Mit Datum vom 07.09.2011 (1 C 70/11) hat das Amtsgericht Poessneck, Zweigstelle Bad Lobenstein, u. a. die R + V Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 1.047,64 € zzgl. Zinsen verurteilt. Dies auf der Basis des Schwacke-Liste, die Fraunhofer Tabelle wird abgelehnt.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist zulässig und in der Sache auch erfolgreich.
Der Kläger hat Anspruch auf restlichen Schadensersatz aus dem Unfallereignis vom xx.xx.2010 gemäß den §§ 7 Abs. 1, 18 StVG, 115 Abs. 1 PflVersG, 249 ff BGB.
Die alleinige Einstandspflicht der Beklagten ist zwischen den Parteien unstreitig. Im Streit stehen lediglich die restlichen Mietwagenkosten.
Nach Auffassung des Gerichtes stehen dem Kläger noch weitere restliche Mietwagenkosten in der beantragten Höhe zu.
Mietwagenkosten gehören regelmäßig zu den Kosten der Schadesbehebung i.S. des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB, wobei jedoch nur die Aufwendungen als erforderlich i.S. der genannten Vorschrift anzusehen sind, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte.
Dabei verstößt der Geschädigte nicht schon dann gegen seine Pflicht zur Schadensminderung, wenn er ein Kraftfahrzeug zu einem sogenannten Unfallersatztarif anmietet. Es ist darauf abzustellen, ob der Geschädigte die Anmietung eines Kraftfahrzeuges zum Unfallersatztarif sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach für erforderlich erachten durfte.
Der Kläger, der vorliegend im Hinblick auf den ausweislich der Rechnung der Kfz-Vermietung X. vom 28.12.2010 hinreichend nachgewiesenen Fahrbedarf von 876 km die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges zunächst dem Grunde nach für erforderlich halten durfte, hat auch hinsichtlich der anzustellenden Prüfung, ob die Anmietung zum Unfallersatztarif auch der Höhe nach als erforderlicher Schadensbeseitigungsaufwand i.S. des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB anzusehen ist, im Rahmen seines Vorbringens Vortrag zur betriebswirtschaftlichen Rechtfertigung gehalten, der es rechtfertigt, unter Anwendung des § 287 ZPO einen angemessenen pauschalen Aufschlag i.H.v. 20 % für Mehraufwendungen bei der Vermietung von Unfallersatzfahrzeugen gegenüber dem Normaltarif vorzunehmen.
Er hat mit der Klageschrift Vortrag zu unfallbedingten Mehrleistungen, insbesondere zur Vorfinanzierung der Mietwagenkosten, zu Vorhaltekosten schlechter ausgelasteter Fahrzeuge und einen damit verbundenen geringeren Auslastungsgrad gehalten, der einen pauschalen Aufschlag im Umfang von 20 % zur Bemessung des durchschnittlichen Wertes der Mehrleistungen bei der Vermietung von Unfallersatzfahrzeugen im Vergleich zur „normalen“ Anmietung rechtfertigt. Denn die genannten unfallbedingten Mehrleistungen sind solche, die bei der gebotenen subjektbezogenen Schadensbetrachtung zu dem zur Beseitigung des Schadens erforderlichen Aufwand des Geschädigten gehören und nicht nur dem Geschädigten die eigene Mühewaltung oder die Durchsetzung der Ersatzforderung abnehmen.
Der Kläger hat sich im Rahmen der vorzunehmenden subjektbezogenen Schadensbetrachtung nicht darauf berufen können, dass unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie der gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen auf dem in seiner Lage örtlich und zeitlich relevanten Markt ein wesentlich günstigerer Tarif zugänglich wäre.
Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass der Kläger der ihm grundsätzlich obliegenden Erkundi-gungspflicht nach dem günstigsten Tarif gerade nicht nachgekommen ist. Auch hat sich der Kläger im Rahmen der subjektbezogenen Schadensbetrachtung gerade nicht auf eine Eil- oder Notsituation berufen, die ausnahmsweise die grundsätzlich bestehende Erkundigungspflicht entbehrlich machen würde.
Grundsätzlich ist immer davon auszugehen, dass ein Geschädigter in der Lage gewesen wäre, im normalen Mietwagengeschäft ein Fahrzeug anzumieten, auch wenn er nicht im Besitz einer Kreditkarte ist. Auch sollte dem Geschädigten vorgehalten werden, dass er ggf. durch Anruf bei der gegnerischen Haftpflichtversicherung eine Vorfinanzierung der Mietwagenkosten hätte vermeiden können. Insofern braucht nicht weiter problematisiert zu werden, ob – wie von der Beklagtenseite vorgetragen – für den Kläger im Rahmen zumutbarer Anstrengungen und Nachfragen bei anderen Autovermietern, insbesondere den marktführenden wie Europcar, Sixt, Hertz etc., ein Fahrzeug einschließlich Haftungsreduzierung, Freikilometern sowie Zustellung unter 700,00 EUR erhältlich gewesen wäre. Ebenso braucht nicht weiter problematisiert zu werden, ob die durch das Mietwagenunternehmen zugrundegelegten Tarife als Normaltarife – wie in der Rechnung bezeichnet – einzustufen sind, da es auf die Bezeichnung durch das Mietwagenunternehmen nicht ankommt. Vielmehr wird das Gericht die Mietwagenkosten anhand des Normaltarifes schätzen zuzüglich eines 20 %igen Aufschlages für die Mehrleistungen bei der Vermietung von Unfallersatzfahrzeugen, da wie bereits ausgeführt der Geschädigte nicht grundsätzlich gegen seine Schadensminderungspflicht verstößt, wenn er ein Kraftfahrzeug zu einem Unfallersatztarif anmietet, wobei es gerade nicht auf die Bezeichnung des Tarifes in der Mietwagenrechnung ankommt.
