Mit Entscheidung vom 27.10.2011 (105 C 2198/11) wurde die HUK Coburg Versicherung – wieder einmal – durch das Amtsgericht Leipzig zur Erstattung weiterer Sachverständigenkosten verurteilt. Der Sachverständige hatte aus abgetretenem Recht geklagt. Die HUK bestritt mal wieder alles (un)mögliche und legte u.a. zur Untermauerung der „Thesen“ ein „abwegiges Urteil“ des AG Berlin-Mitte sowie das Gesprächsergebnis BVSK/HUK-Coburg vor. Beim Amtsgericht Leipzig blieb dieses Unterfangen jedoch ohne Erfolg. Das Amtsgericht hat die Sach- und Rechtslage wieder klar auf den Punkt gebracht und entsprechend entschieden.
Amtsgericht
Leipzig
Zivilabteilung I
Aktenzeichen: 105 C 2198/11
Verkündet am: 27.10.2011
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit
– Klägerin –
gegen
HUK-Coburg Haftpflicht-Unterstützungs-Kasse kraftfahrender Beamter Deutschland a. G., Willi-Hussong-Straße 2, 96442 Coburg, vertreten durch d. Vorstand
– Beklagter –
wegen Forderung
hat das Amtsgericht Leipzig durch Richter am Amtsgericht …
auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 06.10.2011 am 27.10.2011
für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 759,51 zzgl. Znsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 04. 05. 2010 sowie weitere EUR 3,00 vorgerichtliche Mahnkosten zu zahlen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss:
Der Streitwert beträgt EUR 759,51.
Tatbestand
Die Klägerin macht aus abgetretenem Recht Gutachterkosten aus einem Straßenverkehrsunfall vom xx.02. 2010 in Leipzig geltend.
Die Klägerin betreibt ein gewerbliches Ingenieurbüro für Kraftfahrzeugtechnik und begutachtet u.a. Kraftfahrzeuge aufgrund von Straßenverkehrs Unfällen.
Herr … erlitt am xx. 02. 2010 mit seinem PKW Ford Focus Tournier, amtliches Kennzeichen … , durch den Fahrer eines bei der Beklagten gesetzlich haftpflichtversicherten Kraftfahrzeugs einen Straßenverkehrsunfall, wobei die 100 %ige Einstandspflicht der Beklagten als Haftpflichtversicherer dem Grunde nach unstreitig ist.
Der Geschädigte … beauftragte am xx. 02. 2010 die Klägerin mit der Begutachtung der Schäden an seinem Kraftfahrzeug, wobei in der Auftragserteilung der Zedent bestätigt hat, dass als Vergütung des Gutachters die auf der Rückseite aufgedruckte Honorartabelle und die Preisliste verbindlich vereinbart ist.
Auf der Rückseite der Auftragserteilung hat der Geschädigte sogar seine Kenntnisnahme signiert.
Gleichzeitig hat er seine Ansprüche aufgrund des Straßenverkehrsunfalls vom xx.02.2010 gegen 6.50 Uhr gegen den Unfallgegner und die Beklagte sicherungshalber unwiderruflich abgetreten soweit es die Gutachterkosten anbelangt. Das klägerische Fahrzeug wurde durch den Sachverständigen … der Klägerin begutachtet, der hierüber ein umfassendes Gutachten erstattet hat, wonach sich die Reparaturkosten netto auf EUR 8.236,03 belaufen; der merkantile Minderwert auf EUR 500,00. Der Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs beträgt EUR 10.500,00 (brutto).
Die Klägerin erstellte am xx. 02. 2010 eine Rechnung über EUR 1.183,51 brutto. Dabei ergab sich ein Sachverständigenhonorar in Höhe von EUR 745,00 netto; zusätzlich wurden Portokosten, Druckkosten, Kopiekosten, Versand- und Recherchekosten sowie eine Restwertanfrage geltend gemacht. Nach der zwischen der Klägerin und dem Zedenten vereinbarten Honorartabelle betrug das Honorar bei einer Nettoschadenhöhe einschließlich Minderwert bis zu EUR 9.745,00 netto, die Nebenkosten ergeben sich im Einzelnen aus der Auflistung.
