AG Frankfurt am Main verurteilt Zurich Versicherung zur Zahlung restlicher Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht mit Urteil vom 9.3.2012 – 32 C 2513/11 (18) -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,

die Zurich Versicherung macht offenbar alles der HUK-Coburg nach. Merken die einzelnen Versicherer denn  nicht, dass sie da auf völlig falschen Fährten unterwegs sind. So musste der erkennende Richter der 32. Zivilabteilung des AG Frankfurt am Main über die restlichen Sachverständigenkosten entscheiden, die die zurich Versicherung widerrechtlich gekürzt hatte. Die Zurich hatte, wie die HUK-Coburg schon viele Male vorher, auf den ominösen Halbsatz im BGH-Urteil vom 23.1.2007 – BGH DS 2007, 144, hingewiesen. Das erkennende Gericht hat unter Hinweis auf BGHZ 163, 362 ff., auf die auch der VI. Zivilsenat in seinem Urteil vom 23.1.2007 – VI ZR 67/06 – (DS 2007, 144 ff.) verweist, darauf hingewiesen, dass sie ein falsches Verständnis vom Schadensersatzrecht hat. Das Gericht hat zutreffend den halbsatz ausgedeutet. Lest das urteil aber bitte selbst. Nachfolgend das  Urteil aus Frankfurt am Main zum Thema Sachverständigenkosten.

Viele Grüße und eine schöne Woche.
Euer Willi Wacker

Amtsgericht Frankfurt am Main                  Verkündet – It. Prot. – am:
Aktenzeichen: 32 C 2513/11 (18)             09.03.2012

Im Namen des Volkes
Urteil

In dem Rechtsstreit

Klägerin

gegen

Zürich Insurance plc. NfD vtr. d. d. Hauptbevollm. Eduard Thometzek, Solmsstr. 27-37, 60486 Frankfurt am Main

Beklagte

hat das Amtsgericht Frankfurt am Main durch den Richter … im schriftlichen Verfahren gemäß § 495a ZPO, in dem Schriftsätze eingereicht werden konnten bis zum 29.02.2012, für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 86,31 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.07.2011, 2,56 € an Vordruckkosten und 39,00 € an vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe

(auf einen Tatbestand wird nach § 313a Abs. 1 ZPO verzichtet)

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch aus abgetretenem Recht auf Erstattung der restlichen Gutachterkosten in Höhe von 86,31 Euro aus §§ 7, 17, StVG; 115 VVG; 249, 398 BGB.

Dieser Schadensersatzanspruch steht der Klägerin infolge wirksamer Abtretung in Form einer Sicherungsabtretung zu. Das erkennende Gericht hat keine Bedenken hinsichtlich der Aktivlegitimation der Klägerin, nachdem sie eine neue Erklärung vorgelegt hat, die den Anforderungen an die Bestimmtheit durch den BGH genügt. Auch wenn zweifelhaft ist, ob eine Abtretung im Nachhinein durch die Beteiligten ausgelegt werden kann, so muss das Schriftstück doch so Verstanden werden, dass damit zugleich hilfsweise auch eine erneute Abtretung verbunden ist. Sie ist vor dem Schriftsatzschluss erfolgt, der dem für die Rechtslage maßgebenden Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht. Im Übrigen hat die Beklagte darauf auch nicht mehr reagiert, was die Folge des § 138 Abs. 3 ZPO nach sich zieht.

Ein Verstoß gegen das RDG liegt nicht vor.

Die Gutachterkosten sind nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ersatzfähig, da die Unfallbegutachtung der Wiederherstellung des Fahrzeugs dient (vgl. BGH, NJW-RR 1989, 956). Zudem ist die Regulierungspflicht der Beklagten für die durch den streitgegenständlichen Unfall verursachten Schäden zwischen den Parteien dem Grunde nach unstreitig.

Der Schädiger hat nach § 249 Abs. 2 BGB den zur Wiederherstellung der beschädigten Sache erforderlichen Geldbetrag zu zahlen. Der Geschädigte kann vom Schädiger nach § 249 Abs. 2 BGB nur den erforderlichen Herstellungsaufwand erstattet verlangen, also diejenigen Kosten, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen (Vgl. BGHZ 115, 364, 369; 160, 377, 383; 162, 161, 165). Auch ist der Geschädigte grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Markts verpflichtet, um einen für den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen, wobei für ihn allerdings das Risiko verbleibt, dass er ohne nähere Erkundigungen einen Sachverständigen beauftragt, der sich später im Prozess als zu teuer erweist (vgl. BGH VI ZR 67/06 v. 23.01.2007; BGHZ 163, 362, 367 f.). Vieles spricht dafür, dass damit nicht gemeint ist, dass eine umfassende Preiskontrolle stattfindet. Dies zeigt die Entscheidung BGHZ 163, 362 ff., auf die sich BGH VI ZR 67/06 v. 23.01.2007 ausdrücklich beruft. In der erstgenannten Entscheidung (zur Verwertung des Fahrzeugs) ist deutlich davon die Rede, dass „besondere Umstände“ vorliegen müssen, damit ein Verstoß gegen eine Schadensminderungspflicht angenommen werden kann. Für diese ist der Schädiger nach dieser Entscheidung darlegungs- und beweisbelastet. Das Missverständnis, der BGH habe in der Entscheidung vom 23.01.2007 zum Ausdruck bringen wollen, dass jeder Euro zuviel ein Risiko des Geschädigten in allen denkbaren Fällen ist, ist auch deswegen nicht nachvollziehbar, weil sich dann die Frage stellt, von welcher Bedeutung es noch sein soll, dass keine Pflicht zur Marktforschung besteht – denn wirtschaftlich-faktisch bestünde sie nach diesem (falschen) Verständnis sehr wohl.

