AG Straubing verurteilt AXA Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten

Mit Datum vom 28.11.2008 (2 C 311/08) hat das AG Straubing die AXA Versicherung AG zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 585,48 € zzgl. Zinsen sowie weiterer vorgerichtlicher RA-Kosten verurteilt. Das Gericht wendet mit einer eingehenden Begründung, die sich gegen die Entscheidung des OLG München vom 25.07.2008 richtet, die Schwacke-Liste an und lehnt die Anwendung der Fraunhofer Tabelle ab.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Ersatz restlicher Mietwagenkosten aus §§ 7,11 StVG, 3 Abs. 1 Nr. 1 PflVersG, 249 Abs. 2 BGB.

Der erforderliche Herstellungsaufwand beträgt für die streitigen Mietwagenkosten. Dabei kann dahinstehen, ob hierbei der Unfallersatztarif erstattungsfähig ist, oder nur der Normaltarif, denn vorliegend führt bereits die Schadensschätzung im Rahmen des Normaltarifs zum Bestehen des Anspruchs im beantragten Umfang.

Die Höhe des Normaltarifs als erforderlicher Wiederherstellungsaufwand schätzt das Gericht gem. § 287 ZPO anhand der sog. Schwackeliste 2006. Das Gericht entscheidet dabei im Wege des Freibeweises und im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens (§ 287 Abs. 1 S. 1 und 2 ZPO), auf welchen Grundlagen es eine Schätzung trifft, und ob und welche Beweise zu erheben sind. Ein Sachverständigengutachten zur Frage der Ortsüblichkeit der verfahrensgegenständlichen Miete erscheint dem Gericht in diesem Zusammenhang nicht erforderlich.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es im Rahmen einer  Schadensschätzung  nach  § 287  ZPO  grundsätzlich  zulässig,  zur Schätzung des Normaltarifs die Schwackeliste heranzuziehen (vgl. etwa Urt v. 26.06.2007 VI ZR 163/06, sowie NJW 2007, 2758; 2007, 1676; 2007, 1122). Der BGH hat in einem weiteren Urteil vom 11.03.2008 (VI ZR 164/07) ausgeführt, dass es nicht Aufgabe des Tatrichters ist, lediglich allgemein gehaltenen Angriffen gegen eine Schätzungsgrundlage nachzugehen, die nicht auf den konkreten Fall bezogen sind. Nach Maßgabe dieser Rechtsprechung sind die vorliegend   vorgebrachten    Einwendungen    gegen    die    Grundlage    der Schadensbemessung nicht erheblich,  da nicht  mit konkreten  Tatsachen aufgezeigt wird, dass etwaige Mängel der Schwackeliste sich auf den zu entscheidenden Fall auswirken. Die Einwendungen der Beklagten erschöpfen sich vielmehr  in  allgemeinen  Angriffen  gegen  die  statistische Erhebungsmethode, wie sie bereits in dem dem Urteil des Bundesgerichtshof vom 11.3.2008 (VI ZR 164/07) vorausgegangenen Urteil des Landgerichts Gießen vom 30.5.2007 (IS349/06) vorgetragen worden sind und die der Bundesgerichtshof gerade als nicht ausreichende Einwendung gegen die Grundlage der Schadensbemessuhg angesehen, hat.

An der Richtigkeit und Anwendung dieser Entscheidung ist auch in Hinblick auf das neuerliche Urteil des OLG München vom 25.07.2008 (10 U 2539/08) festzuhalten. Das OLG München hält die Ergebnisse von Fraunhofer deshalb für überzeugender, da dieses Institut die Mietpreise durch eine anonyme Befragung ermittelt hat, welche „der realen Anmietsituation nahe kommt“. Bei der Ermittlung der Tarife für die Schwackeliste hingegen sei den Vermietern bekannt gewesen, dass deren Antworten zur Grundlage einer Mietwagenuntersuchung über die Höhe- von Mietwagenkosten gemacht werden sollen. Hierbei handelt es sich nach Überzeugung des Gerichts jedoch neuerlich um allgemeine Angriffe gegen die statistische Erhebungsmethode von Schwacke, welche allerdings nach Auffassung des Gerichts aus dem Editorial der Schwackeliste ersichtlich und nicht zu beanstanden sind.

Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vom 11.3.2008 ist zwar zur Schwackeliste 2003 ergangen, die Liste für das Jahr 2006 stellt jedoch ebenso eine taugliche Schätzgrundlage dar, die hiergegen z.T. vorgebrachten Angriffe sind nicht überzeugend. Soweit die Angriffe gegen die Anwendbarkeit der Schwackeliste auf schwer nachvollziehbare Steigerungen zwischen der Liste 2003 und der Liste 2006 gestützt wird, so ist etwa für die her einschlägigen Postleitzahlenbereiche ein gravierender Unterscheid, der sich nicht mit einer betriebswirtschaftlich gerechtfertigten Preissteigerung erklären ließe, nicht erkennbar. Wie im Editorial zum Schwacke-Mietpreisspiegel ausgeführt, entspricht die Erhebung einer repräsentativen, wissenschaftlichen und grundsätzlichen Marktforschung, wobei die Richtigkeit der gemachten Angaben stichprobenweise auch kontrolliert wird. Im Übrigen haben sich auch andere Instanzgerichte für die Anwendung der Schwackeliste 2006 ausgesprochen (vgl. LG Bonn NZV 2007, 362; LG Bielefeld, 21 S 68/07; Urt. v. 09.05.2007; LG Nürnberg-Fürth 8 O 861/07, Urt. v. 08.05.2007).

Nichts anderes folgert das Gericht aus dem neuerlichen Urteil des OLG München vom 25.07.2008 in dem Verfahren 10 U 2539/08. Dort hat der Senat seiner Schätzung nicht die Schwacke-Liste, sondern eine aus neuerer Zeit stammende Untersuchung des Fraunhoferinstituts zu Grunde gelegt. Die Preise der Schwacke-Liste würden – argumentiert der Senat – auf Grund einer Selbstauskunft der Mietwagenvermieter in Kenntnis, dass die Angaben zur Grundlage einer Marktuntersuchung gemacht werden, ermittelt, während das Ergebnis des Preisspiegels desFraunhofer Instituts auf einer anonymen Befragung im Rahmen eines typischen Anmietszenarios beruhten. Dem schließt sich das Gericht bei der vorliegend durchzuführenden Schätzung nicht an. Das OLG München hat in seiner Entscheidung die Argumente des BGH nicht widerlegt, sondern lediglich eine eigene Schätzungsgrundlage gewählt. Dies bedeutet nicht, daß die Schwacke-Liste, welche der BGH seiner Schätzung zu Grunde legt, keine geeignete Schätzungsgrundlage wäre. Insbesondere im hiesigen Bereich wurde von der Schwacke-Erhebung eine weit größere Anzahl von Mietwagenanbietem erfasst. Ferner differenziert die Schwacke-Liste exakter in einzelne Postleitzahlenbereiche, wodurch ein mögliches Preisgefälle gerade zwischen städtischem und ländlichem Raum besser zum Ausdruck kommt, wie sie sich nach Überzeugung des Gerichts im hiesigen Bezirk besonders auswirkt. Schließlich ist Schwacke-Liste weit weniger als die Untersuchung des Fraunhofer-Instituts von Einheitspreisen bundesweit agierender Gebrauchtwagenanbieter im Internet bestimmt Einen Gebrauchtwagen von Internet-Anbietern zu beziehen ist in Anbetracht der Tatsache, daß das Internet – noch – nicht von jedermann selbstverständlich als Informationsquelle genutzt wird, dem Unfallgeschädigten im Wege der Schadensgeringhaltungspflicht nicht zuzumuten.

Schließlich liegt der vorliegende Anmietsachverhalt vor dem 25.07.2008, weshalb vom Kläger im Rahmen der Schadensgeringhaltungspflicht nicht verlangt werden kann, ein ihm möglicherweise im Hinblick auf die ständige Rechtsprechung des BGH gemachtes Angebot kritisch zu hinterfragen. Das beklagtenseits beantragte Sachverständigengutachten ist mangels ausreichender Anknüpfungstatsachen nicht zu erholen. Im Lichte der neuen Entwicklung der Rechtsprechung sind Selbstauskünfte der Mietwagenunternehmen gegenüber einem nicht verdeckt arbeitenden Sachverständigen nicht mehr zu erwarten. Eine betriebswirtschaftliche Untersuchung wäre zur Ermittlung des ortsüblichen Preises vorliegend nicht geeignet, da – wie bereits die Unterscheidung zwischen Normaltarif und Unfallersatztarif zeigt – weniger wirtschaftliche Aspekte auf die Bildung des Marktpreises einwirken als die Ersatzpraxis der Kfz-Haftpflichtversicherer.

