Das Amtsgericht Merseburg zu den Kosten der markengebundenen Fachwerkstatt bei der fiktiven Abrechnung

Das Amtsgericht Merseburg hat mit Urteil vom 21.08.2009 (6 C 68/09) die eintrittspflichtige Versicherung zur Erstattung der Lohnkosten einer markengebundenen Fachwerkstatt im Rahmen der fiktiven Abrechnung verurteilt. Des weiteren wurden weitere vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zugesprochen.

…das Amtsgericht Merseburg hat aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25.06.2009

für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.163,42 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank hieraus seit dem 17. Dezember 2008 sowie vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 203,73 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank hieraus seit dem 17. Dezember 2008 zu zahlen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen eine Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vorläufig vollstreckbaren Betrages abzuwenden, falls nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Und beschlossen:

Der Streitwert für den Rechtsstreit wird auf 1.163,42 € festgesetzt.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt restlichen Schadenersatz aus einem Verkehrsunfall, der sich im Oktober 2008 in Merseburg auf der B 91 ereignet hat und an dem ein bei der Beklagten haftpflichtversicherter Pkw beteiligt war. Dieser Pkw fuhr von hinten auf den an einer Ampel verkehrsbedingt wartenden Pkw Mercedes Benz des Klägers auf. Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist unstreitig. Der Kläger hat seinen Sachschaden auf Basis eines Sachverständigengutachtens netto geltend gemacht.

Das Sachverständigengutachten legt die Stundensätze einer im hiesigen Raum markengebundenen Mercedes Benz Vertragswerkstatt, namentlich der XY Schadensberechnung zugrunde.

Auf den vom Sachverständigen errechneten Nettoschaden vom 5.483,82 € hat die Beklagte 4.320,40 € gezahlt und mit Schreiben vom 15. Dezember 2008, das beim Kläger am 17.12.2008 einging, weitergehende Schadenersatzansprüche abgelehnt.

Auf die anwaltliche Kostennote für die vorgerichtliche Tätigkeit der Prozessvertreter über 697,94 € hat die Beklagte 494,21 € bezahlt.

Der Kläger meint, er sei zur fiktiven Abrechnung seines Sachschadens auf Gutachtenbasis berechtigt und könne nicht auf eine fiktive Abrechnung mit den niedrigeren Stundensätzen nicht vertragsgebundener Werkstätten verwiesen werden. Da dem Kläger mithin der Differenzbetrag von 1.163,42 € zustehe, sei auch die entsprechende Kürzung der vorgerichtlichen Gebührennote nicht berechtigt, weshalb dem Kläger noch ein Anspruch auf Erstattung der Gebühren in Höhe von restlichen 203,73 € zustehe.

Der Kläger stellt den Antrag

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.163,42 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank hieraus seit dem 17. Dezember 2008 sowie vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 203,73 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank hieraus seit dem 17. Dezember 2008 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, der Kläger habe keinen Anspruch darauf, die Stundensätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde zu legen. Die Schadensminderungspflicht erfordere es eine freie Werkstatt zu beauftragen, die für gleichqualitative Arbeit erheblich geringere Stundensätze zugrunde lege. Tatsächlich seien für eine sachgerechte Reparatur durch eine nichtmarkengebundene Werkstatt lediglich Kosten in Höhe von 4.320,40 € aufzuwenden, die die Beklagte aber bereits vorgerichtlich erstattet habe. Der Kläger habe nichts mehr zu fordern.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

Dem Kläger steht der erkannte Schadenersatzanspruch zu.

