Mit Urteil vom 16.04.2009 (2 C 490/08) hat das AG Bonn die HDI Industrie Versicherung AG zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 721,80 € zzgl. Zinsen verurteilt. Das Gericht legt die Schwacke-Liste zugrunde und lehnt die Fraunhofer Tabelle sowie die Erhebung von Klein ab.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist hinsichtlich der Hauptforderung begründet
Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Ersatz weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 721,80 Euro aus den §§ 7, 18 StVG, 823 Absatz 1 BGB, 115 Absatz 1 VVG in Verbindung mit § 398 BGB zu.
Die Klägerin ist aktivlegitimiert, da die Forderung der Frau (XXX) am 07.10.2008 an sie abgetreten worden ist.
Bei der Geltendmachung von Mietwagenkosten gelten folgende Grundsätze:
Der Geschädigte kann vom Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung nach § 249 BGB als erforderlichen Wiederherstellungsaufwand den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf.
Der Geschädigte ist aber ebenso wie bei anderen Kosten der Wiederherstellung und ebenso wie in anderen Fällen, in denen er die Schadensbeseitigung selbst vornimmt, nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet für den Bereich der Mietwagenkosten, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeuges (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis verlangen kann. Mit anderen Worten müssen die Mietwagenkosten betriebswirtschaftlich gerechtfertigt sein.
Für die Überprüfung der betriebswirtschaftlichen Rechtfertigung der von der Klägerin in Rechnung gestellten Mietwagenkosten hat das Gericht anhand des Schwacke-Automietpreisspiegels für das Jahr 2007 das gewichtete Mittel („Modus“) des sogenannten „Normaltarifs“ (= Tarifselbstzahler) ermittelt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kann der Tatrichter in Ausübung des Ermessens nach § 287 ZPO den „Normaltarif“ auf der Grundlage des gewichteten Mittels des „Schwacke -Mietpreisspiegels“ im Postleitzahlengebiet des Geschädigten ermitteln, solange nicht mit konkreten Tatsachen Mängel der betreffenden Schätzungsgrundlage aufgezeigt werden, die sich auf den zu entscheidenden Fall auswirken (zuletzt BGH, Urteil vom 14.10.2008 – VI ZR 308/07). Für das Postleitzahlengebiet 415 und die Preisgruppe 4 ergeben sich unter Zugrundelegung des gewichteten Mittels aus dem Schwacke -Automietpreisspiegel 2007 folgende Bruttowerte:
Wochentarif 7 Tage: 489,34 Euro
3 Tagestarif: 246,21 Euro
2 x Tagestarif zu je 84,12 Euro: 168,24 Euro
Summe: 903,79 Euro.
Auf den so ermittelten „Normaltarif ist ein Zuschlag vorzunehmen, der die dem Unfallersatzgeschäft immanenten besonderen Risiken betriebswirtschaftlich berücksichtigt. Der Unfallersatztarif ist ein Risikotarif, dem daher eine andere Preiskalkulation zugrunde liegt als dem Barzahlertarif bzw. „Normaltarif“. Zu den speziellen Risiken und Aufwendungen des Unfallersatzgeschäftes zählen insbesondere das Betrugsrisiko, das Forderungsausfallrisiko, das Valutarisiko, das Fahrleistungsrisiko und die – soweit sie nicht speziell gerade auf überhöhter und damit nicht schutzwürdiger Tarifgestaltung beruhen – Rechtsberatungskosten, ferner das Auslastungsrisiko und der Zinsverlust infolge zinsfreier Kreditierung. Der dafür gerechtfertigte Zuschlag ist nach der ständigen Rechtssprechung des Landgerichts Bonn pauschal mit 25 % zu bemessen (Urteil des Landgerichts Bonn vom 07.02.2007 – 5 S 159/06).
Der 25 %-ige Aufschlag auf den Normaltarif gemäß Schwacke-Liste in Hohe von 903,79 Euro beträgt 225,95 Euro.