Die Klägerin hat beantragt,
wie erkannt.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Dem Zedenten hätte lediglich ein Schadenersatzanspruch gegen die Beklagte in dem zur Schadenbeseitigung erforderlichen Umfang zur Seite gestanden. Sachverständigenkosten seien nur in der Höhe erstattungfähig, soweit dies zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig sei.
Die von der Klägerin in Rechnung gestellten Beträge lägen weitaus höher und über den regional üblicherweise geltend gemachten Beträgen von Gutachtern. Der geltend gemachte Betrag sei weder angemessen noch üblich. Die in Rechnung gestellten Kosten nicht erforderlich. Die Nebenkosten machten 34 % des Grundhonorars aus; das Honorar insgesamt 14 % der Schadensumme. Dies sei ein Mißverhältnis des Aufwands zum Ergebnis. Nach § 249 BGB sei der zur Schadenbeseitigung erforderliche Geldbetrag zu leisten, wie der Bundesgerichtshof auch in dem jüngst entschiedenen Fällen der Mietwagenpreise rechtskräftig ausgeurteilt habe.
Auch habe der Bundesgerichtshof – wie auch bei den Entscheidungen zu Unfallersatztarifen – vom Geschädigten die Erlangung eines kostengünstigen Fahrzeugs verlangt, wobei allerdings keine Markforschung zu betreiben sei; der Geschädigte habe sich aber insoweit hinreichend zu orientieren.
Auch habe das Amtsgericht Berlin-Mitte entschieden, dass eine Relation von über 10 % zwischen eingetretenem Schaden und Kosten des Gutachters unangemessen und unüblich sei.
Ein Einzelfoto koste auch nicht mehr als EUR 0,10. Der Preis von EUR 2,79 für ein derartiges Foto sei deutlich überhöht und wucherisch. Entsprechendes gelte für EUR 4,74 Schreibkosten. Ein Drucker/Kopierer koste pro Seite maximal 3,5 – 4 Cent. Es sei auch zu berücksichtigen, dass mit Textbausteinen und ähnlichen Arbeitserleichterungen durch die Klägerin gearbeitet werde. Die weiter geltend gemachten Pauschalen, insbesondere für Porti und Abfragen seien auch nicht notwendig gewesen.
Nach dem Gesprächsergebnis BVSK/Versicherungen 2009 sei bei einem Nettoschadenbetrag von EUR 8.754,00 maximal ein Bruttohonorar von EUR 848,00 angegeben.
Zudem sei auch zu berücksichtigen, dass die Beklagte bereits EUR 424,00 gezahlt habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst deren Anlagen sowie die sonstigen Aktenbestandteile verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist vollumfänglich aus §§ 398 ff, BGB,7 ff. StVG, 823 BGB, 115 VVG i.V.m. § 249 BGB begründet.
Das Amtsgericht Leipzig hat bereits mit seinen Urteilen vom 02.08.2007 (Az.: 105 C 8014/06), 28.06.2007 (Az.: 105 C 643/06), 14.06.2007 (Az: 105 C 203/07), 14.06.2007 (Az.: 105 C 204/07), 12.07.2007 (Az.: 105 C 2159/07) und vom 19.02.2009 (Az: 105 C 1288/08) entschieden, dass eine Beklagte als Haftpflichtversicherung eines Kraftfahrzeuges unter den in den jeweiligen Urteilen festgelegten Prämissen zur Zahlung der Kosten des Sachverständigengutachtens verpflichtet ist.
Es wird soweit ergänzend darauf hingewiesen, dass der Bundesgerichtshof bereits in seinem Urteil vom 04.04.2006 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 16.05.2006 (Az.: X ZR122/05) grundsätzlich festgestellt hat, dass ein Vertrag, nach dem ein Sachverständiger ein Gutachten über die Höhe eines Kraftfahrzeugunfallschadens zu erstatten hat, ein Werkvertrag ist und für die Bemessung der Vergütung des Sachverständigen der Inhalt der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung maßgeblich ist, wobei nach § 632 BGB – in dieser Reihenfolge – ihre tatsächliche Absprache, eine eventuell vorliegende Taxe oder die übliche Vergütung den Inhalt der Vereinbarung bestimmen. Anderenfalls ist die verbleibende Vertragslücke nach den Grundsätzen über die ergänzende Vertragsauslegung zu schließen, für die Gegenstand und Schwierigkeit der Werkleistung und insbesondere die mit dem Vertrag verfolgten Interessen der Parteien von Bedeutung sein können.
