Verehrte Captain-Huk-Leser!
Wieder einmal musste ein freier Sachverständiger aus dem Saarland gegen den Unfallverursacher direkt gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen, weil die eintrittspflichtige Kfz-haftpflichtversicherung aus Coburg es nicht für nötig erachtete, die entstandenen Sachverständigenkosten in vollem Umfang zu erstatten, wie dies nach dem Gesetz erforderlich gewesen wäre. So musste der Sachverständige seinen restschadensersatzanspruch aus abgetretenem Recht, immerhin in Höhe von 576,40 € nebst Zinsen und außergerichtlicher Anwaltskosten nebst Zinsen bei dem Amtsrichter der 120 Zivilabteilung des AG Saarbrücken einklagen. Verklagt wurde zutreffenderweise der Schädiger direkt. Zwar hat die hinter dem Beklagten stehende Kfz-Haftpflichtversicherung den bekannten Kölner Anwalt gestellt. Der konnte den Prozess aber auch nicht gewinnen. Der beklagte VN der HUK-Coburg wurde kostenpflichtig verurteilt. Zutreffend hat der erkennende Amtsrichter festgestellt, dass der Geschädigte grundsätzlich von der Erforderlichkeit der angefallenen Sachverständigenkosten ausgehen darf. Wenn die Schädigerseite meint, die Kosten seien zu hoch, so ist der Schädiger darlegungs- und beweispflichtig. Das Gericht hat daher die Beweislast zutreffend beurteilt. Auch die Berechnung des Sachverständigenhonorars in Relation zur Schadenshöhe ist zutreffend beurteilt worden. Ein rundum ordentliches Urteil. Das Urteil wurde dem Autor übersandt von Herrn RA: Lutz Imhof aus Aschaffenburg, der das Urteil auch erstritten hat. Ich gehe davon aus, dass dieses Urteil nicht in juris veröffentlicht wird, was zu der notwendigen Veröffentlichung in diesem Blog führt. Lest selbst und gebt Eure Kommentare ab.
Viele Grüße und noch eine schöne Woche
Euer Willi Wacker
Amtsgericht Saarbrücken Verkündet am: 29.09.2011
Aktenzeichen: 120 C 156/11 (05)
Urteil
im Namen des Volkes
In dem Rechtsstreit
des Herrn Sachverständigen A. M. aus S.
Kläger
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte D. I. & P. aus A.
gegen
Herrn S. D. aus S. [ VN der HUK-Coburg]
Beklagter
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt B. M. aus K.
wegen Schadensersatz aus Verkehrsunfall, hier: Sachverständigenkosten
hat das Amtsgericht Saarbrücken auf die mündliche Verhandlung vom 23.08.2011 durch den Richter am Amtsgericht … für Recht erkannt:
1. Der Beklagte wird unter Abweisung der Klage im übrigen verurteilt, an den Kläger 576,40 € sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten von 70,20 €, jeweils nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 01.01.2011 zuzahlen.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Berufung wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Tatbestand entfällt gemäß § 313a Abs. 1 ZPO.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist überwiegend begründet.
Der Kläger hat gegen den Beklagten aus abgetretenem Recht einen Anspruch auf Zahlung von in Höhe restlicher 576,40 € aus den §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 VVG, 249 Abs. 2 BGB. Die grundsätzliche Haftung der Beklagten ist unstreitig. Zu den ersatzfähigen Kosten gehören auch diejenigen für ein Sachverständigengutachten, soweit dieses zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich ist (Palandt/Heinrichs, 63. Aufl., § 249, Rdnr. 40).
Der Kläger ist aktivlegitimiert. Die Abtretung an Erfüllungs statt vom 03.12.2010 ist wirksam. Sie ist ausreichend bestimmt und verstößt nicht gegen das RDG.
Zu erstatten sind die Kosten, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten als zweckmäßig und angemessen zur Schadensbeseitigung ansehen darf, dabei ist grundsätzlich auf seine spezielle Situation und seine Erkenntnismöglichkeiten Rücksicht zu nehmen (BGH, Urteil vom 23.01.2007, Az.: VI ZR 67/06).
Grundsätzlich darf der Geschädigte von der Erforderlichkeit der anfallenden Sachverständigenkosten ausgehen (LG Saarbrücken, Urteil vom 30.05.2008, Az. 13 S 20/08 und Urteil vom 21.02.2008, Az. 11 S 130/07). Erst wenn er erkennen kann, dass der Sachverständige das Honorar willkürlich festsetzt oder Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen, oder der Geschädigte ein Auswahlverschuiden zu vertreten hat oder offensichtliche Unrichtigkeiten der Begutachtung verschuldet oder der Honorarberechnung missachtet, mindert sich sein Erstattungsanspruch (LG Saarbrücken, a.a.O.).
Ansonsten sind auch objektiv unangemessene und überhöhte Sachverständigenkosten zu erstatten, soweit dies für den Geschädigten nicht erkennbar ist, wovon aufgrund fehlender Möglichkeiten des Preisvergleichs regelmäßig auszugehen ist. Die Berechnung des Schadens kann nicht von rechtlichen Mängeln der zu seiner Beseitigung tatsächlich eingegangenen Verbindlichkeit, also zum Beispiel einer überhöhten Honorarrechnung des Sachverständigen abhängig gemacht werden (LG Saarbrücken, Urteil vom 21.02.2008, Az. 11 S 130/07). ).
