Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,
nachfolgend überreiche ich ein Urteil des Amtsgerichts Wolfsburg. Auch in dem diesem Urteil zugrunde liegenden Rechtsstreit ging es wieder einmal um restliche Sachverständigenkosten, die der eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherer nicht regulieren wollte. Als Ergebnis dieser Regulierungsverweigerung ist nunmehr der Schädiger selbst zur Zahlung der Urteilssumme verurteilt worden. Eine schöne Versicherung, die ihren VN vor die Gerichtsschranken treibt. Lest aber selbst und gebt Eure Kommentare ab. Das Urteil wurde erstritten und dem Autor eingesandt durch Herrn Rechtsanwalt Lutz Imhof aus Aschaffenburg.
Viele Grüße
Euer Willi Wacker
Amtsgericht
Wolfsburg
Geschäfts-Nr.:
22 C 544/11
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
des Herrn K. S. aus W.
Kläger
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte D. I. u. K.
gegen
Herrn R. Al. aus W.
Beklagter
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt C. F.
hat das Amtsgericht Wolfsburg im schriftlichen Verfahren gem. § 495a ZPO mit Ablauf der Steilungnahmefrist am 30.03.2012 durch die Richterin am Amtsgericht …
für Recht erkannt
1.) Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 380,11 Euro nebst Zinsern in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2010 zu zahlen.
2.) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3.) Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5.) Der Streitwert des Verfahrens wird auf Wertstufe bis 600 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Darstellung des Tatbestandes entfällt gem. § 313a Abs. 1 S. 1 ZPO.
Entscheidungsgründe
Die Klage war zulässig und begründet.
Der Kläger hat gegen den Beklagten restliche Schadenersatzansprüche aus dem streitgegenständlichen Unfallereignis gem. §§ 7 Abs.1, 18 Abs. 1, Abs. 3 StVG, 823 Abs. 1 BGB in ausgeurteilter Höhe.
Von dem Schadensersatzanspruch des Klägers sind gem. § 249 BGB auch Kosten für die Einholung eines Sachverständigengutachtens umfasst, soweit sie erforderlich waren, um den geltend zu machenden Schaden dem Grunde und der Höhe nach gegenüber dem Beklagten darzustellen.
Der Kläger hat sich hierzu an den Sachverständigen Dipl.-Ing. … gewandt und diesem den streitgegenständlichen Auftrag unter Zugrundelegung des von dem Dipl.-Ing. vorgefertigten Preisblattes erteilt.
In dem Vertrag ist ein Grundhonorar vereinbart und im Preisblatt aufgeschlüsselt, was in dem Grundhonorar beinhaltet ist.
Weiter wurde eine Vereinbarung über weitere Nebenkosten, die im Einzelnen aufgeschlüsselt sind, getroffen und schließlich eine Honorarforderung von insgesamt 643,61 Euro vereinbart.
Der Vereinbarung zwischen dem Kläger und dem Sachverständigen waren nicht die Gebührensätze des JVEG zu Grunde zu legen. Vielmehr bestimmt sich die Bemessung der Sachverständigenvergütung in diesem Verhältnis nach dem billigen Ermessen des Sachverständigen.
Der Kläger kann dabei zu Recht als Laie die getroffene Honorarvereinbarung als erforderlich erachten, sofern für ihn nicht erkennbar ist, dass das Sachverständigenhonorar willkürlich festgesetzt ist, Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen oder offensichtliche Unrichtigkeiten der Begutachtung oder der Vergütungsberechnung von dem Kläger missachtet wurden und ihm so ein Auswahlverschulden zur Last gelegt werden könnte.
Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger als Laie nach seinen Erkenntnismöglichkeiten und Fähigkeiten hier Anlass gehabt haben muss, eine etwaige Unbilligkeit der Sachverständigenkosten zu erkennen, sieht das Gericht nicht.
Die vereinbarte Vergütung wurde im Einzelnen aufgeschlüsselt.
Die Kosten für z. B. die Einzelleistungen für Nebenkosten mögen zwar aus fachmännischer Sicht teilweise überhöht sein . Es ist jedoch mit nichts ersichtlich, dass dies dem Kläger als unfallgeschädigten Laien derart hätte ins Auge springen müssen, dass er von der getroffenen Honorarvereinbarung hätte Abstand nehmen müssen.
Auch gegen die Berechnung weiterer Nebenkosten neben einem eigentlichen Grundhonorar bestehen keine Bedenken (vgl. Geigel, Der Haftpflichtprozess, 26. Aufl., 3 Rdn. 120 f.).