Nur wenn sich auf diese Weise eine vertraglich festgelegte Vergütung nicht ermitteln lässt, kann zur Ergänzung des Vertrages auf die Vorschriften der §§ 315 f. BGB zurückgegriffen werden.
Der Bundesgerichtshof hat weiter festgelegt, dass ein Sachverständiger, der für Routinegutachten eine an der Schadenhöhe orientierte angemessene Pauschalierung seiner Honorare vornimmt, die Grenzen des ihm vom Gesetz eingeräumten Gestaltungsspielraums grundsätzlich nicht überschreitet.
Er hat weiter in den Gründen ausgeführt, dass, wenn sich nach einer festen Übung Spannen für Leistungen, wie die Leistungen der Schadengutachter für Kraftfahrzeugschäden auch für überregional tätige Auftraggeber, wie Versicherungen, erbracht werden, allgemein herausgebildet haben, die Feststellung, welche Vergütung üblich ist, dem nicht entgegensteht, dass sich an einem bestimmten Ort eine feste Übung nicht gesondert feststellen Iässt,
Nach dem zugrundeliegenden Sachverhalt haben der Geschädigte und die Klägerin unstreitig vereinbart, dass die Honorartabelle, die der Auftragserteilung beiliegt bzw. auf der Rückseite abgedruckt ist, als Abrechnungsgrundlage dient. Diese Honorartabelle ist nach Schadenhöhe der Nettoreparaturkosten gestaffelt. Der Bundesgerichtshof hat in der oben zitierten Entscheidung ausdrücklich festgestellt, dass nicht von Amts wegen ein „gerechter Preis“ zu ermitteln ist; vielmehr geht es grundsätzlich darum, ob die getroffene Bestimmung – des Sachverständigenhonorars – sich noch in den Grenzen der Billigkeit hält und erst dann, wenn der Berechtigte die ihm durch die Billigkeit gesetzten Grenzen der Preisbemessung überschritten hat, die Bestimmung durch die Entscheidung des Gerichts zu ersetzen ist.
Die Vereinbarung der Parteien ist bindend, da Anhaltspunkte für eine sittenwidrige Preisvereinbarung nicht ersichtlich bzw. substantiiert dargetan sind. Auch sonstige Nichtigkeitsgründe sind nicht erkennbar.
Insoweit wird ergänzend auf die Entscheidungen des Landgerichts Leipzig vom 14.10.2005 (Az.: 16 S 238/05 = Amtsgericht Leipzig Az.: 113 C 7019/04 und vom 09.02.2006 (Az.: 12 S 549/05 = Amtsgericht Leipzig Az.: 117 C 13084/04) verwiesen.
Anhaltspunkte, die ersichtlich sind, von den grundsätzlichen Entscheidungen dieses Gerichts oder auch den anderen Referaten des Amtsgerichts Leipzig abweichen, sind nicht ersichtlich. Auch die weitergehenden Ausführungen der Beklagten führen im Ergebnis nicht zum Erfolg; ein Missverhältnis zwischen dem entstandenen Schaden und der Höhe des Gutachterhonorar der Klägerin ist nicht ersichtlich. Ausführungen der Beklagten zur „Mietwagenproblematik“ sind nicht angezeigt. Gerade bei der Untersuchung von Kraftfahrzeugen, die im Straßenverkehr ein erhebliches – technisches Gefahrenpotential darstellen -, kommt es darauf an, dass im Falle des Eintritts eines Schadens dieser mit der gebotenen Sorgfalt und Sachkunde untersucht wird.
Pauschalierungen, wie die Bezugnahmen der Beklagten auf eine – abwegige – Entscheidung des Amtsgerichts Berlin-Mitte oder andere Amtsgerichte greifen nicht. Dies gilt insbesondere auch, als die Beklagte zum wiederholten Male akribisch die Höhe der Kosten eines Lichtbildes mit € 2,79 rügt und auch die Höhe der Schreibkosten und sonstigen Nebenkosten.
Insoweit wird auf die Entscheidung vom 28.06.2007 (105 C 10643/06) verwiesen. Der Anspruch über die Nebenforderungen folgt aus §§ 286, 288 Abs. 1 BGB. Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 91, 708 Nr. 11, 713 ZPO.