Hallo verehrte Captain-Huk-Leser ,
von Zweibrücken geht es wieder nach Norden, genauer gesagt nach Hamburg-St. Georg. Nachstehend gebe ich Euch ein Sachverständigenkostenurteil des AG Hamburg-St. Georg bekannt. Wieder einmal war es die HUK-Coburg, die die Schadensposition „Sachverständigenkosten“ rechtswidrig gekürzt hatte und damit das Unfallopfer zwang, gerichtliche Schritte gegen die HUK-Coburg Haftpflicht-Unterstützungskasse einzuleiten. Verklagt wurde die Niederlassung in Hamburg. In ihrer Klageverteidigungsstrategie ging die Beklagte sogar soweit, der Klägerin vorschreiben zu wollen, zu welchen Konditionen sie einen Sachverständigenvertrag abzuschließen hätte. Jetzt will die HUK-Coburg auch noch die Vertragsfreiheit des unfallgeschädigten Kfz-Eigentümers in Frage stellen. Demnächst bestimmen die Herren in Coburg, welcher Sachverständige, welcher Abschleppunternehmer, welcher Mietwagenunternehmer und welche Werkstatt zu beauftragen ist. Nein, meine Herren, soweit geht das Schadensmanagement nicht, denn der geschädigte Kfz-Eigentümer wird mit dem Unfall nicht zu einem willenlosen, unmündigen Menschen. Vollkommen zu Recht hat daher der zuständige Richter beim AG HH-St. Georg die Argumente der HUK-Coburg zurückgewiesen. Wie war das noch mit dem Heiligen St. Georg? Der hat doch mit der Lanze auf den Lindwurm eingeschlagen. Mit Erfolg. Lest aber das Urteil selbst und gebt Eure Kommentare ab.
Mit freundlichen Grüßen
Euer Willi Wacker
Amtsgericht Hamburg-St. Georg
Az.: 911 C 310/11
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
…
– Klägerin –
gegen
HUK-Coburg Haftpflicht-Unterstützungs-Kasse, vertreten durch die Vorstände Wolfgang Flaßhoff, Stefan Gronbach, Klaus-Jürgen Heitmann, Dr. Hans-Olaf Heroey, Jörg Sandig und Dr. Wolfgang Weiler, Nagelsweg 41-45, 20097 Hamburg
– Beklagte –
wegen Schadensersatz
erlässt das Amtsgericht Hamburg-St. Georg durch den Richter am Landgericht … am 18.01.2012 auf Grund des Sachstands vom 18.01.2012 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO folgendes
Urteil
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 189,25 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.10.2011 zu bezahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Klägerin steht aus abgetretenem Recht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Schadensersatz bzgl. der restlichen Kosten der gutachterlichen Feststellung des Schadens an dem Fahrzeug des Geschädigten in Höhe von 189,25 Euro nach §§ 823 BGB, 7, 17, 18 StVG, 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG zu. Insoweit handelt es sich um den für die Wiederherstellung des beschädigten PKW erforderlichen Geldbetrag im Sinne des § 249 Abs. 2 BGB, nämlich um notwendige Rechtsverfolgungskosten.
Dass die Einholung eines Schadensgutachtens vorliegend erforderlich war, um den an dem Fahrzeug des Geschädigten entstandenen Schaden zu beziffern und damit regulieren zu können, hat auch die Beklagte nicht bestritten, sondern vielmehr auf Grundlage des Gutachtens dem Geschädigten seinen Schaden erstattet. Damit sind die tatsächlich für das Gutachten zu zahlenden Kosten grundsätzlich von der Beklagten zu erstatten. Die Abtretungserklärung und Honorarvereinbarung vom 8.12.2011 zwischen dem Geschädigten und der Klägerin (Anl. K 7) ist auch nicht zu unbestimmt, sondern wirksam.
