Verehrte Captain-HUK-Leser!
Wie so oft musste das Unfallopfer gegen Fahrer, Halter und Versicherung des unfallverursachenden Fahrzeuges gerichtlich vorgehen, weil die eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung, die HUK-Coburg Allgemeine Versicherungs AG, Saarbrücken, meinte, die Sachverständigenkosten kürzen zu können. Dem hat das angerufene Gericht im Wesentlichen widersprochen. Das Urteil für das Unfallopfer wurde erstritten und dem Autor zugesandt durch Herrn Rechtsanwalt Lutz Imhof aus der Kanzlei Dr. Imhof & Partner in Aschaffenburg. Lest das Urteil selbst und gebt Eure Meinungen ab.
Amtsgericht Saarlouis
Aktenzeichen: 29 C 804/11 (16)
E» wird gebeten, bei allen Eingaben das vorstehende Aktenzeichen anzugeben
Urteil
im Namen des Volkes
In dem Rechtsstreit
des Herrn …
Kläger
Prozessbevollmächtigte: RA Dr. I. & P. aus A.
gegen
1. Herrn …
2. Frau …
3. Firma HUK-Coburg Allgemeine Versicherung gesetzl. vertr. d. d. Vorsitzenden des Aufsichtsrates, Großherzog-Friedrich-Str. 40, 66111 Saarbrücken
Beklagte
Prozessbevollmächtigte zu 1,2, 3: RA B. M. aus K.
wegen Schadenersatz
hat das Amtsgericht Saarlouis im vereinfachten Verfahren gemäß § 495 a ZPO durch den Richter am Amtsgericht … am 22.8.2011 für Recht erkannt:
I. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 525,75 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.11.2010 und 80,44 € vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.11.2010 zu zahlen.
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 8/100, die Beklagten als Gesamtschuldner 92/100.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe
(ohne Tatbestand gemäß § 313 a Abs. 1 ZPO)
I.
Die Klage ist weitgehend begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Erstattung weiterer Sachverständigenkosten in zugesprochener Höhe gemäß §§ 7, 18 StVG, 115 VVG, 249 BGB. Die volle Haftung der Beklagten für die infolge des Verkehrsunfalls vom 16.10.2010 entstandenen Schäden ist unstreitig.
Zu den erstattungsfähigen Kosten des Geschädigten gehören diejenigen für ein Schadensgutachten, soweit dieses zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich ist (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 70. Auflage, § 249 Rnr 58).
Der Geschädigte kann zwar auch die Kosten eines Sachverständigengutachtens nur dann und insoweit geltend machen, als es sich um Aufwendungen handelt, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf und trägt das Risiko, wenn er ohne nähere Erkundigung einen Sachverständigen beauftragt, dessen Gutachten sich später im Prozess als zu teuer erweist (vgl. BGH NJW 2007,1450 ff). Der Geschädigte ist allerdings grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des Marktes verpflichtet, um einen für den Schädiger möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen. Weil es im Gegensatz etwa zu dem Bereich des Mietwagengeschäfts bei Sachverständigengutachten an einheitlichen Modalitäten und allgemein zugänglichen Preislisten fehlt, die einen Vergleich der anfallenden Kosten ermöglichen würden, darf der Geschädigte in aller Regel von der Erforderlichkeit der anfallenden Sachverständigenkosten ausgehen. Erst wenn für ihn erkennbar ist, dass der Sachverständige sein Honorar quasi willkürlich festsetzt und Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen, kann er nicht mehr vollständigen Ausgleich seiner Aufwendungen verlangen (vgl. LG Saarbrücken, Urteil vom 29.8.2008 Az: 13 S 108/08 m.w.N.).
Im vorliegenden Fall ist in Anwendung dieser Grundsätze von einer Überhöhung der Sachverständigenkosten um lediglich insgesamt 47,60 € auszugehen. Halten sich Grundhonorar und Nebenkosten innerhalb des Honorarkorridors HB III der BVSK Honorarbefragung 2008/2009, so kann nicht festgestellt werden, dass die vereinbarte Vergütung schadensrechtllch nicht erforderlich ist, da feststeht, dass eine nicht unerhebliche Zahl von Sachverständigen in diesem Bereich abrechnet. Daraus ergibt sich wiederum, dass der Geschädigte regelmäßig keine Möglichkeit hat, vor Beauftragung zu einer anderen Einschätzung zu kommen. Soweit das Gesprächsergebnis des BVSK mit der Beklagten niedrigere Werte ausweist als die Honorarbefragung selbst, ist schon nicht hinreichend deutlich, ob sich die dortigen Werte nicht lediglich auf die Abrechnung der Sachverständigen im Verhältnis zu der Beklagten beziehen. Ob Sachverständige aber gegenüber der Beklagten und möglicherweise auch anderen mit ihr kooperierenden Haftpflichtversicherern gegenüber niedrigere Honorarforderungen geltend machen, enthält keinen zwingenden Hinweis darauf, dass Kfz Sachverständige in der Region bei Beauftragung von privaten Kunden im allgemeinen die gleichen niedrigen Sätze anlegen (vgl. LG Saarbrücken, a. a. 0.).
