Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,
nachdem wir mit dem Urteil aus Düsseldorf ein mustergültiges Urteil bei fiktiver Schadensabrechnung veröffentlicht haben, bleiben wir in Nordrhein-Westfalen und geben Euch nachfolgend ein weiteres Urteil zur fiktiven Abrechnung bekannt. Der Amtsrichter der 57. Zivilabteilung des AG Recklinghausen musste einen Rechtsstreit gegen die Allianz Vers. AG entscheiden. Die Allianz Versicherungs AG ließ das vom Geschädigten bei einem freien Sachverständigen in Auftrag gegebene Gutachten durch einen der bekannten Prüfdienstleister kürzen, und zwar um die Verbringungskosten sowie die UPE-Zuschläge und auf das Niveau der freien Werkstatt. Zu der Gleichwertigkeit wurden keine weiteren Angaben gemacht. Die allgemeinen Angriffe gegen das Gutachten des freien Sachverständigen waren für das erkennende Gericht nicht substantiiert. Das Gericht sah eine Verweisung auf die freie Werkstatt als nicht zumutbar an. Aufgrund der zögerlichen Regulierung ist auch der geltend gemachte längere Nutzungsausfall durch die beklagte Allianz Vers. AG zu entschädigen. Lest selbst und gebt Eure Kommentare ab.
Viele Grüße und ein schönes Wochenende
Euer Willi Wacker
57 C 219/10 Verkündet am 20.12.2011
Amtsgericht Recklinghausen
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
In dem Rechtsstreit
des Herrn …
Klägers,
gegen
die Allianz Vers-AG, vertr. d. d. Vorstand, Königinstr. 28, 80802 München,
Beklagte,
hat das Amtsgericht Recklinghausen
auf die mündliche Verhandlung vom 13.12.2011
durch den Richter am Amtsgericht …
für Recht erkannt:
1.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.337,25 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz aus 400,25 € seit dem 24.02.2010 und aus weiteren 937 € seit dem 17.04.2010 zu zahlen.
2.
Die Beklagte wird weiter verurteilt, den Kläger wegen der Kosten der außergerichtlichen anwaltlichen Vertretung in Höhe von 92,43 € freizustellen.
Wegen der weiteren vorgerichtlichen Kosten wird die Klage abgewiesen.
3.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutretenden Betrages.
Tatbestand:
Der Kläger macht restliche Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 29.01.2010 in Waltrop geltend. Damals wurde sein Fahrzeug von einem Traktor, der bei der Beklagten haftpflichtversichert ist, beschädigt. Die Beklagte hat für diesen Schaden unstreitig einzutreten.
Nach dem Unfallereignis ließ der Kläger ein Sachverständigengutachten im Büro … erstellen. Dieses Gutachten lag dem Kläger am 08.02.2010 vor. Der Sachverständige hat den Reparaturaufwand mit 3.713,13 € netto ermittelt.
Die Beklagte hat anschließend das Gutachten prüfen lassen. Es hat dann sodann Abzüge in Höhe von 400,25 € entsprechend dem Prüfbericht (siehe Blatt 17 d. A.) vorgenommen.
Mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 09.02.2010 hat der Kläger die Beklagte zur Zahlung der Reparaturkosten zzgl. Sachverständigenkosten etc. aufgefordert. Nachdem daraufhin keine Zahlung erfolgte, ist unter dem 23.02.2010 ein weiteres Schreiben erfolgt. In diesem Schreiben hat der Kläger mitteilen lassen, dass eine Vorfinanzierung des Schadens wegen fehlender Mittel nicht in Betracht komme.
Unter dem 08.03.2010 hat die Beklagte eine Zahlung in Höhe von 3.312,88 € auf die Reparaturkosten geleistet.
Mit der Klage verlangt der Kläger restlichen Schadensersatz und Nutzungsausfall.
Er ist der Ansicht, die Kürzungen der Beklagten seien unberechtigt. Insbesondere sei ein Verweis auf die Fa. … nicht zulässig gewesen.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.337,25 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz aus 400,25 € seit dem 24.02.2010 und aus 937 € seit dem 17.04.2010 zu zahlen;
ihn wegen der Kosten der außergerichtlichen anwaltlichen Vertretung in Höhe von 182,07 € freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, sie habe den Kläger zu Recht auf eine anderweitige Werkstatt verwiesen. Das Fahrzeug sei mehr als 8 Jahre alt. Diese andere Werkstatt sei auch fachlich und entfernungsmäßig zumutbar gewesen.
Der Nutzungsausfall sei bereits mit 310 € angemessen reguliert worden.
Auf die Erforderlichkeit einer Finanzierung habe der Kläger erst später hingewiesen.
Das Gericht hat weiter Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen . Insoweit wird auf das bei den Akten befindliche Gutachten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist begründet.
Der Kläger nimmt die Beklagte zu Recht auf Zahlung weiteren Schadensersatzes gemäß § 115 VVG in Anspruch.
Die Beklagte hat für den Schaden unstreitig dem Grunde nach einzutreten. Zu dem hier zu erstattenden Schaden gehören nach Auffassung des Gerichtes auch die weiteren Reparaturkosten von 400,25 €. Dabei ist hier unerheblich, dass die Beklagte den Kläger auf eine andere Fachwerkstatt verwiesen hat. Die Beklagte hat nämlich im Rahmen der Regulierung am 04.03.2010 lediglich ein Prüfgutachten vorgelegt. Dieses Prüfgutachten kommt zu geringeren Lohnkosten (350,40 €).
