Mit Berufungsurteil vom 09.12.2010 (1 S 218/10) hat das LG Erfurt das erstinstanzliche Urteil des AG Weimar vom 09.062010 (5 C 15/10), mit dem die beteiligte Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 1.445,93 € zzgl. Zinsen verurteilt wurde, in voller Höhe bestätigt.
Aus den Entscheidungsgründen:
Der Kläger macht restliche Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfallereignis vom xx.xx.2009 in M. geltend. Die volle Haftung der Beklagten ist unstreitig. Streitig ist lediglich die Höhe der erstattungsfähigen Mietwagenkosten. Das Amtsgericht hat der Klage vollumfänglich stattgegeben. Mit der Berufung verfolgt die Beklagte ihr Abweisungsbegehren weiter.
Gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO wird auf die Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Die Berufung ist zulässig, in der Sache jedoch ohne Erfolg.
Der Kläger hat hinsichtlich der geltend gemachten Mietwagenkosten einen weiteren Schadensersatzanspruch aus §§ 7 Abs. 1 StVG, 249 BGB, 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG.
Nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung kann der Geschädigte von dem Schädiger nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand den Ersatz der Mietwagenkosten verlangen, den ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte ist dabei ebenso wie in anderen Fällen, in denen er die Schadensbeseitigung selbst in die Hand nimmt, nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen (vgl, BGH, Urteil vom 09.03.2010 – VI ZR 6/09, NJW 2010, 2569; Urteil vom 02.02.2010 – VI ZR 7/09, DAR 2010, 464 ff.; Urteil vom 02.02.2010 – VI ZR 139/08, NJW 2010, 1445 ff; Urteil vom 19.01.2010 – VI ZR 112/09, DAR 2010, 323 ff.).
Grundsätzlich ist es nicht zu beanstanden, dass im Rahmen des tatrichterlichen Ermessens nach § 287 ZPO der zur Frage der Erforderlichkeit der Mietwagenkosten heranzuziehende Normaltarif anhand von Listen oder Tabellen ermittelt wird (vgl. BGH, Urteil vom 18.05.2010 – VI ZR 293/08, DAR 2010, 467 ff.).
Die Schätzung des Normaltarifes durch das Amtsgericht auf der Grundlage des Automietpreisspiegels der Schwacke-Liste 2009 im maßgebenden Postleitzahlengebiet begegnet daher keinen Bedenken.
Die diesbezüglichen Angriffe der Beklagten gegen die Schätzungsgrundlage des Amtsgerichts sind rechtlich unerheblich. Die Eignung von Tabellen und Listen als Schätzungsgrundlage bedarf nur dann der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel der Schätzungsgrundlage sich auf den entscheidenden Fall in erheblichem Umfang auswirken (vgl, BGH, Urteil vom 18.05.2010, aaO.).
Der Hinweis der Beklagten auf deutlich günstigere Internetpreise der bundesweit tätigen Firmen Hertz, Avis und Europcar als Referenzwert für den Normaltarif lässt bereits nicht erkennen, wann die Markterhebung erfolgte. Der Verweis auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. Priester vom 17.01.2007 zu der Behauptung, dass Internettarife als Maßstab für den Normaltarif heranzuziehen seien, vermag nicht zu überzeugen. Internetpreise beruhen auf einem Sondermarkt, der nicht ohne weiteres mit dem „allgemeinen“ regionalen Mietwagenmarkt vergleichbar sein muss (vgl. BGH, Urteil vom 02.02.2010, VI ZR 7/09, Rdn. 21). Die als Anlage B 2 zur Klageerwiderung vorgelegten Internetangebote der Firmen Hertz, Sixt und Avis lassen zudem den zeitlichen Geltungsbereich nicht erkennen. Die von der Beklagten angeführte Markterhebung eines Herrn Dr. Zinn zum Stand der Mietwagenkosten im Jahr 2007 ist für die hier streitrelevante Frage der Mietwagenkosten im Jahr 2009 wenig hilfreich. Gleiches gilt für den Hinweis auf die Fraunhofer-Erhebung (Marktpreisspiegel Mietwagen Deutschland 2008) im Mai 2008 sowie die abstrakten Angriffe gegen die Schwacke-Liste 2009 unter Hinweis auf diverse Aufsätze aus dem Jahr 2007.