Soweit der Beklagte hier die Notwendigkeit einzelner Nebenkosten mit Nichtwissen bestreitet, ist das Bestreiten insoweit gem. § 138 Abs. 4 ZPO unzulässig.
Denn das streitgegenständliche von dem Dipl.-Ing. … gefertigte Gutachten liegt der Haftpflichtversicherung des Beklagten vor.
Der Beklagte hätte hier durch Nachfraqe sich die Wahrnehmungsmöqlichkeit bzql. des Umfanges der Begutachtung und des Umfanges der Ausstattung des Gutachtens verschaffen können und müssen und sodann substantiiert bestreiten müssen (vgl. Baumbach/Lauterbach, ZPO Kommentar, 68. Aufl., § 138, Rdn. 53).
Die Zinsentscheidung betreffend die Hauptforderung beruht auf §§ 280, 286, 288 BGB, nachdem der Beklagte zur Zahlung zum 31.05.2010 angemahnt wurde.
Von dem Schadensersatzanspruch des Klägers sind gem. § 249 BGB auch die Kosten für eine notwendige Rechtsverfolgung in ausgeurteilter Höhe erstattungsfähig.
Der den vorgerichtlichen nicht anrechenbaren Rechtsanwaltskosten zu Grunde liegende Gegenstandswert ist zwischen den Parteien unstreitig.
Der Kläger kann die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten jedoch nur nach einer 1,3 -fachen Regelgebühr beanspruchen.
Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des Nr. 2300 VV RVG kann eine Gebühr über 1,3 nur gefordert werden, wenn die Angelegenheit umfangreich und schwierig war. Dies ist im vorliegenden Fall weder ersichtlich noch hinreichend dargetan. Es handelt sich um eine durchschnittliche Unfallabwicklung mit weitgehend unstreitigem Sachschaden und eindeutiger Haftungslage. Bei dem streitigen Problem der Erstattungsfähigkeit der Gutachterkosten handelt es sich um ein wiederkehrendes Standardproblem, was keiner speziell für den Fall vertieften Sachbearbeitung bedarf. Erhöhungsgründe gem. § 14 RVG sind daher nicht ersichtlich.
Das Gericht ist auch nicht an die Gebührenbestimmung des Rechtsanwaltes gebunden. Die Einräumung eines sog. Toleranzspielraumes (so BGH NJW 2011, 1603) widerspräche dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes. Die Erhöhungsmöglichkeit der Gebühr nach Nr. 2300 VV RVG ist an Gesetzlich vorgegebene und gerichtlich überprüfbare Voraussetzungen gekoppelt, die hier nicht vorliegen. Aus dem Grund folgt das Gericht der insoweit ergangenen Rechtsprechung des BGH nicht (vgl. auch OLG Gelle, Urteil vom 28.12.2011, 14 U 107/11).
Der Feststellungsantrag war gem. § 256 ZPO unzulässig, worauf der Kläger hingewiesen wurde. Er war dem bekannten Verzinsungsbeginn nach und der bekannten Höhe der verauslagten Gerichtskosten nach zu konkretisieren (§ 253 ZPO ).
Der geltend gemachte Zinsanspruch resultiert aus §§ 280, 286 BGB als Verzugsschaden. Nachdem diese so geltend gemachten Zinsen nicht im Kostenfestsetzungsverfahren festsetzbar sind, bestand für die Geltendmachung auch ein Rechtschutzbedürfnis.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2, Nr. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 48 Abs. 1 GKG, 3 ZPO.
Und nun bitte Eure Kommentare
Hi Willi,
wieder wurde ein Schädiger dirkt verklagt und verurteilt, nur weil seine Versicherung nicht korrekt das Honorar des SV bezahlen wollte. So muss es immer gehen. Der Schädiger hat den Unfall verursacht, also muss er auch dafür geradestehen. Mit allen Konsequenzen, auch dass er verklagt und verurteilt wird.
mit Genugtuung war zu hören,dass selbst in Fachanwaltslehrgängen die VN-Klage mittlerweile propagiert und dazu auf CH verwiesen wird.
Es dauert halt a bisserl,verkrustete Strukturen aufzubrechen.
Wann kommt eigentlich die CH-App?
Hi Kollege Vaumann,
dann hat die Untergrundarbeit doch gefruchtet. Ich dachte schon, das würde nichts und die dritte Gruppe, die Agenten aus dem Umfeld von München, müssten auch noch eingreifen. Aber, wenn das so ist, wie Du schreibst, dann kann man dem CH-Blog nur weiterhin viel Erfolg wünschen.
Mit kollegialen Grüßen
Schlapphut