Das Schadenersatzrecht ist vom Grundsatz der Totalrestitution beherrscht. Der Geschädigte, der ohne den Unfall gar nicht in die Situation gekommen wäre, sich um die Restitution seines Schadens kümmern zu müssen, soll so gestellt werden, wie er ohne das schädigende Ereignis gestanden hätte. Dieses Prinzip gilt auch bei einer fiktiven Reparatur. Ohne Schadensereignis hätte der Kläger einen unbeschädigten Pkw der Marke Daimler Benz gehabt, durch den Unfall verbleibt seinem Fahrzeug auch nach durchgeführter Reparatur zumindest ein solcher Makel, als dass in den Verkehrskreisen zumindest Zweifel daran verbleiben, ob alle Unfallschäden erkannt und sachgerecht repariert worden sind. Diese Zweifel, die sich auch auf die Wertbildung eines Fahrzeugs im Falle seines Verkaufs auswirken könne, steigen noch an, wenn die Reparatur nicht von einer markengebundenen Fach Werkstatt, der die Verkehrskreise eine besondere Sachkunde zutrauen, ausgeführt wird. Auch wenn es um die Frage der Inanspruchnahme von Garantie oder Kulanzleistungen geht, spielt es für das Entgegenkommen des Herstellers eine Rolle, ob das Fahrzeug in einer markengebunden Fachwerkstatt repariert bzw. gewartet wurde oder bei einem Dritten. Grundsätzlich hat der Geschädigte daher die freie Werkstattwahl. Wenn er deshalb sich, wie dies regelmäßig bei neueren Fahrzeugen der Fall sein wird, für die Inanspruchnahme einer markengebundenen Fachwerkstatt entscheidet, ist dies nicht zu beanstanden. Es ist nur folgerichtig, wenn die Sachverständigengutachten deshalb auch mit den Stundenverrechnungssätzen entsprechend markengebundener Werkstätten rechnen.

Es ist ein untauglicher Versuch das Preisgefüge für Kfz- Reparaturen nach unten zu durchbrechen, wenn die Versicherungswirtschaft versucht, den Geschädigten auf die Inanspruchnahme nichtmarkengebundener Werkstätten zu verweisen. Hierfür ist vor dem Hintergrund der Naturalrestitution kein Raum. Es widerspräche schon jedem Gerechtigkeitsempfinden, wenn der Geschädigte noch nicht einmal den Reparaturbetrieb seines Vertrauens wählen dürfte. Ein solcher Fall, für den Fall einer durchgeführten Reparatur, ist dem Gericht bislang auch nicht bekannt geworden. Weshalb dies aber bei einer fiktiven Abrechnung anders sein soll, erschließt sich dem Gericht nicht. Der Geschädigte hat das Recht sein Fahrzeug reparieren zu lassen und dabei die Werkstatt seines Vertrauens zu beauftragen. Er hat aber auch das Recht auf die Reparatur zu verzichten und stattdessen den für die ordnungsgemäße Reparatur erforderlichen Geldbetrag als Ersatzleistung entgegenzunehmen. Verzichtet er also darauf, sein Fahrzeug in einer markengebundenen Fachwerkstatt instand setzen zu lassen, so ändert dies nichts an dem für eine solche Reparatur erforderlichen Geldbetrag mit Ausnahme des Umstandes, dass die Mehrwertsteuer tatsächlich nicht anfällt und deshalb vom fiktiven Schadenersatzbetrag in Abzug zu bringen ist. Ob die Stundenverrechnungssätze der Fachwerkstatt nun deutlich über dem Durchschnittswert anderer nichtmarkengebundener Werkstätten in der Region liegen spielt dafür keine Rolle (vgl. hierzu auch BGH NJW 2003, 2086 (Porschefall)).

Dem Kläger steht auch der Anspruch auf restliche vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 203,73 € gegen die Beklagte zu.

Die Berechnung aus dem vorgerichtliche Gesamtstreitwert von 6.024,61 € ist nicht zu beanstanden, nachdem auf den gesamt geschuldeten Betrag von 697,94 € seitens der Beklagten nur 494,21 € geleistet wurden, verblieb der erkannte Restbetrag von 203,73 €.

Mit der Hauptforderung und den vorgerichtlichen Anwaltskosten ist die Beklagte aus dem Gesichtspunkt der Selbstmahnung spätestens mit Zugang ihres Schreibens vom 15.12.2008, also seit dem 17.12.2008 in Verzug. Der erkannte Zinssatz ist der gesetzliche.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11,711   ZPO.

Urteilsliste “Fiktive Abrechnung” zum Download >>>>>

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