Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,
nachfolgend gebe ich Euch wieder ein aktuelles Urteil zu den erforderlichen Sachverständigenkosten bekannt. Es handelt sich um ein Urteil des Amtsgericht Frankfurt am Main vom 9.3.2012. Der klagende Sachverständige war und ist aktivlegitimiert. Aufgrund des letzten BGH-Urteil zur Forderungseinziehung dürfte sich das Thema für die Versicherer auch erledigt haben. Mietwagenunternehmer und Sachverständige sind zur Einziehung der Kosten berechtigt, wenn nur noch über diese Kosten Streit besteht. Bei den erforderlichen Sachverständigenkosten nimmt der erkennende Amtsrichter – zutreffend – BGHZ 163, 182 ff. zur Ausdeutung des immer wieder von den Versicherern vorgetragenen Halbsatzes des BGH-Urteils vom 23.1.2007 – VI ZR 67/06 – hinzu. Die Beweis- und Darlegungslast, dass der Sachverständige sich als zu teuer erweisen sollte, liegt beim Schädiger und nicht, wie die Versicherer meinen, beim Geschädigten. Das hat der erkennende Richter der 32. Zivilabteilung des AG Frankfurt sauber und nachvollziehbar herausgearbeitet. Schon von daher ist das amtsgerichtliche Urteil lesenswert. Lest aber selbst und gebt Eure Meinungen ab.
Viele Grüße und eine schöne Restwoche.
wünscht Euch Euer Willi Wacker
Amtsgericht Frankfurt am Main Verkündet – It. Prot. – am:
Aktenzeichen: 32 C 2512/11 (18) 09.03.2012
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
…
Klägerin
gegen
Zürich Insurance plc. NfD vtr. d. d. Hauptbevollm. Eduard Thometzek, Solmsstr. 27-37, 60486 Frankfurt am Main
Beklagte
hat das Amtsgericht Frankfurt am Main durch den Richter … im schriftlichen Verfahren gemäß § 495a ZPO, in dem Schriftsätze eingereicht werden konnten bis zum 02.03.2012, für Recht erkannt:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 142,72 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5. Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.08.2011, 2,56 € an Vordruckkosten und 39,00 € an vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe
(auf einen Tatbestand wird nach § 313a Abs. 1 ZPO verzichtet)
Die zulässige Klage ist begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch aus abgetretenem Recht auf Erstattung der restlichen Gutachterkosten in Höhe von 142,72 Euro aus §§ 7, 17, StVG; 115 VVG;249, 398 BGB.
Dieser Schadensersatzanspruch steht der Klägerin infolge wirksamer Abtretung in Form einer Sicherungsabtretung zu. Das erkennende Gericht hat keine Bedenken hinsichtlich der Aktivlegitimation der Klägerin, nachdem sie eine neue Erklärung vorgelegt hat, die den Anforderungen an die Bestimmtheit durch den BGH genügt. Auch wenn zweifelhaft ist, ob eine Abtretung im Nachhinein durch die Beteiligten ausgelegt werden kann, so muss das Schriftstück doch so verstanden werden, dass damit zugleich hilfsweise auch eine erneute Abtretung verbunden ist. Sie ist vor dem Schriftsatzschluss erfolgt, der dem für die Rechtslage maßgebenden Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht.lm Übrigen hat die Beklagte darauf auch nicht mehr reagiert, was die Folge des § 138 Abs. 3 ZPO nach sich zieht.
Ein Verstoß gegen das RDG liegt nicht vor.
Die Gutachterkosten sind nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ersatzfähig, da die Unfallbegutachtung der Wiederherstellung des Fahrzeugs dient (vgl. BGH, NJW-RR 1989, 956). Zudem ist die Regulierungspflicht der Beklagten für die durch den streitgegenständlichen Unfall verursachten Schäden zwischen den Parteien dem Grunde nach unstreitig.
