Mit Urteil vom 24.01.2012 (923 C 199/11) hat das Amtsgericht Hamburg-St. Georg die KRAVAG Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 574,15 € zzgl. Zinsen sowie vorgerichtlicher RA-Kosten verurteilt. Als Schätzungsgrundlage wird die Schwacke-Liste herangezogen. Möglicherweise leitet dieses Urteil ein Umdenken in der bislang betonierten Fraunhoferlandschaft im Sprengel des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg ein. Letzteres hat mit dem seinem – falschen – Urteil dafür Sorge getragen, dass eine Vielzahl von Unfallgeschädigten auf Mietwagenkosten sitzen geblieben sind. Es bleibt zu hoffen, dass in den Instanzengerichten Besinnung einkehrt.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist zulässig und begründet
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 574,15 € gemäß §§ 823 BGB, 7, 17, 18 StVG, 115 VVG, 3 PflVG BGB.
Die Beklagte als Haftpflichtversicherung des alleinigen Verursachers des Verkehrsunfalls vom xx.xxx.2011, an dem die Klägerin beteiligt war, ist der Klägerin zum Ersatz von deren gesamten Schaden verpflichtet. Hierzu gehören auch die Kosten für die Stellungnahme des Sachverständigen X. von 89,25 € gemäß Rechnung vom 21. Februar 2011 (Anlage K2) und die Kosten für einen Ersatzwagen von 797,90 € gemäß Rechnung vom xx.xx.2011 (Anlage K3).
Zum einen kann der Geschädigte gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB vom Schädiger nach einem Verkehrsunfall ein Sachverständigenhonorar verlangen, wenn eine Begutachtung der beschädigten Sache zur tatsächlichen Durchführung der Wiederherstellung erforderlich und zweckmäßig ist. Hier war eine Begutachtung des beschädigten Kraftfahrzeugs für die Feststellung des Schadens der Klägerin und insbesondere die Durchsetzung von ihren Ansprüchen erforderlich und zweckmäßig, da die Beklagte gemäß unbestrittenen Vortrag der Klägerin prompt nach Erhalt der Stellungnahme des Sachverständigen auch den restlichen Fahrzeugschaden von 997,66 € regulierte, den sie vorher nicht bereit war zu zahlen.
Zum anderen kann der Geschädigte gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB vom Schädiger nach einem Verkehrsunfall den Ersatz von Mietwagenkosten als erforderlichen Herstellungsaufwand verlangen, wenn ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten diese Mietwagenkosten für zweckmäßig und notwendig hält. Dem Grunde nach sind sich die Parteien darüber einig, dass auch die Mietwagenkosten erforderlich und zweckmäßig sind. Die Beklagte hat unstreitig einen Teilbetrag der Mietwagenkosten beglichen und bestreitet lediglich die Erforderlichkeit der Höhe der entstandenen Mietwagenkosten.
Sollte keine besondere Eilbedürftigkeit vorliegen, kann der Geschädigte ein Angebot ohne weitere Erkundigungen annehmen, wenn es sich nicht aufdrängt, dass die Mietwagenkosten zu hoch sind. Sollten die Mietwagenkosten den Kosten für die Miete eines dem verunfallten Fahrzeug vergleichbaren Fahrzeugs gemäß der sog. Schwacke-Liste entsprechen, musste die Klägerin nicht davon ausgehen, dass die Mietwagenkosten zu hoch sind, weil gemäß höchstrichterlicher Rechtsprechung die Schwacke-Liste dem jeweils erkennenden Gericht grundsätzlich als Schätzgrundlage dienen kann. Die Anwendung der Schwacke-Liste als Schätzgrundlage begegnet hier keinen Bedenken, da die Beklagte keine deutlich günstigeren Angebote anderer Anbieter als Beispiel für die von ihr geltend gemachten Mängel der Schwacke-Liste aufgezeigt hat. Denn gemäß ihrem Vortrag hat die Beklagte die günstigeren Angebote im Postleitzahlenbereich von 09xxx recherchiert, während die Schwacke-Liste Preise für den – genaueren – Postleitzahlenbereich von 093xx wiedergibt.
