Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,
nun weiter von Niedersachsen nach Nordrhein-Westfalen. Hier stelle ich Euch ein prima Urteil zur fiktiven Abrechnung des Amtsrichters der 33. Zivilabteilung des AG Düsseldorf vor. Bei der Urteilsbegründung entsteht der Eindruck, dass entweder der erkennende Amtsrichter hier mitliest, oder er hat exakt die gleiche Rechtsauffassung, wie sie hier vertreten wird. Denn die Wirtschaftlichkeit wird im Rahmen des § 249 BGB berücksichtigt. Und das erkennende Gericht hat – zutreffend – erkannt, dass der Prüfbericht des Prüfdienstleisters alleine keine Grundlage für eine Verweisung des Geschädigten auf eine kostengünstigere Werkstatt ist, soweit nicht weitere Angaben gemacht werden. Deshalb sollten sich die Versicherer die Prüfberichte, die doch keinen Wert haben, wie auch dieser Fall zeigt, sparen. Lest aber bitte selbst und gebt Eure Meinungen kund. Vielen Dank.
Das Urteil wurde erstritten und eingesandt durch die Kanzlei Schriewer in Düsseldorf.
Viele Grüße
Euer Willi Wacker
Geschäftsnummer
33 C 6063/11
AMTSGERICHT DÜSSELDORF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit
des Herrn … ,
Klägers,
gegen
1. Herrn … ,
2. die Provinzial Rheinland Versicherung AG, vertreten durch den Vorstand, Provinzialplatz 1, 40591 Düsseldorf,
Beklagten,
hat das Amtsgericht Düsseldorf
im vereinfachten Verfahren gemäß § 495 a ZPO
unter Berücksichtigung aller bis zum 03.01.2012 eingegangener Schriftsätze
durch den Richter am Amtsgericht …
am 24. Januar 2012
für Recht erkannt:
Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 1.634,23 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 20.04.2011 abzüglich am 31.05.2011 geleisteter 1.260,38 € zu zahlen und den Kläger von durch außergerichtliche Tätigkeit entstandenen Rechtsanwaltskosten freizustellen durch Zahlung von 229,55 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 04.08.2011 an Rechtsanwalt Lothar Schriewer, Düsselthaler Straße 49, 40211 Düsseldorf.
Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten als Gesamtschuldnern auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von der Wiedergabe eines Tatbestandes wird gemäß § 313 a ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist vollumfänglich begründet. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Zahlung von weiteren 373,85 € gegenüber den Beklagten aus den §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1 StVG, 115 VVG, 249 BGB zu.
1)
Zunächst ist der Schaden des Klägers bei dem Betrieb des auf den Beklagten zu 1. zugelassenen und bei der Beklagten zu 2. haftpflichtversicherten Pkws entstanden. Die Einstandspflicht der Beklagten für alle unfallbedingten Schäden ist dabei zwischen den Parteien unstreitig.
Der Kläger kann insbesondere nach den angegebenen Stundenverrechnungssätzen Schadenersatz gemäß § 249 Abs. 2 BGB verlangen. Der Geschädigte leistet dem Gebot der Wirtschaftlichkeit im Allgemeinen Genüge und bewegt sich in den für die Schadensbehebung nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB gezogenen Grenzen, wenn er der Schadensabrechnung die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legt, die ein Sachverständigerauf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat (vgl. Urteil des BGH vom 13.07.2009, Aktenzeichen VI ZR 259/09).
Entgegen der Ansicht der Beklagten hat der Kläger nicht gegen die Schadensminderungspflicht verstoßen. Es ist zwar anerkannt, dass der Schädiger den Geschädigten unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gemäß § 254 Abs. 2 BGB auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit einer mühelos und ohne weiteres zugänglichen „freien Fachwerkstatt“ verweisen kann, wenn der Schädiger darlegt und gegebenenfalls beweist, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht (vgl. BGH, a.a.O.). Vorliegend kann es indes dahinstehen, ob die von der Beklagten zu 2. vorgeschlagene Fachwerkstatt … GmbH in der Lage war, dem Kläger eine günstigere und gleichwertige Reparaturmöglichkeit anzubieten. Dieser günstigere Instandsetzungsweg müsste dem Kläger als Geschädigten ohne weiteres mühelos zugänglich gewesen sein (vgl. BGH NJW 2003, 2086, 2087). Daran fehlt es hier.
