicherung, jedoch nicht der Geschädigte. Angesichts der streitgegenstandlichen Rechnung musste ein Geschädigter, der in der Regel nicht über gesonderte Kenntnisse über durchschnittliche Sachverständigenhonorare verfügt, keine Zweifel an der Richtigkeit der gestellten Rechnung anbringen. Insgesamt bestehen auch nach Ansicht des Gerichts keine Bedenken gegen die Angemessenheit der vorliegenden Berechnungshöhe.
Es liegt auch kein Verstoß gegen § 1 Abs.1 PAngV (Preisangaben-Verordnung) vor, denn gemäß § 1 Abs.3 PAngV ist die Angabe von Verrechnungssätzen zulässig. Darüber hinaus ist allgemein anerkannt, dass ein Verstoß gegen die Ordnungsvorschriften der PAngV nicht zu einer Nichtigkeit des Rechtgeschäftes im Sinne von § 134 BGB führt.
Der Kläger hat ferner gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung weiterer 48,44 € Nettoreparaturkosten. Die von der Beklagten auf der Grundlage des Berichtes der HPClaimControlling GmbH vorgenommenen Abzüge waren insoweit unberechtigt:
Nach den Feststellungen des dem Gericht als zuverlässig und kompetent bekannten Sachverständigen K. sind die Kosten für die Endreinigung und die Fahrzeugwäsche für eine fachgerechte Instandsetzung erforderlich, da im Rahmen der Lackierung erhebliche Staubmengen durch Schleifarbeiten verursacht werden und sich auf den im Raum befindlichen Fahrzeugen absetzen. In den Arbeitszeiten der Hersteller ist lediglich das Reinigen der zu lackierenden Flächen enthalten.
Auch ist nach den Feststellungen des Sachverständigen K. der Ansatz von 9,18 € für Kühlerfrostschutz inklusive Zuschlag Kleinersatzteile erforderlich, da selbst bei Auffangen und Wiederbefüllung des alten Kühlmittelsein Teil des Kühlmittels verloren geht und deshalb bis zu einem Liter nachgefüllt werden muss.
Folglich war nur der Abzug von weiteren 9,18 € für das Kühlmittel sowie von Entsorgungskosten in Höhe von 18,50 € berechtigt, so dass vom gesamten von der Beklagten vorgenommenen Abzug in Höhe von 76,12 € ein Teil in Höhe von 48,44 € zu Unrecht erfolgte.
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288 Abs.1, 286 Abs. 1 BGB.
Die Klage war abzuweisen, soweit der Kläger weitere 27,68 € Nettoreparaturkosten einklagte: Ein Abzug in Höhe von 9,18 € von den für den Kühlerfrostschutz inklusive Zuschlag Kleinersatzteile vom Sachverständigen C. angesetzten 18,36 € erfolgte zu Recht: Das Kühlmittel musste nicht vollständig erneuert werden, da nach den Lichtbildern keine Kühlflüssigkeit auslief. Bei dem Öffnen des Kühlsystems geht lediglich 1 Liter Kühlflüssigkeit verloren, so dass nur 9,18 € hierfür angesetzt werden durften.
Ferner erfolgte der Abzug der Entsorgungskosten in Höhe von 18,50 € zu Recht. In einem Gutachten zur fiktiven Schadensabrechnung angesetzte Entsorgungskosten sind – ebenso wie Verbringungskosten und UPE-Aufschläge – nur zu ersetzen, wenn sie tatsächlich anfallen (vgl. zum Ersatz von Verbringungskosten und UPE-Aufschlägen Palandt-Grüneberg, BGB, 69. Aufl., § 249 Rn. 14). Da im vorliegenden Fall lediglich abstrakt auf der Grundlage eines Gutachtens abgerechnet wird, eine tatsächliche Durchführung der Reparatur gerade nicht vorgetragen wurde, und ausweislich den Feststellungen des Sachverständigen K. die Fiat-Vertragswerkstätten in der Region überwiegend keine Entsorgungskosten verlangen, sind vorliegend von der Beklagten keine Entsorgungskosten zu ersetzen.
