AG Krefeld sagt noch einmal der beteiligten Versicherung, was Sache ist: Schwacke und nicht Fraunhofer! (7 C 243/11 vom 14.09.2011)

Mit Urteil vom 14.09.2011 (7 C 243/11) hat das Amtsgericht Krefeld die beteiligte Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 978,16 € zzgl. Zinsen verurteilt. Die üblichen Ergebnisse: kein Verstoss gegen das RDG, Schwacke ja, Fraunhofer nein, Zusatzleistungen ja, Aufschlag ja, Eigenersparnis im Prinzip ja, aber wegen niedriger Klasse unberücksichtigt usw.

Aus den Entscheidungsgründen:

Tatbestand

Die Klägerin ist eine Autovermietung. Sie macht aus abgetretenem Recht der Zeugin A. Ansprüche auf Zahlung weiterer Mietwagenkosten geltend. Am xx.xx.2010 verursachte der Versicherungsnehmer der Beklagten, der Zeuge B. mit seinem  PKW mit dem amtlichen Kennzeichen … einen Unfall, bei dem der Peugeot 307 der Klägerin beschädigt wurde. Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach steht außer Streit.

Am gleichen Tag schloss die Zeugin mit der Klägerin einen Vertrag über ein Mietfahrzeug ab (Bl. 14 d.A.). Zugleich unterzeichnete sie ein mit „Abtretung und Zahlungsanweisung“ überschriebenes Formular, wonach sie Schadenersatzansprüche hinsichtlich der Mietwagenkosten an die Klägerin abtrat. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schriftstück (Bl. 16 d.A.) Bezug genommen.

Am 10.11.2010 stellte die Klägerin der Zeugin , die den Mietwagen 10 Tage genutzt hatte, die Mietwagenkosten mit 1.430,16 Euro in Rechnung (Rechnung Bl. 15 d.A.) Die Beklagte zahlte hierauf 452,00 Euro. Mit der vorliegenden Kage begehrt die Klägerin die Zahlung der noch offenen Mietwagenkosten von 973,16 Euro.

Die Klägerin ist der Auffassung, nach der Schwackeliste 2010, Fahrzeugklasse 4, seien Mietwagenkosten in Höhe von 816,80 Euro als erforderlich anzusehen. Wegen des unfallbedingten Mehraufwands sei hierauf ein Aufschlag in Höhe von 20 Prozent, das sind 163,36 Euro, gerechtfertigt. Darüber hinaus seien noch Zusatzleistungen hinzuzurechnen, nämlich Haftungsbefreiungskosten von 230,00 Euro, Kosten für Zustellung und Abholung von insgesamt 50,00 Euro, sowie für Winterreifen 100,00 Euro und einen zweiten Fahrer für 120,00 Euro. Es ergebe sich ein danach ein Gesamtbetrag gemäß Schwackeliste von 1.470,16 Euro, so dass der vor der Klägerir in Rechnung gestellte Betrag von 1.430,16 Euro nicht zu beanstanden sei.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 978.16 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.12.2010 zu zahlen.

2. die Beklagte zu verurteilen, sie von durch außergerichtliche Tätigkeit entstandene Rechtsanwaltskosten freizustellen durch Zahlung von 130,50 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.06.2011 an Rechtsanwalt C.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, die Klägerin sei bereits nicht aktivlegitimiert, weil die Abtretung wegen Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz unwirksam sei.

Soweit die Klägerin 452,00 Euro übersteigende Mietwagenkosten ersetzt verlange, seien diese nicht erforderlich im Sinne von § 249 BGB. Die Zeugin hätte im streitgegenständlichen Unfallzeitpunkt ein Fahrzeug zu einem Preis von unter 321,00 Euro annmieten können, beispielsweise bei Sixt (307,97 Euro), Avis (296.24 Euro) oder Europcar (317.99 Euro). Die Preise seien jedermann zugänglich und auf den Internetseiten der vorgenannten Anbieter verbindlich buchbar gewesen. Aus den vorstehenden Mietpreisen ergebe sich ein üblicher Normaltarif von 307,40 Euro. Damit gebe die Schwackeliste, den die Klägerin zu Grunde gelegt hat, nicht den marktüblichen Normaltarif wieder und könne deshalb nicht als Schätzungsgrundlage herangezogen werden.

