LG Kiel mit Berufungsurteil vom 25.11.2011 – 1 S 37/11 – zu dem Zeitpunkt der Bekanntgabe der Alternativwerkstatt und zur Fälligkeit des Schadensersatzanspruchs.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,

hier zum Wochenende noch ein interessantes Urteil aus Deutschlands Norden. Die Berufungskammer des LG Kiel hat zur fiktiven Abrechnung entschieden.  Interessant ist dieses Berufungsurteil deshalb, weil das Gericht Stellung dazu nimmt, zu welchem Zeitpunkt der Schädiger ein Angebot einer Alternativwerkstatt vorzulegen hat. Zutreffend kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass die Bekanntgabe einer sog. Alternativwerkstatt mit günstigeren Stundensätzen erst im Prozess zu spät ist. Die Dispositionsbefugnis des Geschädigten wird berührt, wenn der Schädiger erst nach einem Jahr nach dem Unfall eine anderweitige Reparaturmöglichkeit bekannt gibt. Die Feststellungen des Gerichtes überzeugen. Die von der Kammer aufgeführte Gegenmeinung würde unzulässigerweise die dem Geschädigten zustehende Dispositionbefugnis einschränken. Auch die Rechtsmeinung der Berufungskammer zur Fälligkeit des Schadensersatzanspruches verdient Beachtung. Ein durch und durch gut begründetes Berufungsurteil aus Schleswig-Holsteins Landeshauptstadt. Lest selbst und gebt bitte Eure Meinungen ab.

Viele Grüße und ein schönes Wochenende
Euer Willi Wacker

1 S 37/11
43 C 1369/09
Amtsgericht Norderstedt

Verkündet am:
25. Nov. 2011

LANDGERICHT KIEL

URTEIL

IM NAMEN DES VOLKES

In dem Berufungsverfahren

der Frau …

– Klägerin, Berufungsklägerin und Anschlussberufungsbeklagte –

gegen

1.) LVM Landwirtschaftlicher Versicherungsverein Münster a.G., vertreten durch den Vorstand, dieser vertreten durch den Vorsitzenden Robert Baresel, Kolde-Ring 21, 48126 Münster;

– Beklagte, Berufungsbeklagte und Anschlussberufungsklägerin zu 1

2.) Herrn …

– Beklagter, Berufungsbeklagter und Anschlussberufungskläger zu 2) –

hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts Kiel

auf die mündliche Verhandlung vom 25.11.2011

durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht … , den Richter am Landgericht …

und die Richterin am Landgericht …

für  R e c h t  erkannt:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 28. Januar 2011 verkündete Urteil des Amtsgerichts Norderstedt unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 513,54 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17. Juni 2009 zu zahlen.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, die Klägerin von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 69,62 € freizuhalten.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Anschlussberufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin zu 71 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 29 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Hinsichtlich der Höhe des Fahrzeugschadens wird die Revision zugelassen.

Gründe
I.

Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend.

Die Klägerin befuhr am 9. Januar 2009 mit ihrem rund 10 Jahre alten PKW Opel die Straße Lütjenmoor in Norderstedt. Die Fahrbahn ist einschließlich abwechselnd rechts und links befindlicher Parkstreifen und schraffierter Sperrflächen ca. 7 Meter breit und liegt in einem Wohngebiet; die zulässige Höchstgeschwindigkeit beträgt 30 km/h. Die Klägerin beabsichtigte, nach links in einen Stichweg abzubiegen, um dort zu wenden. Der Beklagte zu 2) fuhr mit dem bei der Beklagten zu 1) haftpflichtversicherten PKW VW hinter der Klägerin her und versuchte, sie zu überholen. Dabei kam es zur Kollision mit dem Opel, der im Linksabbiegevorgang in die Seite des VW fuhr.