Die Vergütung des Sachverständigen darf sich an der Schadenshöhe orientieren (LG Saarbrücken, Urteil vom 25.09.2003, Az.: 2 S 219/02; Saarl. OLG, Urteil vom 22.07.2003, Az.: 3 U 438/02-46-; so nunmehr auch der BGH, Urteil vom 4.4.2006, NJW 2006, 2472; VersR 2006, 1131). Deshalb überschreitet ein Sachverständiger bei Routinegutachten den ihm eingeräumten Gestaltungsspielraum bei der Bemessung seines Honorars grundsätzlich nicht, wenn er dieses an der Schadenshöhe orientiert.
Aufgrund der Entscheidung des LG Saarbrücken vom 30.05.2008 (Aktenzeichen 13 S 20/08) geht das Gericht davon aus, dass die vom Sachverständigen berechnete Vergütung, bestehend aus Grundhonorar und Nebenkosten, nicht als unangemessen hoch betrachtet werden kann, wenn sie sich innerhalb des Honorarkorridors HB III der BVSK Honorarbefragung 2008/2009 hält und es dann nicht mehr auf die Frage der Erkennbarkeit einer Überhöhung für den Geschädigten ankommt.
Die vom Sachverständigen berechneten Kostenpositionen liegen am oberen Rand des Honorarkorridors, überschreiten ihn jedoch nicht, so dass das Honorar des Sachverständigen nicht als unangemessen überhöht anzusehen ist.
Das Bestreiten der Nebenkosten ist unbsubstantiiert, die Fahrtkosten sind durch die Beweisaufnahme nachgewiesen.
Offensichtliche Unrichtigkeiten sind jedoch bei der Anzahl der Schreibkosten und der Kopien erkennbar.
Das Landgericht Saarbrücken hat entschieden (Urteil vom 27.10.2008, Aktenzeichen 13 S 85/08), dass Schreibkosten für Original und Kopien von Anschreiben, dem Auftrag, der Abtretung, der Rechnung und der allgemeinen Geschäftsbedingungen des Sachverständigen sowie eine Ausfertigung für die Unterlagen des Sachverständigen nicht ersatzfähig sind.
Es handelt sich dabei nicht um Leistungen, die zur Schadensbehebung erforderlich sind, gleichgültig, ob der Geschädigte sich gegenüber dem Sachverständigen zu deren Erstattung verpflichtet hat. Das Landgericht geht ferner davon aus (Beschluss vom 29.05.2009, 13 S 48/08), dass dies vom „Kunden ohne weiteres hätte erkannt werden können“, so dass zu viel berechnete Seiten abzuziehen sind, sofern dies erkennbar oder beanstandet ist.
Für das Original des Gutachtens sind damit als Schreibkosten 12 Seiten ersatzfähig, so dass 8 Seiten zu je 3,00 € zu viel berechnet sind, insgesamt 24,00 € netto. Der erste Fotosatz kann nicht zusätzlich als Schreibkosten abgerechnet werden, obwohl eine kurze Beschreibung zu jedem Foto dazu gehört.
Als Kopien sind 2 Ausfertigungen des Gutachtens ersatzfähig, insgesamt 32 Seiten. Der zweite Fotosatz ist nicht gesondert als Schreibkosten abzurechnen, so dass für die 2. Ausfertigung 12 Kopien anzusetzen sind. Für die 3. Ausfertigung des Gutachtens kommen 8 Seiten Kopien mit den Fotos hinzu, so dass sich insgesamt 32 Kopien ergeben. Zu viel berechnet sind 8 Kopien zu je 1,00 €, also 8,00 €.
Insgesamt hat der Sachverständige 32,00 € netto zuzüglich Umsatzsteuer von 19% in Höhe von 6,08 €, also 38,08 € brutto zu viel berechnet. Statt 614,48 € stehen ihm daher noch 576,40 € zu. Ferner ist eine 1,3 Geschäftsgebühr netto aus dem Wert von 576,40 € zu ersetzen. Es ist nicht dargelegt, dass eine 1,5 Gebühr berechtigt wäre, da die Sache weder schwierig noch umfangreich war. Von 1,3 zu 1,5 besteht kein Ermessen.
Der Zinsanspruch folgt aus Verzug, §§ 286, 288 BGB. Das Bestreiten ist unsubstantiiert.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Die Berufung ist nicht zuzulassen, da die grundlegenden Fragen vom Berufungsgericht bereits geklärt sind, also die Voraussetzungen des § 511 Abs. 4 ZPO nicht vorliegen.
gez. …
Richter am Amtsgericht
Und nun bitte Eure Kommentare.
Wenn man sieht, wie schnell die Urteile eingestellt sind, das gibt Kraft.
Selbst die Schlapphüte und V-Männer sind beeindruckt.
Weiter so.
Erstmal dumm gelaufen für den VN.
„Es ist nicht dargelegt, dass eine 1,5 Gebühr berechtigt wäre, da die Sache weder schwierig noch umfangreich war. Von 1,3 zu 1,5 besteht kein Ermessen.“
Das sieht der BGH dann aber doch anders ;).