Die Zeugin sei auf unfallbedingte Sonderleistungen nicht angewiesen gewesen, so dass ein Aufschlag von 20 Prozent nicht gerechtfertigt sei. Sie hätte sich vor der Anmietung zudem nach günstigeren Normaltarifen erkundigen müssen. Auch die übrigen Nebenkosten seien nicht ersatzähig.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und hat in der Sache mit Ausnahme der Nebenforderung Erfolg. Die Klägerin hat gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht der Zeugin … einen Anspruch auf Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 978,16 Euro aus § 7 Abs. 1 StVG. § 115 VVG, § 398 BGB.

Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Die Zeugin … hat ihre Ansprüche hinsichtlich der Erstattung der Mietwagenkosten wirksam an die Klägerin abgetreten. Die Abtretung ist – wie nachfolgend ausgeführt werden wird – nicht wegen Verstoßes gegen §§ 2 Abs. 1, 3, 5 RDG gemäß § 134 BGB nichtig.

Nach § 3 RDG ist die selbständige Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen nur in dem Umfang zulässig, in dem sie durch dieses Gesetz oder durch oder aufgrund anderer Gesetze erlaubt wird. Gemäß § 2 Abs. 1 RDG ist Rechtsdienstleistung jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert.

Es kann offenbleiben, ob es sich bei der hier in Rede stehenden Forderungseinziehung um eine fremde Angelegenheit für die Klägerin handelt, eine erlaubnispflichtige Tätigkeit im Rahmen des Rechtsdienstleistungsgesetzes liegt bereits deshalb nicht vor, weil die Einziehungstätigkeit der Klägerin als Nebenleistung gemäß § 5 Abs. 1 RDG erlaubnisfrei ist. Nach § 5 RDG sind Rechtsdienstleistungen erlaubt, wenn sie als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild gehören. Ob eine Nebenleistung vorliegt, ist nach ihrem Inhalt, Umfang und sachlichen Zusammenhang mit der Haupttätigkeit unter Berücksichtigung der Rechtskenntnisse zu beurteilen, die für die Haupttätigkeit erforderlich sind. Eine Nebenleistung liegt nur vor, wenn die rechtsdienstleistende Tätigkeit die Leistung insgesamt nicht prägt, wenn es sich also insgesamt nicht um eine spezifisch rechtliche Leistung handelt (Henssler/Prütting. BRAO, 3. Auflage, § 5 RDG Rn 4 ff.). Hier gehört die Einziehungstätigkeit der Klägerin hinsichtlich der Mietwagenkosten nicht zu ihrer Haupttätigkeit, die in der Vermietung von Fahrzeugen besteht, so dass diese als bloße Nebentätigkeit im Sinne von § 5 RDG zu bewerten ist. Auch der Gesetzgeber sieht in der Geltendmachung von Mietwagenkosten eine zulässige Inkassotätigkeit als Nebentätigkeit (BT-Drs. 16/3655, Seite 52).

Der Geschädigte kann nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als Herstellungsaufwand Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte hat nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot im Rahmen des ihm Zumutbaren stets den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet für den Bereich der Mietwagenkosten, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis verlangen kann. Ausgangspunkt für die Betrachtung bildet der am Markt übliche Normaltarif. Das Gericht schätzt die im Rahmen vor § 249 Abs. 2 BGB zu erstattenden erforderlichen Mietwagenkosten nach § 287 ZPO anhand des Schwacke-Mietpreisspiegels (im Folgenden Schwackeliste) 2010. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (z B. BGH NJW 2008, 1519) ist es grundsätzlich zulässig, den Normaltarif auf der Grundlage der für den Zeitraum gültigen Schwackeliste im Postleitzahlengebiet des Geschädigten zu ermitteln. Die Eignung der Schwackeliste als Schätzungsgrundlage bedarf erst dann der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel der betreffenden Schätzungsgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall ausgewirkt haben.

Solche konkreten Tatsachen hat die Beklagte nicht vorgebracht. Die von ihr vorgelegten Internetangebote der Mietwagenunternehmen Sixt, Avis und Europcar (Seiten 3 und 4 der Klageerwiderung vcm 14.07.2011 (Bl. 26 f. d.A) können Einwendungen gegen die Geeignetheit der Schwackeliste als Schätzungsgrundlage nicht begründen. Gegen die Vergleichbarkeit dieser Preise spricht schon, dass es sich bei Internetangeboten um einen Sondermarkt handelt, der nicht ohne weiteres mit dem allgemeinen regionalen Mietwagenmarkt vergleichbar ist (vgl. BGH, Urteil vom 02.02.2010, VI ZR 7/09, zitiert nach juris). Zudem ergibt sich aus den über ein Dreivierteljahr nach dem Unfallereignis erstellten Ausdrucken auch nicht, dass diese Angebote von Juli 2011 mit der am Markt vorgefundenen Situation im Anmietungszeitpunkt Ende … 2010 vergleichbar sind. Die vorgelegten Angebote betreffen den Zeitraum 15.07.2011 bis 25.07.2011, während der streitgegenständliche Anmietungszeitraum der xx.xx.2010 bis xx.xx.2010 ist.

Die von der Beklagten vorgelegten Angebote sind auch deshalb nicht mit der Situation bei Anmietung des Fahrzeugs durch die Zeugin vergleichbar, weil bei der Ermittlung ein fester Mietzeitraum zu Grunde gelegt worden ist, während bei der Anmietung durch die Zeugin D. hingegen nicht von vornherein sicher feststand, wie lange dieses nach Fahrzeug in Anspruch nehmen würde. Bei starren Mietzeiträumen ist die Anmietung in der Regel aber bereits deshalb erheblich günstiger, weil die Mietwagenanbieter mit festen Rückgabezeiten besser kalkulieren können und darauf beruhende Preisvorteile an die Kunden weitergeben.

Weiterhin steht aufgrund der Vorlage der Internetausdrucke nicht fest, dass die Zeugin am xx.xx.2010 tatsächlich ein Fahrzeug zu den dort aufgeführten Preisen hätte anmieten kennen, weil Verfügbarkeit und Preis eines Mietwagens stets vom jeweiligen Anmietungszeitpunkt abhängen.

Bei dieser Sachlage musste dem Beweisangebot der Beklagten „Einholung eines Sachverständigengutachters“ nicht nachgegangen werden.

Nach alledem ist es nicht zu beanstanden, wenn die Klägerin den Mietpreis auf der Grundlage der Schwackeliste berechnet.

Auch der pauschale Aufschlag von 20 Prozent ist als unfallbedingter Mehraufwand ein ersatzfähiger Schadensposten. Dieser rechtfertigt sich aus den typischerweise bei einer Unfallersatzanmietung anfallenden Mehrkosten für den Vermieter. Zu diesen typischen Mehrleistungen gehören etwa die Vorfinanzierung, das Ausfallrisiko, die Vorhaltung schlechter ausgelasteter Fahrzeuge und das Erfordernis der Errichtung eines Notdienstes (vgl. BGH Urteil v. 24.06.2008, VI ZR 234/07, zitiert nach Juris). Dabei ist nicht entscheidend, ob diese Mehrleistungen im konkreten Fall aktuell geworden sind, weil die Pauschale gerade die typischerweise bei einem Unfallwagerersatzvermieter zu erwartenden Mehrkosten mit einem bestimmten Prozentsatz auffangen soll.

Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass sich die Zeugin A.  nach günstigeren Mietpreisen im Normaltarif hätte erkundigen müssen. Eine solche Erkundigungspflicht besteht nur dann, wenn der angebotene Tarif so auffällig hoch gewesen wäre, dass für die Zeugin Veranlassung bestanden hätte, sich nach günstigeren Tarifen zu erkundigen. Dies war hier indes nachvorstehenden Ausführungen nicht der Fall.

Dem Umstand, dass sich die Zeugin … wegen der Inanspruchnahme des Mietwagens ersparte Eigenaufwendungen anrechnen lassen muss, hat die Klägerin schon dadurch Rechnung getragen, dass die Mietwagenkosten eine Fahrzeugklasse tiefer, nämlich 4 statt 5, abgerechnet hat.

Auch die Nebenkosten sind ersatzfähig.

Zunächst sind die Haftungsbefreiungskosten in Höhe von insgesamt 230,00 Euro als adäquate Schadensfolge anzusehen und damit ersatzfähiger Schaden.

Die Kosten für Zustellung und Abholung des Wagens von 50,00 Euro sind ersatzfähig, weil ein Geschädigter einen solchen Service des Mietwagenunternehmens in Anspruch nehmen darf (vgl. BGH, Urteil vom 02.02.2010, VI ZR 7/09, zitiert nach juris).

Auch die Zusatzkosten für Winterreifen in Höhe von 100,00 Euro sind zu ersetzen.

Den Autovermieter trifft die Pflicht, dem Kunden ein verkehrssicheres Fahrzeug zur Verfügung zu stellen, wozu in den Wintermonaten auch die entsprechende Bereifung gehört. Hier fällt die Mietzeit in einen Zeitraum, in dem Winterreifen benutzt werden. Die Kosten hierfür sind zu ersetzen, weil die Zeugin … diese gegen Aufpreis hinzubuchen musste.

Schließlich kann die Klägerin noch Ersatz der Kosten für den zweiten Fahrer in Höhe von 120,00 Euro verlangen, weil sie dargelegt hat, dass das verunfallte Fahrzeug auch von dem Zeugen … genützt werden sollte.

Nach der Schwackeliste 2010, Fahrzeugklasse 4 ergibt sich für das Postleitzahlengebiet 478 folgende Berechnung:

Grundmietpreis

1 x 1 Woche á 555,80 Euro                                      555,80 Euro

1 x 3 Tage á 261,00 Euro                                          261,00 Euro

Zwischensumme                                                       816,80 Euro

zuzüglich 20 Prozent                                                163,36 Euro

Zwischensumme                                                       980,16 Euro

Nebenkosten:

Haftungsbefreiungskosten

1 x 1 Woche á 164 00 Euro                                       164,00 Euro

1 x 3 Tage á 66,00 Euro 66,00 Euro

Zustellung/Abholung je 25,00 Euro                             50,00 Euro

10 Tage Winterreifen á 10,00 Euro                            100,00 Euro

10 Tage Zweitfahrer á 12.00 Euro                             120,00 Euro

Gesamtbetrag:                                                       1.480,16 Euro

Damit ist die Rechnung über 1.430,16 Euro der Klägerin nicht zu beanstanden. Abzüglich der bereits geleisteten Zahlung von 452,00 Euro verbleibt noch ein Anspruch der Klägerin über 978,16 Euro.

Der Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten ist nicht begründet. Die Klägerin hat bereits nicht dargelegt, dass ihr Prozessbevollmächtigter vorgerichtlich gegenüber der Beklagten tätig geworden ist.

Der Zinsanspruch folgt aus dem Gesichtspunkt des Verzugs

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 2 Nr 1, 708 Nr 11,711 ZPO.

Soweit das AG Krefeld.

Urteilsliste “Mietwagenkosten” zum Download >>>>>

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