Nach dem von der Klägerin eingeholten Kostenvoranschlag einer Opel-Fachwerkstatt betragen die Reparaturkosten für ihr Fahrzeug (einschließlich einer tatsächlich nicht erforderlichen Lackierung der Frontverkleidung) 1.485,35 € netto. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 25. Februar 2010 erstmals eine konkrete freie Werkstatt in Norderstedt benannt, die die im Kostenvoranschlag genannten Arbeiten für 1.010,92 € netto in gleicher Qualität durchführen könne.

Neben den Reparaturkosten laut Kostenvoranschlag verlangt die Klägerin – soweit im Berufungsverfahren noch von Interesse – die Rechtsanwaltskosten für die Einholung der Deckungszusage ihrer Rechtsschutzversicherung.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Amtsgericht hat die Parteien und eine Zeugin zum Unfallhergang angehört und die Unfallörtlichkeiten in Augenschein genommen. Zur Schadenshöhe und zur Frage, ob die freie Werkstatt die Reparatur in gleicher Qualität wie die markengebundene Fachwerkstatt durchführen könne, hat es ein Sachverständigengutachten eingeholt. Es hat sodann eine Haftungsquote von 75:25 zu Lasten der Klägerin angenommen und ihr davon ausgehend 25 % der bei einer Reparatur (ohne Lackierung der Frontverkleidung) in der freien Werkstatt anfallenden Nettokosten (216,67 €) zugesprochen. Die Klägerin habe gegen § 9 Abs. 1 StVO verstoßen, weil sie beim Linksabbiegen den rückwärtigen Verkehr nicht hinreichend beachtet habe. Ein Verstoß gegen § 9 Abs. 5 StVO liege hingegen nicht vor, weil der Stichweg, der zu mehreren Grundstücken führe, eine öffentliche Straße und kein Grundstück sei. Der Beklagte zu 2) habe gegen § 5 Abs. 3 StVO verstoßen, weil er bei unklarer Verkehrslage überholt habe. Zwar stehe nicht fest, dass die Klägerin links geblinkt habe. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme habe sie ihre Geschwindigkeit aber vor der Einmündung verlangsamt, und der Beklagte zu 2) habe nicht davon ausgehen können, dass sie am rechten Fahrbahnrand anhalte. Zudem liege die Straße in einem Wohngebiet und sei durch schraffierte Flächen und Parkstreifen verkehrberuhigt. Die Schadenshöhe errechne sich aus den Reparaturkosten der freien Werkstatt, weil diese eine kostengünstigere gleichwertige Reparaturmöglichkeit biete und für die Klägerin mühelos zugänglich sei. Die Kosten für die Einholung einer Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung fielen nicht in den Schutzbereich des § 249 BGB, weil die Finanzierung des Prozesses allein Sache der klagenden Partei sei. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Mit der Berufung macht die Klägerin geltend, das Fehlverhalten des Beklagten zu 2), der an der Unfallstelle und in der konkreten Situation nicht hätte überholen dürfen, überwiege gegenüber einem möglichen Sorgfaltsverstoß deutlich. Die Schadenshöhe könne nicht mit einem Verweis auf die freie Werkstatt gekürzt werden, denn diese sei erst mehr als ein Jahr nach dem Unfall benannt worden, ohne dass ihr die technische Gleichwertigkeit substantiiert mitgeteilt worden sei. Zu diesem Zeitpunkt habe die Klägerin ihre Dispositionsbefugnis über die Verwendung des Schadensersatzes bereits ausgeübt. Zudem sei die Werkstatt für die Klägerin auch nicht mühelos zugänglich und habe mit der Beklagten Sonderkonditionen vereinbart. Die Anwaltskosten für die Deckungszusage seien ebenfalls zu erstatten, weil die Klägerin auf Grund ihrer rechtlichen Unerfahrenheit nicht in der Lage gewesen sei, dem Versicherer den Sach- und Streitstand zu erläutern.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 1.778,22 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 1.505,35 € seit dem 17. Juni 2009 und auf weitere 272,87 € seit Rechtshängigkeit zu zahlen sowie sie von den Kosten für die vorprozessuale Anwaltsvergütung in Höhe von 229,55 € freizuhalten.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen,

