Mit Urteil vom 17.12.2009 – 31 C 313/09 – hat der Amtsrichter der 31. Zivilabteilung des Amtsgerichtes Gardelegen den beklagten VN der HUK-Coburg verurteilt, an den klagenden Sachverständigen L. 225,65 Euro nebst Jahreszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu zahlen. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreites.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist zulässig und in vollem Umfang begründet. Der Beklagte schuldet dem Kläger aus abgetretenem Recht seiner Auftraggeberin, der Unfallgeschädigten S., gem. §§ 398 S. 1, 631 I, 632 BGB, 3 7 Abs. 1 StVG in Verbindung mit § 249 ff BGB Schadensersatz aus dem Verkehrsunfall vom 1.9.2008 in Höhe der restlichen, nicht erstatteten Gutachterkosten von 225,65 Euro.
Die grundsätzliche Haftung des Beklagten für die materiellen Folgen des Verkehrsunfalles vom 1.9.2008 steht außer Streit. Der Beklagte ist gem § 7 Abs. 1 StVG zum vollständigen Ersatz der Schäden verpflichtet, die der Unfallgeschädigten Frau S. aus dem streitbefangenen Unfall entstanden sind. Hierzu gehören auch die restlichen, nicht erstatteten Gutachterkosten von 225.65 Euro.
Der Kläger ist zur Geltendmachung dieses Schadens gegenüber dem Beklagten aktiv legitimiert auf Grund der wirksamen Abtretung der unfallbedingten Ansprüche auf Schadensersatz der Frau S. an ihn vom 5.9.2008.
Bei den Kosten, die durch die erforderliche Beauftragung eines Sachverständigen entstehen, handelt es sich um Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung und damit um erstattungsfähige Folgekosten eines Verkehrsunfalles nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB. Voraussetzung für ihre Erstattungsfähigkeit ist allein, dass sie adäquat kausal af das Unfallgeschehen zurückzuführen sind ( BGH Urt. vom 23.1.2007 – VI ZR 67/06 -).
Dass die Beauftragung eines Sachverständigen im vorliegenden Fall zur Feststellung der Schadenshöhe erforderlich war, ist unter den Parteien unstreitig.
Der an den Kläger abgetretene Anspruch der durch den Verkehrsunfall geschädigten Frau S. wäre nur dann nach § 254 BGB zu reduzieren, wenn Frau S. gegen die ihr obliegende Schadensgeringhaltungspflicht bei der Beauftragung des Klägers, des Sachverständigen L., verstoßen haben sollte. Insoweit ist aber im Anschluss an die Rechtsauffassung des OLG Naumburg (NJW RR 2006, 1030) folgendes zu berücksichtigen:
Der Streit über die Höhe der geltend gemachten Sachverständigenkosten darf nicht auf dem Rücken des Geschädigten ausgetragen werden. Ebenso wie bei der gleichgelagerten Problematik der Ersatzfähigkeit von Mietwagenkosten ist es dem Geschädigten vor Erteilung des Gutachtenauftrages nicht zuzumuten, Marktforschung zu betreiben und in jedem Fall mehrere Kostenvoranschläge von Sachverständigen einzuholen. Ein Preisvergleich dürfte ohne vorherige Begutachtung des Fahrzeuges durch mehrere Sachverständige auch nur schwer möglich sein. Zudem fehlen Tarifübersichten, an Hand derer sich der Geschädigte informieren könnte.
Außerdem ist der Sachverständige auch kein Erfüllungsgehilfe des Geschädigten, dessen etwaiges Verschulden ihm nach §§ 254 II 2, 278 BGB zugerechnet würde.
Daraus ergit sich, dass ein Geschädigter, solange für ihn als Laie nicht erkennbar ist, dass der Sachverständige sein Honorar geradezu willkürlich festsetzt, so dass Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen, oder dem Geschädigten selbst ein Auswahlverschulden zur Last fällt, er vom Schädiger den Ausgleich gezahlter Aufwendungen für ein Sachverständigengutachten in vollem Umfang verlangen kann.
Dieses zugrunde gelegt, sind die geltend gemachten Sachverständigenkosten des Sachverständigen L. in vollem Umfang zu ersetzen, denn der Kläger hat mit seiner Honorarabrechnung vom 8.9.2008 weder sein Honorar willkürlich festgesetzt noch stehen Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander. Das verlangte Grundhonorar liegt bei einer Schadenshöhe von 3.100,–Euro brutto (Wiederbeschaffungswert des verunfallten Fahrzeuges) nur geringfügig über dem Honorarkorridor der BVSK-Honorarbefragung aus den Jahren 200572006.
Soweit auch die übrigen Rechnungspositionen die Werte der BVSK-Honorarbefragung übersteigen, ist zu berücksichtigen, dass die Kraftstoffpreise in den letzten 4 Jahren erheblich angestiegen sind, so dass insgesamt gegen die erhöhte Kilometerpauschale noch keine rechtlichen Bedenken bestehen. Dies gilt auch für die vom Beklagten beanstandeten Foto-, Schreib- und sonstige Nebenkosten. Insgesamt ist daher nicht erkennbar, dass die vom Sachverständigen gewählten Ansätze in seiner Kostenrechnung erkennbar unbillig oder gar willkürlich festgesetzt worden sind.
So im wesentlichen das Urteil des AG Gardelegen.
Unglücklich ist der Hinweis des Amtsrichters auf die werkvertraglichen Vorschriften zu Beginn des Urteils. In den Urteilsgründen werden werkvertragliche Gesichtspunkte dann auch – folgerichtig – nicht mehr geprüft. Es handelt sich um einen Schadensersatzprozess, in dem werkvertragliche Prüfungen nichts zu suchen haben.
Hallo Willi Wacker,
die von dem Richter am Amtsgericht Gardelegen genannte Anspruchsnormenkette der §§ 398, 631, 632 BGB, 7 StVG i.V.m.§ 249 BGB ist unzutreffend, wenn er später in den Urteilsgründen auf die §§ 631 und 632 BGB nicht eingeht.
MfG
Jurastudentin
Hi Jurastudentin
Das war sicher nur ein verzeihlicher Fehlgriff in die Textbausteinkiste.
Hallo Willi Wacker,
die Schriftleitung der Neuen Juristischen Wochenschrift teilte mit, dass beabsichtigt ist, das obige Urteil in der NJW oder anderen jur. Zeitschriften des C.H.Beck-Verlages zu veröffentlichen.
Ich glaube, dass die von der Redaktion initiierte Verbindung zum C.H.Beck-Verlag nunmehr auch für beide Seiten Früchte trägt. Immer mehr werden die gegen Versicherungen ergangenen Urteile publik gemacht.
MfG
Friedhelm S.