Hallo Leute,
hier kommt noch ein Urteil aus Diez (Rheinland-Pfalz). Die zuständige Amtsrichterin hat das Gesprächsergebnis BVSK mit HUK-Coburg als nicht maßgeblich bezeichnet. Ein derartiges Gesprächsergebnis, an dem die regulierungspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung beteiligt war, kann kein Maßstab für die erforderlichen Sachverständigenkosten sein, da das Gesprächsergebnis keine marktgerechten Preise angibt und im Übrigen als Sondervereinbarung angesehen werden muss. Aber die HUK-Coburg geht sogar noch einen Schritt weiter und reguliert sogar noch unterhalb der Beträge des Gesprächsergebnisses. Den regulierten Betrag konnte der von der HUK-Coburg beauftragte Prozessbevollmächtigte aus Köln ebenfalls nicht erläutern, wie sich dieser zusammensetzen soll und woraus er sich ergab. Also völlig willkürlich. Dies hat die Amtsrichterin in Diez schnell erfaßt und der VN nunmehr ins Urteil geschrieben. Die Beklagte weiß nun, wie ihre Versicherung (mit dem blanken Schild) reguliert, nämlich willkürlich. Das Urteil wurde erstritten und dem Autor übersandt durch Herrn RA. Lutz Imhof aus Aschaffenburg.
Aktenzeichen: 3 C 105/11
Amtsgericht
Diez
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)
In dem Rechtsstreit
M. F. , aus N.
– Klägerin –
gegen
S. H. aus N. [ VN der HUK-Coburg ]
– Beklagte –
wegen Forderung
hat das Amtsgericht Diez durch die Richterin am Amtsgericht … am 20.07.2011 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 388,35 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.3.2011 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 81,64 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.3.2011 zu zahlen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5. Die Berufung wird nicht zugelassen.
Entscheidungsgründe
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313 A. Abs. 1 ZPO abgesehen.
Die Parteien streiten vorliegend um restliche Schadensersatzansprüche betreffend Sachverständigenkosten und Rechtsanwaltsgebühren aus einem Unfall vom 18.2.2011 gegen 8:00 Uhr in Nassau.
Die Beklagte ist verpflichtet, an die Klägerin aufgrund des streitgegenständlichen Verkehrsunfalls weitere 388,35 € Sachverständigenkosten zu zahlen.
Die Klägerin war berechtigt den Sachverständigen … mit der Erstellung der Schadensgutachten zu beauftragen.
Der Schädiger hat grundsätzlich die tatsächlich angefallenen Sachverständigenkosten zu ersetzen, wenn sich diese in einem vertretbaren Rahmen bewegen. Etwas anderes kann immer nur dann gelten, wenn der Geschädigte sich im Einzelfall eine Verletzung der Schadensminderungspflicht entgegenhalten lassen muss. Dies ist nur dann der Fall, wenn dem Geschädigten auf den ersten Blick hätte auffallen müssen, dass das Honorar des Sachverständigen nicht einer üblichen Vergütung nach § 632 BGB und der Billigkeit im Sinne des § 315 BGB entspricht. Dabei ist grundsätzlich auf den Beurteilungshorizont des Geschädigten abzustellen. Dieser ist grundsätzlich nicht in der Lage zu erkennen, ob er den günstigsten Sachverständigen gewählt hat. Ihm fehlen Vergleiche und andere Erkenntnismöglichkeiten, die dazu führen würden, dass es ihm zuzumuten wäre, die Sachverständigenkosten auf Billigkeit zu überprüfen. Dem Geschädigten ist auch nicht zuzumuten, im Vorfeld der Beauftragung des Sachverständigen nach einem Verkehrsunfall zunächst mehrere Vergleichsangebote einzuholen um danach evtl. den günstigsten Sachverständigen zu wählen.
Anhaltspunkte für eine Verletzung der Schadensminderungspflicht liegen hier nicht vor.