Die Kostenetscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 92 Abs.2 Nr. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Volstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711.
Ist das jetzt die neue Masche der HUK-Coburg? Erst aus der Abtretungserklärung den SV voll ausgleichen und dann die vermeintlich überzahlten SV-Kosten beim Geschädigten vom Schaden abziehen. Wenn eine Abtretung an Erfüllungsstatt vorliegt, ist zunächst der SV voll bezahlt. Eine Verrechnung der abgetretenen SV-Kosten mit Schadensersatzansprüchen des Geschädigten ist doch wohl nicht möglich, oder? Wir haben doch hier zwei unterschiedliche Forderungen, einmal den abgetretenen Schadensersatz auf Erstattung des SV-Honorars und zum anderen den Schadensersatzanspruch des Geschädigten auf vollständigen Ausgleichen seines Schadens. Aber die HUK vermischt wieder beides, um einen Regress zu vermeiden, denn die Beweislast der Überzahlung trägt die HUK! So spart sie wieder den Gerichtskostenvorschuß für die Regressklage. Es ist doch eine Sauerei, was die HUK da schon wieder treibt.
@ Ludwig Lechleitner
Es kommt darauf an, was der Geschädigte an den Sachvertändigen abgetreten hat. Hat er seinen Schadenersatzanspruch, den er gegen den Schädiger hat, in Höhe von xx,xx Euro an den Sachverständigen abgetreten? Oder hat er seinen Anspruch auf Erstattung (Freistellung) der Gutachterkosten an den Sachverständigen abgetreten?
Hat er (lediglich) seinen Anspruch auf Erstattung (Freistellung) der Gutachterkosten abgetreten, dann hätte die Versicherung an den Sachverständigen freiwillig mehr bezahlt, als diesem (nach Auffassung der Versicherung) zusteht. Diese freiwillig Mehrleistung könnte sie dem Geschädigten nicht entgegenhalten, sie müßte sich an den Sachverständigen wenden.
Wenn aber der Geschädigte seinen Schadenersatzanspruch in Höhe von xx,xx € abgetreten hat, dann kann die Versicherung so vorgehen, wie in diesem Fall. Es gibt einen Gesamtschadenbetrag von soundsoviel Euro, davon sind xx,xx Euro an den Sachverständigen abgetreten, der Restbetrag ist an den Geschädigten zu überweisen.
In der Regel lassen sich die Sachverständigen nicht nur den Schadenersatzanspruch hinsichtlich der Gutachterkosten abtreten (denn dann würden sie z.B. bei einer Haftungsquote von 50 % von der Versicherung auch nur 50 % von der Versicherung erhalten), sondern von dem Gesamtschadenersatzanspruch lassen sie sich einen Teil abtreten, der betragsmäßig ihrem Honorar entspricht.
Die Problematik zur Bestimmtheit der Abtretung, BGH-Urteil vom 7.6.11, lasse ich hier einmal bewußt außen vor.
Focus-Money mit fragwürdigen Ergebissen?
„Die Autoversicherung der HUK-COBURG
Vertrauen Sie einem der größten Autoversicherer Deutschlands:
der HUK-COBURG. Wir stehen für günstige Tarife, einen zuverlässigen Schadenservice und hervorragende Kundenzufriedenheit. Gut zu wissen: Die HUK-COBURG wurde schon mehrfach zum besten Kfz-Versicherer gewählt. Zum Beispiel von Focus-Money (Heft 38/2010).“
so die Werbeaussage auf der Seite des Coburger Versicherers.
Kenner der Szene werden keine Probleme haben, den Wahrheitsgehalt derlei Wortspiele infrage stellen zu können.