Eine pauschale Berechung ist nicht zu beanstanden (BGH a. a. O.). Die Frage, ob die Pauschale zu hoch ist, beantwortet sich nach den dargelegten Grundsätzen, also danach, ob „besondere Umstände“ vorliegen. Solche besonderen Umstände sind nicht erkennbar. Es steht gerade nicht fest, dass der Geschädigte dies aufgrund konkreter Umstände ohne Weiteres hätte erkennen können und die Preisgestaltung des Klägers als willkürlich hätte ansehen müssen, was zu einer anderen rechtlichen Bewertung führen könnte (vgl. LG Saarbrücken, Urteil v. 20.10.2006, Az.: 13 A S 12/06; LG Saarbrücken, Urteil v. 29.08.2008, Az.: 13 S 108/08, zitiert nach juris). Dies gilt erst Recht angesichts der nicht einheitlichen Abrechnungsweisen der Sachverständigen im Kraftfahrzeug-Schadensbereich. Regelmäßig besteht keine wirtschaftlich vertretbare Möglichkeit, Vergleichsangebote heranzuziehen. Der Markt und seine Berechungsmethoden sind weitaus komplexer als bei Mietwagen. Die Grenze, ab der allein die Höhe des Honorars bzw. die Relation zu den Reparaturkosten „besondere Umstände“ begründet – und nicht etwa die Erfahrenheit des Geschädigten mit den Preisen der Sachverständigen o. ä. -, muss in dieser Entscheidung nicht bestimmt werden. Orientiert sich die Berechung am BVSK und überschreitet 25 % der Reparaturkosten nicht, ist die Annahme fernliegend, der Geschädigte hätte davon Abstand nehmen müssen.

Ginge man von einer Art genereller Preiskontrolle durch das Gericht ohne Rücksicht auf den Einzelfall aus, so würde sich diese nach den BVSK-Sätzen oder einer Pauschalierung (25 % der Reparaturkosten) richten. In beiden Fällen würde sich kein anderes Ergebnis ergeben, weil die Klägerin beide Grenzen unstreitig einhält.

Auch die Nebenkosten des Gutachtens sind nach dem substantiierten Vortrag in der Replik nicht zu beanstanden. Daraufhin hat die Beklagte ihr Bestreiten nicht weiter unterfüttert.

Dem Kläger stehen ferner der geltend gemachte Zinsanspruch sowie der Anspruch auf Zahlung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten unter dem Gesichtspunkt des Verzuges aus §§ 286 Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs 1 BGB zu.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

Die Berufung war mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 511 Abs. 4 ZPO nicht zuzulassen. Das LG Frankfurt am Main als Berufungsgericht hat nicht zu einer einheitlichen Rechtsprechung in der Frage der Angemessenheit gefunden. Teilweise wird auf die BVSK-Werte abgestellt (LG Frankfurt am Main vom 13.05.2011, 2-01 S 351/09), teilweise auf 25 % der Reparaturkosten (LG Frankfurt am Main vom 05.05.2011, 2-24 S 186/10). Beide Grenzen sind hier ohnehin gewahrt; ob der Klage deswegen stattzugeben ist oder weil die Sachverständigenkosten abgesehen von Fällen der Erkennbarkeit ohnehin zu ersetzen sind, ist ohne Entscheidungsrelevanz. Auch zur Klärung der Frage durch den BGH im Anschluss an eine Berufungsentscheidurig ist die Berufung nicht zuzulassen. Denn das Landgericht lässt ohnehin die Revision in ständiger Rechtsprechung mit dem Argument nicht zu, dass die Schadensschätzung nach § 287 ZPO Aufgabe des Tatrichters ist (LG Frankfurt am Main vom 05.05.2011, 2-24 S 186/10 = BeckRS 2011, 53542). Aufgrund der geringen Beschwer ist eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen diese Entscheidungen nicht möglich.

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