Entscheidend ist, dass dem Geschädigten zur Überprüfung der fachlichen Gleichwertigkeit konkrete Angaben hinsichtlich der Kosten, des Reparaturweges und der Qualifikation der Werkstatt verfügbar gemacht werden (vgl. Urteil des OLG vom 16.06.2008, Aktenzeichen 1 U 246/07). Nach dieser Entscheidung des OLG Düsseldorf, der sich das erkennende Gericht anschließt, ist deshalb zumindest zu fordern, dass der Ersatzpflichtige dem Geschädigten konkrete, die Gleichwertigkeit betreffende Angaben zukommen lässt, wie etwa die Angabe, ob es sich um eine Meisterwerkstatt handelt, ob bzw. inwieweit diese zertifiziert ist und ob Originalersatzteile Verwendung finden sowie die entscheidende Frage, über welche Erfahrung man mit der Reparatur von Unfallfahrzeugen des betreffenden Typs verfügt. Abgesehen davon, dass vorliegend seitens der Beklagten zu 2. gegenüber dem Kläger keinerlei Angaben darüber gemacht wurden, ob und inwieweit die Mitarbeiter der … GmbH erfahren in der Reparatur von Fahrzeugen des Typs BMW sind und ob die Mitarbeiter der … GmbH insoweit regelmäßige Schulungen erfahren, reichen die pauschalen Anschreiben dem beklagtenseits vorgelegten Prüfbericht nicht aus, den Kläger als Geschädigten in die Lage zu versetzen, die Gleichwertigkeit der beklagtenseits vorgeschlagenen Instandsetzung mit einer Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt festzustellen. So wurden in dem Prüfbericht gerade keine konkrete Angaben dazu gemacht, ob die vorgeschlagene … GmbH tatsächlich bereit war, den unfallbedingten Fahrzeugschaden des Klägers entsprechend der beklagtenseits vorgetragenen geringeren Stundensätze und damit zu günstigeren Tarifen als nach dem Schadensgutachten des Klägers in gleicher Qualität zu reparieren. Ebenso wenig enthält der Prüfbericht nachprüfbare Aussagen dazu, ob in dem Fachbetrieb Erfahrungen mit der Reparatur von Fahrzeugen des Types BMW bestehen und ob diese Reparaturen nach der Richtlinie des Fahrzeugherstellers tatsächlich auch ausgeführt werden. Aufgrund der Pauschalität der Angaben im Prüfbericht wäre der Kläger gehalten gewesen, diese konkreten Fragen durch umfassende eigene Recherche zu prüfen. Dies kann jedoch nicht von ihm verlangt werden. Es ist ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass der Geschädigte nach den Leitentscheidungen des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH NJW2003, 2086) zur Entfaltung eines erheblichen eigenen Überprüfungsaufwands im Hinblick auf die Realisierung einer Reparatur zu den seitens der Haftpflichtversicherung des Schädigers vorgeschlagenen Preisen nicht verpflichtet ist.
2)
Nach den Grundätzen des Verzuges kann der Kläger überdies die Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten im beantragten Umfang gemäß den §§ 280, 286 BGB verlangen.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1 in Verbindung mit den §§ 91 a, 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Streitwert: 173,85 €
Und jetzt bitte Eure Kommentare.
Wahrlich ein hervorragendes Urteil zum Thema Verweisung. Wie hier bereits des öfteren gefordert, hat nunmehr ein Richter mit klaren Worten das der Provinzial ins Versicherungsbuch geschrieben. Ohne konkrete nachvollziehbare Angaben zur angeblich qualitativ gleichwertigen Werkstatt ist es dem Geschädigten eben nicht ohne weiteres möglich, sich für die Alternativwerkstatt zu entscheiden. Diese Angaben müssen auch schon vorgerichtlich gemacht werden, damit der Geschädigte seine Disposition ausüben kann. Insgesamt ein prima Urteil. Danke.
So sieht es aus, das Urteil, das sich mit der behaupteten Gleichwertigkeit ordentlich auseinandersetzt und feststellt, dass es nicht ausreicht nur ein stereotyp etwas zu behaupten ohne zu beweisen.
Viele Grüße
Andreas
Hallo Andreas,
genau so. Es gibt Richter, die kennen sich aus. Da vermutet man auch, dass die hier mitlesen und ihre Erwägungen aus CH u.a. beziehen. Und es gibt andere – leider; bei denen kommt es darauf an, dass der Geschädigtenvertreter auf die bestehende Rechtslage und die höchstrichterliche Rechtsprechung hinweist.
Mit freundlichen Grüßen
Dein Willi
Servus Willi,
ich weiß, dass versicherungsgesteuerte Leser, dieses Urteil am liebsten gelöscht haben möchten. Kannst Du das Urteil auch noch anderweitig veröffentlichen? Denn ein solches hervorragendes Urteil muss auch in juristischen Heften veröffentlicht werden. Nadelstiche auf Nadelstiche, das übt ungemein!
Grüße
Alois
Hallo Alois Aigner,
wegen der anderweitigen Veröffentlichung werde ich es versuchen. Aber hast Du schon das Urteil des AG Recklinghausen, das heute von mir eingestellt wurde, gelesen. Auch der dortige Richter hat den Prüfbericht alleine bei einem 8 Jahre alten Wagen nicht als ausreichend erachtet, um den Geschädigten auf eine freie Werkstatt zu verweisen.
Noch ein schönes Wochenende
Dein Willi
Wenn es so nicht klappt, versucht man es halt anders…
Provinzial rechnet in einem neuerlichen Fall zwar nach markengebundenem Werkstattlohn ab, kürzt mit Hilfe der Control€xperten aber einen Richtwinkelsatz (der übrigens NICHT im Gutachten enthalten war) sowie die Instandsetzung, Lackierung und die De- und Montage von Anbauteilen beider Seitenwände, da die Beschädigungen der Spaltmaßveränderungen zu den hinteren Türen auf den Lichtbildern angeblich nicht erkennbar wären.
Hierzu möchte ich ausführen, dass zu den Beschädigungen beider Seitenwände insgesamt 10!!! Lichtbilder im Gutachten enthalten waren und diese mit Hilfe eines Messkeils die Messwerte partiell abgelichtet und unter den jeweiligen Bildern noch der dort abgebildete Bereich als auch die dort abgelichteten Messergebnis einzeln erläutert wurden.
Nun wird wohl ein weitere Versicherungsnehmer über die Machenschaften seiner Versicherung unsanft wachgerüttelt werden.