Mit Urteil vom 13.12.2011 (5 S 48/11) hat das Landgericht Mönchengladbach das erstinstanzliche Urteil des AG Mönchengladbach vom 20.05.2011 (5 C 571/10) teilweise abgeändert und die HDI-Gerling Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 1.080,08 € zzgl. Zinsen sowie vorgerichtlicher RA-Kosten verurteilt. Der Normaltarif wird vom Gericht auf der Basis der Schwacke-Liste geschätzt, nachträglich vorgelegte Internet-Angebote finden keine Berücksichtigung.
Aus den Entscheidungsgründen:
II.
Die zulässige Berufung ist nur in geringem Umfang begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Ersatz von Mietwagenkosten in Höhe von noch 1.080,08 € aus §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 S. 1 VVG.
Da die Haftung der Beklagten dem Grunde nach unstreitig ist, ist nur noch über die angemessene Höhe der Mietwagenkosten zu entscheiden, die die Kammer auf den zuerkannten Betrag zuzüglich der bereits erfolgten Zahlungen schätzt.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (z.B. BGH NJW 2009, 58) kann der Geschädigte nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB als Herstellungsaufwand Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte hat nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot im Rahmen des ihm Zumutbaren stets den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet für den Bereich der Mietwagenkosten, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis verlangen kann. Ausgangspunkt für die Betrachtung bildet der am Markt übliche Normaltarif. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (z.B. BGH NJW 2008, 1519) ist es grundsätzlich zulässig, zu dessen Bestimmung in Ausübung tatrichterlichen Ermessens gemäß § 287 ZPO auf das gewichtete Mittel (jetzt Modus) des „Schwacke-Automietpreis-Spiegels“ (im Folgenden: Schwacke-Liste) im Postleitzahlengebiet des Geschädigten zurückzugreifen.
Dies hat der Bundesgerichtshof zuletzt in seinen Entscheidungen vom 12. April 2011 (Az. VI ZR 300/09) und vom 17. Mai 2011 (Az. VI ZR 142/10) noch einmal bekräftigt. Danach kann der Tatrichter bei der Schätzung gemäß § 287 ZPO auf Tabellen zurückgreifen, wobei er nicht an eine bestimmte Tabelle gebunden ist und weitere Anpassungen durch Zu- oder Abschläge vornehmen kann.
Die Kammer übt das ihr nach § 287 ZPO eingeräumte Ermessen dahingehend aus, dass die Höhe des Normaltarifs auf der Grundlage der Schwacke-Liste 2010 geschätzt wird. Durch die Einwendungen der Beklagtenseite wird die Überzeugung der Kammer von der Geeignetheit der Schätzgrundlage nicht erschüttert.
Konkrete Mängel der Schwacke-Liste werden von der Beklagten nicht aufgezeigt. Zwar legt sie Alternativangebote aus dem Internet vor, deren Preise deutlich niedriger scheinen als die der Schwacke-Liste. Gegen die Vergleichbarkeit der Internetpreise spricht aber bereits, dass es sich dabei um einen Sondermarkt handelt, der nicht ohne Weiteres mit dem allgemeinen regionalen Mietwagenmarkt vergleichbar ist (BGH Urteil vom 02.02.2010 – VI ZR 7/09 und Urteil vom 07.12.2004 – VI ZR 119/04). Außerdem wird oft von den Mietern im Internet Vorkasse verlangt, wozu die Geschädigte nicht verpflichtet ist.
Die vorgelegten Angebote beziehen sich zudem auf einen anderen Anmietungszeitraum, so dass nicht sicher festgestellt werden kann, dass die Geschädigte nach dem Unfall auf ein Fahrzeug zu diesem Preis hätte zugreifen können. Denn es ist davon auszugehen, dass Verfügbarkeit und Preis eines Mietwagens vom jeweiligen Anmietungszeitpunkt abhängen. Außerdem beinhalten die von Beklagtenseite vorgelegten Vergleichsangebote eine deutliche Vorbuchungsfrist, was ebenfalls Einfluss auf den Preis hat.
Ferner sind die vorgelegten Angebote generell nicht mit der vorliegenden Anmietung vergleichbar. Unbegrenzte Kilometer sind in den vorgelegten Internetangeboten nicht enthalten, ebenso wenig die Haftungsreduzierung, Zustellung und Abholung, Zusatzfahrer sowie die Anhängerkupplung. Die Anmietbedingungen sind hierdurch erheblich unterschiedlich, weshalb sich kein vergleichbarer Preis ermitteln läßt.
An dieser Beurteilung ändert sich auch nichts aufgrund der Ausführungen des Bundesgerichtshofs in seinem Urteil vom 18. Mai 2010 (Az.: VI ZR 293/08) und im Urteil vom 22. Februar 2011 (Az.: VI ZR 353/09). In den entschiedenen Fällen hat der Bundesgerichtshof nur gerügt, dass sich das Berufungsgericht nicht mit dem Vortrag der dortigen Beklagten zu günstigeren Angeboten anderer Anbieter auseinandergesetzt habe. Ob die dort vorgelegten Angebote ausreichend sind, um gewichtige Bedenken gegen die Schwacke-Liste als Schätzgrundlage zu rechtfertigen, wird offengelassen. Das erkennende Gericht hat sich mit den vorgelegten Internetangeboten auseinandergesetzt, hält diese aber nicht für ausreichend, um gewichtige Bedenken gegen eine Schätzung aufgrund der Schwacke-Liste zu rechtfertigen.
