Mit Urteil vom 14.04.2011 (4 O 214/10) hat das Landgericht Essen u. a. die Axa Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 1.693,20 € zzgl. Zinsen sowie vorgerichtlicher RA-Kosten verurteilt. Das Gericht schätzt die Höhe des Normaltarifs der Mietwagenkosten auf der Basis der Schwacke-Liste, die Fraunhofer Tabelle findet keine Anwendung.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist zulässig, aber nur in aus dem Tenor ersichtlicher Höhe begründet.
Die Klägerin hat einen Anspruch gegen den Beklagten zu 1) auf Schadensersatz gemäß §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 Satz 1 StVG und gegen die Beklagte zu 2) gemäß § 7 Abs. 1 StVG In Verbindung mit § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG.
Die Klägerin ist als Leasingnehmerin aktivlegitimiert. Die Geltendmachung der Ansprüche steht ihr nach dem Leasingvertrag mit der L-Bank zu. Die Wertminderung ist durch sie an die Leasinggeberin zu leisten, wodurch Ihr auch insofern ein Schaden entstanden ist.
Der Pkw der Klägerin und der vom Beklagten zu 1) geführte Lkw sind bei dem Betrieb beider Fahrzeuge beschädigt worden. Der Verkehrsunfall ist nicht auf höhere Gewalt zurückzuführen.
Der Zusammenstoß der beiden Fahrzeuge war weder für den Fahrer des Pkw, den Zeugen A, noch den Beklagten zu 1) als Führer des Lkw unabwendbar. Unabwendbar ist ein Ereignis, wenn sowohl der Halter als auch der Führer des Fahrzeugs jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beobachtet hätten (§ 17 Abs. 3 Satz 2 StVG).
Der Beklagte zu 1) hat mit seinem Lkw rangiert und beabsichtigte, rückwärts in den Ladehof der Klägerin einzufahren. Er hatte daher gemäß § 9 Abs. 1 StVO die Fahrtrichtungsanzeiger zu betätigen und gemäß § 9 Abs. 5 StVO sich so zu verhalten, dass eine Gefahrdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen war. Erforderlichenfalls hatte er sich einweisen zu lassen. Sämtliche dieser Gebote ließ er außer Acht. Es ist weder ersichtlich, dass er die Fahrtrichtungsanzeiger betätigt hat, noch hat er besondere Aufmerksamkeit beim Rangieren walten lassen. Vielmehr hat er augenscheinlich den rückwärtigen Verkehr beim Vorwärtsfahren, das zur Kollision führte, überhaupt nicht beachtet, gab er doch m seiner persönlichen Anhörung an, den vom Zeugen A gefahrenen Pkw erst bemerkt zu haben, als es zur Kollision kam.
Der Zeuge A. gegen hätte bei gehöriger Aufmerksamkeit, die ihm anderem durch § 10 Satz 1 StVO bei der Ausfahrt aus einem Grundstuck auf eine Straße oblag, bemerken können und müssen, dass der Beklagte zu 1) mit seinem Lkw rangierte. Er hat in seiner Vernehmung angegeben, er habe den Lkw parkend bzw. stehend links mit dem halben Lkw auf dem Bürgersteig gesehen. Für ihn stand der Lkw, weswegen er meinte, an ihm vorbeifahren zu können. Andererseits wusste der Zeuge aber, dass sich in der Kurve ein Ladehof der Klägerin befindet und dass dort regelmäßig Lieferverkehr ist. Außerdem hätte ein aufmerksamer Fahrer bemerkt, dass die Stellung des Lkw auf der linken Fahrbahnseite, halb auf dem Bordstein für eine Parkhaltung so ungewöhnlich wie schlecht gewählt war. andererseits sich für eine Einfahrt rückwärts in den Ladehof eignete. Hieraus ließ sich schließen, dass der Lkw gerade nicht parkte, sondern rangierte, was wiederum zu besonderer Vorsteht bei der Vorbeifahrt am Lkw hatte führen müssen.