Bitte übersehen Sie nicht, dass die gängigen Abtretungsformulare neben der (eventuell nichtigen) Abtretung auch noch eine Zahlungsanweisung enthalten.
So einfach ist es nicht, von einer freiwilligen Überzahlung oder von einer Zahlung auf eine nichtige Abtretung auszugehen.
Das ist auch die Schwäche aller „venire contra factum proprium“ – Urteile, die sagen, wer vorher teilzahle, könne sich später nicht („Treu und Glauben“) auf die Nichtigkeit der Abtretung berufen.
@ Joachim Otting 03.08.2011 11:06
Das ist auch die Schwäche aller “venire contra factum proprium” – Urteile, die sagen, wer vorher teilzahle, könne sich später nicht (“Treu und Glauben”) auf die Nichtigkeit der Abtretung berufen.
Hallo Herr Otting,
da muss ich Ihnen erneut widersprechen. Widersprüchliches Verhalten bedeutet doch, zunächst das eine zu tun, weil man es für richtig hält und dann später sich darauf beruft, dass das falsch sei. Wer zunächst aufgrund einer Abtretungsvereinbarung Teilleistungen erbringt, geht von der Wirksamkeit der Abtretungsvereinbarung aus. Wenn er dann im Prozess plötzlich meint, die Abtretungsvereinbarung sei unwirksam, dann muss er sich in der Tat fragen lassen, warum er denn aufgrund einer unwirksamen Vereinbarung geleistet habe. Erst hui und dann hott, das geht nicht und bedeutet widersprüchliches Verhalten. Wenn der Versicherer meint, aufgrund der (wirksamen , wie er meint) Abtretungsvereinbarung (teil-)leisten zu müssen, dann ist ihm später das Berufen auf die Unwirksamkeit abgeschnitten.
Eine Zahlungsanweisung muss nicht enthalten sein. Ist rein rechtlich auch nicht erforderlich, da die Abtretungsvereinbarung aus sich heraus bereits den Wechsel des Gläubigers, und nur des Gläubigers, nicht der Forderung, beinhaltet.
Also es bleibt dabei, wenn der Schädiger oder sein eintrittspflichtiger Versicherer aufgrund einer Abtretungsvereinbarung Teilleistungen erbringt, kann er sich später nicht auf die Unwirksamkeit der Vereinbarung berufen, § 242 BGB.
Wenn sich der Versicherer darauf beruft, dass die Abtretung unwirksam sei, räumt er inzidenter ein, an einen Nichtberechtigten bewußt geleistet zu haben. Damit hat diese Leistung keine Erfüllungswirkung gem. § 362 BGB gegenüber dem Berechtigten. Der Schuldner muss noch einmal an den Berechtigten leisten. Einer Rückforderung vom Nichtberechtigten steht § 814 BGB entgegen.
@ Willi Wacker
Ich gäbe Ihnen uneingeschränkt recht, wenn das Formular nur die Abtretung enthielte. Aber schauen Sie sich die gängigen Formulare doch mal an.
Ich wiederhole: „Bitte übersehen Sie nicht, dass die gängigen Abtretungsformulare neben der (eventuell nichtigen) Abtretung auch noch eine Zahlungsanweisung enthalten.“
Hallo Herr Otting,
also gibt es nur eins, in Zukunft die sog. Zahlungsanweisung weg zulassen. In einem der nächsten Hefte der DS ist als Vorschlag die Zahlungsanweisung auch nicht mehr aufgenommen. Sie ist eigentlich auch überflüssig, denn der Abtretungsvertrag gemäß § 398 BGB regelt schon den Austausch der Gläubiger und beinhaltet bei der Offenlegung damit bereits die Aufforderung an den Schuldner nunmehr nur noch schuldbefreiend an den Neugläubiger zu leisten.
Ich meine, dass das BGH-Urteil daher für die Versicherer nur ein Pyrrhus-Sieg ist. Letztlich wird das Urteil den Versicherern mehr schaden als nützen.