hilfsweise, für den Fall mangelnder Zurückweisung, im Wege der Anschlussberufung,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Sie tragen vor, die Klägerin habe gegen § 9 Abs. 5 StVO verstoßen. Denn sie habe nicht nur abbiegen, sondern wenden wollen; außerdem sei die Zuwegung keine Straße, die dem fließenden Verkehr diene. Sie habe auch ihr Fahrzeug nicht merklich verlangsamt, denn sie sei kurz zuvor vom rechten Fahrbahnrand angefahren.

II.

Die Berufung hat teilweise Erfolg; die Anschlussberufung ist dagegen unbegründet.

1. Da der Unfall für keine der Unfallbeteiligten ein unabwendbares Ereignis war, ist eine Haftungsteilung nach den §§7, 17 Abs. 1, Abs. 2 StVG vorzunehmen. Dabei hat das Amtsgericht zu Recht einen Verstoß der Klägerin gegen § 9 Abs. 1 StVO, nicht aber gegen § 9 Abs. 5 StVO angenommen. Der Weg, in den die Klägerin abgebogen ist, ist kein Grundstück im Sinne dieser Vorschrift, sondern dient dem fließenden Verkehr. Dass er eine Sackgasse ist und nur der Zufahrt zu wenigen Grundstücken dient, ändert daran nichts. Auch optisch macht die Einmündung den Eindruck einer vollwertigen Straße.

Die Klägerin wollte an der Unfallstelle auch nicht wenden. In ihrer persönlichen Anhörung vor dem Amtsgericht hat sie vielmehr ausgesagt, dass sie in die Straße abbiegen wollte, um erst „dort“ – also in der Straße – zu wenden. Daraus kann nicht entnommen werden, dass der Abbiegevorgang bereits der Beginn eines Wendemanövers im Einmündungsbereich sein sollte, zumal weder vom Amtsgericht festgestellt noch sonst ersichtlich ist, dass ein Wenden im weiteren Verlauf der Stichstraße nicht möglich ist.

Dem Beklagten zu 2) ist ein Verstoß gegen § 5 Abs. 3 StVO anzulasten. Auch wenn nicht feststeht, dass die Klägerin links geblinkt hat, war die Verkehrslage für ihn unklar. Denn die Feststellung des Amtsgerichts, die Klägerin habe ihre Geschwindigkeit vor der Einmündung verlangsamt, ist nicht zu beanstanden. Die Zeugin … hat dies glaubhaft bekundet. Dass die Klägerin sehr langsam gefahren ist, hat sie selbst angegeben, und auch die Beklagten räumen dies mit der Anschlussberufung ein – wenn auch mit der (nicht bewiesenen) Behauptung, die Klägerin sei erst wenige Meter zuvor vom rechten Fahrbahnrand angefahren und noch nicht in voller Fahrt gewesen. Wegen des sehr langsamen Fahrens der Klägerin musste der Beklagte zu 2) aber damit rechnen, dass diese nicht einfach geradeaus weiterfahren, sondern möglicherweise ihre Fahrtrichtung ändern wollte.

Hinzu kommt, dass die Fahrbahn an der Unfallstelle eng ist und zudem wegen der Parkstreifen eine Verschwenkung aufweist. Dass ein Überholen unter diesen Umständen mit großen Risiken verbunden sein würde, musste dem Beklagten zu 2) klar sein.

Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts ergibt sich aus den beiderseitigen Fahrfehlern aber keine Haftung von 75:25 zu Lasten der Klägerin. Der Fahrfehler des Beklagten zu 2), der in der konkreten Situation nicht hätte überholen dürfen, wiegt ebenso schwer wie der Verstoß der Klägerin gegen ihre Rückschaupflicht. Damit ist eine Haftungsquote von 50:50 angemessen.

