Hallo veehrte Captain-Huk-Leser,
ich melde mich aus den Pfingstferien zurück und setze die Urteilsreise fort. Wir landen nunmehr in Brandenburg. Nachstehend gebe ich Euch ein Musterurteil aus Perleberg bekannt. Erstklassige Arbeit von der Perle aus der Frauenfraktion, so könnte man das hervorragende Urteil der Amtsrichterinn der 10. Zivilabteilung des AG Perleberg bezeichnen. Beklagter ist ein bei der HUK-Coburg versicherter Fahrzeughalter. Kläger ist der Geschädigte selbst. Der Einwand der Beklagtenseite, der Kläger sei in diesem Fall nicht aktivlegitimiert, scheitert in diesem Fall an der BGH-Rechtsprechung zu der Geltendmachung abgetretener Forderungen. Die Abtretung war nämlich unwirksam, so dass nach wie vor der Geschädigte berechtigt war, seinen Schaden geltend zu machen. Das Urteil wurde erstritten und dem Autor übersandt durch Herrn Rechtsanwalt Lutz Imhof aus Aschaffenburg. Übrigens wird dieses Urteil mit Anmerkung auch veröffentlicht. Dieses Urteil hat auch drei Sterne verdient.
Viele Grüße und eine schöne nachpfingstliche Woche
Euer Willi Wacker
10 C 122/11 verkündet am 08.05.2012
(Geschäftsnummer)
Amtsgericht Perleberg
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
T. U. aus S.
– Kläger –
– Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwälte D. I. & P. aus A.
gegen
B. N. aus W.
– Beklagter –
– Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwälte v. B. & K. aus B.
hat das Amtsgericht Perleberg im schriftlichen Verfahren aufgrund der bis zum 17.04.2012 eingereichten Schriftsätze durch Richterin am Amtsgericht …
für R e c h t erkannt:
1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 221,98 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.10.2010 zu zahlen.
2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger restliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 20,23 Euro nebst Zinsen daraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 02.10.2010 zu zahlen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gemäß §§ 313 a, 495 a ZPO ohne Tatbestand.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die Klage ist zulässig und begründet.
Der Kläger hat gegen den Beklagten Ansprach auf Erstattung der restlichen nunmehr geltend gemachten Sachverständigenkosten gemäß § 249 Abs. 1, Abs. 2 BGB.
Unstreitig haftet der Beklagte dem Grunde nach für die dem Kläger entstandenen Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 04.09.2010.
Gemäß § 249 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Geschädigte wegen einer Beschädigung einer Sache statt Herstellung des Zustandes, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre, den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen.
Zu den notwendigen Aufwendungen gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB gehören nach ständiger Rechtsprechung auch jene Kosten, die durch die erforderliche Beauftragung eines Sachverständigen entstehen.
Dabei ist der Geschädigte nicht verpflichtet, den günstigsten Sachverständigen herauszusuchen und diesen zur Erstellung des Gutachtens zu beauftragen. Dies, zumal der Sachverständige vor Abschluss seiner Tätigkeit in der Regel nicht angeben kann, wie hoch sein Honorar ausfallen wird.
Nach der Rechtsprechung des BGH (NZV 2007, 455) sind weder der Geschädigte noch das Gericht im Schadenersatzprozess berechtigt, eine Preiskontrolle hinsichtlich der Sachverständigenkosten vorzunehmen. Im Verhältnis Geschädigter gegen Schädiger ist es nicht relevant, im Rahmen der Prüfung der Erforderlichkeit im Sinne des § 249 BGB festzustellen, ob die vom Sachverständigen berechneten Kosten im Nachhinein der Höhe nach angemessen waren oder nicht. Diese Kosten sind auch dann als erstattungsfähig anzusehen, wenn sie sich im Nachhinein als zu hoch erweisen sollten.
Mit seinem Urteil vom 10. Oktober 2006, Aktenzeichen X ZR 42/06, hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass als übliches Gutachterhonorar nicht ein bestimmter Betrag, sondern gewisse Bandbreiten anzusehen sind. Das heißt, dass jegliche Ansätze in der Honorarrechnung des Sachverständigen … innerhalb der Honorarbreiten aus den aktuellen Honorarumfragen des BVSK e.V. und VKS e.V. sich ergeben. Der Sachverständige … ist Mitglied im VKS e.V..
Die durch die HUK-Coburg vorgenommene Kürzung bei den Gutachterkosten ist deshalb nicht gerechtfertigt.
Unstreitig hat der Kläger die Gutachterkosten in voller Höhe an den Sachverständigen … gezahlt.
Da der Beklagte das Regulierungsverhalten seiner Haftpflichtversicherung gemäß § 164 BGB wie sein eigenes zu vertreten hat, hat er auch hinsichtlich der vorgenommenen Regulierangskürzung diese zu vertreten.
Die Einwendungen des Beklagten bezüglich der Erstellung eines Maschinengutachtens liegen neben der Sache. Tatsächlich hat der Sachverständige … ein Kfz-Schadensgutachten zu den Unfallschäden am Pkw des Klägers erstellt.
