Mit Urteil vom 17.02.2009 (4 C 2079/08) hat das AG Lörrach die beteiligte Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 944,80 € zzgl. Zinsen sowie vorgerichtliche RA-Kosten und weiterem Schmerzensgeld verurteilt. Das Gericht legt die Schwacke-Liste zugrunde und lehnt eine Auseinandersetzung mit der Fraunhofer Tabelle ab.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.
Der Kläger Ziffer 1 hat gegen die Beklagte gem. §§ 7 StVG, 3 PflichtVG, 249 Abs. 2 S. 1 BGB einen Anspruch auf Zahlung der Kosten für die Miete eines Ersatzfahrzeuges in Höhe von 944,80 €. Die Haftung der Beklagten für die Folgen des Unfalls dem Grunde nach ist unstreitig.
Da der Kläger Ziffer 1 aufgrund des Unfalls seinen PKW nicht nutzen konnte, haftet die Beklagte auch grundsätzlich auf die Kosten der Anmietung einer vergleichbaren Sache. Mietwagenkosten gehören dabei regelmäßig zu den Kosten der Schadensbehebung im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB (vgl. BGH NJW 2005, S. 51-53 m. w. N.).
Verlangt werden können allerdings nur solche Aufwendungen, die vom Standpunkt eines verständigen und wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zweckmäßig und angemessen erscheinen. Der Geschädigte ist dabei gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlichsten Weg der Schadensbehebung zu wählen. Weiter gilt, dass die gewählte Art der Schadensbeseitigung zunächst mit dem Verlust der Nutzungsmöglichkeit korrespondieren muss (Fahrzeugklasse). Zum anderen muss der finanzielle Aufwand, den der Geschädigte zur Wiederherstellung der Mobilität treibt, angemessen sein. Als angemessen kann derjenige Aufwand angesehenwerden, der für Leistungen gleicher Art und Güte am Leistungsort üblicherweise bezahlt werden muss. Welcher Tarif als üblich angesehen ist, richtet sich dabei nach dem regional zugänglichen Mietwagenpreis (BGH NJW 1996, S. 1958). Dem Gericht ist insofern nach § 287 ZPO möglich, den Schaden zu schätzen.
Nicht nur das LG Freiburg, das OLG Karlsruhe, sondern auch der BGH halten dabei eine Schätzung des Normaltarifs auf Grundlage des gewichteten Mittels des „Schwacke-Mietpreisspiegels“ im Postleitzahlengebiet des Geschädigten für möglich (vgl. nur BGH VersR 2007, S. 1286-1288). Der „Schwacke-Mietpreisspiegel“ ist damit in der Rechtsprechung anerkannt und sorgt für eine Gleichmäßigkeit und Voraussehbarkeit der Entscheidung.
Daher sieht das Gericht keine Notwendigkeit, sich zu diesem Zeitpunkt näher damit auseinanderzusetzen, ob man eine Schätzung nach § 287 ZPO nicht auch anhand des Marktpreisspiegels Mietwagen 2008 des Fraunhofer-Instituts vornehmen könnte.
Auf der Basis des „Schwacke-Mietpreisspiegels“ für das Jahr 2008 betragen Mietwagenkosten für ein Fahrzeug der Gruppe 1 im maßgeblichen Postleitzahlengebiet 795 für 14 Tage insgesamt 824,18 € im arithmetischen Mittel. Das arithmetische Mittel stellt den rechnerischen Durchschnitt dar. Eine Schätzung nach dem „Modus“, also auf der Grundlage des am häufigsten genannten Wertes, kann bei sich stark unterscheidenden Tarifen auf einem lokalen Markt dagegen zu einer erheblichen Verzerrung des Schätzungsergebnisses führen. Zutreffend ist, dass fiktive Mietwagenkosten nicht abrechenbar sind. Indes ist bei einer Schätzung nach § 287 ZPO hinsichtlich der Erforderlichkeit von Mietwagenkosten das geschädigte und nicht das tatsächlich angemietete Fahrzeug zugrunde zu legen, sofern der geschätzte Betrag hinter dem tatsächlich vertraglich geschuldeten zurückbleibt. Von den reinen Mietwagenkosten sind 5 % ersparte Eigenaufwendungen (= 41,21 €) in Abzug zu bringen, weshalb der erstattungsfähige Betrag für die Mietwagenkosten 782,97 € beträgt. Die ebenfalls geschuldeten Kosten einer Vollkaskoversicherung für den fraglichen Zeitraum im arithmetischen Mittel sowie Zufuhr und Abfuhr belaufen sich auf 287,78 € (245,54 € plus 42,24 €). Erstattungsfähig ist auch eine Zulage für einen zusätzlichen Fahrer in Höhe von 207,62 € (14 * 14,83 €), da dargelegt wurde, dass auch die Tochter des Klägers Ziffer 1 das Fahrzeug benutzte. Daher war nach dem „Schwacke-Mietpreisspiegel“ ein Normaltarif mit Nebenkosten von 1278,37 € zu schätzen.
Ein grundsätzlicher Aufschlag von 20 Prozent auf den Normaltarif kommt nach Auffassung des Gerichts nicht in Betracht. Die dargelegten Grundsätze des Mietwagenkostenersatzes führen dazu, dass grundsätzlich nur der sog. Normaltarif zur Schadensbeseitigung erforderlich ist. Der Geschädigte kann also auch in Unfallsituationen nur den sog. Normaltarif ersetzt verlangen. Soweit die Rechtsprechung hier teilweise einen Aufschlag von 20 Prozent auf den Normaltarif als ersatzfähig angesehen hat, wurde dies aus den Besonderheiten der einzelnen Unfallsituation begründet (vgl. OLG Karlsruhe vom 18.09.2007 und OLG Köln OLGR 2007, 471). So schreibt das OLG Karlsruhe: „Dabei wurde berücksichtigt, dass die Klägerin nach ihrem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen den Unfall an ihrem ersten Urlaubstag erlitt und noch am selben Tage ein Ersatzfahrzeug benötigte, um eine bereits lange geplante und organisierte Reise mit ihrer kleinen Tochter zu ihren Eltern vornehmen zu können.“ Diese Rechtsprechung führt aber nicht dazu, dass in jeder Unfallsituation grundsätzlich ein 20%-iger Aufschlag auf die Normaltarife des Schwacke-Mietpreisspiegels zu schätzen ist. Dem entspricht auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Der Bundesgerichtshof hat mehrfach dargelegt, dass lediglich unter besonderen Umständen ein pauschaler Aufschlag auf den nach der Schwacke-Mietpreisliste geschätzten Normaltarif in Betracht kommt (vgl. BGH NJW 2007, 1124 ). Solche Umstände werden beispielsweise dann angenommen, wenn spezifische Leistungen des Vermieters in der Unfallsituation den Aufschlag auf den Normaltarif tragen (BGH, Urteil vom 26.06.2007, AZ: VI ZR 163/06).
Ein gegenüber dem „Normaltarif“ höher bemessener „Unfallersatztarif“ kommt demnach nur dann in Betracht, wenn Besonderheiten mit Rücksicht auf die konkrete Unfallsituation einen höheren Tarif aus Sicht des Mietwagenunternehmens aus betriebswirtschaftlicher Sicht rechtfertigen – etwa, weil zusätzliche Leistungen angeboten werden. Inwieweit ein höherer Tarif als der „Normaltarif nach diesen Grundsätzen gerechtfertigt ist, hat der Tatrichter ebenfalls gemäß § 287 ZPO zu schätzen. Die Darlegungs- und Beweislast für die Frage, ob der Aufschlag auf einen günstigeren „Normaltarif wegen konkreter unfallbedingter Mehrleistungen des Vermieters objektiv zur Wiederherstellung erforderlich war, trägt dabei der Geschädigte (BGH NJW 2006, S. 1506 f.).
Die Voraussetzungen, nach denen ein Unfallersatztarif gem. § 249 BGB erforderlich sein kann, hat der Kläger Ziffer 1 im Streitfall ausreichend dargelegt. Der Mietwagen wurde zudem noch am Unfalltag, einem Samstag, selbst angemietet, so dass auf Grund der konkreten, besonderen Situation ein Aufschlag von 20 Prozent zu machen ist.
Vorliegend errechnet sich der Aufschlag von 20 Prozent aus einer Summe in Höhe von 824,18 € und beträgt damit 164,84 €.
Nicht erstattungsfähig ist vor diesem Hintergrund allerdings ein zusätzlicher Wochenendzuschlag. Dieser ist durch den 20%-igen Aufschlag bereits mitabgegolten.
Die Beklagte schuldete daher insgesamt 1443,21 €. Unter Berücksichtigung ihrer Zahlung in Höhe von 418,84 € schuldet sie dem Kläger Ziffer 1 weitere 1024,37 € Mietwagenkosten. Da aber nur 944,80 € eingeklagt wurden, können auch nur diese zugesprochen werden.
Die Klägerin Ziffer 2 hat gegen die Beklagte’über die bereits gezahlten 250,00 € hinaus einen Anspruch auf Schmerzensgeld aufgrund des Verkehrsunfalls vom 28.06.2008 in Höhe von weiteren 350,00 €; vgl. §§ 7, 3 PflichtVG, 253 BGB.
Das Gericht hält für die von der Klägerin Ziffer 2 erlittene Verletzung unter Berücksichtigung aller hierfür maßgeblichen Umstände ein Schmerzensgeld von insgesamt 600,00 € für angemessen.
Auch die Höhe des Schmerzensgeldes konnte das Gericht gemäß § 287 ZPO schätzen. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes ist von seiner Doppelfunktion auszugehen. Es soll dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich für diejenigen Schäden bieten, die nicht vermögensrechtlicher Art sind und zugleich dem Gedanken Rechnung tragen, dass der Schädiger dem Geschädigten Genugtuung dafür schuldet, was er ihm angetan hat. Der Entschädigungs- und Ausgleichgedanke steht dabei im Vordergrund. Die wesentliche Grundlage der Bemessung des Schmerzensgeldes bieten das Ausmaß und die Schwere des psychischen und physischen Störungen, die Heftigkeit der Schmerzen, die Dauer der Arbeitsunfähigkeit sowie die aus dem Unfall herrührenden gesundheitlichen Zukunftsrisiken (vgl. BGHZ 18,149 ff.).
Die Klägerin Ziffer 2 hat vorliegend eine HWS-Distorsion, eine BWS-Prellung sowie eine Handgelenksprellung links erlitten. Sie war vom 30.06.2008 bis zum 05.07.2008 arbeitsunfähig. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts ferner fest, dass die Klägerin Ziffer 2 auch über diese eine Woche hinaus an erheblichen Beschwerden gelitten und lediglich aufgrund der besonderen Situation am Arbeitsplatz darauf verzichtet hat, sich weiter krankschreiben zu lassen. Die Klägerin Ziffer 2 ist drei bis vier Wochen stärker beeinträchtigt gewesen; endgültig sind die Beschwerden erst nach 2 Monaten verschwunden. Dies hat nicht nur die Klägerin Ziffer 2 in ihrer persönlichen Anhörung in der mündlichen Verhandlung vom 02.02.2009 ausgesagt, sondern wurde auch durch die glaubhafte Zeugenaussage ihrer Mutter, der X., bestätigt. Spätfolgen der Verletzungen, die inzwischen vollständig ausgeheilt sind, sind allerdings nicht zu erwarten.
In der neueren Rechtsprechung werden bei HWS-Distorsionen mit Beeinträchtigungen von ca. 4 Wochen in den meisten Fällen Schmerzensgeldsbeträge unter oder bis zu € 600,00 zuerkannt. Unter Berücksichtigung der vorgenannten Umstände schließt sich das erkennende Gericht dieser Rechtsprechung an und spricht ein Schmerzensgeld Höhe von insgesamt 600,00 € zu.
Nach § 249 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 BGB sind der Klägerin Ziffer 2 weiter diejenigen adäquat verursachten Rechtsverfolgungskosten in Form vorprozessualer, nicht anrechenbarer Anwaltskosten zu ersetzen, die aus Sicht des Schadensersatzgläubigers zur Wahrnehmung und Durchsetzung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren. Als erforderlich sind die nach dem Urteil begründeten Forderungen anzusehen. Deshalb sind hinsichtlich des Schmerzensgeldes nur die zugesprochenen 600,00 € anzusetzen. Ausgehend von einer – nicht bestrittenen – 1,5-fachen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 W RVG aus einem Gegenstandswert von 600,00 € und der Pauschale nach Nr. 7002 W RVG in Höhe von 13,50 € ergeben sich vorliegend inklusive Mehrwertsteuer insgesamt 96,39 €.
Soweit das AG Lörrach.
Die Begründung zur Anwendbarkeit der Schwacke-Liste überzeugt. Ebenso bemerkenswert ist die Begründung des Amtsrichters zur Ablehnung der Erhebungen des Fraunhofer-Institutes. Der Süden der Republik scheint daher fest in „Schwacke-Hand“.
MfG
Willi Wacker