Das Amtsgericht Landstuhl (Rheinland-Pfalz) hat mit Urteil vom 15.05.2009 (1 C 76/09) auf die Klage des Geschädigten hin die Kravag-Logistic Versicherungs-AG, Stuttgart, verurteilt, den nicht regulierten Schadensersatz zu zahlen. Dabei hat das AG Landstuhl die im Gutachten aufgeführten Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt auch bei Abrechnung auf Gutachtenbasis zu Grunde gelegt.
Das Urteil gebe ich wie folgt bekannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 468,33 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.12.2008 zuzahlen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar
Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 313a ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
Die Klägerin hat Anspruch auf den geltend gemachten restlichen Schadensersatz aus den §§ 7 Abs. 1 StVG, 3 PflVG, 249 BGB.
Die Haftung der Beklagten ist dem Grunde nach zwischen den Parteien unstreitig.
Der Kläger ist berechtigt, sich bei der fiktiven Abrechnung von Reparaturkosten an den Kosten einer markengebundenen Fachwerkstatt zu orientieren. Der Kläger muss sich grundsätzlich nicht auf eine andere, gleichwertige Fachwerkstatt verweisen lassen.
Dafür ergeben sich, entgegen der Auffassung der Beklagten, auch keine Anhaltspunkte aus der so genannten „Porsche-Entscheidung“ des Bundesgerichtshofs (BGH, NJW, 2003, 2086). Danach darf der Geschädigte, der fiktiv abrechnet, bei der Schadensberechnung die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen. Dies ist deshalb sachgerecht, weil die fiktive Abrechnung nicht dazu dient, den Geschädigten schlechter zu stellen (LG Dortmund, Beschluss v. 30.01.2009, Az. 4 S 166/08).
Ein Geschädigter hat im Rahmen der ihm obliegenden Schadensminderungspflicht (§ 254 Abs. 2 Satz 1 BGB) den ihm zumutbaren wirtschaftlichsten Weg der Schadensbehebung zu wählen. Auch heute noch entspricht es der allgemeinen Ansicht, gerade auch eines wirtschaftlich denkenden Geschädigten, dass eine solche Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt von größerem Wert ist, als die in einer anderen Fachwerkstatt, weil allein durch die Beauftragung der Markenwerkstatt die Qualität verbürgt ist. Nach allgemeiner Meinung ist es für den Verkaufswert eines Fahrzeugs immer noch von erheblicher Bedeutung, wenn ein Scheckheft mit ständiger Pflege durch die markengebundene Fachwerkstatt vorgelegt, sowie bei einem Unfallschaden, die Reparatur durch markengebundene Fachwerkstatt nachgewiesen werden kann (vgl. LG Dortmund).
Der Kläger kann daher seinen Schaden auf der Grundlage der Preise von markengebundenen Fachwerkstätten abrechnen und somit die geltend gemachten Stundensätze verlangen. Da es gerichtsbekannt ist, dass die markengebundenen Fachwerkstätten so genannte UPE-Aufschläge erheben und Verbringungskosten berechnen, weil sie nicht über eine eigene Lackiererei verfügen, sind auch diese Kosten zu ersetzen.
Auch die Kosten für Prüfarbeiten am Elektrolüfter, Ladeluftkühler und den Nebenscheinwerfern, sind ersatzfähig, selbst wenn eine solche Sichtprüfung bereits bei der Gutachtenerstellung erfolgt ist. Nach einem Unfall muss die Fachwerkstatt sichergehen können, dass sie das Fahrzeug, welches sie repariert hat, in einwandfreien Zustand versetzt hat. Hierzu gehören diese Prüfarbeiten, Der Fachwerkstatt kann nicht zugemutet werden, sich darauf zu verlassen, dass diese Sichtprüfung bereits ordnungsgemäß vom Gutachter vorgenommen worden ist, denn die Fachwerkstatt würde letzten Endes für Fehler bei der Reparatur haften.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11,711 ZPO.
So die Richterin der 1. Zivilabteilung des AG Landstuhl.
„Dies ist deshalb sachgerecht, weil die fiktive Abrechnung nicht dazu dient, den Geschädigten schlechter zu stellen.“
Dieser Verweis im Urteil auf das LG Dortmund ist in seiner prägnanten Kürze Gold wert.
Vielen Dank Willi Wacker
Hallo Babelfisch,
so sehe ich das auch. Auf Grund der dem Geschädigten zustehenden Dispositionsfreiheit (BGH NJW 2003, 2086; BGH NJW 2003, 2085; Steffen NJW 1995, 2057 m.w.N. ) kann der Schädiger ( und/oder dessen Haftpflichtversicherer ) dem geschädigten nicht vorschreiben, wann, wie, wo und ob er sein Fahrzeug zu reparieren hat (Wortmann VersR. 2005, 1515; Revilla ZfS 2008, 188; Handschumacher NJW 2008, 2622). Den Schaden hat der Geschädigte bereits mit dem Unfall erlitten und nicht erst durch die tatsächliche Reparatur und Vorlage der Reparaturrechnung ( So bereits die Gründe des richtungsweisenden Urteils des Reichsgerichts in JW 1928, 1744).
Die fiktive Abrechnung des Schadens, also auf der Basis des vom Geschädigten eingeholten Gutachtens, und die konkrete Abrechnung auf der Grundlage der Reparaturrechnung dürfen nicht unterschiedlich sein ( mit Ausnahme der Mehrwertsteuer , die bei der fiktiven Abrechnung entfällt ).
Hallo Willi Wacker,
vielen Dank für das kurze und knappe, aber prägnante, Urteil.
Hi Babelfisch, hi Jurastudentin,
bemerkenswert an dem Urteil der Richterin der 1. Zivilabteilung des AG Landstuhl (Pfalz) ist, dass die zitierte Entscheidung des LG Dortmund hier in der Urteilsliste für Stundenverrechnungssätze eingestellt ist und nach meinen Unterlagen der Beschluß des LG Dortmund sonst nicht veröffentlicht ist. Ergo muss die zitierte Entscheidung hier aus dem Blog entnommen worden sein. Dies erscheint mir als eine weitere Aufwertung dieses Blogs.
Willi Wacker
Hallo Willi Wacker:
so charmant die Einschätzung ist, trifft sie dennoch (leider) nicht zu und damit auch die Schlussfolgerung nicht. Ich habe insgesamt 3 Quellen gefunden, bei denen das Urteil/Zitat hinterlegt ist ….
Konsequenz: weiterarbeiten!!!! 🙂