AG Viersen: Viersenland ist Schwackeland

Mit Datum vom 15.06.2011 (2 C 51/10) hat das Amtsgericht Viersen die HUK Coburg Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 290,36 €  zzgl. Zinsen  verurteilt. Das Gericht legt bei der Schätzung des Normaltarifs die Schwacke-Liste zugrunde und stellt fest, dass der Geschädigte ein Versicherungsangebot von kostengünstigen Mietfahrzeugen nur unter engen Voraussetzungen annehmen muss. Diese lagen hier jedoch nicht vor.

Aus den Entscheidungsgründen:

1.

Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Ersatz der ihr entstandenen Mietwagenkosten aus § 7 StVG i.V.m. § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG, § 249 f BGB, die die Beklagte bislang noch nicht beglichen hat.

a.

Die von der Klägerin zugrunde gelegten Sätze entsprechen der Schwacke-Liste. Im Landgerichtsbezirk Mönchengladbach ist – wie auch in der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. statt vieler BGH, NJW-RR 2010, 1251) – anerkannt, dass für die Zugrundelegung von Mietwagenkosten die Schwacke-Liste herangezogen werden kann (vgl, etwa LG Mönchengladbach, NZV 2010, 616). Anhaltspunkte dafür, dass die Schwacke-Liste in Bezug auf das streitgegenständliche Fahrzeug erhebliche Mängel aufweist, hat die Beklagte nicht vorgetragen (vgl. zu einer solchen Pflicht der Beklagten auch BGH, NJW 2009, 58. 6Q).

b.

Die Klägerin war im Rahmen der Anmietung eines Mietwagens nach Auffassung des Gerichts nicht aus Schadensminderungsgesichtspunkten verpflichtet, sich auf das günstigere Vermittlungsangebot der Beklagten einzulassen. Dabei kann offen bleiben, ob ein Geschädigter grundsätzlich ein Angebot der Versicherung auf Vermittlung‘ eines kostengünstigen Mietwagenanbieters berücksichtigen muss (ablehnend bereits z.B. LG Weiden, NJW-RR 2009, 675 ff.), da die Beklagte der Klägerin im vorliegenden Fall jedenfalls kein entsprechendes Angebot unterbreitet hat, welches eine Verletzung der Schadensminderungspflicht gemäß §254 Abs. 2 BGB durch die Klägerin begründen würde.

Danach wäre erforderlich gewesen, dass die Beklagte der Klägerin einen günstigeren Tarif unterbreitet, der nach den konkreten Umständen „ohne weiteres“ zugänglich gewesen wäre. Dabei ist für die Beurteilung der Zugänglichkeit eines wesentlich günstigeren Normaltarifs darauf abzustellen, was dem Geschädigten unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie der gerade für ihn bestehenden , Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt zugänglich war. Das Angebot muss dabei inhaltlich so gestaltet sein, dass der Geschädigte es mühelos annehnien kann. (BGH, Urteil vom 04.042006 – VI ZR 338/04, NJW2006, 2106; KG Urteil vom 26.02.2010 -13 S 240/09; LG Saarbrücken: Urteil vom 06.08.2010 -13 S 53/10). Die dafür maßgeblichen Umstände haben nach allgemeinen Grundsätzen der Schädiger bzw. sein Haftpflichtversicherer darzulegen und zu beweisen (BGH, Urteil vom 02.02.2010 – VI ZR 139/08).

Dass die Beklagte der Klägerin ein solches Angebot unterbreitet hat, steht nach der von der Beklagten bewilligten schriftlichen Vernehmung der Zeugin nicht zur Überzeugung des Gerichts fest. Diese hat lediglich ausgesagt, der Klägerin ein kostengünstigeres Ersatzfahrzeug angeboten zu haben. Dabei habe sie einen Preis von 37,00 EUR pro Tag für ein Mietfahrzeug als erstattungsfähig in Aussicht gestellt. Ob die Namen der Kooperationspartner der Beklagten genannt worden sind, könne sie nicht mehr sagen.

Dieses Angebot enthält keine Informationen, die der Geschädigten eine verlässliche Überprüfung ermöglicht hätten. Die Klägerin kpnnte anhand der Informationen der Beklagten weder beurteilen, ob es sich um ein Angebot in dem für sie zeitlich und örtlich relevanten Markt handelte, noch erhielt sie Kenntnis von den weiterer Mietbedingungen. Der Geschädigten war es auch nicht zuzumuten, ihrerseits bei der Beklagten entsprechende Nachforschungen einzuleiten (vgl. ähnlich hinsichtlich der Unterbreitung von Restwertangeboten durch den Versicherer BGHZ 143, 189 ff.).