Es ist auch grundsätzlich nicht Sache der Beklagten, dem Geschädigten vorzugeben, welche Verträge welchen Inhalts er abschließt, um den ihm entstandenen Schaden zu beseitigen. Für den Abschluss von Verträgen über die Erstattung von Sachverständigengutachten gibt es insbesondere zur Frage der Berechnung der Vergütungshöhe weder gesetzliche Vorschriften, noch eine Taxe, noch andere Vorgaben, so dass die Parteien gemäß der bestehenden Vertragsfreiheit frei sind, die konkrete Vergütung oder die Maßstäbe, nach denen die Vergütung zu berechnen ist, zu vereinbaren. Das haben der Geschädigte und die Klägerin getan, indem sie für das Grundhonorar eine Berechnung nach der kalkulierten Schadenshöhe und bestimmte Pauschalen für die Bemessung der Nebenkosten vereinbart haben. Der Geschädigte hätte mit der Klägerin sogar ohne Zugrundelegung jeder Berechnungsgrundlage bei Abschluss des Vertrages einen Festpreis vereinbaren können; auch dies wäre prinzipiell nicht zu beanstanden gewesen.
Begrenzt wird die Erstattungsfähigkeit der tatsächlich geleisteten Aufwendungen nur durch zwei rechtliche Kategorien. Einmal dadurch, dass erstattungsfähig nur die Aufwendungen sind, die zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes erforderlich sind und zum anderen dadurch, dass der Geschädigte nach § 254 Abs. 2 BGB verpflichtet ist, den Schaden zu mindern und diesen insoweit selbst zu tragen hat, als er verschuldet seiner Schadensminderungspflicht nicht nachgekommen ist.
Im Rahmen der Prüfung der Erforderlichkeit fallen diejenigen Aufwendungen heraus, die der Geschädigte gemacht hat, ohne dass es der Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes diente. Die durch die Gutachtenerstellung entstandenen Kosten waren jedoch zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes erforderlich. Die erforderlichen Kosten gem. § 249 Abs. 2 BGB sind diejenigen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und erforderlich halten darf. Der Geschädigte hat nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot im Rahmen des ihm Zumutbaren stets den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kossten beeinflussen kann. Dabei ist bei der Beurteilung, welcher Herstellungsaufwand erforderlich ist, auch Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen. Auch ist der Geschädigte grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Marktes verpflichtet, um einen für den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen, wobei für ihn allerdings das Risiko verbleibt, dass er ohne nähere Erkundigungen einen Sachverständigen beauftragt, der sich später im Prozess allzu teuer erweist (BGH Urteil vom 23.1.2007, Aktenzeichen VI ZR 67/06). Nach dieser Entscheidung des BGH sind die in der Rechtsprechung entschiedenen Fälle über die Erstattungsfähigkeit von Unfallersatztarifen bei Ersatzmietwagen auch nicht ohne weiteres auf die Fälle übertragbar, in denen es – wie hier – um die Erstattung von Sachverständigenkosten geht. Die in den Fällen zum Unfallersatztarif entwickelten Grundsätze sind deswegen auch nicht auf den streitgegenständlichen Sachverhalt übertragbar. Der Einholung von Vergleichsangeboten bei anderen Sachverständigen bedurfte es mithin vorliegend nicht. Indem der Geschädigte hingegen – wie hier – mit der Klägerin eine Sachverständige gewählt hat, die eine an der Schadenshöhe orientierte angemessene Pauschalierung des Honorars vornimmt, hat er nicht mehr als die erforderlichen Kosten i.S.d. § 249 Abs. 2 BGB verursacht.