Wie weiter oben ausgeführt, hat der Schädiger an den Geschädigten selbst überhöhte Gutachterkosten zu erstatten. Eine Erkundigungspflicht trifft den Geschädigten nur insoweit, wenn er vor Zahlung der Gutachterkosten deren Unangemessenheit hat erkennen können, also, dass man dem Kläger begründet vorwerfen könne, er habe bei Bezahlung der Gutachterkosten deren Überhöhung erkennen können und der Kläger hätte deshalb die Bezahlung der Gutachterkosten gegenüber dem Sachverständigen, in voller Höhe jedenfalls, ablehnen müssen. Dies ist beklagtenseits nicht behauptet und auch nicht ersichtlich. Es ist Sache des Schädigers, behauptete Unangemessenheit von Gutachterkosten darzulegen bzw. zu beweisen. Die Darlegungs- und Beweislast trägt nämlich der Beklagte, weil der Sachverständige Erfüllungsgehilfe des Schädigers, nicht des Geschädigten ist (vergl. BGH NJW 1972, 1800). Eventuelle Fehler des Sachverständigen sind deshalb gemäß §§ 254 Abs. 2 Satz 2, 278 BGB stets dem Schädiger zuzurechnen, nicht jedoch dem Geschädigten (vergl. dazu BGHZ 63, 182).
Wenn also der Sachverständige eine unsubstantiierte Rechnung vorlegen sollte, fällt dies dem Schädiger zur Last, nicht dem Geschädigten. Im Verhältnis zum Schädiger wird zu Gunsten des Geschädigten die Richtigkeit, Angemessenheit und Vollständigkeit der Rechnung vermutet. Unbenommen bleibt es dem Schädiger, im Regresswege gegen den Sachverständigen vorzugehen.
Nach der vorherrschender Meinung ist der Geschädigte in der Regel mit den tatsächlichen und rechtlichen Anforderungen bezüglich der Art und des Umfangs von Rechnungen des Sachverständigen als Laie überfordert, anders als eine hinter dem Schädiger stehende Haftpflichtversicherung.
Der Streit über die Angemessenheit oder Üblichkeit von Gutachterkosten ist jedenfalls nicht auf dem Rücken des Geschädigten auszutragen.
Soweit der Beklagte weiter einwendet, der Kläger sei nicht aktiviegitimiert, unter Hinweis auf eine erfolgte, allerdings unwirksame Abtretung, ist dieser Vortrag des Beklagten unsubstantiiert.
Er hat eine bestrittene Abtretungserklärung nicht vorgelegt.
Das Gericht erkennt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger bei der Auswahl des Sachverständigen gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen haben kann, was zu einer Reduzierung des geltend gemachten Anspruches nach § 254 BGB führen würde.
Hinsichtlich der vorgerichtiichen Kosten der Rechtsverfolgung hat der Kläger Anspruch aus dem Gesichtspunkt des Verzuges gemäß §§ 280, 286 BGB. Ein Geschäftsgebührenansatz von 1,5 in Höhe von 175,73 Euro ist üblich und angemessen in Fällen, in denen die außergerichtliche Schadensabwicklung nicht erfolgreich verläuft.
Zuzustimmen ist der Beklagtenseite, dass für eine durchschnittliche Schadensabwicklung ein Gebührenansatz von 1,3 gerechtfertigt ist. Diese ist in der Regel dadurch gekennzeichnet, dass der Rechtsanwalt für den Geschädigten 2 bis 3 Ansprachsschreiben verfasst mit dem Ergebnis, dass die Schadenersatzansprüche des Mandanten dann vollständig und abzugslos reguliert werden. Dies ist vorliegend jedoch nicht gegeben.
Soweit der Kläger begründet hat, dass der Anspruch über dieser durchschnittlichen Schadensabwicklung mit 1,5 Gebührenansatz gerechtfertigt sei, weil es nicht zu einer außergerichtlichen Regulierang der Schadensersatzansprüche des Klägers gekommen ist und es sich insoweit nicht um eine nur durchschnittliche Schadensregulierungsangelegenheit gehandelt hat, folgt das Gericht diesem, insbesondere im Hinblick darauf, dass es Entscheidungen anderer Gerichte insoweit gibt, dass sich die Rahmengebühr des Rechtsanwalts im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen bestimmt. Wenn die Gebühr, wie hier, von einem Dritten zu ersetzten ist, dann ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung dann nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist. Dabei ist dem Rechtsanwalt ein Spielraum von 20 % zu lassen. Hinsichtlich des Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit ist primär auf den zeitlichen Aufwand abzustellen. Dabei ist die Intensität der Tätigkeit unerheblich, es kommt alleine darauf an, ob der Anwalt durch die Bearbeitung des Mandats gehindert war, sich anderen Angelegenheiten zu widmen,
Bei Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit kann nicht nur auf die Tätigkeit abgestellt werden, die sich im Schreiben des Anwalts niederschlägt, sondern sind auch zu berücksichtigen Beratungs- und Aufklärungstätigkeiten des Anwalts, etwa bei dem ersten Gespräch nach dem Unfall. Für eine normale durchschnittliche Unfallregulierang ist ein Gebührensatz zwischen 1,2 und 1,8 der angemessene Bereich, weil leichte zügige Abwicklungen eher im Bereich von 1,2 bis 1,4 anzusiedeln sind. Etwas kompliziertere aber noch durchschnittliche Regulierungen liegen in dem Bereich von 1,6 bis 1,8. Das Gericht hat weiter zu berücksichtigen, dass dem Rechtsanwalt bei der Festlegung der Rahmengebühr gemäß § 14 RVG ein Ermessen zusteht, welches sich innerhalb einer Abweichung von 20 % der richterlichen Überprüfung entzieht.