Bei dem verfahrensgegenständlichen Pkw handelt es sich um ein 5-türiges Auto mit 55 kw Leistung, Unter diesen Umständen ist es nach Schätzung des Gerichts Wagenklasse3 der Schwackeliste zuzuordnen. Der nach Schätzung des Gerichts vorliegend erstattungsfähige Wiederbeschaffungsaufwand beliefe sich somit maximal auf 1336 EUR inkl. Mehrwertsteuer brutto, wenn man für das maßgebliche Postleitzahlengebiet 943 … und die Wagenklasse 3, ein Mal den 1-Tages-Preis, 1 mal den 3-Tages-Preis und 1 mal den Wochenpreis heranzieht. Hinzu tritt die – mangels konkreten Bestreitens der Beklagten erforderliche – Haftungsbeschränkung für 11 Tage zu je 29 EUR von EUR 319,00 (vgl. Palandt-Heinrichs, § 249 .Rn. 43), so daß sich nach Abzug eines Eigenerspartnisanteils von 10 % für die Nutzung des eigenen Pkw ein Betrag von EUR 1.521,40 ergibt. Hierbei ist nicht auf das arithmetische Mittel sondern auf den am häufigsten genannte Preis („Medium“) abzustellen. Ein Abzug für ersparte Aufwendungen ist vorliegend nicht abzuziehen, weil eine Klasse unter dem tatsächliche ausgefallenen Fahrzeug gemietet wurde. Unter diesen Umständen ist der tatsächlich geltend gemachte Mietpreis von EUR 1.397,06 in den Grenzen des Wirtschaftlichkeitspostulats nach den oben gemachten Ausführungen als erforderlich und angemessen anzusehen. Nach Abzug der außergerichtlich zur Erfüllung i.S.v. § 362 BGB gezahlten EUR 811,58 verbleibt die Klageforderung.

Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten sind  im zugesprochenen Umfang beim bestehenden Gegenstandswert und hinsichtlich der 1,3-fachen Gebühr erforderliche Rechtsverfolgungskosten i.S.v. § 249 Abs. 2 BGB.

Soweit das AG Straubing.

Urteilsliste “Mietwagenkosten” zum Download >>>>>

Dieser Beitrag wurde unter Axa Versicherung, Haftpflichtschaden, Mietwagenkosten, Rechtsanwaltskosten, Urteile, Urteile gegen Fraunhofer, Urteile Mietwagen, Urteile pro Schwacke, Wichtige Verbraucherinfos abgelegt und mit , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

5 Antworten zu AG Straubing verurteilt AXA Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten

  1. Willi Wacker sagt:

    Hallo Babelfisch,
    lediglich die OLG München, Köln und das Thüringer OLG hatten Fraunhofer angewendet. Die übrigen OLGs sowie fast sämtliche Untergerichte hatten Schwacke angewandt – mit Recht. In diesem Zusammenhang verweise ich auf den Aufsatz von Braun in ZfS 2009, 183 ff. Dort ist der Vorzug der Schwacke-Liste gut herausgearbeitet worden. Sehr lesenswert.
    MfG
    Willi Wacker

  2. Babelfisch sagt:

    Hallo Willi Wacker,

    interessant finde ich folgenden Satz aus der Urteilsbegründung:

    „Eine betriebswirtschaftliche Untersuchung wäre zur Ermittlung des ortsüblichen Preises vorliegend nicht geeignet, da – wie bereits die Unterscheidung zwischen Normaltarif und Unfallersatztarif zeigt – weniger wirtschaftliche Aspekte auf die Bildung des Marktpreises einwirken als die Ersatzpraxis der Kfz-Haftpflichtversicherer.“

    Es ist löblich, dass die Urteile der genannten OLG nicht von den untergeordneten Instanzen kritiklos übernommen werden, sondern dass die Gerichte sich mit diesen Entscheidungen auseinandersetzen und sodann zu anderen Ergebnissen kommen.

  3. Werkstatt-Freund sagt:

    Hi Babelfisch,
    so sehe ich es auch. Man sieht, dass einige OLGs nicht der Weisheit letzter Schluss sind. So viele Amtsrichter/innen und Richter/innen an LGs können nicht irren. Vermutlich würden die OLG München, Köln und Gera heute auch anders entscheiden (vgl. Braun ZfS 2009, 183 ).
    MfG
    Werkstatt-Freund

  4. Werkstatt-Freund sagt:

    Hi Babelfisch,
    ich muß mich in meinem vorstehenden Kommentar berichtigen. Das Thüringer OLG sitzt nicht in Gera, sondern in Jena. Ich bitte, den Lapsus zu entschuldigen.

  5. Joachim Otting sagt:

    Köln hat längst anders entschieden, und das gleich zwei mal:

    – Urteil vom 11.02.2009, Az. 2 U 102/08
    – Urteil vom 03.03.2009, Az. 24 U 6/08

    Kein Licht ohne Schatten: In beiden Urteilen wurde der Aufschlag auf den Normaltarif versagt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert