Mit Urteil vom 19.10.2011 (23 S 402/10) hat das LG Düsseldorf die Berufung der beteiligten Versicherung gegen das erstinstanzliche Urteil des AG Düsseldorf vom 01.10.2010 (44 C 4106/10) zurückgewiesen. Mit Urteil des AG Düsseldorf wurde die Versicherung zur Zahlung von Mietwagenkosten in Höhe von 638,16 € zzgl. Zinsen auf der Basis der Schwacke-Liste verurteilt. Das Hauptargument der Berufung war, dass das Gericht die Fraunhofer Liste zur Schadensschätzung hätte heranziehen müssen. Das Berufungsgericht stellt zwar klar, dass die Ermessensentscheidung des AG Düsseldorf im Sinne des § 287 ZPO nur eingeschränkt überprüfbar ist, hält jedoch fest, dass keine Mängel vorliegen, die die Schwacke-Liste unbrauchbar machen würden.
Aus den Entscheidungsgründen:
I.
Die Parteien streiten um die Erstattungsfähigkeit von Mietwagenkosten als Schadensersatz aufgrund eines Verkehrsunfalls vom xx.xx.2009, wobei die Klägerin aus abgetretenem Recht vorgeht. Die hundertprozentige Haftung der Beklagten als Haftpflichtversicherer des Schädigers ist unstreitig. Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil wird insoweit Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.
Die Beklagte rügt in zweiter Instanz insbesondere, dass das Amtsgericht bei der Schätzung des Normaltarifs nicht die sogenannte Fraunhofer-Liste, sondern die EuroTaxSchwacke-Liste zu Grunde gelegt habe. Diese sei methodisch fehlerhaft und begünstige einseitig die Autovermieter. Sie beantragt, das am 01. Oktober 2010 verkündete Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf – 44 C 4106/10 – abzuändern und die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt unter Vertiefung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens, die Berufung zurückzuweisen. Die Klägerin beruft sich darauf, dass der BGH die Schwacke-Liste als Schätzgrundlage ausdrücklich anerkannt habe. Dagegen sei die Fraunhofer-Liste methodisch mangelhaft, da sie u. a. auf einer zu geringen Anzahl von Erhebungen beruhe.
Von weiteren Ausführungen wird nach §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.
II.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt, §§ 511, 517, 519 ZPO, und ordnungsgemäß begründet worden § 520 ZPO.
III.
Die Berufung ist jedoch unbegründet.
Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch steht der Klägerin aus abgetretenem Recht (§§ 7 StVG, 398 BGB, 115 VVG bzw. § 3 Nr. 1 PflVG a.F.) dem Grunde nach zu, was zwischen den Parteien unstreitig ist.
Das Amtsgericht ist auch rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der Klägerin der geltend gemachte weitere Zahlungsanspruch in Höhe von 638,16 € zusteht.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (z. B. VersR 2006, 986, 987) kann der Geschädigte vom Schädiger nach § 249 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte ist dabei ebenso wie bei anderen Kosten der Wiederherstellung und wie in anderen Fällen, in denen er die Schadensbeseitigung selbst vornimmt, nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen.
Die Kammer ist an die Feststellung des Amtsgerichts gebunden, dass es zur Ermittlungen des für die Erforderlichkeit von Mietwagenkosten zu bestimmenden Normaltarifs die Schwacke-Liste herangezogen hat. Die Höhe der erforderlichen Mietwagenkosten ist vom Tatrichter im Wege der Schätzung gemäß § 287 ZPO zu ermitteln. In der Berufungsinstanz findet gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nur eine eingeschränkte Überprüfung dieser Ermessensentscheidung daraufhin statt, ob konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Die Kammer vermag indes nicht festzustellen, dass das Amtsgericht sein tatrichterliches Ermessen bei der Heranziehung der Schwacke-Liste bei der Schadensschätzung fehlerhaft ausgeübt hat.
§ 287 Abs. 1 ZPO sieht eine Schätzung „unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung“ vor. Die Schadenshöhe darf dabei nicht auf der Grundlage falscher oder offenbar unsachlicher Erwägungen festgesetzt werden. Auch dürfen wesentliche, die Entscheidung bedingende Tatsachen nicht außer Acht bleiben. In welcher Art die Schätzungsgrundlage beschaffen sein muss, regelt das Gesetz nicht. Es ist jedoch anerkannt (vgl. BGH, Urteil vom 14.10.2008, Az: VI ZR 307/07, abgedruckt in NJW 2009, 58 ff.; OLG Köln, Urteil vom 3.3.2009, Az: 24 U 6/08, abgedruckt in NZV 2009, 447 f.), dass in geeigneten Fällen zur Schadensschätzung Listen oder Tabellen herangezogen werden können. Für die Schätzung von Mietwagenkosten stehen hierfür mehrere in Rechtsprechung und Literatur vielfach thematisierte Listen zur Verfügung, wobei der von der Klägerin in Bezug genommene Schwacke-Mietpreisspiegel in verschiedenen Ausgaben und die von der Beklagten favorisierte Fraunhofer-Liste derzeit die gängigsten Schätzungsgrundlagen darstellen dürften. Da die Fraunhofer-Liste durchgängig niedrigere Mietwagenkosten ausweist, als der Schwacke-Mietpreisspiegel, berufen sich die Versicherungen der Schädiger regelmäßig auf die Fraunhofer-Liste, wohingegen die Geschädigten den Schwacke-Mietpreisspiegel für vorzugswürdig halten. Judikate lassen sich – wie von den Partei Vertretern aufgezeigt – für beide Ansichten massenhaft anführen.