Der Schädiger hat nach § 249 Abs. 2 BGB den zur Wiederherstellung der beschädigten Sache erforderlichen Geldbetrag zu zahlen. Der Geschädigte kann vom Schädiger nach § 249 Abs. 2 BGB nur den erforderlichen Herstellungsaufwand erstattet verlangen, also diejenigen Kosten, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen (vgl. BGHZ 115, 354; 369; 160, 377, 383; 162, 161, 165). Auch ist der Geschädigte grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Markts verpflichtet, um einen für den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen, wobei für ihn allerdings das Risiko verbleibt, dass er ohne nähere Erkundigungen einen Sachverständigen beauftragt, der sich später im Prozess als zu teuer erweist (vgl. BGH VI ZR 67/06 v. 23.01.2007; BGHZ 163, 362, 367 f.). Vieles spricht dafür, dass damit nicht gemeint ist, dass eine umfassende Preiskontrolle stattfindet. Dies zeigt die Entscheidung BGHZ 163, 362 ff., auf die sich BGH VI ZR 67/06 v. 23.01.2007 ausdrücklich beruft. In der erstgenannten Entscheidung (zur Verwertung des Fahrzeugs) ist deutlich davon die Rede, dass „besondere Umstände“ vorliegen müssen, damit ein Verstoß gegen eine Schadensminderungspflicht angenommen werden kann. Für diese ist der Schädiger nach dieser Entscheidung darlegungs- und beweisbelastet. Das Missverständnis, der BGH habe in der Entscheidung vom 23.01.2007 zum Ausdruck bringen wollen, dass jeder Euro zuviel ein Risiko des Geschädigten in allen denkbaren Fällen ist, ist auch deswegen nicht nachvollziehbar, weil sich dann die Frage stellt, von welcher Bedeutung es noch sein soll, dass keine Pflicht zur Marktforschung besteht – denn wirtschaftlich-faktisch bestünde sie nach diesem (falschen) Verständnis sehr wohl.
Eine pauschale Berechung ist nicht zu beanstanden (BGH a. a. O.). Die Frage, ob die Pauschale zu hoch ist, beantwortet sich nach den dargelegten Grundsätzen, also danach, ob „besondere Umstände“ vorliegen. Solche besonderen Umstände sind nicht erkennbar. Es steht gerade nicht fest, dass der Geschädigte dies aufgrund konkreter Umstände ohne Weiteres hätte erkennen können und die Preisgestaltung des Klägers als willkürlich hätte ansehen müssen, was zu einer anderen rechtlichen Bewertung führen könnte (vgl. LG Saarbrücken, Urteil v. 20.10.2006, Az.: 13 A S 12/06; LG Saarbrücken, Urteil v. 29.08.2008, Az.: 13 S 108/08, zitiert nach juris). Dies gilt erst Recht angesichts der nicht einheitlichen Abrechnungsweisen der Sachverständigen im Kraftfahrzeug-Schadensbereich. Regelmäßig besteht keine wirtschaftlich vertretbare Möglichkeit, Vergleichsangebote heranzuziehen. Der Markt und seine Berechungsmetho-den sind weitaus komplexer als bei Mietwagen. Die Grenze, ab der allein die Höhe des Honorars bzw. die Relation zu den Reparaturkosten „besondere Umstände“ begründet – und nicht etwa die Erfahrenheit des Geschädigten mit den Preisen der Sachverständigen o. ä. -, muss in dieser Entscheidung nicht bestimmt werden. Orientiert sich die Berechung am BVSK und überschreitet 25 % der Reparaturkosten nicht, ist die Annahme fernliegend, der Geschädigte hätte davon Abstand nehmen müssen.
Ginge man von einer Art genereller Preiskontrolle durch das Gericht ohne Rücksicht auf den Einzelfall aus, so würde sich diese nach den BVSK-Sätzen oder einer Pauschalierung (25 % der Reparaturkosten) richten. In beiden Fällen würde sich kein anderes Ergebnis ergeben, weil die Klägerin beide Grenzen unstreitig einhält.
Auch die Nebenkosten des Gutachtens sind nach dem substantiierten Vortrag in der Replik nicht zu beanstanden. Daraufhin hat die Beklagte ihr Bestreiten nicht weiter unterfüttert.
Dem Kläger stehen ferner der geltend gemachte Zinsanspruch sowie der Anspruch auf Zahlung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten unter dem Gesichtspunkt des Verzuges aus §§ 286 Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs 1 BGB zu.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Die Berufung war mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 511 Abs. 4 ZPO nicht zuzulassen. Das LG Frankfurt am Main als Berufungsgericht hat nicht zu einer einheitlichen Rechtsprechung in der Frage der Angemessenheit gefunden. Teilweise wird auf die BVSK-Werte abgestellt (LG Frankfurt am Main vom 13.05.2011, 2-01 S 351/09), teilweise auf 25 % der Reparaturkosten (LG Frankfurt am Main vom 05.05.2011, 2-24 S 186/10). Beide Grenzen sind hier ohnehin gewahrt; ob der Klage deswegen stattzugeben ist oder weil die Sachverständigenkosten abgesehen von Fällen der Erkennbarkeit ohnehin zu ersetzen sind, ist ohne Entscheidungsrelevanz. Auch zur Klärung der Frage durch den BGH im Anschluss an eine Berufungsentscheidung ist die Berufung nicht zuzulassen. Denn das Landgericht lässt ohnehin die Revision in ständiger Rechtsprechung mit dem Argument nicht zu, dass die Schadensschätzung nach § 287 ZPO Aufgabe des Tatrichters ist (LG Frankfurt am Main vom 05.05.2011, 2-24 S 186/10 = BeckRS 2011, 53542). Aufgrund der geringen Beschwer ist eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen diese Entscheidungen nicht möglich.