Für die Ermittlung der nach dem Normaltarif zu erstattenden Mietwagenkosten greift das Gericht nach wie vor auf den Auto-Mietpreisspiegel der Schwackeliste, vorliegend auf die in dem Unfallereignis zeitlich näherstehende Liste des Jahres 2010 zurück.
Der Schwacke-Automietpreisspiegel ist aus Sicht des Gerichtes nach wie vor eine geeignete Schätzgrundlage. In tatsächlicher Hinsicht ist nicht zu beanstanden, dass die Daten zunächst durch das Unternehmen durch postalische Anfragen eingeholt wurden und Einflussmöglichkeiten anschließend durch teils anonyme Nachfragen oder Internetrecherche verifiziert wurden. Auch vermag der Einwand nicht durchzudringen, der sogenannte Modustarif sei kein Markttarif, sondern der von den Anbietern ohne Rücksicht auf ihren jeweiligen Marktanteil am häufigsten genannte Tarif. Die von der Beklagtenseite vorgetragene Erhebung des Fraunhofer-Institutes erachtet das Gericht als weniger geeignete Schätzgrundlage, da bei der Darstellung der Ergebnisse der telefonischen Erhebung sich das Fraunhofer-Institut auf lediglich einstellige Postleitzahlenbereiche beschränkt hat. Die Schwackeliste hingegen unterscheidet in der Darstellung nach zweistelligen Postleitzahlenbereichen. Im übrigen handelt es sich bei der Erhebung des Fraunhofer-Institutes bekanntermaßen um eine seitens der Versicherungswirtschaft initiierte und finanzierte Untersuchung, die nach Auffassung des Gerichtes nicht geeignet ist, den regionalen Markt abzubilden. Der überwiegende Anteil der ermittelten Einzelpreise wurde dabei über das Internet ermittelt, wobei laut Vorwort der Liste des Fraunhofer-Institutes als relevante Anbieter im Internetgeschäft die marktführenden Unternehmen wie Avis, Budget, Enterprise, Europcar, Hertz und Sixt einbezogen wurden. Das heisst, dass sämtliche mittelständischen Anbieter und Autohäuser, die Autovermietung betreiben, weder an der Studie 2008 noch an der von 2009 beteiligt wurden, so dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Datenerhebung des Fraunhofer-Institutes den regionalen Markt zutreffend darstellt. Gerade im ländlichen Bereich sind jedoch nur wenige der sechs befragten Anbieter vor Ort ansässig.
Bei der betragsmäßigen Ermittlung des maßgebenden Tarifes ist bei der Schwackeliste nicht auf den Tagesmietpreis, sondern vielmehr auf den längsten Modustarif, im vorliegenden Fall also auf einen Wochentarif abzustellen. Dieser ist durch die Anzahl der Wochentage zu dividieren und mit der Anzahl der Anmiettage zu multiplizieren.
Vorliegend ergibt sich damit folgende Berechnung:
Moduswochenpauschale PLZ-Gebiet 086:
658,07 EUR : 7 = 94,01 EUR x 14= 1.316,14 EUR
zuzüglich eines 20 %igen Aufschlags von 263,23 EUR = 1.579,37 EUR
abzüglich eines vorzunehmenden Eigenersparnisabzugs
von 10 % (157,94 EUR)= 1.421,43 EUR.
Hinzuzurechnen sind die Kosten für die Haftungsbeschränkung, unabhängig davon, ob für das verunfallte Fahrzeug eine Vollkaskoversicherung bestand. Des weiteren sind anzusetzen die Kosten für die Winterbereifung, da diese zusätzliche Mehraufwendungen für Einkauf, Lagerung und Wartung beinhalten, die mit dem normalen Mietwagentarif nicht abgegolten sind. Auch die Kosten für Zustellung und Abholung des Mietfahrzeuges sind erforderliche Mehraufwendungen. Hinsichtlich dieser Position greift das Gericht gemäß § 287 ZPO auf die in der Mietwagenrechung abgerechneten Preise zurück, die es für angemessen und erforderlich erachtet.
Insofern sind anzusetzen:
Haftungsbeschränkungskosten (14 x 29,00 EUR) = 406,00 EUR
Winterreifen (14 x 8,00 EUR) = 112,00 EUR
Zustellung und Abholung = 52,00 EUR.
Gesamtsumme 1.991,43 EUR
Abzüglich der von der Beklagtenseite bereits geleisteten 734,00 EUR ergibt sich somit ein noch zu zahlender Betrag von 1.257,43 EUR, so dass die Klageforderung von 1.047,64 EUR zuzusprechen war.
Die Zinsen waren gemäß §§ 286 Abs. 1 Satz 1, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB zuzusprechen.
Nicht zuzusprechen waren die geltend gemachten restlichen Rechtsanwaltsgebühren. Insofern ist der Beklagtenseite zuzustimmen, dass vorprozessuale Gebühren eingefordert wurden und insoweit auf den gesamt zu regulierenden Betrag unter Berücksichtigung bereits erstatteter Kosten abzustellen ist.
Gezahlt wurde insoweit bereits auf einen Gegenstandswert von 11.586,37 EUR eine 1,3-Gebühr i.H.v. 837,52 EUR. Da ein Gebührensprung erst ab einem Gegenstandswert von 13.000,00 EUR vorhanden ist, sind weitere Anwaltskosten nicht zu erstatten.
Die Kostenentscheidung erfolgt aus §§ 91 Abs. 1, 100 Abs. 4 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Soweit das AG Poessneck.
Urteilsliste “Mietwagenkosten” zum Download >>>>>
Siehe auch: CH-Beitrag vom 08.01.2014