Schließlich ist auch die von der Klägerin geltend gemachte Mietwagendauer vom 31.03.2009 bis zum 04.04.2009 gerechtfertigt.

Nach dem von der Klägerin überreichten Reparaturplan steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Reparaturdauer von 5 Tagen krankheitsbedingt auf die von der Klägerin ausgesuchte Reparaturwerkstatt zurückgeht. Die Klägerin hat für ein Verschulden der Werkstatt gegenüber der Beklagten nicht einzustehen. Verzögerungen, die durch fehlerhafte Organisation des Reparaturbetriebes sowie den Ausfall von Arbeitskräften entstanden sind, gehen nicht zu ihren Lasten (vgl. BGH, NJW 1975, 160).

2.

Der zugesprochene Zinsanspruch folgt aus §§ 280 Abs. 1, 2, 286, 286 Abs. 1 BGB.

3.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Soweit das AG Viersen.

Urteilsliste “Mietwagenkosten” zum Download >>>>>

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7 Antworten zu AG Viersen: Viersenland ist Schwackeland

  1. sv sagt:

    Super Urteil!

  2. Willi Wacker sagt:

    Hallo Babelfisch,
    in den Urteilsgründen ist zutreffend ausgeführt, dass „Anhaltspunkte dafür, dass die Schwacke-Liste in Bezug auf das streitgegenständliche Fahrzeug erhebliche Mängel aufweist, hat die Beklagte nicht vorgetragen (vgl. zu einer solchen Pflicht der Beklagten auch BGH, NJW 2009, 58. 6Q).“
    Kann sie auch nicht, da die Schwacke-Liste an weniger Mängeln leidet als die versicherungsseitig in Auftrag gegebene Fraunhofer-Erhebung. Pauschale Einwände, wie sie die HUK bisher erhoben hat, reichen keineswegs.
    Prima Urteil.
    Mit freundl. Grüßen
    Willi Wacker

  3. DerHukflüsterer sagt:

    @
    ADAC DAR Nr 10 oktober 2011, Seite 589

    LG Nürnberg Fürth,Urteil vom 10.08.02011 (8 S 4302/11)

    17% Abzug aus Schwacke angemessen!!
    Man sieht sofort dass der ADAC nun mehr zur Versicherungsseite tendiert als zum Verbraucherschutz.
    Die Vielzahl der positiven Entscheidungen pro Schwacke sucht man hier vergeblich.
    Wenn man die Anmerkung der jur. Redaktion ließt, dass die Schwacke Liste die tatsächliche Marktsituation in einer nicht unerheblichen Vielzahl von Fällen nicht realistisch, sondern schlicht zu hoch abbildet………
    weiß man wohin die Meinungsbildung gehen soll.

  4. Vaumann sagt:

    Tja,die juristischen Blätter scheinen längst versicherungsgesteuert zu sein.
    Solche Abos kann man getrost abbestellen;längst bietet das Internet und Foren wie dieses eine breitere Abbildung der Realität!

  5. Schwarzkittel sagt:

    @ DerHukflüsterer:

    „Mitgeteilt von Dr. Reittenspiess“

    Na schau mal da, mein alter Spiessgeselle im Auftrag des ADAC und der DEVK und HDi-Gerling……

    Kein Wunder, dass die Urteile gegen Schwacke dort so reichlich sind. Würden ja auch sicher in der VersR nicht erscheinen.

    Übrigens fehlt bei Captain HUK das Urteil des LG Ansbach vom 11.11.10 seit gut 10 Monaten in der Urteilsliste.

    Grüße aus der Suhle

    Schwarzkittel

  6. HD-30 sagt:

    DerHukflüsterer, Dienstag, 25.10.2011 um 10:43

    „Man sieht sofort dass der ADAC nun mehr zur Versicherungsseite tendiert als zum Verbraucherschutz.“
    ???????
    Das ist ja wohl das Mindeste was man bei 49% Beteiligung des ADAC an der Zurich Autoversicherng erwarten darf – oder?

  7. Willi Wacker sagt:

    Hallo Vaumann,
    ich würde aber nicht alle juristischen Blätter in einen Topf werfen. Da gibt es tatsächlich welche, die versicherungsorientiert oder zumindest versicherungslastig sind. Dazu zählen in meinen Augen die VersR und die ZfS.
    Mit freundlichen Grüßen
    Willi

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