2. Die Höhe des am Fahrzeug der Klägerin entstandenen Schadens beträgt (ohne die nicht notwendige Lackierung der Frontverkleidung) 1.007,08 € netto. Das entspricht den Kosten der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt. Die Klägerin hat Anspruch auf Ersatz dieser Kosten. Sie muss sich insbesondere nicht auf eine freie Werkstatt verweisen lassen.

Grundsätzlich genügt der Geschädigte dem Wirtschaftlichkeitsgebot, wenn er seiner fiktiven Schadensabrechnung die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legt. Er muss sich allerdings auf eine ohne weiteres zugängliche günstige und gleichwertige Reparaturmöglichkeit verweisen lassen, die nach der neueren Rechtsprechung des BGH (BGHZ 183, 21) unter Umständen auch in der Reparatur in einer freien Werkstatt bestehen kann.

Eine ohne weiteres zugängliche günstige und gleichwertige Reparaturmöglichkeit stand der Klägerin hier aber nicht offen. Die Beklagte zu 1) hat der Klägerin erst nach Klagerhebung – mehr als ein Jahr nach dem Unfall – die konkrete Reparaturmöglichkeit in der freien Werkstatt benannt; der in der Klagerwiderung enthaltene allgemeine Hinweis, die Klägerin habe nur Anspruch auf die Kosten einer Reparatur in einer freien Werkstatt, ist insoweit nicht ausreichend. Damit war sie der Klägerin nicht ohne weiteres zugänglich. Dafür ist nämlich erforderlich, dass dem Geschädigten die alternative Reparaturmöglichkeit in dem Zeitpunkt bekannt ist, in dem er gewöhnlich seine Dispositionsentscheidung trifft – also zeitnah nach dem Unfall (OLG Düsseldorf DAR 2008, 523; LG Krefeld NJW 2010, 3040; Ullmann NZV 2010; 489, 491). Die Gegenansicht, die eine Benennung zeitlich unbegrenzt zulassen will (LG Hagen, Urt. v. 04.11.2009 – 10 S 157/09; Metz NZV 2010, 119, 121), überzeugt nicht. Denn der Geschädigte ist frei in der Entscheidung, was er mit dem Schadensersatz macht. Er muss ihn nicht zur Reparatur des Fahrzeugs einsetzen, so dass das Argument, das Fahrzeug sei „noch nicht“ repariert, nicht verfangen kann. Eine sachgerechte Entscheidung über die Art der Abrechnung und die Verwendung des Schadensersatzes ist ihm aber nur möglich, wenn er auch die maßgeblichen Entscheidungsgrundlagen kennt. Dazu gehört die Frage, wie hoch der Ersatz im Falle der Nichtreparatur ist.

Eine nachträgliche Kürzung des vom Geschädigten bereits zutreffend nach den Stundenverrechnungssätzen einer markengebundenen Fachwerkstatt ermittelten Schadensersatzanspruchs würde unzumutbar in die Rechte des Geschädigten eingreifen, der möglicherweise über den Anspruch bereits verfügt bzw. seine Vermögensdispositionen an diesem Anspruch ausgerichtet hat. Der Einwand, dass eine solche Vermögensdisposition vor der – möglicherweise auch gerichtlichen -Entscheidung über die Höhe des Schadensersatzanspruchs stets mit Unwägbarkeiten verbunden sei, verfängt nicht. Solche Unwägbarkeiten sind vom Geschädigten nämlich nur insoweit hinzunehmen, als sie – bei feststehender Tatsachengrundlage – auf der Beurteilung der Sach- und Rechtslage beruhen. Die verspätete Benennung einer kostengünstigeren Reparaturmöglichkeit würde aber zu einer nachträglichen Veränderung der Tatsachengrundlage führen, auf die der Geschädigte, der seinen Schaden bis dahin korrekt nach den Stundensätzen einer markengebundenen Fachwerkstatt abgerechnet hat, keinerlei Einfluss hat.

