Mit Urteil vom 11.11.2010 (23 C 4606/10) hat das AG Nürnberg die VHV Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 175,35 € zzgl. Zinsen sowie vorgerichtlicher RA-Kosten verurteilt. Deutliches Votum des Gerichts dahingehend, dass die Schwacke-Liste Anwendung findet und die Fraunhofer Tabelle abgelehnt wird. Auch der gebetsmühlenartig von den Versicherungsanwälten vorgetragene Einwand, mit der Abtretung läge ein Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz vor, wird als das qualifiziert, was es ist: Unsinn!
Aus den Entscheidungsgründen:
Die zulässige Klage ist in vollem Umfang begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 175,35 € gemäß §§ 249 Abs. 2 Satz 1 BGB i.V.m. §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, 823 Abs. 1 BGB, 115 VVG, 398 BGB aus abgetretenem Recht, da der Unfallgeschädigte seinen Anspruch auf Erstattung restlicher Mietwagenkosten gegen die Beklagte an die Klägerin wirksam abgetreten hat.
1. Der Unfallgeschädigte A. hat am xx.xx.2009 seine Ansprüche gegen die Beklagte auf Erstattung der Mietwagenkosten an die Klägerin wirksam abgetreten im Sinne von § 398 BGB:
Nach durchgeführter Beweisaufnahme ist das Gericht davon überzeugt, dass der Geschädigte A. am 18.12.2009 die Abtretungserklärung unterzeichnet hat. Der in der öffentlichen Sitzung vom 21.10.2010 vernommene Zeuge B. hat bestätigt, dass es der Geschädigte A. war, der die Abtretungserklärung vom 18.12.2009 unterzeichnete. Der Zeuge konnte sich an den gegenständlichen Vorfall sowie die Unterzeichnung der Abtretungserklärung gut erinnern, da die Bearbeitung von Verkehrsunfällen mit größerem Aufwand verbunden sei als bloße herkömmliche Reparaturen. Hinzu kommt im streitgegenständlichen Fall, dass später erneut ein anderer Kunde mit demselben streitgegenständlichen Fahrzeug bei dem Zeugen vorstellig wurde. Die Aussage des Zeugen erfolgte glaubhaft, der Zeuge wirkte glaubwürdig. Das Gericht verkennt nicht, dass der Zeuge ein zumindest mittelbares Eigeninteresse am Ausgang des Rechtsstreits haben könnte, da er bei der Klägerin beschäftigt ist. Allerdings konnte das Gericht weder im gezeigten Aussageverhalten, noch aus dem Inhalt der vom Zeugen getätigten Aussage Anhaltspunkte für die Angabe falscher Tatsachen entnehmen.
Die Abtretung erfolgte auch wirksam. Die mit der Erklärung abgetretenen Forderungen, insbesondere die streitgegenständliche Mietwagenforderung, war hinreichend bestimmbar. Aus der Abtretungserklärung ergibt sich hinreichend deutlich, welcher Unfall der Erklärung zugrunde liegt und damit auch welche Mietwagenforderung, nämlich die Forderung auf Erstattung der bei der Reparatur des klägerischen Fahrzeuges aufgrund des streitgegenständlichen Unfalls entstehenden Mietwagenkosten.
