Mit Datum vom 17.06.2011 (14 C 57/10) hat das Amtsgericht Rheine die DEVK Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 563,98 € zzgl. Zinsen verurteilt. Das Gericht legt bei der Schätzung des Normaltarifs die Schwacke-Liste zugrunde und erteilt der Fraunhofer Tabelle eine Absage. Kosten für das Zustellen und Abholen des Fahrzeuges werden jedoch nicht zugesprochen.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung von weiteren 563,89 Euro gemäß § 7 Abs. 1 StVG; § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG, § 398 BGB zu.
Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Der Geschädigte hat seinen Schadensersatzanspruch hinsichtlich der Mietwagenkosten wirksam gemäß § 398 BGB an die Klägerin abgetreten.
Der Klägerin steht aus übergegangenem Recht nach § 398 BGB gemäß § 7 Abs. 1 StVG i. V. m. § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG dem Grunde nach ein Anspruch auf Schadensersatz gegen die Beklagte zu.
Die als Schadensersatz geltend gemachten Mietwagenkosten sind in Höhe von 563,89 Euro zu ersetzen, da sie insoweit erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 waren.
Nach § 249 Abs. 2 BGB kann der Geschädigte grundsätzlich als Herstellungsaufwand den Ersatz derjenigen Mierwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig und notwendig halten darf (st Rspr. des BGH, vgl. nur Urt. v. 14.10.2008, Az. VI ZR 308/07 zitiert nach juris Rn. 9; BGH Beschl. v. 13.01.2009, Az. VI ZR 134/08, zitiert nach juris Rn. 4). Der Geschädigte hat nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitegebot im Rahmen des ihm Zumutbaren stets den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet für den Bereich der Mietwagenkosten, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis verlangen kann (Vgl. BGH Urt. v. 14.10.2008, Az. VI ZR 308/07, zitiert nach juris Rn. 9).
Da die Klägerin ausdrücklich nur diesen als „Normaltarif“ bezeichneten Mietpreis geltend macht, kommt es im vorliegenden Fall nicht darauf an, ob die Geschädigte mangels Zugänglichkeit des Normaltarifs in der konkreten Situation einen darüber hinaus gehenden Betrag verlangen könnte (vgl. dazu BGH a.a.O., Rn 12) oder ob unter Umständen wegen etwaiger unfallbedingter Mehrleistungen ein pauschaler Aufschlag auf den Normaltarif vorzunehmen wäre (vgl. dazu z.B. BGH, NJW 2007, 2758).
Diesen als „Normaltarif bezeichneten Mietpreis schätzt das Gericht gemäß § 287 ZPO auf der Grundlage des Schwacke-Mietpreisspiegels 2006.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Schwacke-Mietpreisspiegel 2006 eine geeignete Grundlage für die Ermittlung eines „Normaltarifs“, welcher sodann die Grundlage für die Ermittlung des ersatzfähigen Mietwagenkostenschadens darstellt. Die Heranziehung des Schwacke-Mietpreisspiegels 2006 ist von einem Großteil der Rechtsprechung (Vgl. nur OLG Karlsruhe VersR 2008, 92; OLG Stuttgart VersR 2009, 1680; OLG Köln Beschl. v. 12.05.2009, Az. 11 U 219/08; LG Mönchengladbach, Urt. v. 20.01.2009, Az. 5 S 110/08, Rn. 21; LG Mönchengladbach, Urt. v. 13.01.2009, Az. 5 S 81/08, Rn. 14; alle zitiert nach juris) und zuletzt vom Bundesgerichtshof (Urt. v. 02.02.2010, Az. VI ZR 7/09, Rn. 8 f.) nicht beanstandet worden. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass die Schadenshöhe nicht auf der Grundlage falscher oder offenbar unsachlicher Erwägungen festgesetzt werden und wesentliche, die Entscheidung bedingende Tatsachen nicht außer Acht bleiben dürfen. Hierzu hat der Bundesgerichtehof wiederholt entschieden, dass in Ausübung des tatrichterlichen Ermessens nach § 287 ZPO der Normaltarif auf der Grundlage des Schwacke-Mietpreisspiegels im Postleitzahlengebiet des Geschädigten ermittelt werden kann, solange nicht mit konkreten Tatsachen Mängel der betreffenden Schätzgrundlage aufgezeigt werden, die sich auf den zu entscheidenden Fall auswirken (Vgl. BGH NJW2008, 1519, 1520; BGH NJW2008, 2910, 2911; BGH NJW 2009, 58).