Dass von der Geschädigten vor der Anmietung nicht mehrere Vergleichsangebote eingeholt wurden, ist unerheblich. Sie erhält nur die aufgrund der Schätzung für angemessen gehaltenen Kosten, und nicht die vollen entstandenen Kosten. Die angemessenen Kosten kann sie aber immer verlangen, weil diese auch bei weiteren Erkundigungen angefallen wären.
Allerdings hat das Amtsgericht vorliegend eine Schätzung aufgrund der Schwacke-Liste 2009 vorgenommen. Diese Liste ist für die Schätzung eines Unfalls im Juli 2010 nicht geeignet. Nach der Schwacke-Liste 2010 ergibt sich ein niedrigerer zu zahlender Betrag, wobei die Schätzung für 17 Tage nach dem nahen Mittel für das Postleitzahlgebiet 410 (Mönchengladbach) und die Fahrzeugklasse Transporter erfolgt. Da es sich bei dem beschädigten Fahrzeug um einen Transporter gehandelt hat, ist auch die Schätzung nach dieser Kategorie vorzunehmen.
Unter Anwendung der Schwacke-Liste 2010 ergibt sich folgende Berechnung:
2 x Wochenpreis á 510,00 € 1.020,00 €
1 x 3-Tagespreis 219,00 €
pauschaler Aufschlag von 20 %: 247,80 €
2 x Wochenpreis Voll- u. Teilkaskovers. á 156,- € 312,00 €
1 x 3-Tagespreis Voll- und Teilkaskoversicherung: 78,00 €
17 x Zusatzfahrer á 12,00 € 204,00 €
17 Tage Anhängerkupplung á 10,00 € 170,00 €
Zustellung und Abholung: 50,00 €
Gesamt: 2.300,80 €
das sind netto 1.933,45 €
abzüglich 10 % ersparte Aufwendungen 156,37 €
(auf die Nettobeträge aus 2 x Wochenpreis, 1 x Dreitagespreis,
Aufschlag von 20 %, Zusatzfahrer und Anhängerkupplung)
abzüglich gezahlter 697,00 €
Restbetrag: 1.080,08 €
Die Kammer hält einen pauschalen Aufschlag auf den Normaltarif (ohne Voll- und Teilkaskoversicherung) in Höhe von 20 % für angemessen, um die Besonderheiten der Kosten und Risiken des Unfallersatzgeschäfts im Vergleich zur „normalen“ Autovermietung angemessen zu berücksichtigen (vgl. hierzu Landgericht Mönchengladbach, Urteil vom 13.01.2009, a.a.O.).
Zustell- und Abholkosten sind nach Auffassung der Kammer zu erstatten. Die Bereitstellung eines Ersatzfahrzeugs am Reparaturort ist auch zu ersetzen, wenn sich ein Autovermieter in der Nähe des Firmensitzes der Geschädigten befindet. Der Geschädigte kann nämlich verlangen, daß er unmittelbar nach der Ablieferung in der Werkstatt ein Ersatzfahrzeug zur Verfügung gestellt bekommt.
Kosten für den Zusatzfahrer sind ebenfalls anzusetzen. Entsprechende Kosten sind Bestandteil der Preiskalkulation. Dass ein weiterer Fahrer das Fahrzeug auch nutzen sollte, ist von der Beklagten nicht konkret bestritten worden. Entsprechendes gilt für die Kosten für die Anhängerkupplung.
Der Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten und der Zinsanspruch ergeben sich aus §§ 280 Abs. 1, 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10,713 ZPO.
Für die Zulassung der Revision besteht kein Anlass, da die Ausübung des tatrichterlichen Ermessens im Rahmen von § 287 ZPO die Zulassungsgründe im Sinne von § 543 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt.
Soweit das LG Mönchengladbach.
Hallo Babelfisch,
es scheint, als habe Fraunhofer am Niederrhein keine Chance. LG Düsseldorf und LG Mönchengladbach fest in Schwacke-Hand. So muss es sein. Fraunhofer hat zu viele Mängel.
Selbst wenn der eine oder andere versicherungsgesteuerte Kommentator meint, Schwacke sei der Fraunhofer-Liste unterlegen, der irrt. Zwar hat der BGH beide Tabellen als geeignete Schätzgrundlagen mit oder ohne Zuschlägen und Mittelwerte zugelassen. Das bedeutet aber nicht, dass man die Nachteile der Fraunhofer-Tabelle einfach ignorieren kann. Vielmehr sollte man bei der von der Versicherungswirtschaft in Auftrag gegebenen Fraunhofer-Erhebung skeptisch sein.