Bei der gemäß § 17 Abs. 1, Abs. 2 StVG erforderlichen Abwägung der Verschuldensbeiträge der beiden Fahrzeugführer überwiegt – nicht nur aufgrund der höheren Betriebsgefahr des Lkw – das Verschulden des Beklagten zu 1). Das Gericht bewertet die Verursachungsbeiträge mit 80 % zu Lasten des Beklagten zu 1) und mit 20 % auf Seiten des Zeugen A.
Der Beklagte zu 1) hat beim Rangieren besondere Sorgfalt walten zu lassen und diese Pflichten in mehrfacher Hinsicht nicht befolgt. Der Zeuge A. hätte wenn der Beklagte zu 1) stehen geblieben wäre, unproblematisch am LKW des Beklagten zu 1) vorbeifahren können. Er durfte im Moment seiner Vorbeifahrt darauf vertrauen, dass der Beklagte zu 1) ihn sehen und beachten und nicht ohne Rückschau vorwärts fahren würde.
Die Beklagten sind als Gesamtschuldner verpflichtet, der Klägerin 80 % der entstandenen und abrechnungsfähigen Schäden zu ersetzen.
Die Klägerin hat daher einen Anspruch auf Zahlung von 80 % der Reparaturkosten in Höhe von 5.850,14 €, also 4 680,11 € sowie auf Zahlung von 80 % der unstreitig gestellten Wertminderung von 900 €, also 720 € und von 80 % der Sachverständigenkosten von 557,04 €, also 445,63 €.
Die Klägerin hat zudem einen Anspruch auf Erstattung von 80 % der Mietwagenkosten in Höhe von 2.116,50 €, also 1.693,20 €.
Das Gericht hat die entstandenen und angemessenen Kosten, gemäß § 287 ZPO nach dem Normaltarif des Schwacke-Mietpreisspiegels 2009 geschätzt (BGH NJW 2006, 2106; BGH NJW-RR 2010, 1251; OLG Hamm, Urteil vom 21.04.2008, 6 U 188/07).
Im Gegensatz zur Liste des Fraunhofer-Institutes basieren die Preis auf einer umfassenden Recherche und realistischeren Grundlagen. Dies wiegt den Nachteil der nicht anonymen Einholung der Preise mehr als auf. Während nämlich für den Fraunhofer-Mietspiegel lediglich 6 große Anbieter im Internet befragt wurden, sind für den Schwacke-Mietpreisspiegel wesentlich mehr und auch regional tätige Unternehmen befragt worden. Im Wesentlichen ist dieses Vorgehen marktkonformer, da nicht nur der beschränkte Markte des Internets berücksichtigt wurde. Zusätzlich sind als Grundlage für die Liste des Fraunhofer-Instituts Vorlaufzeiten von einer Woche zu Grunde gelegt worden, was einer Anmietung in einer Unfallsituation zuwider läuft, bei der ein Fahrzeug sofort verfügbar sein muss. Das Gericht geht außerdem davon aus, dass die Klägerin, wenn sie Konkurrenzangebote verglichen hätte, diese im Bereich des Mietpreisspiegels gelegen hätten, so dass sich dieses Versäumnis insofern nicht auswirkt. Der Vortrag der Beklagten, die Klägerin hätte im Internet recherchieren können, ohne nähere Darstellung eines zu diesem Zeitpunkt und zu diesen Bedingungen günstigeren Tarifs, ist insofern nicht ausreichend.
Die Mietdauer ist nicht zu beanstanden. Der Pkw der Klägerin war vom 12.10. bis zum 23.10.2009 in Reparatur, so dass für diesen Zeitraum ein Ersatz benötigt wurde Die Reparaturdauer erscheint dem Gericht nicht unangemessen oder unverhältnismäßig.
Die Kosten der Extras wie ein Navigationssystem oder die Eintragung eines weiteren Fahrers kann die Klägerin ebenfalls ersetzt verlangen. Eine Navigation war auch im Unfallfahrzeug vorhanden und es handelt sich um einen Firmenwagen, der regelmäßig von mehreren Fahrern genutzt wird. Auch die Vollkaskoversicherung ist ersatzfähig (BGH NJW 2005, 1041).