Der Verweis auf eine günstigere und gleichwertige Reparaturmöglichkeit ist der Sache nach der Einwand eines Verstoßes gegen die Schadensminderungspflicht im Sinne des § 254 Abs. 2 BGB (BGHZ 183, 21). Ein solcher Verstoß kann dem Geschädigten aber nur vorgeworfen werden, wenn ihm die alternative Reparaturmöglichkeit im Zeitpunkt seiner Entscheidung, wie er den Schaden abrechnet, bekannt ist.

Dass die Benennung einer alternativen Reparaturmöglichkeit zeitnah zum Schadensereignis erfolgen muss, ergibt sich auch daraus, dass der Schadensersatzanspruch bereits zum Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses fällig wird; dass der Umfang der Ersatzpflicht in der Praxis regelmäßig erst nach einiger Zeit festgestellt werden kann, ändert daran nichts (BGHZ 178, 338). Hat der Geschädigte die Höhe seines Schadens ermittelt und dabei dem Wirtschaftlichkeitsgebot bereits genügt, muss der Schädiger ihm die Möglichkeit einer gleichwertigen und günstigeren Reparaturmöglichkeit daher zeitnah entgegenhalten. Billigte man dem Schädiger die zeitlich unbegrenzte Möglichkeit des Einwandes zu, dann könnte er im übrigen aus einer verzögerten Schadensregulierung Vorteile ziehen, weil die alternative Reparaturmöglichkeit zum Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses bzw. zum Zeitpunkt der Dispositionsentscheidung des Geschädigten möglicherweise überhaupt noch nicht zur Verfügung gestanden und sich erst im Nachhinein aufgetan hat.

Auch die Tatsache, dass die Beklagten ihre Haftung bereits dem Grunde nach in Abrede gestellt haben, rechtfertigt nicht die verspätete Benennung der alternativen Reparaturmöglichkeit. Das Risiko, dass der Schädiger die Sach- und Rechtslage zum Haftungsgrund falsch einschätzt, hat er selbst zu tragen und kann er nicht auf den Geschädigten abwälzen.

3. Keinen Erfolg hat die Berufung mit der Rüge, das Amtsgericht hätte der Klägerin auch die Anwaltskosten für die Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung zusprechen müssen. Die Gründe des angefochtenen Urteils treffen zu. Es ist allein Sache der klagenden Partei zu entscheiden, ob sie das Prozessrisiko auf sich nimmt. Im übrigen ist ihr die Einholung der Deckungszusage bei ihrer Rechtsschutzversicherung ohne weiteres selbst zuzumuten, ohne dass sie dafür eines Rechtsanwalts bedurft hätte. Diesem muss sie die Sachlage nämlich ebenso umfassend mitteilen wie ihrer Rechtsschutzversicherung (vgl. § 17 Abs. 3, Abs. 5 ARB 2008).

4. Damit ist von einem ersatzfähigen Schaden von insgesamt 1.027,08 € auszugehen (1.007,08 € Reparaturkosten netto sowie 20 € Kostenpauschale), von dem der Klägerin die Hälfte, also 513,54 €, zu ersetzen ist. Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 286, 288 BGB. Ferner kann die Klägerin Freihaltung von den vorgerichtlichen Anwaltskosten nach einem Streitwert bis 600 €, also 69,62 €, aus den §§ 7, 17 Abs. 1, Abs. 2 StVG verlangen.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91, 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Da die Frage, ob der Schädiger den Geschädigten nur zeitnah nach dem Unfall oder zeitlich unbegrenzt auf eine günstigere und gleichwertige Reparaturmöglichkeit verweisen kann, in der Rechtsprechung umstritten und höchstrichterlich noch nicht geklärt ist, war insoweit die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Die Frage hat zudem grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).

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