Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,
und weil das gerade mit den Sachverständigenkosten so gut läuft, stelle ich nachfolgend jetzt ein Urteil aus dem Norden hier ein. AG Stade verurteilt die eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung, die HUK-Coburg, zur Zahlung der restlichen Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht. Die klagenden Sachverständigen waren aktivlegitimiert. Lest bitte selbst und kommentiert bitte reichlich.
Viele Grüße und eine schöne Woche.
Euer Willi Wacker
Amtsgericht Verkündet am: 27.09.2011
Stade
Geschäfts-Nr.:
63 C 210/11
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
Sachverständiger
Kläger
gegen
Beklagte
hat das Amtsgericht Stade
im schriftlichen Verfahren gemäß § 495 a ZPO am 27.09.2011
mit einer Schriftsatzfrist bis zum 20.09.2011
durch die Richterin am Amtsgericht …
für Recht erkannt:
1.) Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger 94,67 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 17.03.2011 sowie vorgerichtliche Kosten in Höhe von 39,00 € zu zahlen.
2.) Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4.) Der Streitwert wird auf bis zu 100,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313 a ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist voll umfänglich begründet.
Die Kläger haben gegen die Beklagte einen weiteren Zahlungsanspruch in Höhe von 94,67 € als abgetretenen Anspruch auf Schadenersatz nach den §§ 398, 823 Abs. 1, 249 BGB i. V. mit den §§ 7 Abs. 1 StVG und 115 VVG aus dem Verkehrsunfall am 06.01.2011, nachdem bereits von Beklagtenseite 321,00 € gezahlt worden waren.
Die Kläger sind aktivlegitimiert. Die Abtretung der Ansprüche aus dem Verkehrsunfall vom 06.01.2011 mit Abtretungserklärung vom 01.07.2011 (Bl. 83 d. A.) an die Kläger ist wirksam.
Der Umfang der den Klägern zu erstattenden Vergütung richtet sich vorliegend nach § 249 BGB. Danach können die zur Wiederherstellung der beschädigten Sachen einschl. der Geltendmachung des Schadenersatzanspruchs erforderlichen Kosten gefordert werden. Sachverständigenkosten sind daher insoweit zu ersetzen, wie sie zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig sind (BGH NJW 1974, 34, 35). Dies gilt in der Regel auch dann, wenn die Kosten des Gutachtens übersetzt sind (vgl. Köln NZV 99, 88 ff., Rn. 13). Dieser Grundsatz gilt auch dann, wenn – wie hier – nicht der Geschädigte selbst, sondern der Sachverständige aus abgetretenem Recht klagt, da sich dadurch die geltend gemachten Ersatzansprüche des Geschädigten nicht verändern.
Die Grenze der Erstattungsfähigkeit der Sachverständigenkosten ist dann erreicht, wenn eine Vergütung verlangt wird, wie sie von Selbstzahlern nicht verlangt wird und sich mit einem gesunden Marktgeschehen nicht mehr vereinbaren lässt.
Als erforderliche Aufwendung für ein Sachverständigengutachten ist jedenfalls zumindest die übliche und angemessene Vergütung für ein solches Gutachten nach Werkvertragsrecht anzusehen. Dabei ist eine an der Schadenshöhe orientierte angemessene Pauschalierung des Honorars grundsätzlich zulässig (BGH NJW 2007, 1450 = DS 2007, 144).
Das hiervon den Klägern begehrte Gutachterhonorar ist üblich und angemessen. Dies kann das Gericht anhand der BVSK-Honorarbefragung 2010/2011 gemäß § 287 ZPO schätzen. Die BVSK-Honorarbefragung ist durchaus geeignet, eine Schätzungsgrundlage zu bilden, da an ihr eine Reihe von Sachverständigenbüros bundesweit (2010/2011 waren es 635 Büros) teilgenommen haben, wobei das Gericht nicht verkennt, dass diese Honorarbefragung keine verbindliche Abrechnungsgrundlage darstellt, so dass die in ihr enthaltenen Ergebnisse keine starren Grenzen bilden und auch Abweichungen im Einzelfall unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Falles bzw. regionaler und struktureller Besonderheiten zulassen.
Die Positionen der Honorarrechnung vom 11.01.2011 erscheinen im Vergleich mit der BVSK-Befragung und den dortigen Ergebnissen nicht unangemessen: Das von den Sachverständigen geltend gemachte Grundhonorar in Höhe von 249,00 € liegt bei einer Schadenshöhe von bis zu 1.250,00 € brutto innerhalb des Korridors der BVSK-Honorarbefragung 2011, indem je nach Schadenshöhe zwischen 50 und 60 % der Mitglieder ihr Honorar berechnen. Auch liegt die Grundvergütung unter den Beträgen der Werte, unterhalb derer 95 bzw. 90 % der Mitglieder des BVSK ihr Honorar berechnen (s. HB III: 277,00 €; HB IV: 273,00 €).
Dass der Sachverständige neben dem Grundhonorar weitere Pauschalen geltend macht, begegnet vorliegend keine Bedenken. Dies gilt auch insofern, wie man Grundhonorar mit den angesetzten Pauschalen vergleicht. Im Ergebnis liegen die von dem Sachverständigen angesetzten bei knapp 30 % des Grundhonorars und damit in einem nicht unangemessenen Rahmen.
Die angesetzten Nebenkostenpauschalen bzw. berechneten Kosten für Lichtbilder und Fahrtkosten sind auch im Einzelnen angemessen:
Die Kosten der Lichtbilder für den ersten Fotosatz bewegen sich am oberen Bereich der Honorarkorridore HB I und HB III (1,80 € bis 2,57 €) ebenso die Pauschale für Porto, Telefon und Auslagen (HB I für Porto und Telefon pauschal: 9,73 €; HB III: 18,88 €).
Die angesetzten Kosten für den zweiten Fotosatz von 1,80 € pro Stck. befinden sich genau an der oberen Grenze des H V-Korridors (1,25 € bis 1,80 €), also desjenigen Honorarkörridors, in dem je nach Schadenhöhe zwischen 50 und 60 % der an der Honorarbefragung teilnehmenden BVSK-Mitglieder ihr Honorar berechnen.
Auch die angesetzten Schreibgebühren in Höhe von 21,00 € sind angesichts der Schreibkosten, welche in dem Honorar-Korridor HB V für Schreibkosten je Seite bzw. je Kopie angesetzt werden, nicht unangemessen, insbesondere auch im Hinblick auf die Anzahl der Seiten des abgerechneten Gutachtens.
Entgegen der Ansicht der Beklagten ist auch die Erstellung eines zweiten Fotosatzes erforderlich, da der Geschädigte nicht nur ein Original-Gutachten für sich, sondern auch für seine Versicherung und ggf. eine nachträgliche Rechtsverfolgung benötigt.
Soweit die Fahrtkostenpauschale in Höhe von 35,00 € deutlich über dem HB V-Korridor der BVSK-Honorarbefragung 2011 liegt (22,16 € bis 28,99 €), so ist dies in einer ländlichen Region, wie sie vorliegend gegeben ist, nicht zu beanstanden, zumal die BVSK-Werte nicht zwischen den einzelnen Regionen unterscheiden und in städtischen Regionen regelmäßig ein geringerer Fahraufwand bestehen dürfte als in ländlichen Regionen.
Die Entscheidung über die Erstattung der vorgerichtlichen Anwaltskosten folgt aus den §§ 280, 286 BGB, die Zinsentscheidung hat ihre Grundlage in den §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in den §§ 708 Nr. 11,711, 713 ZPO.
Für die Zulassung der Berufung bestand kein Anlass.