Die Abtretungserklärung ist auch nicht gemäß § 134 BGB wegen eines Verstoßes gegen das RDG nichtig: Denn die von der Klägerin vorgenommene Tätigkeit erfüllt jedenfalls die Voraussetzungen des § 5 RDG und ist damit nach dem RDG erlaubt. § 5 Abs. 1 RDG erlaubt solche Rechtsdienstleistung im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit, wenn sie als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild gehören. Ob eine Nebentätigkeit vorliegt ist gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 RDG nach ihrem Inhalt, Umfang und sachlichen Zusammenhang mit der Haupttätigkeit unter Berücksichtigung der Rechtskenntnisse zu beurteilen. Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist bezüglich der Geltendmachung von Mietwagenkosten durch die Klägerin aus abgetretenem Recht von einer Nebentätigkeit im Sinne des § 5 RDG auszugehen. Gerade in den Fällen, in denen es wie hier zu Streit über die Höhe der in Ansatz gebrachten Mietwagenkosten kommt, zeigt sich die Zugehörigkeit der Geltendmachung der Forderung zu der eigentlichen Hauptleistung deutlich. In diesen Fallen wird eine Rechtfertigung der eigenen Leistung und Abrechnung der Klägerin als Mietwagenunternehmen erforderlich. Dem Kunden ist dies mangels entsprechender Kenntnisse oftmals gar nicht möglich. Dem entsprechend wollte der Gesetzgeber durch die Schaffung des § 5 Abs. 1 RDG die Einziehung von Kundenforderungen in bestimmten Fällen, in denen eine Abtretung erfüllungshalber stattgefunden hat, zulassen. Denn als Erbringerin der Mietwagenleistung ist die Klägerin mindestens eben so sachnah zu der ursprünglich abgetretenen Forderung wie der Unfallgeschädigte. Hinzu kommt, dass es sich letztlich lediglich um eine Abkürzung des Zahlungsweges handelt. Denn die Klägerin ist die Erbringerin der gegenständlichen Mietwagenleistung. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten fließt – im Falle, dass keine Abtretung stattgefunden hat – die Zahlung der Mietwagenkosten in Form der Erstattung von der Beklagten an den Unfallgeschädigten und von diesem wiederum als eigentlichen Schuldner im Innenverhältnis des Mietvertrages an die Klägerin. Dass die Klägerin in Abkürzung dieses Zahlungsweges sich die Forderung des Geschädigten auf Erstattung gegen die Beklagte abtreten lässt, um sodann die Zahlung direkt an sich selbst zu fordern, fällt gerade unter den Gedanken des § 5 RDG.
Die Abtretung ist auch nicht nach § 138 BGB wegen sittenwidriger Übersicherung nichtig; Eine sittenwidrige Übersicherung ist nicht gegeben. Die Abtretung des Erstattungsanspruchs des Unfallgeschädigten gegen die Beklagte wegen der Mietwagenkosten diente wiederum der Sicherung der eigenen Ansprüche der Klägerin gegen den Unfallgeschädigten gerade wegen dieser Mietwagenleistung. Damit übersteigen die abgetretenen Forderungen die zu sichernde Forderung der Klägerin gegen den Unfallgeschädigten nicht in einem Maße, dass die Voraussetzungen einer sittenwidrigen Übersicherung vorliegen.
Auch kann der Abtretungserklärung nicht entgegengehalten werden, dass sie im Sinne von § 305 Abs. 2 BGB nicht wirksam einbezogen worden wäre. Denn es handelt sich nicht um eine allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB. Auch wenn es sich bei der Abtretungserklärung um ein Formular handelt, so sind doch die einzelnen Felder und Auswahlmöglichkeiten individuell ausgefüllt bzw. angekreuzt worden, so dass eine einzelvertragliche und gerade keine formularmäßige Regelung vorliegt.
2. Der Unfallgeschädigte hatte gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 175,35 € gemäß §§ 7 Abs, 1,18 Abs. 1 StVG, 823Abs. 1 BGB, 115 VVG, jeweils i.V.m. § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB:
Dabei schätzt das Gericht die erforderlichen Mietwagenkosten nach § 287 ZPO auf Basis der Schwacke-Mietpreisliste zum Anmietungszeitraum. Zugrunde zu legen war die Schwacke-Lisle 2009; die durch die Beklagtenpartei vorgebrachten Bedenken gegen diese Schätzgrundlage stellten keine so erheblichen Zweifel dar, dass von der Schätzgrundlage abzuweichen war.