Das Amtsgericht Karlsruhe hat mit Urteil vom 10.06.2008 im Verfahren 5 C 185/08 eine 1,5-Geschäftsgebühr ausgeurteilt, die dem klagenden Geschädigten für die Abwicklung seiner Unfallschadenersatzansprüche von seinem Rechtsanwalt in Rechnung gestellt worden sind. Ein überdurchschnittlicher Aufwand wurde deshalb als gegeben angesehen, weil der Rechtsanwalt einen Klageentwurf fertigen und bei der Rechtsschutzversicherung zur Erteilung der Deckungszusage einreichen musste.
Das Gericht sieht keine Anhaltspunkte dafür, eine von den insgesamt 1,5 abweichende Regelung zu treffen. Eine Einholung eines Sachverständigen Gutachtens der zuständigen Rechtsanwaltskammer bedarf es dafür nicht.
Insoweit war der Beklagte zur Zahlung des verbliebenen Restbetrages von 20,23 Euro zu verurteilen.
Der Kläger hat ebenso Anspruch gegen den Beklagten auf Zinsen in der gesetzlich geltend gemachten Höhe aus dem Gesichtspunkt des Verzuges.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Danach hat der Beklagte als Unterlegener die gesamten Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 ff ZPO.
Und nun bitte Eure Kommentare
Ja mei Willi,
das Urteil von den Saupreußen aus Brandenburg ist wahrlich lesenswert und hat 3 Sterne verdient. Jungs und Madels macht weiter so.
Servus
Euer Aigner Alois
AG Perleberg verurteilt mit lesenswertem Urteil HUK-VN zur Zahlung restlicher Sachverständigenkosten und RA.-Gebühren mit Urteil vom 8.5.2012 – 10 C 122/11 -.
Dienstag, 29.05.2012 um 17:35 von Willi Wacker |
Sehr geehrter Willi Wacker,
das ist in der Tat mal wieder ein mustergültiges und deshalb lesenswertes Urteil, mit dem die Richterin jeglicher Manipulation des Gerichts deutlich entgegengetreten ist. Sie hat sich auch nicht leichtfertig dazu verführen lassen, auf eine nach werkvertraglichen Gesichtspunkten angestrebte Diskussion einzuschwenken, wie es ja bekanntlich inzwischen zum Standardrepertoir der HUK-COBURG gehört, wenn damit beispielsweise darum gestritten wird, ob ein Foto „schadenersatzrechtlich“ jetzt mit 2,50 € oder 2,80 € oder gar 3,50 € abgerechnet werden „darf“ (besser: ersetzt werden muss).
Auch diese Richterin hat der Versicherung nicht das Rüstzeug geliefert, das der HUK-COBUR u.a. zu dem Versuch mißbraucht, mit Hilfe der Gerichte eine „Quasigebührenordnung“ zu etablieren und nicht hörige bzw. unbequeme Sachverständige, die ihre Unabhängigkeit verteidigen, mit Hilfe ihrer hörigen Anwälte zu diffamieren und in Mißkredit zu bringen. Ein Angriff auf die Unabhängigkeit par excellence. Wenn hier einige wenige Gerichte dennoch ins gleiche Horn stoßen und die Anwälte der HUK-Coburg damit frech hausieren gehen können und dreist auch noch falsch vortragen, muss das Erstaunen erregen.
Es gibt sie also noch, die qualifizierte Richterelite in unserem Lande und das hat gerade diese Richterin repräsentativ mit diesem Urteil verdeutlicht. Ihr gebührt unser aller Hochachtung.
G.v.H.
Hallo Alois Aigner,
in Perleberg regieren immer noch die „Fischköppe“, denn das gehört zu Mecklenburg. Bei den Saupreussen klemmen die Schienen in den Gehirnen der Richter(-innen) noch. Die betrachten uns immer noch als Querulanten und urteilen zu Gunsten der HUK-Coburg. Offenbar nur aus Bequemlichkeit, weil sie die Sch…(piep) vom Tisch haben wollen.
Grüße aus „Sau-Preussen“
Hallo Mirko Schwäblein,
Perleberg ist die Kreisstadt des Landkreises Prignitz im Bundesland Brandenburg. Siehe Wikipaedia zum Stichwort Perleberg. Es gehört eindeutig nicht zu Mecklenburg-Vorpommern und auch nicht zu Sachsen-Anhalt. Die Angabe in meinem Vorwort zu dem Urteil – und auch die Angabe von A. Aigner – waren daher richtig.
Mit freundlichen Grüßen
Willi Wacker