Soweit die Kfz-Haftpflichtversicherung der Beklagten, die HUK-Coburg, für Sachverständigenkosten lediglich 201,00 € ansetzen will, ist schon nicht klar, woraus sie dies herleitet. Bei dem von der HUK-Coburg im Abrechnungsschreiben herangezogenen „Gesprächsergebnis BVSK 2009 – HUK-Coburg“ handelt es sich nicht um eine für die Schadensbemessung geeignete und heranzuziehende Grundlage, umso mehr die Beklagte im gleichen Schriftsatz erklärt, dass Honorarbefragungen des BVSK keinesfalls geeignet seien das „übliche“ darlegen. Darüber hinaus hat die hinter der Beklagten stehende Versicherung noch nicht einmal dasjenige gezahlt, was dem von ihr angeführten Gesprächsergebnis entsprechen würde.
In Übereinstimmung mit der überwiegenden Rechtsprechung der Amtsgerichte und des BGH hat der Sachverständige auch nach ständiger Rechtsprechung des Amtsgerichts Diez im Rahmen des ihm eingeräumten Gestaltungsspielraums das Recht, sein Grundhonorar für sein Schadensgutachten nach einem Verkehrsunfall in Relation zur Schadenshöhe zu berechnen. Der ihm hier zuzubilligende Rahmen ist vorliegend nicht überschritten, da das Grundhonorar hier weniger als 15% der Schadenssumme entspricht. Unstreitig ist vorliegend ein Schaden von ca. 2.500,– € entstanden, so dass sich das Honorar mit vorliegend 355,- € netto im Rahmen bewegt. Entgegen der Ansicht der Beklagten sind diesem Honorar die geltend gemachten Nebenkosten für Schreibauslagen, Kilometerkosten, Porto, Telefon und EDV-Großrechner hinzuzusetzen. Inwieweit die Gebühren für Schreibauslagen, Kopien, Kilometerkosten, Fotos u.a. für übersetzt angesehen werden, vermag das Gericht nicht zu erkennen. Im Übrigen gilt hier auch das oben Gesagte.
Der Einwand gegen die Fahrtkosten, kann ebenfalls nicht durchgreifen. Grundsätzlich muss es dem Sachverständigen überlassen bleiben, inwieweit er in einem vertretbaren Rahmen Fahrtkosten ansetzen will. Soweit die Beklagte meint, der Geschädigte habe ein Sachverständigenbüro in seiner Nähe mit der Begutachtung hätte beauftragen können, so mag es durchaus sein, dass in Großstädten, so im Falle des von ihr zitierten Amtsgerichts Bremen, grundsätzlich im Umkreis von 10 Kilometern mehrere Sachverständige gefunden werden können. Dies ist jedoch in einer ländlichen Gegend wie hier nicht der Fall, umsomehr hier auch in der Regel längere Strecken aufgrund der Entfernungen anfallen.
Die Beklagte ist weiter verpflichtet, der Klägerin weitere 81,64 € Rechtsanwaltskosten zu zahlen. Die von dem Rechtsanwalt festgesetzte Gebühr ist nicht im Sinne des § 14 Abs. 1 S. 4 RVG unbillig, und daher von den Ersatzpflichtigen hinzunehmen. Dem Rechtsanwalt steht bei bestehenden Rahmengebühren bei der Festlegung der konkreten Gebühr ein Spielraum von 20 % zu. Mit der Erhöhung der in jedem Fall angemessenen Regelgebühr um 0,2 ist im vorliegenden Fall diese Toleranzgrenze eingehalten. Die von der Beklagten angesetzte 0,8 Gebühr ist in keinem Falle nachvollziehbar.
Nach alledem war die Beklagte zu verurteilen.
Die Zinsentscheidungen folgen aus §§ 288, 247 BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Die Berufung war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 511 ZPO nicht vorliegen.
So die Amtsrichterin der 3. Zivilabteilung des AG Diez. Jetzt bitte Eure Kommentare.
Zitat:
…umso mehr die Beklagte im gleichen Schriftsatz erklärt, dass Honorarbefragungen des BVSK keinesfalls geeignet seien das “übliche” darlegen.
Das liest sich in anderen Urteilen anders…
Hallo Buschtrommler
in ganz hervorragender Weise hat hier das Gericht umgesetzt,was der BGH in NJW 07,1450 (VI ZR 67/06) vorgegeben hatte.
Keine Tabellen oder Umfragen,sondern nur die stringente Beachtung und Umsetzung der vom Gesetzgeber bei unbeeinflussbaren Schadensposten gewollten absoluten Gleichwertigkeit der Ersetzungsbefugnis.