Bravo!
Sauber herausgearbeitet,dass BGH VI ZR 67/06 von der HUK seit nunmehr über 6 Jahren fehlinterpretiert wird!
Nachzulesen übrigens auch bei Hentschel,König,Dauer,Strassenverkehrsrecht 41.Aufl.§12 StVG Rz.50–diese Kommentierung stammt von Herrn Richter am BGH Dr. Peter König.
Selbst dann,wenn die Gutachterkosten der HUK zu teuer erscheinen,sind sie vollständig zu regulieren!
OLG Nürnberg merkte bereits im Jahre 2002 treffend an:“Der Streit um die Höhe der Gutachterkosten darf nicht auf dem Rücken des Geschädigten ausgetragen werden.“(VRS 123,321)
Hallo RA. Imhof,
genau so isses!! Deshalb hatte ich auch im Vorspann bereits auch auf das lesenswerte Urteil, das meiner Meinung nach drei Sterne verdient, hingewiesen.
Überzeugend ist auch die Begründung des erkennenden Richters bezüglich der Nichtzulassung der Berufung.
Solche Richter braucht das Land.
Mit freundlichen Grüßen
Dein Willi
Hallo Willi,
ein richtig gutes Urteil des AG Frankfurt am Main. Der Satz der Versicherungsanwälte, dass „für den Geschädigten allerdings das Risiko verbleibt, dass er ohne nähere Erkundigungen einen Sachverständigen beauftragt, der sich später im Prozess als zu teuer erweist“, möge diesen zukünftig im Halse stecken bleiben. Denn es stellt sich immer wieder heraus, dass damit der Versuch unternommen werden soll, die Gerichte entgegen allen Urteilen des BGH insoweit zu verunsichern.
Deshalb ist es wichtig, solche glasklaren Statements gegen den Mist der Versicherungsanwälte hier zu veröffentlichen, damit sich die übrige Richterschaft daran ein Beispiel nehmen kann in Form von copy & paste!
Hallo Babelfisch,
das Urteil bzw. Passagen aus dem Urteil eignen sich meines Erachtens gut als Textbausteine gegen das ständige unsinnige Vorbringen der Versicherungen, die meinen, der Geschädigte sei verpflichtet, Angebote anderer Gutachter einzuholen. Wenn dem so wäre, wäre in der Tat der klare und unmißverständliche Satz des BGH, dass der Geschädigte nicht zur Erforschung des ihm zugänglichen Marktes verpflichtet ist, ohne Sinn.
Ich finde, dass es sich um ein Drei-Sterne-Urteil zu den erforderlichen Sachverständigenkosten handelt.
Mit freundlichen Grüßen
Dein Willi
@ Willi Wacker
Hallo, Willi Wacker,
sicher wieder ein bemerkenswertes Urteil und die Abfolge solcher Urteile wird immer kürzer. Da kann die HUK-Coburg auch kaum noch mit den für sie günstigen Entscheidungen einiger Abteilungen des AG Bochum Land gewinnen, denn diese sind dort keineswegs durchgängige Rechtsprechung.
In blinder Selbstüberheblichkeit erkennen die hier verantwortlichen Entscheidungsträger der HUK-COBURG augenscheinlich aber immer noch nicht, dass inzwischen die Duldungsschwelle für solche Manipulationen längst überschritten ist und die HUK-COBURG dies tagtäglich mit zunehmenden Feinheiten in den Entscheidungsgründen auch von den Gerichten quer durch die BRD verdeutlicht bekommt. „Erst das Wissen um Blindheit macht sehend.“ Diese Erkenntnis des österreichische Physikers Heinz von Foerster sollte sich auch die HUK-COBURG mit ihrem ansonsten sicherlich bemerkenswert herausragendem Management einmal etwas deutlicher vor Augen führen. Warum eigentlich bisher nicht ? Der Gewinn wäre zweifelsohne größer.
Mit besten Grüßen
G.v. H.