Mit Datum vom 23.02.2011 (16 C 13/11) hat das Amtsgericht Unna die Axa Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 893,03 € zzgl. Zinsen sowie weiterem Schadensersatz (u. a. vorgerichtliche RA-Kosten) verurteilt. Das Gericht legt bei der Schätzung des Normaltarifs die Schwacke-Liste zugrunde und lehnt sowohl die Fraunhofer Tabelle als auch die Erhebung von Dr. Zinn ab.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist begründet.
Dem Kläger stehen die gemäß §§ 7, 18 StVG, 3 Pflichtversicherungsgesetz geltend gemachten Schadensersatzanspruche gegenüber den Beklagten als Gesamtschuldnern zu.
Der Unfall hat sich für beide Parteien beim Betrieb eines Kraftfahrzeugs ereignet. Er wurde nicht durch höhere Gewalt verursacht.
Die gemäß § 17 StVG vorzunehmende Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge führt zur alleinigen Haftung der Beklagten.
Das Gericht geht aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme davon aus, dass der Unfall dadurch verursacht wurde, dass der Beklagte zu 1. mit seinem Fahrzeug ein Stück zurückgesetzt hat und dabei mit dem klägerischen PKW zusammen gestoßen ist
Die Zeugen A. und B. haben übereinstimmend ausgesagt, dass der Zeuge C. an dem PKW der Beklagten zu 1. schräg vorbei fahren wollte und in diesem Moment der Beklagte zu 1. rückwärts gefahren ist.
Ihre Aussagen werden bestätigt durch das Gutachten des Sachverständigen. Dieser hat nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass aus den Schaden am klägerischen Fahrzeug abzuleiten ist, dass zwingend in Überlagerung zu der Vorwärtsfahrt des klägerischen PKW auch eine, zumindest kurze, Rückwärtsfahrt des Fahrzeugs der Beklagten vorgelegen hat. Die Kontaktspuren am klägerischen Fahrzeug nahmen nämlich nicht allmählich zu. Vielmehr war bereits zu Beginn der Spuren eine deutliche Einformung des Karosserieblechs vorhanden. Ein solcher annähernd sprunghafter Beginn von Kontaktspuren und Einformungen des Karosserieblechs kann auch bei einer engen, nach rechts gerichteten Bogenfahrt des klägerischen Fahrzeugs mit einem ruhenden Hindernis im hinteren Bereich der rechten Längsseite nicht erzeugt werden.
Soweit die Zeugen D. und E. demgegenüber ausgesagt haben, der Beklagte zu 2 habe sein Fahrzeug im Zeitpunkt des Unfalls nicht bewegt, kann das Gericht dem im Hinblick auf die eindeutigen Feststellungen des Sachverständigen nicht folgen.
Die Betriebsgefahr des Fahrzeugs der Beklagten ist aufgrund des Verstoßes des Beklagten zu 2. gegen § 9 Abs. 5 StVO, wonach der Fahrzeugführer sich beim Rückwärtsfahren so zu verhalten hat, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist, deutlich erhöht.
Demgegenüber ist auf Seiten des Klägers nur die einfache Betriebsgefahr seines PKW anzusetzen. Das klägerische Fahrzeug wollte an dem beklagten Fahrzeug vorbeifahren. Eine Erhöhung der Betriebsgefahr kommt nicht in Betracht. Es gibt keine gesicherten Anhaltspunkte dafür, dass das klägerische Fahrzeug auch dann mit dem Fahrzeug der Beklagten zu 1 zusammengestoßen wäre, wenn der Beklagte zu 2. nicht rückwärts gefahren wäre.
Bei der Abwägung der beiderseitigen Verursachungsanteile überwiegt die aufgrund des schuldhaften Verkehrsverstoßes deutlich gesteigerte Betriebsgefahr des beklagten PKWs und verdrängt die des klagerischen Fahrzeugs.
Die Beklagten haben daher dem Kläger seinen gesamten Schaden zu ersetzen.
Hierbei handelt es sich um die – der Höhe nach unstreitigen – Reparaturkosten von 2.094,26 Euro, Sachverständigenkosten von 283,10 Euro sowie eine – angemessene- Kostenpauschale von 25,00 Euro.
Der Kläger kann weiter Ersatz der geltend gemachten Mietwagenkosten in Höhe von 893,03 Euro verlangen.
Dass der Kläger den Mietwagen selbst angemietet hat, ist nach Vorlage des Mietvertrages und einer Vergleichsunterschrift von den Beklagten substantiiert nicht mehr bestritten worden.
Die grundsätzliche Berechnung nach der Schwacke-Liste begegnet keinen Bedenken.
Der Geschädigte kann nach § 249 Abs 1 BGB als Herstellungsaufwand Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte hat nach der aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeit im Rahmen des ihm Zumutbaren stets den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet für den Bereich der Mietwagenkosten, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersetzfahrzeugs grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis verlangen kann. Dabei dürfen an die Geschädigten hinsichtlich der Anmietung eines Ersatzfahrzeugs keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden (vgl. BGH 6. ZS. Urteil vom 14.10.2008). Der zu Grunde zu legende Tarif kann bei der Schätzung der Schadenshöhe gemäß § 287 ZPO in Ausübung richterlichen Ermessens auf Grundlage des gewichteten Mittels des „Schwacke Mietpreisspiegels 2006″ im Postleitzahlengebiet des Geschädigten ermittelt werden (vgl. 8GH 6. ZS Urteile vom 11.03.2008, AZ VI ZR 164/07 und 13.01.2009, AZ VI ZR 134/08). Die Liste kann als Schätzgrundlage herangezogen werden, auch wenn allgemein gehaltene Angriffe gegen sie vorgebracht werden. Konkrete Tatsachen, dass geltend gemachte Mängel der Liste sich auf den vorliegenden Fall auswirken, sind durch die Beklagte nicht aufgezeigt.