Auch die von der Beklagten konkret benannten Mietangebote der Firmen Avis, Europcar und Herz sind ungeeignet, Mängel der vom Amtsgericht herangezogenen Schätzungsgrundlage zu begründen. Die Angebote beruhen auf einer Internetrecherche vom April 2010 und betreffen zudem teilweise nicht vergleichbare Fahrzeuge.
Die Schadensschätzung auf der Basis der Schwacke – Liste 2009 führt zu folgendem Ergebnis:
Mietwagenpreis auf Basis Wochentarif Modus: Gruppe 7 nach Schwacke, Automietwagenklasse II/2008
– 3 Wochenpauschalen zu je 833,70 EUR + 3/7 Wochenpauschale: 357,30 EUR: 2.858,40 EUR brutto
– Nebenkosten: Wochentarif 182 EUR; 3 x Wochenpauschale a 182 EUR + 3/7 Wochenpau-schale; 624 EUR
– Gesamtsumme Brutto: 3.528,40 EUR, Gesamtsumme Netto: 2.965,04 EUR
– Abzüglich ersparter Eigenkosten nach Klägervortrag: 195,12 EUR (die von dem Kläger in Ansatz gebrachte Eigenersparnis in Höhe von 6% ist nicht zu beanstanden) Gesamtsumme der erforderlichen Mietwagenkosten: 2.768,92 EUR
Abzüglich Zahlung der Beklagten: 1.323 EUR Berechtigter Restbetrag: 1.445,93 EUR
Die geltend gemachte Klageforderung in Höhe von 1.318,38 EUR ist daher berechtigt.
Den Mitverschuldenseinwand (§ 254 BGB) der Beklagten hat das Amtsgericht zu Recht zurückgewiesen. Steht die Erforderlichkeit des in Rechnung gestellten Tarifes betriebswirtschaftlich fest bzw. geht es um die Frage, ob die Erforderlichkeit des in Rechnung gestellten Unfallersatztarifes offen bleiben kann, da der Geschädigte seiner Schadensminderungspflicht nicht nachgekommen ist und will der Schädiger einen geringeren Betrag leisten, ist der Schädiger darlegungs- und beweislastpflichtig (vgl. BGH, Urteil vom 19.01.2010 – VI ZR 112/09, Urteil vom 02.02.2010 –VI ZR 139/08, aaO.).
Die Bemühungen, die dem Geschädigten zuzumuten sind, hängen von der Höhe des Mietpreisangebotes ab (vgl. BGH, Urteil vom 02.02.2010 –VI ZR 7/09, Rdn. 14). Für die Frage des Mitverschuldens ist auf die konkreten Umstände des Einzelfalles abzustellen. Vorliegend hielt sich das Angebot der Streithelferin im Rahmen des als erforderlich anzusehenden Normaltarifes. Der allgemein gehaltene Vortrag der Beklagten zur möglichen Inanspruchnahme günstigerer Internettarife ist unerheblich. Erforderlich wäre insoweit konkreter Vortrag zu offensichtlich zugänglichen, günstigeren Mietpreisen im lokalen Markt zur vergleichbaren Zeit gewesen.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Zulassung der Revision war nicht indiziert, da die maßgeblichen Rechtsfragen bereits höchstrichterlich geklärt sind.
Soweit das LG Erfurt.
Hallo Babelfisch,
eine überzeugende Leistung der Berufungskammer. Dies gilt insbesondere für den Hinweis im Urteil auf die sogenannten Alternativangebote. Diese können nur dann Beachtung finden, wenn sie räumlich und zeitlich in den Mietzeitraum passen. Das war hier nicht der Fall. Deshalb ist bei den Alternativangeboten besondere Aufmerksamkeit geboten.
Noch einen schönen 4. Advent