Insbesondere ist die Fraunhofer-Liste keine geeignete Schätzgrundlage, da diese nicht am örtlich relevanten Markt erhoben wurde. Basis einer Schätzgrundlage ist jedoch der örtlich relevante Markt. Die Fraunhofer-Liste enthält im 1-stelligen Postleitzahlenbereich weite Gebiete der Bundesländer Bayern, Thüringen, Baden-Württemberg. Der 2-stellige Postleitzahlenbereich ist ein Sondermarkt, der im Internet erhoben wurde. Auf diesem Sondermarkt „Internet“ muss sich der Geschädigte nicht verweisen lassen. Zudem wurden weniger örtliche Anbieter im Vergleich zur Schwacke-Mietpreisliste berücksichtigt. Dem Gericht ist aus zahlreichen Verfahren bekannt, dass allein im Raum Nürnberg-Fürth-Erlangen die örtlichen Mietpreise erheblich differieren. Wie in einer Liste, welche drei Bundesländer umfasst, ein örtlich relevanter Markt dargestellt werden kann, lässt sich hieraus nicht erschließen.
Wie zuvor dargestellt, muss sich der Geschädigte auch nicht auf Internetangebote verweisen lassen, da es sich hierbei um einen Sondermarkt handelt.
Das Gericht schätzt den Abzug für die Eigenersparnis auf 3 Prozent. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Landgerichts Nürnberg-Fürth. Aufgrund der technischen Entwicklung ist ein geringerer Abzug für die Eigenersparnis vorzunehmen.
Die Haftungsbefreiungskosten sind in vollem Umfang zu ersetzen. Dies gilt unabhängig, ob das verunfallte Fahrzeug über eine Vollkaskoversicherung ohne Selbstbeteiligung verfügte. Vielmehr ausschlaggebend ist der Gedanke, dass gerade durch den Verkehrsunfall die Situation herbeigeführt wurde, dass der Geschädigte ein Mietfahrzeug anmieten musste, und damit dem Risiko, dass dieses für ihn fremde Fahrzeug im Rahmen der Verwendung der Mietsache im Straßenverkehr beschädigt wird, tragen muss, ihm quasi dieses Risiko durch den vom Versicherungsnehmer der Beklagtenseite verursachten Verkehrsunfall aufgezwungen wurde.
Bei der hier vorzunehmenden Schätzung im Sinne von § 287 wird folglich die Schwacke-Mietpreisliste 2009 zugrunde gelegt. Bei der hier vorzunehmenden Schätzung war von Gruppe 5 als anzumietende Klasse auszugehen. Abzuziehen war eine Eigenersparnis von 3 Prozent. Das Gericht legt den Normaltarif, Modustarif zugrunde. Zudem waren die Kosten für die Haftungsbeschränkung in vollem Umfang zu berücksichtigen. Abzuziehen waren bereits außergerichtlich gezahlte 366,51 €. Als Postleitzahlengebiet wird das PLZ-Gebiet 904 zugrunde gelegt.
Für den Anmietungszeilraum von fünf Tagen ergibt dies folgende Berechnung:
1 3-Tagespauschale von 228,00 € = 228,00 €
2 Tagespauschalen von jeweils 111,00 € = 222,00 €
= 450,00 €
abzügl. 3% Eigenersparnis in Höhe von 13,50 €
= 436,50 €
1 Haftungsbefreiungspauschale für 3 Tage in Höhe von 66,00 € 66,00 €
2 Haftungsbefreiungspauschalen für 1 Tag von je 22,00 € 44,00 €
erforderliche Mietwagenkosten = 546,50 €
abzügl. bereits gezahlter 366,51 €
weiterhin zu erstattende Mietwagenkosten in Höhe von 179,99 €.
Damit hatte der Unfallgeschädigte zum Zeitpunkt der Abtretung gegen die Beklagte noch eine Forderung auf Erstattung weiterer 175,35 €.
3. Der Zinsausspruch ergibt sich aus §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB da sich die Beklagtenseite mit Ablauf der in der Mahnung vom 12.04.2010 gesetzten Frist zum 26.04.2010 im Schuldnerverzug befindet.
4. Die außergerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 39,50 € hat die Beklagte als Verzugsschaden ebenfalls zu ersetzen. Mit Ablauf der in der Mahnung vom 12.04.2010 gesetzten Frist zum 26.04.2010 befindet sich die Beklagte mit der Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaitskosten in Verzug.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs, 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
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