Mit der Beauftragung der Klägerin als Sachverständige zu den vereinbarten Bedingungen hat der Geschädigte auch nicht schuldhaft gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen. Ein Mitverschulden in diesem Sinne ist erst gegeben, wenn der Geschädigte die Maßnahmen unterlässt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Schadensminderung ergreifen würde. Ein solches Mitverschulden liegt jedenfalls dann vor, wenn der Geschädigte vorsätzlich, d.h. im Wissen um günstigere und gleichwertige Möglichkeiten ohne Grund einen teureren Weg der Begutachtung wählt. Das ist vorliegend nicht ersichtlich und auch von der insoweit darlegungs-und beweisbelasteten Beklagten nicht vorgetragen. Ein Mitverschulden liegt auch dann vor, wenn der Geschädigte fahrlässig nicht erkennt, dass der von ihm gewählte Weg erhöhte Kosten verursacht. Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn aufgrund der Preisgestaltung jedem ordentlichen und verständigen Menschen auffallen muss, dass der von ihm gewählte Sachverständige überhöhte Honorare verlangt. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der durchschnittliche Geschädigte eines Verkehrsunfalls die Preisgestaltung von Sachverständigen nicht kennen wird und auch – im Gegensatz zu Mietwagenunternehmen – in der Regel davon ausgehen wird, dass die Preisgestaltung in Ordnung ist. Anders als beim Kauf vom Gebrauchsgütern des täglichen Bedarfs kommt ein durchschnittlicher Mensch nicht öfter in die Verlegenheit, einen KfZ-Schadenssachverständigen zu beauftragen, so dass nicht erwartet werden kann, dass – außer bei utopisch überhöhten Vergütungsforderungen – diesem auffällt, wenn ein Sachverständiger höhere Vergütungen verlangt als andere. Von einer solch utopisch überhöhten Vergütungsforderung kann ebenfalls hier keine Rede sein.
Mithin sind vorliegend nicht nur die vereinbarten restlichen Sachverständigenkosten als Grundgebühr, sondern ebenfalls die sich aus der Honorartabelle der Klägerin ergebenden vereinbarten pauschalen Nebenkosten von der Beklagten zu erstatten.
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708, 711, 713 ZPO.
Und nun bitte Eure Kommentare.
AG Hamburg-St. Georg weist HUK-Coburg im Restsachverständigenkostenprozess in ihre Schranken mit Urteil vom 18.1.2012 – 911 C 310/11 -.
Donnerstag, 23.02.2012 um 15:32 von Willi Wacker
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Junge, das hat aber gesessen und läßt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Man liest zwischen den Zeilen, dass dieser couragierten Richterin die Kürzungsstrategie der HUK-Coburg auf den Senkel geht und wenn man bedenkt, in welchem Umfang die Gerichte in der BRD mit solchem Unsinn belastet werden, kann man die Reaktionen verstehen. Nur für die HUK-Coburg ist das alles noch nicht deutlich genug. Es bedarf wohl noch weiterer starker Worte, bis die Verantwortungsträger dieser Versicherung endlich aufwachen und bemerken, dass sie die Schmerzgrenze überschritten haben und erkennen,dass auch die fürstlich entlohnten/belohnten „Honoraranwälte“ es trotz aller Tiraden und unwürdigen Tricksereien nicht die Fähigkeit besitzen, aus der Weltkugel wieder eine Scheibe zu machen.
Gruß
N.J.
@ Jetzt will die HUK-Coburg auch noch die Vertragsfreiheit des unfallgeschädigten Kfz-Eigentümers in Frage stellen.
Man sollte jetzt auch mal die HUK-Coburg in Frage stellen. Braucht Deutschland noch eine solche Versicherung?
Beifall zu diesem Urteil in dieser Deutlichkeit. Aber Achtung: das Amtsgericht Hamburg-St. Georg verfügt über eine nicht unerhebliche Anzahl von Abteilungen, die sich in unterschiedlicher Art und Weise mit Fällen wie diesem auseinandersetzen. Dies gipfelt unter anderem darin, dass die Klägerseite teilweise mit angeblichen örtlichen Unzuständigkeiten abgebügelt wird und sich Richterinnen und Richter weigern, Klagen an die Schadenaussenstelle der HUK-Coburg im Nagelsweg in Hamburg, zuzustellen unter dem Hinweis, dass diese Zustellung in Coburg vorzunehmen sei.Dies ist die Reaktion darauf, dass die Klagen gegen die HUK in erheblichem Maße zugenommen haben. Vielleicht mögen sich einige Richterinnen/Richter doch eher auf die Seite der Geschädigten/Sachverständigen stellen, statt dem unrechtmäßigem Regulierungsverhalten der HUK durch solch ein Geplänkel Vorschub zu leisten.