Im vorliegenden Fall liegt die Grundvergütung, die der Sachverständige … in Ansatz gebracht hat, noch im Bereich des Honorarkorridors HB III der genannten Befragung, wenn auch an deren oberster Grenze. Dem vorliegenden Verfahren liegt indessen ein Verkehrsunfall zugrunde, welcher sich am 16.10.2010 ereignet hat. Die Erstattung des Gutachtens ist am 19.10.2010 erfolgt. Insoweit kann zur Beurteilung der Erforderlichkeit der dem Kläger entstandenen Kosten bereits die Ergebnisse der BVSK Honorarbefragung 2010/2011 herangezogen werden, die gemäß deren Vorbemerkung zwischen Oktober 2010 und Februar 2011 durchgeführt wurde. Vergleicht man das vom Sachverständigen … in der vorliegenden Rechnung beanspruchte Grundhonorar mit dem dort geltenden HB V Korridor, liegt dieses zehn Euro unterhalb des dortigen Höchstsatzes, so dass Zweifel an der Erforderlichkeit nicht bestehen. Gleiches gilt für die geltend gemachten Nebenkosten, die jeweils innerhalb der in HB III bzw. HB V gelegen sind. Für die Entscheidung war im Übrigen davon auszugehen, dass der Sachverständige eine Fahrt von 10 km zurückzulegen hatte, um die Begutachtung ausführen zu können. Hierzu ist er offenbar von seinem Betriebssitz in … an die Adresse des Klägers in … gefahren. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Kläger einen Sachverständigen aus dem seinem Heimatort benachbart gelegenen … zur Begutachtung hinzugezogen hat.
Nicht erstattungsfähig ist die berechnete EDV Abrufgebühr. Nach den Erläuterungen zur BVSK-Befragung 2008/2009 werden Fremdleistungen bei den Nebenkosten nur noch vereinzelt aufgeführt, daher im Allgemeinen neben dem Grundhonorar nicht gesondert geltend gemacht. Hieran hat sich zwischenzeitlich offenbar nichts geändert, da derartige Kosten auch bei den Nebenkosten der BVSK Honorarbefragung 2010/2011 nicht aufgeführt sind. Für die Entscheidung ist daher davon auszugehen, dass die betreffenden Kosten schadensrechtlich nicht erforderlich sind. Da es sich insoweit um eine rechtliche Schlussfolgerung handelt, brauchte der Sachverständige … hierzu nicht vernommen zu werden. Nicht erforderlich sind weiterhin die in der Rechnung des Sachverständigen … aufgeführten Kosten der Fahrzeugbewertung. Auch insoweit heißt es bereits in den Erläuterungen der BVSK Honorarbefragung 2008/2009, dass Fremdleistungen insgesamt nur noch vereinzelt aufgeführt würden. Lediglich Abrufkosten für Restwertbörsen oder den mobile.de – Marktpreis würden regelmäßig gesondert aufgeführt, wenn die Ergebnisse dem Gutachten beilägen. Im vorliegenden Fall ergibt sich aus Seite 13 des Gutachtens, dass der Sachverständige den Restwert offenbar nach Erfahrungswerten festgelegt hat, so dass ihm hierdurch keine Auslagen entstanden sind. Auch diesbezüglich war für die Entscheidung mithin davon auszugehen, dass die betreffenden Kosten schadensrechtlich nicht erforderlich sind.
Die Beklagten schulden dem Kläger weiterhin die geltend gemachten Anwaltsgebühren für die vorgerichtliche Tätigkeit seines Prozessbevollmächtigten. Die dem Grunde nach gegebene Erstattungsfähigkeit derartiger Kosten steht nicht im Streit, auch nicht dass sein Prozessbevollmächtigter dem Kläger jedenfalls eine 1,3 fache Gebühr gemäß Nummer 2300 W RVG in Rechnung stellen konnte. Die Erhöhung auf eine 1,5 Gebühr ist der gerichtlichen Überprüfung entzogen. Bei Rahmengebühren entspricht es allgemeiner Meinung, dass der Rechtsanwalt bei der Festlegung der Gebühr einen Spielraum von 20 % hat (vgl. BGH NJW 2011,1603 ff m. w. N.). Hält sich der Rechtsanwalt innerhalb dieser Grenze, ist die von ihm festgelegte Gebühr im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG nicht unbillig und vom Ersatzpflichtigen hinzunehmen (vgl. BGH a. a. O.).
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung der Erstattungsfähigkeit der Kosten der Deckungsanfrage. Ob ein solcher Anspruch besteht ist in der Rechtsprechung streitig (vgl. O LG Celle Schaden- Praxis 2011,265 fm, w. N.). Nach richtiger Ansicht ist ein Ersatzanspruch zu verneinen. Ein sich aus § 249 BGB ergebender materiell rechtlicher Erstattungsanspruch umfasst nur die Kosten des Geschädigten, welche durch die Geltendmachung seines Ersatzanspruchs verursacht werden. Hierzu gehören die Kosten der Einholung einer Deckungszusage nicht, da sie nicht in den Schutzbereich der verletzten Norm fallen. Die Rechtsschutzversicherung sichert lediglich das Kostenrisiko eines Gerichtsverfahrens ab. Das Risiko im Rahmen eines Rechtsstreits unbegründete Forderungen geltend zu machen, ist vom konkreten Verkehrsunfall als haftungsauslösendem Umstand indessen unabhängig. Dieses Risiko gehört vielmehr zum allgemeinen Prozessrisiko, das der Geschädigte selbst tragen muss und nicht auf den Schädiger abwälzen kann (vgl. OLG Celle a. a. O.).
Die Nebenentscheidungen im Übrigen folgen aus der Anwendung der §§ 280, 281, 286, 288 BGB, 92 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO. Die als Nebelforderungen geltend gemachten Anträge zu 2. und 3. hat das Gericht bei der Kostenquotelung nicht berücksichtigt. Für die Zulassung der Berufung bestand kein hinreichender Anlass, da die Entscheidung nicht von der bisherigen Rechtsprechung der zuständigen Berufungskammer des Landgerichts Saarbrücken abweicht. Ob sich diese ändern wird bleibt abzuwarten.