Andererseits sind aber höhere Lackierkosten von 145 € anzusetzen. Darüber hinaus werden im Rahmen der fiktiven Abrechnung die UPE-Zuschläge und die Verbringungskosten nicht anerkannt. Insofern ist nach Auffassung des Gerichts bereits nicht hinreichend dargelegt, dass eine andere Werkstatt günstiger die Arbeiten durchführen kann. Vielmehr werden Beanstandungen wegen des vorgelegten Gutachtens erhoben. Diese Art Beanstandung ist nach Auffassung des Gerichtes aber nicht hinreichend substantiiert. Danach ist von dem vom Kläger vorgelegten Gutachten auszugehen.
Im Übrigen hält das Gericht auch in ständiger Rechtsprechung die Verbringungskosten und die UPE-Zuschläge für erstattungsfähig. Diese Kosten fallen im hiesigen Bezirk in aller Regel in Fachwerkstätten an.
Soweit die Beklagte im Mai 2010 sodann eine andere Firma, die Fa. … benannt hat, kommt es nach Auffassung des Gerichtes nicht mehr darauf an, ob diese Firma tatsächlich die Reparaturarbeiten zu den von der Beklagten geltend gemachten Kosten durchführen kann und ob diese Werkstatt auch für den Kläger zumutbar ist.
Die Kosten waren hier nämlich nicht einheitlich bei der benannten Werkstatt günstiger. Vielmehr unterschied es sich durchaus zwischen Arbeits- und sonstigen Kosten. Unter Berücksichtigung aller Umstände war es deshalb nach Auffassung des Gerichtes für den Kläger nicht zumutbar, sich auf eine von der Beklagten benannte Werkstatt verweisen zu lassen.
Der Kläger verlangt deshalb zu Recht die weitergeltend gemachten 400,25 €.
Ebenso steht dem Kläger in Höhe von noch 937 € weitergehend Nutzungsausfall zu.
Die im Gutachten festgehaltene Notreparatur war hierfür den Kläger nach Auffassung des Gerichtes aufgrund seiner Einkommensverhältnisse nicht zumutbar.
Insgesamt kann der Kläger noch für 29 Tage Nutzungsausfall verlangen. Dabei handelt es sich um den Zeitpunkt vom 30.01. – 28.02.2010. Am 08.02. ist das Gutachten erst eingegangen. Anschließend hatte der Kläger noch eine Überlegungsfrist und sodann die Reparatur durchzuführen. Dabei ist auch die Zeit mit zu berücksichtigen, die die Beklagte hat verstreichen lassen, bis sie auf das Schreiben vom 23.02.2010 tatsächlich reagiert hat. Dies macht noch einen Zeitraum von 13 Tagen aus. Insgesamt ergeben sich danach 29 Tage. Dies ergibt einen Betrag in Höhe von 1.247 €. Gezahlt wurden bereits 310 €, so dass noch 937 € zu zahlen sind.
Auszugehen war dabei von einem Tagessatz in Höhe von 43 €.
Schließlich verlangt der Kläger auch zu Recht Freistellung von den Anwaltskosten in Höhe von 92,43 €. Dabei ist von einem Wert von 6.044 € auszugehen und 1,3fachen Satz. Der Gebührensatz von 1,5 ist hier nach Auffassung des Gerichtes nicht gerechtfertigt. Danach ergeben sich berechtigte Gebühren incl. Nebenforderungen in Höhe von 603,93 €. Unter Abzug der Zahlung von 511,50 € verbleiben 92,43 €. Insoweit kann Freistellung verlangt werden.
Der Klage war danach mit der Kostenfolge aus § 91 ZPO stattzugeben.
Die Allianz kapiert es nicht, dass der Prüfbericht eines Kürzungsdienstleisters nicht ausreicht, um die behauptete Gleichwertigkeit der Reparaturen darzulegen und zu beweisen. Die Beweislast liegt bei § 254 BGB bei dem Schädiger, siehe VW-Urteil des BGH. Dass auch dieses Urteil hier veröffentlicht wird, wird den Versicherungen nicht schmecken, denn es handelt sich immerhin um ein 8 Jahre altes Kfz. Auf das Alter kommt es eigentlich nicht an, denn auch bei 10 Jahre alten Fahrzeugen können Verweisungen unzumutbar sein. Bei Fahrzeugen jünger als 3 Jahre ist eine Verweisung ohnehin nicht möglich, obwohl ich auch in diesem Bereich bereits Prüfberichte mit Verweisung auf freie Werkstätten gesehen habe.
Prima Urteil hinsichtlich der Gleichwertigkeit.
Gilt das Urteil auch für Motorräder denn ich habe gerade Streit mit der Allianz?
Hallo Johannes Just,
auch für Zweiräder gilt Schadensersatzrecht nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall. Ebenso wird auch für Zweiräder eine Nutzungsausfallentschädigung gezahlt, wenn das Kraftrad unfallbedingt nicht genutzt werden kann und Nutzungswille und Nutzungsmöglichkeit besteht.