Hier liegen gemäß dem Vortrag der Klägerin die streitgegenständlichen Mietwagenkosten niedriger als es im Automietpreisspiegel von Schwacke 2010 für ein Fahrzeug der Klasse 4, dem der verunfallte klägerische Pkw unstreitig zuzuordnen ist, angegeben wird. Denn selbst wenn nur die Miete für ein Fahrzeug der Klasse 4 für den Zeitraum von 7 Tagen nebst den erforderlichen Zuschlägen für das Hinbringen und Abholen des Ersatzwagens sowie eine Haftungsbefreiung nach dem jeweiligen Mittel gemäß der Schwacke-Liste 2010 berechnet worden wäre, wären insgesamt mit Umsatzsteuer Kosten von 938,74 € angefallen, wovon 10 % von ersparten Eigenkosten in Abzug zu bringen wären, also die Beklagte Kosten von 844,86 € zu tragen gehabt hätte. Die genannten Zuschläge sind deswegen erforderlich, weil gerichtsbekannt ist, dass nicht alle Mietfahrzeuge von einer Reparaturwerkstatt vorgehalten werden können und so das Hinbringen und Abholen des Ersatzwagens zur Reparaturwerkstatt oder zur Klägerin in Rechnung gestellt werden könnte, und die Vereinbarung einer Haftungsbefreiung ist im Hinblick auf mögliche Unfälle mit dem Ersatzwagen gerechtfertigt. Insofern kann es hier offen bleiben, ob sich tatsächlich Winterreifen an dem Ersatzwagen befanden, da die Klägerin mit den tatsächlichen Mietwagenkosten durch Anmietung eines klassenniedrigeren Ersatzwagens von 797,90 € bereits weniger fordert, als es ihr nach Ansicht des Gerichts möglich gewesen wäre.
Außerdem sind die Kosten auch im Hinblick auf einen Mietzeitraum von 7 Tagen erforderlich, da gemäß dem Reparaturablaufplan der Firma Autohaus Y. vom xx.xx.2011 (Anlage K11) die Reparatur des klägerischen Fahrzeugs jedenfalls 7 Tage gedauert hat.
Die Klägerin hat auch nicht gegen ihre Schadensminderungspflicht verstoßen. Gemäß § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB mindert sich der Anspruch des Geschädigten wenn er es unterlassen hat, den Schaden zu mindern. Dies wäre durch den Ersatzpflichtigen (Schädiger oder Versicherung) darzulegen und ggf. zu beweisen. Die Klägerin hat nicht gegen ihre Schadenminderungspflicht verstoßen, obwohl sie keine Vergleichsangebote eingeholt hat, weil es nicht ersichtlich ist, dass dies zu niedrigeren Mietwagenkosten geführt hätte. Es obliegt dem Ersatzpflichtigen, konkrete Umstände darzulegen und ggf. zu beweisen, wonach dem Geschädigten in seiner konkreten Situation „ohne weiteres“ zum Zeitpunkt der Anmietung des Ersatzwagen ein Wagen zu einem günstigeren Tarif eines bestimmten Autovermieters zur Verfügung gestanden hatte (BGH Urteil vom 2. Februar 2010 –VI ZR 139/08, NJW 2010,1445). Dies hat die Beklagte nicht vorgetragen, so dass die von der Beklagten benannten Zeugen nicht zu vernehmen waren. Denn die Beklagte hat vorgetragen und unter Zeugenbeweis gestellt, dass sie am xx.x..2011 im Internet Telefonbucheinträge von drei namentlich benannten Autovermietungen in Chemnitz ermittelt habe, bei denen der Klägerin in deren Situation die Anmietung eines dem tatsächlich angemieteten Pkw vergleichbaren Ersatzfahrzeugs zu günstigeren Preisen grundsätzlich zugänglich gewesen und das jeweilige Ersatzfahrzeug von den drei genannten Autovermietungsunternehmen im konkreten Anmietzeitraums auch tatsächlich verfügbar gewesen sei. Jedoch trägt die Beklagte keine konkreten Umstände dazu vor, inwieweit diese von der Beklagten ermittelten Angebote der Klägerin in ihrer Situation „ohne weiteres“ zuganglich gewesen wären, z.B. weil die Beklagte die Klägerin vor der Anmietung auf diese gunstigeren Angebote hingewiesen hätte.
Hinsichtlich eines unstreitig von der Beklagten gezahlten Betrags von 313,00 € ist die Forderung der Klägerin gemäß § 362 BGB erloschen.
Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten sind gemäß §§ 280, 286, 249 BGB i.V.m. §§ 1 ff. RVG geschuldet, wobei hier lediglich die nach Zahlung von 402,82 € noch offene Differenz von 43,31 € von der Beklagten zu leisten ist. Die Zinsforderung rechtfertigt sich aus §§ 280, 286, 288 Abs. 1 BGB bzw. § 291 BGB als Schadensersatz unter dem Gesichtspunkt des Verzugs.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung ober die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Dem Antrag auf Zulassung zur Berufung war nicht stattzugeben, da es sich hier um eine Einzelfallentscheidung handelt und gemäß § 511 Abs. 4 ZPO die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern würde.
Soweit das AG Hamburg-St. Georg.