Solche Einwendungen gegen den Schwacke-Mietpreisspiegel hat die Beklagte hier nicht vorgebracht, so dass auch kein Sachverständigengutachten einzuholen war.
Zunächst stellt die Erhebung des Fraunhofer Instituts keine der Schwacke-Liste vorzuziehende Schätzgrundlage dar. Zwar liegen die Durchschnittspreise der Tarife dieser Studie unter denen sich aus der Schwacke-Liste errechnenden Normaltarifen. Zudem beruhen die Ergebnisse der Fraunhofer-Studie auf einer anonymen Befragung, während der Schwacke-Mietpreisspiegel aufgrund einer Selbstauskunft der Vermieter in Kenntnis dessen zustande gekommen ist, dass die Angaben zur Grundlage einer Marktuntersuchung gemacht werden. Dennoch ist der Schwacke-Liste der Vorzug zu geben. Denn bei der Fraunhofer-Erhebung ermittelten Preise wurden auf der Grundlage einer einwöchigen Vorbuchungsfrist ermittelt, welche in der typischen Unfalfsituation gerade nicht eingehalten werden kann. Auch bezog sich die Recherche lediglich auf eine zweistellige Postleitzahl, wodurch der örtlich relevante Markt weniger gut abgebildet wird als bei der Schwacke-Liste, die eine Differenzierung nach drei Postleitzahlen vornimmt. Zudem beruht die Fraunhofer-Erhebung überwiegend auf der Abfrage von Internettarifen der sechs großen Autovermieter, die in der konkteren Unfallsituation vom Geschädigten – mangels Internetanschluss – nicht ohne Weiteres abgefragt werden können. Mittelständische Autovermieter werden hingegen nur unzureichend berücksichtigt, wodurch wiederum der örtlich relevante Markt nicht genügend Berücksichtigung findet. Weiterhin spricht gegen die Verwendung der Fraunhofer-Erhebung als Schätzgrundlage, dass dort nur das arithmetische Mittel angegeben wird. Dies ist jedoch gerade kein Preis im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Vgl. BGH Urt. v. 29.04.2003, Az. VI ZR 398/02, Rn. 14 zitiert nach juris). Der Schwacke-Liste und ihrem abgebildeten Modus-Wert ist demnach der Vorzug zu geben.
Konkrete Mängel der Schwacke-Liste werden von der Beklagten insoweit nicht aufgezeigt.
Vorliegend hat die Beklagte nur generelle Bedenken gegen die Eignung der Schwacke-Liste als Schätzungsgrundlage geäußert. Dass eine Anmietung eines entsprechenden Fahrzeugs zum Mietzeitpunkt zu dem von ihr errechneten Mietpreis tatsächlich möglich gewesen ist, hat sie nicht aufgeführt. Insbesondere im vorliegenden Fall ist das Gericht von der Schwacke-Liste als Schätzungsgrundlage überzeugt. Schon der von der Klägerin vorgelegte Auszug aus der Schwacke-Liste (Bl. 9 d. A.) belegt, dass eine Einteilung nach dreistelligen Postleitzahlgebieten mehr Genauigkeit für die Abbildung des regionalen Marktes mit sich bringt. So lässt sich im Postleitzahlgebiet 470 für die hier vorliegende Mietwagenklasse sieben ein minimaler Preis von 688,00 Euro für elf Tagen errechnen, wobei er in dem hier maßgeblichen Postleitzahlgebiet 472 bereits 1.022,00 Euro beträgt. Auch die Höhe des geschätzten Normaltarifs aufgrund des gewichteten Mittels begegnet nach Ansicht des Gerichts keinen Bedenken, da das gewichtete Mittel für die entsprechende Wagenklasse im Postleitzahlgebiet dem als minimal angegeben Preisen entspricht.