Anders als von der Berufungsführerin angenommen vermag die Kammer aus den nachfolgend aufgeführten Gründen nicht festzustellen, dass die Schwacke-Liste Mängel aufweist, die sie für den vorliegenden Fall als Schätzgrundlage unbrauchbar machten. Die Kammer hält es daher nicht für ermessensfehlerhaft, dass das Amtsgericht sich dieser Schätzgrundlage bedient hat.
Das gegen die Schwacke-Liste angeführte Argument, dass die gewerblichen Autoanbieter aus eigenem Interesse völlig überteuerte Preise angeben wü’den, ist nicht weiter belegt worden. Das gleiche Argument wird in anderer Stoßrichtung gegen die Fraunhofer-Liste vorgebracht, die einseitig die Versicherer bevorzugen würde.
Soweit dargelegt wird, dass es in der Schwacke-Liste zu Datenverlusten gekommen sein könnte, gerade in PLZ-Gebieten mit wenig Anbietern, so bleibt unklar, welche Auswirkungen dies im konkreten Fall gehabt haben soll. Der Geschädigte wohnte mitten in der Großstadt Düsseldorf und hier wurde das Fahrzeug angemietet.
Aus den von der Beklagten vorgelegten Angeboten von Vermietstationen der Firmen Sixt, Europcar und AVIS (Bl. 33ff. GA) ergeben sich ebenfalls keine gewichtigen Bedenken gegen die Eignung der Schwacke-Liste als Schätzungsgrundlsge. Die Klägerin macht insoweit zu Recht geltend, dass dies nur den Gesichtspunkt berührt, ob den Geschädigten günstigere Angebote zugänglich waren. Entscheidend ist indes, dass den von der Beklagten vorgelegten Screenshots der jeweiligen (Internet-) Angebote nicht zu entnehmen ist, dass diese mit der hier tatsächlich erfolgten Anmietsituation vergleichbar sind. Aus den Screenshots ergeben sich jeweils nur die vom Zeitpunkt her willkürlich gewählten Anmietdauer und die Fahrzeugklasse. Den Angeboten ist jedoch nicht zu entnehmen, ob für sie etwa eine Vorbuchungsfrist erforderlich ist.
Vor diesem Hintergrund lag eine hinreichend konkrete Grundlage für eine pauschale Schadensschätzung des Amtsgerichts nach § 287 ZPO vor. Ohne Rechtsfehler hat das Amtsgericht zu dem nach der Schwacke-Liste ermittelten Normaltarif noch einen 20-%igen Zuschlag berücksichtigt. Diesem Aufschlag liegt eine pauschalierte Betrachtung zugrunde, weshalb es nicht darauf ankommt, ob im konkreten Einzelfall Mehrleistungen aktuell geworden sind.
Entgegen der Ansicht der Beklagten sind auch die Zusatzkosten für die Winterbereifung erstattungsfähig. Den Autovermieter trifft, wovon die Beklagte selbst ausgeht, die Pflicht, den Kunden ein verkehrssicheres Fahrzeug zur Verfügung zu stellen, zu welchem in den Wintermonaten auch Winterbereifung gehört. Es ist aber nicht ohne Weiteres davon auszugehen, dass die Kosten für die Ausstattung mit Winterreifen als Preisbestandteil des Normaltarifs anzusehen sind. Vielmehr ist es Sache des Autovermieters und liegt in seinem kalkulatorischen Ermessen, ob er die durch die Vorhaltung von Winterreifen begründeten Mehrkosten bei der Preisgestaltung als Preisbestandteil des Normaltarifs berücksichtigt oder Zusatzkosten für Winterreifen erst in Rechnung stellt, wenn sie tatsächlich in Anspruch genommen worden sind (vgl. LG Bonn NZV2010, 245).
Weitere konkrete Angriffe gegen das erstinstanzliche Urteil sind in der Berufung nicht erhoben worden.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 711, 713 ZPO iVm. § 26 Nr. 8 EGZPO.
V.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert. Der BGH hat sich verschiedentlich mit der Überprüfung der Ermessensentscheidung des Tatrichters bei der Schadensschätzung befasst, weshalb die vorliegende Rechtsfrage geklärt ist.
Soweit das LG Düsseldorf.
Hallo Babelfisch,
eine alles in allem zutreffende Berufungsentscheidung. Ex prae ist Fraunhofer nicht die bessere Schätzgrundlage, wie die versicherungsgesteuerten Anwälte der beklagten Kfz-Haftpflichtversicherungen immer wieder vortragen. Nein, die Fraunhofer-Liste leidet an so vielen Mängeln, dass sie die Schwacke-Liste zunächst nicht verdrängen kann. Auch die neuerdings immer wieder vorgebrachten ( günstigeren) Anmietmöglichkeiten sind nicht geeignet, die Schwacke-Liste als Schätzgrundlage auszuschalten. Die Anmietmöglichkeiten sind einfach nicht entscheidungserheblich, weil nicht fallbezogen. Sind Vorbuchungszeiten zu berücksichtigen? Beruhen die Angebote auf Internetrecherchen? Alles das kann bei einer spontanen Anmietung unmittelbar nach dem Unfall keine Rolle spielen.
Wieder ein schönes Berufungsurteil für Schwacke und gegen Fraunhofer, und das im Bereich Düsseldorf.
Hallo,
in Düsseldorf scheint, wie in keinem anderen Bezirk, bei den Mietwagenkosten gewürfelt zu werden. Es scheint ein Glücksspiel zu sein zu welchem Richter man kommt. Auch bei den Aufschlägen gibt es von 0% bis 20% (auch auf Fraunhofer) alles.
Ich kenne zig Urteile die so, aber auch genau umgekehrt lauten.