Keine Schnörkel,keine Hilfserwägungen,deshalb ein sehr gutes Urteil!
Das Gericht hat verinnerlicht,dass das Unfallopfer undenkbar mit Teilen einer unbeeinflussbaren Schadensposition selbst im Verhältnis zum Schädiger belastet werden darf.
Nur wenn das Unfallopfer mit begründeten Einwänden die Zahlung des Werklohnes an den Gutachter verweigern könnte,aber trotzdem zahlt,dann,aber auch nur dann trägt es das Risiko,“dass sich der Gutachter im späteren Prozess als zu teuer erweist“(der von der HUK zielgerichtet fehlinterpretierte Halbsatz aus der obigen BGH-Entscheidung).
In anderen Urteilen liest man,wie sie treffend bemerken,oft die Begründung,dass sich die berechneten Gutachterkosten im Rahmen der BVSK oder VKS-Honorarumfrage halten und dass sich deshalb für das Unfallopfer keine begründeten Einwendungen gegen die an den Gutachter zu leistende Zahlung ergeben.
Ich halte solche Begründungen freilich nicht für falsch,sondern nur für zu streng.
Das Unfallopfer ist in der Regel völliger Laie,weiss nichts von Honorarumfragen oder als „Gesprächsergebnis“ getarnten Sonderkonditionsvereinbarungen.Im Zeitpunkt der Beauftragung des Gutachters ist vielfach noch unbekannt,welcher Versicherer regulierungszuständig ist.
Niemand weiss,ob die erst noch entstehenden Gutachterkosten rechtswidrig gekürzt (HUK),oder vollständig gezahlt werden(alle anderen Versicherer).
Bei solcher Sachlage kann es doch unmöglich angehen,das Unfallopfer im Wege einer nachträglichen Preiskontrolle auf Teilen der Gutachterkosten selbst sitzen zu lassen!
MfG Lutz Imhof
Hi Buschtrommler,
ja eben: Die Amtsrichterin aus Diez hats geschnallt oder wie WW festgestellt hat, die hat „was los“.
Gruß Bruno
…ich meinte die Unterstellung der Vs, daß Honorarumfrage BVSK mal „korrekt“ bzw. „geeignet“ wäre und mal nicht…ist das nun sinngemäß ein „rudern gegen den Strom“ oder „Flucht ans rettende Ufer“? Hat der Wind gedreht?
… was das ist? Das ist Willkür sondergleichen. Weil der Versicherer mit seinem Schadenmanagement auf Sand gebaut hat (leider haben das noch nicht alle SV und alle Anwälte geblickt), zahlt man erst fast nichts, dann nochmal den gleichen Betrag um dann den lieben Gott anzubeten, dass der Sachverständige das letzte Drittel in „die Schublade“ verfrachten möge.
@ RA Imhof: „Nur wenn das Unfallopfer mit begründeten Einwänden die Zahlung des Werklohnes an den Gutachter verweigern könnte,aber trotzdem zahlt,dann,aber auch nur dann trägt es das Risiko,”dass sich der Gutachter im späteren Prozess als zu teuer erweist”(der von der HUK zielgerichtet fehlinterpretierte Halbsatz aus der obigen BGH-Entscheidung).“
Genau dieser Halbsatz macht derzeit fleißig die Runde und setzt der Willkür des Versicherers somit die Krone auf. Daher kann nur eindringlichst an jeden SV appelliert werden, dem die neueste Variante der unwahren Tatsachenbehauptungen bezüglich erstattungsfähiger Sachverständigenkosten gegenüber seinen Kunden unter die Augen kommt, regelmäßig nach dem Wettbewerbsrecht dagegen vorzugehen.
Hilfestellung gibt u.a. dieser Beitrag:
LG Regensburg 2 HK O 391/06 (1) vom 21.06.2006 – Unterlassungsurteil gegen HuK-Versicherer mit “Rund-um-Service”
Dienstag, 15.02.2011 um 09:28 von virus | · Gelesen: 16582 · heute: 41 | * 19 Kommentare
Der beklagte Kfz-Haftpflichtversicherer (HUK Coburg) sah einen Interessenkonflikt, weil der Inhaber eines Kfz-Reparaturbetriebes ein gleichnamiges Sachverständigenbüro unterhielt. Die Versicherung verweigerte deshalb mehrfach den Geschädigten die Erstattung des Sachverständigenhonorars. Dieses Verhalten interpretierte der Sachverständige als eindeutigen Boykottaufruf. Zudem läge ein wettbewerbswidriges Verhalten des Versicherers mit “Rund-um-Service”vor, da dieser Service die eigens in Auftrag gegebene Gutachtenerstellung durch Dritte beinhaltet.