Von den Mietkosten in Höhe von 1.022,00 Euro sind 10 Prozent im Wege des Vorteilsausgleichs in Abzug zu bringen, sodass sich ein Betrag in Höhe von 919,80 Euro ergibt. Dies entspricht den maßgeblichen technischen und wirtschaftlichen Verhältnissen und kann nur in dieser Höhe im Massengeschäft der KH-Schadensabrechnung bei einer Schätzung gemäß § 287 ZPO angemessen erfasst werden(OLG Hamm v. 24.03.2010, AZ 13 U 125/09; OLG Hamm v. 21.04.2008, AZ 6 U 188/07). Die Klägerin beruft sich zwar vorliegend darauf, dass vorliegend nur eine geringe Fahrstrecke mit dem Mietfahrzeug zurückgelegt wurde. Jedoch macht sie hierzu keine genauen Angaben, weshalb das Gericht keine Abweichung von dem 10-prozentigen Abschlag vornehmen kann. Zwar trifft es zu, dass grundsätzlich der Schädiger die Beweislast für die Voraussetzungen des Vorteilsausgieichs trägt (Palandt, BGB, Vorb v § 249, Rn. 123 a). Der 10-prozentige Abzug erfolgt jedoch ohne zutun des Schädigers, da ein Vorteil in dieser Höhe grundsätzlich besteht. Für eine Abweichung nach unten muss somit der Geschädigte die Tatsachen vorbringen und beweisen.
Auf den Betrag in Höhe von 919,80 Euro steht der Klägerin ein Preisaufschlag in Höhe von 20 Prozent zur Abgeltung der besonderen Kosten und Risiken, die das Unfallersatzgeschäft im Vergleich zu einer normalen Autovermietung mit sich bringt, zu. Insoweit kann sich die Prüfung der betriebswirtschaftlichen Berechtigung eines Preisaufschlages im Rahmen des § 287 ZPO darauf beschränken, ob spezifische Leistungen bei der Vermietung an Unfallgeschädigte im Allgemeinen einen Aufschlag rechtfertigen, wobei auch ein pauschaler Aufschlag auf den Normaltarif in Betracht kommt, wenn dafür hinreichend konkrete Tatsachen vor!iegen(BGH v. 19.01.2010, AZ VI ZR 112/09; BGH v. 09.03.2010, AZ VI ZR 6/09 – in Bezug auf die Höhe -; LG Düsseldorf v. 02.07.2010, AZ 20 S 24/10). Die Klägerin hat ausreichend konkrete Tatsachen vorgetragen, die den Aufschlag rechtfertigen. So wurde mietvertraglich keine Kilometerbeschränkung festgelegt, auf eine Insolvenzprüfung des Geschädigten wurde im Vertrauen auf die 100-prozentige Schadensregulierung seitens der Beklagten verzichtet, sodass die Klägerin das Quotenrisiko trug, eine Sicherheitsleistung wurde nicht verlangt, die Mietdauer war unbestimmt, sodass die Klägerin weitere Dispositionen nicht planen konnte und mit einer kostenverursachenden Standzeit rechnen musste. Schließlich hat die Klägerin auch die Folgen des Zahlungsverzugs getragen. Dies sind alles Tatsachen, die grundsätzlich bei einer normalen Wagenanmietung nicht vorliegen werden.
Die Haftungsbefreiungskosten, vorliegend 308,00 Euro, sind ebenfalls erstattungsfähig. Wird unfallbedingt ein Ersatzfahrzeug angemietet und dabei Vollkaskoschutz vereinbart, sind die hierfür erforderlichen Mehraufwendungen, unabhängig davon, ob das eigene Fahrzeug zum Zeitpunkt des Unfalls vollkaskoversichert war, in der Regel als adäquate Schadensfolge anzusehenBGH v. 15.02.2005, AZ VI ZR 74/04). Im Übrigen ist die grundsätzliche Ersatzfähigkeit dieser Kosten zwischen den Parteien unstreitig. Da diese Kosten von den Mietpreisen der Schwacke-Liste nicht umfasst sind, sind diese von der Beklagten als Nebenkosten zu tragen.
Dies zugrunde gelegt ergibt sich folgende Berechnung:
Von den erstattungsfähigen 1.022,00 Euro (Normaltarif) hat sich die Klägerin einen Abzug in Höhe von 102,20 Euro gefallen lassen, was einer 10%-igen Vorteilsausgleichung entspricht. Hinzuzurechnen ist ein 20%-iger Aufschlag für unfallspezifische Kosten, also 183,96 Euro. Hinzukommen weitere 308,00 Euro (Haftungsbefreiung). Abzüglich der erfolgten Zahlung in Höhe von 847,87 Euro ergeben sich 563,89 Euro.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 280, 286 Abs. 1 S. 1, Abs. 3, 288 Abs.1 BGB.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 S. 1 2. Alt. ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Soweit das AG Rheine.