Die Kosten von 2 x 26,- € für die Zustellung und Abholung des Ersatzfahrzeuges sind dagegen nicht ersatzfähig, da hier die besondere Situation in der Anmietung bei der Stamm-Werkstatt der Klägerin vorlag, wobei davon auszugehen ist, dass diese das Fahrzeug verfügbar hatte
Einen Abschlag wegen ersparter Nutzungen muss die Klägerin nicht hinnehmen, da es sich bei dem angemieteten Fahrzeug um einen klassenkleineren Pkw handelte.
Dagegen ist die Notwendigkeit eines unfallbedingten Aufschlags in Höhe von 20 % auf den Mietpreisspiegel der Schwacke-Liste nicht gegeben (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 21.04.2008, 6 U 188/07). Die Klägerin konnte den Mietwagen zur gewöhnlichen Geschäftszeit und ohne besonderen Termindruck anmieten. Das Gericht vermag nicht zu erkennen, dass 2-3 Telefonanrufe bei naheliegenden Anbietern so erhebliche außergewöhnliche Belastungen für die Arbeitnehmer der Klägerin bedeutet hätten, dass diese auf Dauer die Einstellung eines neuen Mitarbeiters bedingen würden. Zudem hätte auf diese Weise dem von der Klägerin stets beauftragten Vertragshändler u.U. ein günstigerer Preis vorgehalten werden können mit der Folge, dass dieser hierauf hätte reagieren und seinerseits seinen Preis senken können.
Die Nebenkostenpauschale setzt das Gericht in ständiger Rechtsprechung der Kammer mit 25 € an, 80 % hiervon sind 20 €.
Die Klägerin hat darüber hinaus im Rahmen des Schadensersatzes auch einen Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten, jedoch nur anteilig 80 % der Gebühren, die für den berechtigten Anspruch (8.080,38 €) anfielen, d.h. 661,16 € 0,8 = 528,93 €.
Der Anspruch auf Zinszahlungen ergibt sich aus §§ 286,288 BGB. Die Beklagten befanden sich mit Ablauf der von der Klägerin gesetzten Zahlungsfrist bis zum 12.11.2009 in Verzug.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeil aus §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
Soweit das LG Essen.
Es scheint, als hätte Fraunhofer am Niederrhein und im Ruhrgebiet keine Chance. Nach LG Mönchengladbach, LG Düsseldorf jetzt auch LG Essen. Damit ist schon ein großer Bereich eines dichtbesiedelten Gebietes mit Schwacke abgedeckt. Eigentlich hat die Kammer in Essen schon die wesentlichen Punkte, die für Schwacke sprechen, im Urteil wie folgt dargestellt:
„…Im Gegensatz zur Liste des Fraunhofer-Institutes basieren die Preis auf einer umfassenden Recherche und realistischeren Grundlagen. Dies wiegt den Nachteil der nicht anonymen Einholung der Preise mehr als auf. Während nämlich für den Fraunhofer-Mietspiegel lediglich 6 große Anbieter im Internet befragt wurden, sind für den Schwacke-Mietpreisspiegel wesentlich mehr und auch regional tätige Unternehmen befragt worden. Im Wesentlichen ist dieses Vorgehen marktkonformer, da nicht nur der beschränkte Markte des Internets berücksichtigt wurde…“
Eigentlich ist Mehr gar nicht mehr anzugeben.
Und wenn man mich jetzt fragen sollte, ob ich privat einen Wagen zu Schwacke oder Fraunhofer Bedingungen anmieten würde, so würde ich jedem sagen, dass mir meine Markenfachwerkstatt für die Zeit der Nichtnutzbarkeit einen Ersatzwagen meist gleicher Art zur Verfügung stellt.
Fraunhofer nützt doch nur den Versicherern. Die Versicherer haben die Fraunhofer-Erhebung doch auch in Auftrag gegeben.
Mit freundlichen Grüßen
Willi Wacker