Das LG Regensburg (2 HK O 391/01 (1) vom 21.06.2006) schaffte in beeindruckender als auch richtiger Weise entsprechende Klarheit einschl. nachfolgender Berufungs-Verfügung des OLG Nürnberg (3 U 1838/06 vom 20.11.2006).
OLG NÜRNBERG
20.11.2006, AZ: 3 U 1838/06
Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass zwischen einem Kfz-Sachverständigen und einer Kfz-Haftpflichtversicherung aufgrund der gegenständlichen Wettbewerbshandlung ein Wettbewerbsverhältnis besteht.
Die Äußerung der Beklagten gegenüber einem Rechtsanwalt, sie werde die durch die Beauftragung des Geschädigten entstandenen Sachverständigenkosten nicht übernehmen, stellt sich mittelbar als Boykott und damit als gezielte Behinderung nach § 4 Nr. 10 UWG dar.
Siehe: http://www.captain-huk.de/urteile/lg-regensburg-2-hk-o-39106-1-vom-21-06-2006-unterlassungsurteil-gegen-huk-versicherer-mit-rund-um-service/
Ra Imhof
Mittwoch, 03.08.2011 um 18:08
Hallo Buschtrommler
in ganz hervorragender Weise hat hier das Gericht umgesetzt,was der BGH in NJW 07,1450 (VI ZR 67/06) vorgegeben hatte.
Keine Tabellen oder Umfragen,sondern nur die stringente Beachtung und Umsetzung der vom Gesetzgeber bei unbeeinflussbaren Schadensposten gewollten absoluten Gleichwertigkeit der Ersetzungsbefugnis.
Keine Schnörkel,keine Hilfserwägungen,deshalb ein sehr gutes Urteil!
Das Gericht hat verinnerlicht,dass das Unfallopfer undenkbar mit Teilen einer unbeeinflussbaren Schadensposition selbst im Verhältnis zum Schädiger belastet werden darf.
hallo, Herr Rechtsanwalt Imhof,
eine bemerkenswerte Kommentierung zu einem ebenso bemerkenswerten Urteil besonderer Qualität. Da kann sich manches Gericht die Mühe sparen, noch etwas neues zum berechtigten Schadenersatz im Vostellungsbereich der HUK-Coburg kreieren zu wollen. Meine ungeteilte Anerkennung für das Urteil und Ihre Kommentierung hierzu.
Mit freundlichen Grüßen
K.-L.H.
Hallo Virus,
dieser Halbsatz, der vom VI. Zivilsenat des BGH stammt, kann nicht einfach weg diskutiert werden. Man muss mit ihm umgehen, und zwar in der richtigen Art und Weise. Ich halte den Halbsatz für eine redaktionellen Fehler. Andererseits sind die von RA. Imhof angeführten Gesichtspunkte nicht von der Hand zu weisen. Ihn einfach ignorieren, ist der falsche Weg. Der Bezug auf das Wettbewerbsrecht hilft da gar nicht weiter. Wo hat der Versicherer im obigen Fall zum Boykott aufgerufen? Nirgends. Unwahre Tatsachenbehauptungen sind auch nicht aufgestellt worden. Wir müssen schon am Fall bleiben, sonst wird es eine Themaverfehlung.Wenn Du aber meinst, so vorgehen zu müssen, dann viel Erfolg. Und berichte zu gegebener Zeit. K.-L.H. bzw. H.U. ist da wohl schon auf dem richtigen Wege.
Hallo Redaktion
wo sind eigentlich die Erstberatungsschreiben der HUK geblieben,in denen tabellarisch analog zu den Mietwagenkosten darauf hingewiesen wurde,was ein SV-Gutachten kosten darf?
Ich habe hier mehrere solcher Schreiben gesammelt,vielleicht lässt sich damit ja noch Geld verdienen.
Klingelingelingelts?