Die Summe beider vorgenannten Positionen ergibt 1.179,74 Euro.
Hinzu kommt, dass die Klägerin gemäß der Schwacke-Liste 2007 folgende Beträge für eine Vollkaskohaftungsfreistellung hätte abrechnen dürfen:
Vollkasko 7 Tage: 132,00 Euro
Vollkasko 3 Tage: 66,00 Euro
Vollkasko 2 Einzeltage zu je 22,00 Euro: 44,00 Euro
Summe: 242,00 Euro.
Tatsächlich berechnet hat die Klägerin für die Haftungsfreistellung jedoch lediglich einen Betrag von 226,34 Euro (190,20 Euro zuzüglich 19 % Umsatzsteuer).
Der vorhin errechnete Betrag in Höhe von 1179,74 Euro ergibt zuzüglich der berechneten Kosten für Vollkasko in Höhe von 226,34 Euro einen Gesamtbetrag von 1.356,07 Euro. Hierauf hat die Beklagte bislang lediglich 634,27 Euro gezahlt, so dass sie den Restbetrag von 721,80 Euro an die Klägerin noch zu erstatten hat.
Das Gericht hat sich nicht veranlasst gesehen , statt der Schwacke – Liste 2007 andere Erhebungen (Prof. Dr. Ingo Klein: „Bewertung der Erhebungs- und Auswertungsmethoden des Automietpreisspiegels der Schwacke-Bewertungs GmbH vom 10.05.2007″ sowie „Fraunhofer Marktpreisspiegel Mietwagen Deutschland 2008″) als Schätzungsgrundlage zugrunde zulegen. Denn die Beklagte hat entgegen der Anforderungen der BGH Rechtsprechung nicht mit konkreten Tatsachen Mängel der Schwacke-Liste 2007 aufgezeigt, die sich auf den zu entscheidenden Fall auswirken.
Denn sie hat keinerlei Gegenrechnungen unter Zugrundelegung der von ihr vorgelegten Erhebungen vorgenommen, aus denen sich ergibt, wie das konkrete Ergebnis dieser beiden Untersuchungen im vorliegenden Fall aussähe. Die Beklagte genügt den Anforderungen der Rechtsprechung des BGH an die Erschütterung der Schwacke-Liste 2007 als Schätzungsgrundlage nicht, wenn sie ohne Bezug zum konkreten Einzelfall lediglich die angebliche Vorzugswürdigkeit anderer Erhebungen behauptet.
Soweit die Klägerin Zinsen für den Zeitraum vor dem 01.11.2008 begehrt hat, ist die Klage unbegründet, da vor dem 01.11.2008 die Beklagte sich noch nicht in Schuldnerverzug befand.
Aus demselben Grunde steht der Klägerin gegen die Beklagte auch kein Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten nach § 286 BGB zu. Denn das anwaltliche Schreiben vom 28.10.2008 stellte erst die verzugsbegründende Mahnung dar. Erst mit diesem Schriftsatz hat sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin für diese bestellt.
Vorher war er für Frau (XXX) tätig. Schreiben für eine andere Mandantin als die Klägerin konnten im Verhältnis zwischen den Parteien jedenfalls nicht zum Eintritt des Schuldnerverzuges der Beklagten gegenüber der Klägerin führen. Eine anwaltliche Tätigkeit zwischen dem 01.11.2008 und der Klageerhebung ist von der Klägerin nicht vorgetragen, so dass in dieser Zeit durch den Verzug der Beklagten veranlasste Rechtsverfolgungskosten nicht erkennbar sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Absatz 2 Nr. 1 ZPO, da die Zuvielforderungen der Klägerin verhältnismäßig geringfügig waren und diese aufgrund dessen, dass sie sich lediglich auf Nebenforderungen bezogen, keine höheren Kosten veranlasst haben.
Soweit das AG Bonn.