Mit Urteil vom 30.09.2009 (2 C 0633/09) hat das AG Freiberg die HUK-Coburg-Allgemeine Versicherung AG zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 274,50 € zzgl. Zinsen sowie zur Freihaltung von der Zahlung von RA-Kosten verurteilt. Das Gericht wendet die Schwacke-Liste an und stellt fest, dass in dem Fall, in dem der vereinbarte Mietpreis 26 % über dem „Normaltarif“ liegt, der Geschädigte nicht gehalten ist, nach einem anderen Tarif Ausschau zu halten, da diese Überschreitung nicht „erheblich“ oder „auffällig hoch“ über dem Schwacke-Mietpreis liegt.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung restlicher Mietwagenkosten i.H.v. EUR 274,50 gegen die Beklagte, der sich aus den §§ 7 I, 17, 18 StVG, 823 BGB, 249 ff. BGB i.V.m. § 3 PflVG rechtfertigt.
Nach der Rechtsprechung des BGH kann der Geschädigte nach § 249 II 1 BGB als Herstellungsaufwand Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, den ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig und notwendig halten darf (st.Rspr. des BGH, vgl. BGH Z 160, 377, 383 ff.; Urteile des 6. Zivilsenats vom 09.05.2006 – VI ZR 117/05, vom 30.01.2007 – VI ZR 99/06, vom 20.03.2007 – VI ZR 254/05, vom 13.06.2007 – VI ZR 161/05, vom 11.06.2006, VI ZR 164/07). Der Geschädigte hat nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot im Rahmen des ihm zumutbaren stets den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet für den Bereich der Mietwagenkosten, dass er von mehreren auf den örtlich relevanten Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarif für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeuges grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis verlangen kann.
Nach der Rechtsprechung des BGH kam ferner die Frage, ob ein Unfallersatztarif aufgrund unfallspezifischer Kostenfaktoren erforderlich im Sinne des § 249 II 1 BGB ist, offen bleiben, wenn feststeht, dass dem Geschädigten ein günstigerer „Normal-Tarif“ in der konkreten Situation ohne weiteres zugänglich war, so dass ihm eine kostengünstigere Anmietung unter dem Blickwinkel der ihm gem. § 254 BGB obliegenden Schadensminderungspflicht zugemutet werden konnte (vgl. BGH-Urteil vom 14.02.2006 – VI ZR 32/05, BGH-Urteil vom 04.07.2006 – VI ZR 237/05, BGH-Urteil vom 23.01.2007 – VI ZR 18/06, BGH-Urteil vom 06.03.2007 – VI ZR 36/06, BGH-Urteil vom 12.06.2007 – VI ZR 161/05, BGH-Urteil vom 26.06.2007 – VI ZR 163/06, BGH-Urteil vom 24.06.2006 – VI ZR 234/07).
Die Rechtsprechung des BGH zur Zugänglichkeit eines „Normal-Tarifes“ kann auch auf Fallgestaltungen übertragen werden, bei denen dem Geschädigten kein Unfallersatztarif sondern ein einheitlicher Tarif angeboten wurde. In beiden Fällen ist es aber Sache des Geschädigten darzulegen und zu beweisen, dass ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie der gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt – zumindest auf Nachfrage – kein wesentlich günstigerer Tarif zugänglich war.
Der Kläger hat im Ergebnis seine Schadensminderungspflicht nicht verletzt. Unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BGH vom 14.10.2008 zum AZ: VI ZR 308/07 legt auch das angerufene Gericht seiner Schätzung nach § 287 ZPO auch weiterhin den Schwacke-Mietpreisspiegel 2003 unter Berücksichtigung eines 10%igen Inflationsaufschlages und eines weiteren Aufschlages i.H.v. 3 % (wegen Mehrwertsteuererhöhung) zugrunde. Insofern hat der BGH ausdrücklich klargestellt, dass die Art der Schadensgrundlage in § 287 ZPO nicht vorgegeben ist. Die Schadenshöhe darf lediglich nicht auf der Grundlage falscher oder offenbar unsachlicher Erwägungen festgesetzt werden und ferner dürfen wesentliche, die Entscheidung bedingende Tatsachen nicht außer Acht bleiben.
Auf der Grundlage der herangezogenen Schwacke-Liste 2003 ergibt sich für vorliegenden Fall folgende Berechnung:
– 3 Tagespreis = EUR 210,– x 2 für insgesamt 6 Tage = EUR 420,00
– + 13 % (Inflations- und Mehrwertsteueraufschlag) ergibt EUR 474,60
– abzügl. Eigenersparnis i.H.v. 10 % ergibt EUR 427,14
– zzgl. EUR 30,– (EUR 5,– je Tag in st.Rspr. in 2 C) für Winterreifen
– abzügl. zzgl. Kosten für Haftungsbefreiung i.H.v. EUR 114,86
– zzgl. Zustell-/Abholkosten i.H.v. insgesamt EUR 42,24
ergibt insgesamt: EUR 416,24.
Damit liegt der vertraglich vereinbarte Preis (mit EUR 825,86) 26 % über dem „Normal-Tarif“ auf dem örtlichen Markt. Es kann dahingestellt bleiben, ob dieser Anmiettarif betriebswirtschaftlich notwendig war und im Hinblick auf Mehraufwendungen bei der Vermietung von Unfallersatzfahrzeugen ein ggf. pauschalierten Aufschlag auf den gewichteten Normaltarif rechtfertigt. Denn der Geschädigte kann im Hinblick auf die gebotene subjektbezogene Schadensbetrachtung dann einen höheren Betrag als den „Normal-Tarif“ ersetzt verlangen, wenn er darlegt, dass ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und ein Einflussmöglichkeiten sowie der gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt kein wesentlich günstigerer Tarif zugänglich war (vgl. nur BGH, Urteil vom 13.06.2006, AZ: VI ZR 161/05). Nach den vom BGH entwickelten Grundsätzen kommt es insbesondere für die Frage der Erkennbarkeit der Tarifunterschiede für den Geschädigten darauf an, ob ein vernünftiger oder wirtschaftlich denkender Geschädigter unter dem Aspekt des Wirtschaftlichkeitsgebotes zu einer Nachfrage nach einem günstigeren Tarif gehalten gewesen wäre. Zu einer solchen Nachfrage ist der Geschädigte nur gehalten, wenn er Bedenken gegen die Angemessenheit des ihm angebotenen Unfallersatztarifs haben muss. Dies ist nur dann der Fall, wenn der angebotene Tarif „erheblich“ bzw. „auffällig hoch“ über dem in der Schwacke-Liste aufgezeigten Tarifen liegt.
Unter Hinweis auf den Beschluss des OLG Dresden vom 29.06.2009 zum AZ: 7 O 499/06 hat sich hinsichtlich der Frage der Erkennbarkeit die Überzeugung gebildet, dass ein Geschädigter Zweifel an der Angemessenheit des Tarifs dann haben muss, wenn dieser zwischen 50 und 100 % höher liegt, als der örtlich übliche Normaltarif.
Nach alledem war hier der Kläger bei einer Preisspanne von lediglich 26 % noch nicht zur Nachfrage nach einem günstigeren Tarif gehalten.
Die Entscheidung hinsichtlich der Zinsen sowie hinsichtlich der Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten rechtfertigt sich aus dem Gesichtspunkt des Verzuges unter Hinweis auf die §§ 280, 286, 288 BGB.
Soweit das AG Freiberg.