Soweit zeitlich nachfolgend weitere Schwacke-Listen erschienen sind, weisen diese nach Kenntnis des Gerichts höhere Preise auf. Die Beklagte hat zumindest nicht dargelegt, dass sich aktuelleren Listen geringere Mietwagenkosten entnehmen lassen. Dass der Kläger seiner Berechnung die ältere Liste zu Grunde legt, ist daher nicht zu beanstanden.
Der allgemeine Verweis aut Online-Angebote belegt nicht, dass derart günstige Angebote dem Geschädigten auch tatsächlich zugänglich waren. Es ist auch nicht der vorgelegte „Marktpreisspiegel Mietwagen Deutschland 2008 des Frauenhofer-Instituts 2008″ anzuwenden. Anders als bei der Schwacke-Liste handelt es hierbei (noch) nicht um eine allgemein anerkannte Schätzgrundlage. Die Anwendung dieser Erhebung ist umstritten. Dies gilt auch für die Studie von Herrn Zinn. Eine Überprüfung der Marktanalyse ist dem Gericht nicht möglich. Das Gericht ist auf allgemein anerkannte Schätzgrundlagen angewiesen, die – wie die Schwacke-Liste -insbesondere auch der ständigen Rechtsprechung der zuständigen Berufungskammer am Landgericht Dortmund (vgl. nur Urteile vom 05.02 2009, AZ 4 S 115/08, 03.07.2008, AZ 4 S 29/08, 29.05.2008. 4 S 169/07, 30.09.2010, 4 S 48/10) zu Grunde gelegt werden.
Das klägerische Fahrzeug wurde in der Zeit vom 12.06.2009 bis zum 19.06.2009 repariert. Der Kläger hat eine Mietwagen in für die Zeit 15.06.2009 bis 22.06.2009 angemietet. Er kann Ersatz nur für die Zeit verlangen, in der sein Fahrzeug auch repariert wurde, mithin für 5 Tage.
Entsprechend der Berechnungen des Klägers sind daher ausgehend von eine Grundmietpreis von 387,00 Euro für 3 Tage und einem Tagespreis von je 129,00 Euro 645,00 Euro zu Grunde zu legen, auf die eine Eigenersparnis von 10 % in Abzug zu bringen ist. Für die Haftungsbefreiung und Zustellung/Abholung des Fahrzeugs fallen weitere 161,00 Euro an. Zuzüglich eines Aufschlags von 20 % auf den Normaltarif, der im Rahmen der Anmietung eines Ersatzfahrzeugs für ein verunfalltes Fahrzeug im Hinblick auf die damit verbundenen Mehrleistungen anzusetzen ist sowie unter Ansatz von 19 % Mehrwertsteuer (statt 16 %) ergibt sich damit ein Bruttobetrag von 893,03 Euro.
Dem Kläger steht daher ein Schadensersatzanspruch von insgesamt 3.295,39 Euro zu, auf den die bereits vorprozessual gezahlten 1.459,26 Euro in Abzug zu bringen sind Damit ergibt sich ein restlicher Anspruch von 1.836,13 Euro.
Der Klager kann weiter Zahlung von seinen außergerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 173,26 Euro verlangen
Ausgehend von einem Gegenstandswert von 3.295,39 Euro ergibt sich eine 1,3 Geschäftsgebühr von 282,10 Euro. Zuzüglich Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer ergibt sich ein Betrag von 359,50 Euro, auf den die bereits gezahlten 186,24 Euro in Abzug zu bringen sind. Damit ergibt sich ein restlicher Betrag von 173,26 Euro. Auch wenn der Kläger die Zahlung der Gebühren nicht nachgewiesen hat, kann er Zahlung verlangen, da die Beklagte zu 3. nur einen Teil der Gebühren gezahlt und damit die Zahlung im Übrigen verweigert hat. Damit hat sich der eigentlich bestehende Freistellungsanspruch auch ohne Fristsetzung nach § 250 BGB in einen Zahlungsanspruch verwandelt (vgl. Palandt/Grüneberg § 250 Rz 2).
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 280, 286, 288 BGB ab Klagezustellung. Ein früherer Verzugsbeginn ist nicht ersichtlich. Die Schadensabrechnung vom 24.06.2009 mit einseitiger Fristsetzung durch den Kläger macht eine verzugsbegründende Mahnung nicht entbehrlich (vgl. Palandt-Grüneberg , § 286 BGB Rz. 22).
Soweit die Beklagte zu 3. durch die erfolgte Teilzahlung weitergehende Zahlung verweigert hat, ist nicht ersichtlich, wann genau dies passiert ist.
Die Kostenentscherdung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Ziff 11, 709, 711 ZPO.
Soweit das AG Unna.